#deliverunion - Basisgewerkschaften starten Lieferdienst-Kampagne

Begonnen von FAUBerlin_Presse, 02:36:28 Do. 29.Dezember 2016

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FAUBerlin_Presse

Deliveroo und Foodora sind zwei sehr junge Start-Ups, die mit einer Menge Startkapital rasant global expandieren. Sie lassen Zweifel aufkommen, ob der digitale Kapitalismus das Ende der Arbeit bedeutet, wie mancherorts behauptet wird. Denn die Radfahrer, die für die neuen Internet-Lieferdienste unterwegs sind, müssen sich abstrampeln und tragen im Straßenverkehr ein enormes gesundheitliches Risiko. Mit der Kampagne #deliverunion melden sich nun die FahrerInnen zu Wort.

Da die meisten FahrerInnen (schein-)selbstständig sind, fehlt für sie jede soziale Absicherung im Risiko-Job. Für einen geringen Lohn plus Boni pro Zustellung wird den FahrerInnen volle Flexibilität abverlangt, sie fahren auf ihren eigenen Rädern und sind ständiger Kontrolle ausgesetzt, da ihre Fahrtwege und Fahrtzeiten genau überwacht werden.
Doch die Vernetzung übers Internet hat auch ihre Vorteile für die meist jungen ArbeiterInnen: Sie bieten die Möglichkeit, sich auszutauschen und sich abzusprechen. So drehten dieses Jahr in Berlin Deliveroo-FahrerInnen ihre Känguruh-Rucksäcke auf den Kopf, um gegen die schlechte Bezahlung zu protestieren und erhielten schließlich einen Regenzuschlag.

In London organisierten Deliveroo-FahrerInnen einen wilden Streik und wehrten sich erfolgreich gegen die Umstellung der Bezahlung auf reinen Stücklohn. Sie waren Vorbild für den selbstorganisierten Widerstand gegen die prekären Arbeitsbedingungen auf internationaler Ebene: Auch in Mailand und Turin kämpften die Foodora-FahrerInnen mit selbstorganisierten Streiks und Protestaktionen erfolgreich für höhere Löhne beim Berliner Start-Up.

Die internationale Vernetzung der ArbeiterInnen hat gerade erst begonnen. So wurde bei der Bilbao-Konferenz von Basisgewerkschaften zur Neukoordination der internationalen Zusammenarbeit im November diesen Jahres die Lieferdienst-Kampagne #deliverunion ins Leben gerufen. Initatoren der Kampagne sind die Deliveroo-Fahrer der Industrial Workers of the World (IWW) Bristol: Selbstbewusst schildern Deliveroo-Fahrern aus Bristol in einem Video, das seit Tagen im Internet kursiert, wie sie erste Schritte unternommen haben, um Verbesserungen auf der Arbeit zu erreichen:
http://deliverunion.com/

An #deliverunion nehmen Basisgewerkschaften aus über acht Ländern teil, an die sich FahrerInnen wenden können. Ziel der Kampagne ist es, den Austausch über kollektive gewerkschaftliche Aktionsmöglichkeiten anzuregen und den Lieferdienst-ArbeiterInnen eine Plattform zur internationalen Vernetzung zu bieten, auf der sie sich über Ihre Rechte informieren können.  

Hier finde ich gewerkschaftliche Unterstützung:

Wer Verbesserungen erreichen möchte, kann sich in Deutschland an die Wobblies (IWW) und die Freie ArbeiterInnen Union (FAU) wenden. Die FAU hat für LieferdienstfahrerInnen die Email-Adresse lieferdienst@fau.org eingerichtet, Hilfe und Unterstützung lässt sich auch jeweils in den Städten anfragen, in denen die FAU präsent ist.  

dagobert

Zitat von: FAUBerlin_Presse am 02:36:28 Do. 29.Dezember 2016und sind ständiger Kontrolle ausgesetzt, da ihre Fahrtwege und Fahrtzeiten genau überwacht werden.
Ein klarer Hinweis auf eine abhängige Beschäftigung.
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

Kuddel

Deliveroo schüttet 250 Millionen Pfund an die Aktionäre aus, aber keinen Pfennig an die Fahrer, die das Unternehmen auf ihrem Rücken tragen.

mark.richter

Moin!

vielleicht interessiert euch dieser Artikel über die Organisierung bei Deliveroo in UK.


Zitat"Pete Davies beschreibt die Erfolge und Erkenntnisse aus der Kampagne beim Lieferdienst Deliveroo im Vereinigten Königreich."

Artikel auf Spuren der Solidarität:  https://spuren.cc/die-rote-flamme-brennt-deliverunion-uk-deliveroo/

Kuddel

Danke. Ich finde es interessant aus der gewerkschaftlichen Praxis von Basisgewerkschaften zu hören.

Ich würde annehmen, es sind die Beschäftigten, die die (lockere) Struktur einer solchen Gewerkschaft nutzen, um sich zu verteidigen und eine bessere Situation bei der Arbeit zu erreichen.

Es gibt auch die Strategie, in einem Betrieb anzuheuern, um ihn aufzumischen und gemeinsam mit den Kollegen für Unruhe zu sorgen.

In dem geschilderten Beispiel scheint es sich um eine Organizing Kampagne zu handeln. Man tritt von außen an einen Betrieb und sucht Kontakte zu den Beschäftigten, ohne dort selbst arbeiten zu wollen. Man sucht das Gespräch und versucht den Fahrern zu helfen, sich zu organisieren und zu wehren.

Die Erfolge scheinen eher begrenzt zu sein.
ZitatAm optimalsten funktionierte das Kurier-Netzwerk, wo starke Fahrer*innen eng mit den IWW-Organizer*innen und -Ortsgruppen zusammenarbeiteten. Aus verschiedenen Gründen entwickelten sich diese Beziehungen jedoch nur in wenigen, vereinzelten Städten. Anders, als wir uns erhofft hatten. In einigen Städten war die Ortsgruppe bereit und in der Lage, aber es gab nur wenig Interesse von Kurier*innen und niemand meldete sich. Es erwies sich für externe IWW-Organizer*innen als nahezu unmöglich, das Misstrauen zu überwinden und Beziehungen zu den Fahrer*innen aufzubauen ohne gewerkschaftlich organisierte Fahrer*innen. In anderen Städten hatten wir aufgestachelte Kuriere und Fahrer*innen-Organizer*innen, die sich um die Unterstützung der IWW bemühten. Aber der örtlichen Ortsgruppe fehlte die Kapazität, um sie zu unterstützen.

Die Betroffenen sehen eine Kluft zwischen den Aktivisten von außen und den Fahrern selbst.

ZitatDas Netzwerk der Kuriere ruht derzeit. Die Fahrer*innen im ganzen Vereinigten Königreich scheinen die Gewerkschaften immer mehr zu verdrängen. Sie scheinen selbst zu organisieren, ohne externe Unterstützung, die sie oft als ,,dritte Partei" wahrnehmen.

In Deutschland ist die IWW sehr klein. Ich nehme nur hin und wieder Medienarbeit von ihr wahr. Ich kenne keine konkreten betrieblichen Aktivitäten.

Ich würde mich für die IWW Betriebsarbeit interessieren, so es sie gibt...

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