US-Deserteure in Kanada

Begonnen von Kater, 19:54:24 Sa. 26.März 2005

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Kater

Donnerstag 24. März 2005, 21:14 Uhr
US-Deserteur in Kanada nicht als Flüchtling anerkannt

Toronto (AP) Die kanadische Regierung hat einem US-Deserteur den Status als Flüchtling verwehrt. Die am Donnerstag veröffentlichte Entscheidung ist ein schwerer Rückschlag für mindestens acht weitere ehemalige Soldaten der US-Streitkräfte, die lieber ins Nachbarland geflohen waren als im Irak-Krieg zu kämpfen, in dem ihrer Meinung nach Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung verübt werden. Kanada hat sich dem Irak-Krieg widersetzt, was zu Spannungen mit Washington führte. Die Regierung erklärte in ihrer Entscheidung, der ehemalige US-Fallschirmjäger Jeremy Hinzman habe nicht darlegen können, dass ihm bei einer Rückkehr in die Vereinigten Staaten Verfolgung oder eine grausame und ungewöhnlich harte Strafe drohe.

http://de.news.yahoo.com/050324/12/4gy5y.html

hier die website der Unterstützer (zur Zeit noch nicht aktualisiert)

http://www.jeremyhinzman.net/

Kater

hier gibt´s mehr über den US-Deserteur Jeremy Hinzman, ist aber auf Englisch...

http://www.csmonitor.com/2005/0427/p15s02-usmi.html

Kater

Update:

Toronto, 8.02.2006: Der Anwalt der 2004 nach Kanada geflüchteten US-Deserteure Jeremy Hinzman und Brandon Hughey hat die Anhörung vor  Kanadas ,,Immigration and Refugee Board" kritisiert, weil dieser sich geweigert hat, die Legalität der US-geführten Invasion des Irak zu untersuchen. Dadurch wurde seinen Mandanten zu Unrecht das Asylrecht in Kanada verwehrt.

Jetzt soll die Entscheidung des ,,Immigration and Refugee Boards"  vor dem kanadischen Bundesgericht angefochten werden. Eine Entscheidung in dieser Sache wird nicht vor mehreren Monaten erwartet und es könnte Jahre dauern bis alle Rechtswege in dieser politischen Asylfrage ausgeschöpft worden sind.

Die Soldaten, denen in den USA das Kriegsgericht und bis zu 5 Jahre Militärgefängnis drohen, können sich bis zur endgültigen Entscheidung ihrer Fälle weiterhin in Kanada aufhalten.

Zur Zeit befinden sich etwa 200 US-Deserteure in Kanada, von denen mehrere auf die Anhörungsverfahren in ihren Asylanträgen warten. Während des Vietnamkriegs lebten 55.000 amerikanische Deserteure in Kanada.

Hier ein englischsprachiger Bericht zu Jeremy Hinzman und Brandon Hughey :

http://news.yahoo.com/s/nm/20060208/wl_canada_nm/canada_life_canada_soldiers_col_2

       

Kater

die Berliner Zeitung dazu:

ZitatAsylbewerber aus den USA
Deserteure der US-Armee kämpfen vor Gericht um ein Bleiberecht in Kanada
Gerd Braune

OTTAWA. Ein Bundesrichter in Toronto steht vor einer politisch brisanten Entscheidung: Hat ein US-Soldat, der den Krieg im Irak ablehnt und sich nach Kanada absetzte, ein Recht, als politischer Flüchtling anerkannt zu werden? Über den Fall Jeremy Hinzman hinaus ist das Verfahren für eine Reihe junger US-Amerikaner wichtig, die in Kanada Zuflucht gefunden haben. Demonstranten empfingen Hinzman, als er am Mittwoch das Gericht in Toronto betrat. "Let War Resisters Stay", skandierten sie, um ihn zu ermutigen - "Gebt Kriegsverweigerern ein Bleiberecht".

Soldat hält Irak-Krieg für illegal

Hinzmann ist kein Einzelfall: Nach Angaben seines Anwalts haben etwa 20 US-Soldaten einen Antrag auf Anerkennung als Flüchtling gestellt. Der heute 27-jährige Hinzman war 2001 in die US-Armee eingetreten. Nachdem er sich den Quäkern, einer pazifistischen Religionsgruppe, angeschlossen hatte, stellte er zwei Anträge auf Anerkennung als Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Sie wurden abgelehnt. Er wurde nach Afghanistan geschickt, musste aber nicht in einer kämpfenden Einheit dienen, sondern wurde als Koch eingesetzt. Er kehrte in die USA zurück.

Im Januar 2004 setzte er sich von seiner Einheit, dem 82. Airborne Regiment in North Carolina ab, als er in den Irak geschickt werden sollte. Mit seiner Frau und dem damals zweijährigen Sohn Liam kam er nach Toronto. Hinzman, dem kanadischen Medien zufolge nach einer Abschiebung in die USA bis zu fünf Jahre Haft drohen, hält den Krieg im Irak für illegal. Er befürchtete, an Menschenrechtsverletzungen beteiligt zu werden. "Hinzman hatte Grund anzunehmen, dass Menschenrechte verletzt werden", sagt Gloria Nafziger von amnesty international Canada. Denn inzwischen würden dem 82. Airborne Regiment Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Im April 2004 lehnte das "Refugee Board", die Flüchtlingsbehörde, Hinzmans Asylantrag ab. Mit der Frage, ob der Krieg illegal sei, wollte sich das Gremium in Toronto nicht befassen. Und die Anerkennung als Kriegsverweigerer aus Gewissensgründen lehnte es nach Angaben von Hinzmans Anwalt Jeffry House ab. Hinzman habe nicht generell den Kriegsdienst verweigert, sondern speziell gegen den Irakkrieg argumentierte, hieß es.

Nun muss in zweiter Instanz ein Bundesrichter entscheiden. Hinzmans Anwalt stellte am Mittwoch zwei Gründe ins Zentrum seiner Argumentation: Der Krieg sei illegal, und kein Soldat könne gezwungen werden, in einem illegalen Krieg zu dienen. Außerdem lasse das Handbuch des UN-Flüchtlingskommissars die Kriegsverweigerung zu, wenn ein spezieller Krieg Menschenrechte verletze.

Anwalt House, der mit dem 20-jährigen Brandon Hughey einen zweiten US-Deserteur vertritt, weiß, "dass solche Fälle wegen ihrer weiten Folgen sehr schwer zu gewinnen sind". Entschiede der Richter, der Krieg sei illegal und es bestehe in Kanada ein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling, "dann würden eine Menge Soldaten kommen. Das hätte Folgen für die Beziehungen zu den USA".

Wieviel Asylanträge gestellt würden, ist nicht abzusehen. Aber House hat allein 94 mögliche Antragsteller getroffen. "Etliche sind vielleicht in die USA zurückgekehrt, andere mögen in den Untergrund gegangen sein." Er schätzt, dass 200 US-Deserteure in Kanada leben könnten. Die "Kampagne zur Unterstützung von Kriegsdienstverweigern" führt auf ihrer Website neun Fälle.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/525239.html

Kater

Zitat"Erst schießen, dann fragen"
Noch ein US-Refusenik in Kanada
02.04.2006  
 
Ein Artikel der britischen BBC vom Freitag berichtete über Joshua Key, einen weiteren US-"Refusenik", der aufgrund seiner Erfahrungen mit dem US-Militär im Irak nach Kanada geflohen ist, um sich nicht weiterhin an den Kriegsverbrechen im Irak beteiligen zu müssen.

Key wurde am 1. April 2003 mit seiner Einheit in den Irak entsandt. Was er dort erlebte, führte dazu, daß er bei einem Heimaturlaub im November des gleichen Jahres Stellen innerhalb des Militärs fragte, ob es Möglichkeiten gebe, daß er nicht in den Irak zurückkehren müsse. Man sagte ihm, er könne nur wieder in den Irak zurück oder ins Gefängnis gehen. Die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung wurde ihm eigener Aussage nach nicht genannt.

Daraufhin entschloß er sich zu "desertieren" - er benutzt selbst dieses Wort - und flüchtete mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in die Stadt Philadelphia. "Bevor ich in den Irak ging, brachte man mir bei, wie man Terroristen entkommt. Man lernt nur dorthin zu gehen, wo es bereits Verbrechen gibt. Man geht irgendwo hin, wo sich niemand um einen Deserteur kümmert, wenn jede Nacht jemand ermordet wird. Ich ging nach Philadelphia", so Key. 14 Monate später - Key hatte, um Arbeit zu bekommen, seine Sozialversicherungs- und seine Führerscheinnummer angeben müssen - war es Zeit für die Steuererklärung, was Key und seine Frau Brandi in Panik versetzte, da sie befürchteten, von den Behörden gefunden zu werden. Daher flohen sie im März 2005 nach Kanada, wo er auf Anraten seines Anwalts den Asyl beantragte.

"Die Greueltaten, die den unschuldigen Menschen des Iraks geschahen. Ich wollte nicht länger ein Teil davon sein. Ich kam nach Hause und desertierte", sagte er.

Der Sprengstoffexperte Key erinnerte sich beispielsweise an einen Vorfall, bei dem er zwei US-Soldaten sah, die mit dem abgetrennten Kopf eines Irakers Fußball spielten. In einem anderen Fall habe er gesehen, wie ein Truppführer des US-Heeres einem unbewaffneten Iraker einen Fuß abgeschossen hat. Die Grundeinstellung sei gewesen, "einfach zu schießen und später Fragen zu stellen", so Key.

Derzeit wird sein Asylantrag von der kanadischen Asylbehörde bearbeitet. Den Klagen zwei weiterer US-Refuseniks, Jeremy Hinzman und Brandon Hughey, gegen einen ablehnenden Bescheid der Asylbehörde ist am Freitag nicht stattgegeben worden. Richterin Anne Mactavish sagte in der Urteilsbegründung, die Strafverfolgung in den USA sei keine Verfolgung. "Tatsache ist, daß Staaten, einschließlich Kanada, ihre Bürger bestrafen können und dies tun, wenn sie aufgrund ihrer moralischen, politischen oder religiösen Ansichten" Gesetze brächen, so die Richterin. Der Anwalt der beiden Männer hatte schon zuvor angekündigt, notfalls bis zum Obersten Gerichtshof Kanadas zu gehen, sollte ihre Klage abgewiesen werden.

http://www.freace.de/artikel/200604/020406b.html

Kater

ZitatAuf der Flucht vor Amerika
Joshua Key war Soldat im Irak. Auf Heimaturlaub desertierte er. Seitdem lebt er mit seiner Frau und den vier Kindern im Untergrund. Von Annett Heide

Er könnte über die 404 fliehen, die sechsspurige Autobahn, dann immer in Richtung Norden, dorthin, wo die Schornsteine am Horizont kratzen, das könnte gehen. Oder über den Parkplatz da vorne, zum Lake Ontario, und dann unauffällig in den Strom des Berufsverkehrs hinein, ginge auch. Aber warum, fragt sich Joshua Key in diesem Moment, parken dort unten zwei Polizeiautos? Und wieso treibt auf dem See dieses Schnellboot umher? Treibt umher, als patrouilliere es. Als suche es jemanden. Als suche es ihn, den Obergefreiten Joshua Adam Key, Deserteur der US-Armee, auf der Flucht seit – er muss jetzt kurz rechnen –, auf der Flucht seit 673 Tagen.

weiter:

http://www.zeit.de/2006/17/US-Deserteure_17

Kater


Cindy Sheehan

Zitat10.05.06
USA-Deserteure sorgen für Debatte in Kanada
Friedensaktivistin Cindy Sheehan forderte bei Besuch Abzug aus Afghanistan
Von Hannes Heine, Toronto

Die US-amerikanische Friedensaktivistin Cindy Sheehan fordert bei einem Besuch in Kanada jetzt, die kanadischen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Der Einsatz am Hindukusch wird auch von den Kanadiern zunehmend abgelehnt.

Cindy Sheehan hat sich bei einem Besuch in Kanada dieser Tage für die Forderungen fahnenflüchtiger USA-Soldaten nach politischem Asyl stark gemacht. Seit die Friedensaktivistin im August 2005 aus Protest gegen den Irak-Krieg öffentlichkeitswirksam vor der Ranch von Präsident George W. Bush in Texas kampierte, gilt die ehemalige Lehrerin als Gesicht der US-amerikanischen Friedensbewegung. Ihr Sohn wurde im Alter von 24 Jahren als Soldat in Irak getötet. Zugleich kritisierte Sheehan in der Hauptstadt Ottawa auch die Stationierung von 2300 kanadischen Soldaten in Afghanistan, die es der USA-Regierung ermöglichten, mehr Truppen nach Irak zu senden.
Ihr Besuch kommt für die gegenwärtige Regierung ungelegen: Während sich Kanada unter dem damaligen liberalen Premierminister Jean Chrétien der Irak-Kriegskoalition verweigerte hatte, bemüht sich Ottawa nun um bessere Beziehungen zu Washington. Obwohl die Hälfte der in einer neuen Studie befragten Kanadier den Einsatz eigener Truppen in Afghanistan ablehnt, hat Premierminister Stephen Harper (Konservative) das Kontingent in Afghanistan gerade erst aufgestockt. Am Wochenende wurde bekannt, dass in der bevölkerungsreichen französischsprachigen Provinz Quebec inzwischen sogar bis zu 70 Prozent der Bevölkerung die Afghanistan-Mission ablehnen.
Trotzdem werden in der Öffentlichkeit kaum Forderungen nach einem Rückzug laut. Gleichwohl gab es auf Wunsch der Opposition eine Parlamentsdebatte über den Afghanistan-Einsatz. Nach Angaben aus Regierungskreisen wollten die Konservativen damit möglicher Kritik vorbeugen, sollte dieser Einsatz das nächste Wahlkampfthema werden.
Jack Layton, Parteichef der oppositionellen linkssozialdemokratischen NDP, nutzte die Gunst der Stunde und erklärte angesichts des Irak-Kriegs die Deserteure der USA-Armee zu »mutigen Individuen«. Während des Vietnam-Kriegs wanderten zehntausende US-amerikanische Soldaten als gesetzlich anerkannte Flüchtlinge nach Kanada ein. Doch Asyl wird Deserteuren aus dem Nachbarland heute nicht mehr gewährt, unter anderem weil es in den USA derzeit keine Wehrpflicht gibt, sondern eine aus Freiwilligen bestehende Berufsarmee.
Einwanderungsminister Monte Solberg (Konservative) betonte umgehend, geflohene USA-Soldaten würden weiterhin nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Auch der konservative Außenminister Peter MacKay lehnte Änderungen im Einwanderungsrecht ab. Beobachter gehen davon aus, dass seit Beginn des Irak-Kriegs hunderte junger USA-Soldaten unauffällig in Kanada leben.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=90169&IDC=2

Kater

ZitatFlucht nach Kanada
Hannes Heine 20.05.2006

In Kanada fordern Irak-Deserteure der US-Armee zum Ärger der konservativen Regierung Asyl und rufen dabei Erinnerungen an die Zeit des Vietnam-Kriegs hervor
Tagsüber Fahrradkurier in Kanadas größter Stadt, abends junger Familienvater, demnächst politischer Gefangener in den USA? Jeremy Hinzman kommt aus South Dakota und lebt wie zahlreiche US-Amerikaner in der kanadischen Metropole Toronto. Kanada gilt als weltoffen, die Studiengebühren sind relativ niedrig und Homosexuelle können hier legal heiraten. Doch Hinzman ist aus einem anderen Grund hier: Der ehemalige Soldat ist mit Frau und Kind auf der Flucht vor den US-Behörden. Die wollen ihn vor ein Kriegsgericht stellen, denn Hinzman desertierte, als er in den Irak verlegt werden sollte. Das war im Januar 2004.
   
Im April 2005 wurde sein Antrag auf politisches Asyl in Kanada abgelehnt. Amnesty International hat deshalb angekündigt, ihn als politischen Gefangenen einzustufen, sollte Hinzman in die USA abgeschoben werden. Der 27-Jährige ist kein Einzelfall. Über 8.000 junge US-Soldaten desertierten in den letzten Jahren aus Angst vor einem Einsatz im Irak. Beobachter gehen davon aus, dass seit Beginn des Irak-Kriegs Hunderte junger US-Rekruten unauffällig in Kanada leben. Sieben von ihnen tauchten in Toronto auf und haben Asylanträge gestellt. Bisher erfolglos, doch der Weg durch die Instanzen ist noch nicht zu Ende.

Der neuen kanadischen Regierung kommen die fahnenflüchtigen Amerikaner allerdings ungelegen: Da sich Kanada unter dem damaligen Premierminister Jean Chrétien (Liberale) der Irak-Kriegs-Koalition verweigert hatte, bemühen sich die regierenden Konservativen nun um bessere Beziehungen zu Washington. Der US-Botschafter sprach kürzlich schon ausgesprochen freudig von einem "neuen Ton" zwischen den Nachbarn. In Afghanistan ist Ottawa emsig mit dabei. Während die Hälfte der in einer vor kurzem veröffentlichten Studie befragten Kanadier den Einsatz eigener Truppen in Afghanistan ablehnt, hat Premierminister Stephen Harper (Konservative) das dortige Kontingent gerade erst auf 2.300 Soldaten aufgestockt.

Jack Layton, Parteichef der oppositionellen linkssozialdemokratischen NDP, nannte die Deserteure der US-Armee "mutige Individuen". Ihre neue Heimat teile ihre Werte, teilte er öffentlichkeitswirksam mit. Layton erinnerte auch an den Sommer 1969, als Pierre Trudeau, seinerzeit liberaler Premierminister, Kanada mitten im Vietnamkrieg zum "Refugium gegen den Militarismus" erklärte. Über 50.000 Kriegsdienstverweigerer kamen Anfang der 1970er, mehr als 20.000 blieben. Die Überläufer aus dem Süden wanderten als gesetzlich anerkannte Flüchtlinge nach Kanada ein. Viele von ihnen haben sich in der kanadischen Gesellschaft erfolgreich eingerichtet: Sie sind Lehrer, Ingenieure, Anwälte. In Toronto halfen sie den Irak-Ausreißern beim Ankommen in der neuen Heimat.

Asyl wird US-Deserteuren heute nicht mehr gewährt. Anders als vor 35 Jahren gibt es in den USA derzeit keine Wehrpflicht, sondern eine aus Freiwilligen bestehende Berufsarmee. Hat man sich aber erst einmal für den Dienst mit der Waffe entschieden, gibt es kaum ein Zurück. Die Einwanderungsbehörde erklärte, dass Hinzmans Familie in ihrer alten Heimat keine Menschenrechtsverletzungen zu befürchten habe. Ihm selber drohen zwar bis zu fünf Jahre Gefängnis. Doch eine Rückkehr in die USA würde sie "nicht der Gefahr grausamer oder ungewöhnlicher Behandlung aussetzen", begründete die zuständige Kommission die Ablehnung des Asylantrags.

Umgehend betonte auch Einwanderungsminister Monte Solberg (Konservative), dass geflohene US-Soldaten weiterhin nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Die kanadische Regierung hat momentan keine Schwierigkeiten, das Thema auszusitzen. Vergangenes Jahr desertierten nach US-Angaben gerade einmal 0,24 Prozent der US-Rekruten, allein 1971 waren es 33.000 Soldaten - immerhin 3,4 Prozent der amerikanischen Armee.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22705/1.html

Kater

Spiegel TV-MAGAZIN: Sonntag, 09. Juli, 22.30 - 23.25 Uhr, RTL

FLUCHTPUNKT KANADA - US-Deserteure verlassen ihr Vaterland

Weitere Themen der Sendung: Bush meets Stralsund - Vorbereitungen auf einen ungebetenen Staatsgast

ZitatIrak-Krieg Nein Danke! - US-Deserteure auf der Flucht

255.000 US-Soldaten haben seit Kriegsbeginn im Irak gekämpft. 5500 davon begingen Fahnenflucht, weil sie den Sinn ihrer Mission nicht mehr verstanden. Für sie war der Feldzug ihres obersten Dienstherren George W. Bush einfach nicht mehr nachvollziehbar. Zu schwach die Gründe für die Invasion, zu hoch die Zahl der zivilen Todesopfer. Viele der Deserteure sind auf ihrer Flucht vor dem Krieg in Kanada gelandet. Unter ihnen auch der Obergefreite Joshua Key. Der Vater von vier Kindern hat sieben Monate lang an vorderster Front gekämpft. Irgendwann konnte er nicht mehr und kehrte der Armee den Rücken. Was folgte war eine monatelange Odyssee durch Amerika. Erst vor kurzem endete seine Flucht hinter der kanadischen Grenze. Ob Key und die anderen Deserteure dort bleiben können, müssen die Gerichte entscheiden. In ihrer Heimat drohen ihnen mindestens fünf Jahre Gefängnis oder sogar die Todesstrafe. Kerstin Mommsen hat die kriegsmüden Soldaten besucht.

http://www.spiegel.de/sptv/magazin/0,1518,424816,00.html

Kater

ZitatIrakdeserteure bitten um Asyl - Flucht nach Kanada
Von Gerd Braune

Immer mehr US-Soldaten, die nicht im Irak kämpfen wollen, bitten in Kanada um Asyl. Ehemalige Verweigerer des Vietnamkriegs, die sich in Toronto organisiert haben, helfen ihnen dabei. Auch wenn dabei nicht von einer Massenflucht gesprochen werden kann, so wird deutlich, wie sehr sich in den Reihen der GIs Unzufriedenheit und Enttäuschung breitmachen.

OTTAWA. Der 20. Januar ist für Lee Zaslofsky ein besonderer Tag. An jenem Tag vor 37 Jahren kam er nach Kanada. Der gebürtige US-Amerikaner kehrte seiner Heimat den Rücken, weil er nicht in den Vietnamkrieg ziehen wollte. Das damals von dem linksliberalen Pierre Trudeau regierte Kanada nahm junge US-Bürger, die sich dem Krieg verweigerten, mit offenen Armen auf.

Die Vergangenheit hat den heute 62-jährigen Zaslofsky längst eingeholt. Seit zwei Jahren leitet er in Toronto das Büro der ,,War Resisters Support Campaign" (Kampagne zur Unterstützung von Kriegsverweigerern), die US-Soldaten unterstützt, die nicht in den Irak geschickt werden wollen, sich nach Kanada absetzen und dort Asyl suchen. ,,Es ist schlimm, dass 30 Jahre nach Vietnam erneut eine junge Generation dies mitmachen muss. Aber ich bin froh, dass ich helfen kann."

In diesen Tagen hat der dunkelhaarige Mann mit dem Schnauz- und Kinnbart, der seit 1975 die kanadische Staatsangehörigkeit besitzt, besonders viel zu tun. Täglich treffen in seinem kleinen Büro zwischen Torontos Chinatown und dem Universitätsdistrikt Anfragen aus den USA ein.

Die Entscheidung von Präsident George Bush, weitere 21 000 Soldaten in den Irak zu schicken, ,,hat zu einem beträchtlichen Anstieg der Anrufe und E-Mails von Leuten geführt, die sich mit dem Gedanken tragen, nach Kanada zu kommen", sagt Zaslofskys Mitarbeiterin Michelle Robidoux.

,,Wir geben den Soldaten den Rat, sich zunächst um Rechtshilfe in den USA zu bemühen, etwa bei der ,GI Rights Hotline'", erzählt Zaslofsky. ,,Aber manchmal fahren sie einfach los, und dann stehen sie vor unserer Tür." Und Garett Reppenhagen von der Organisation ,,Iraq Veterans Against The War" in Philadelphia will nicht ausschließen, dass nach der Bush-Entscheidung ,,noch mehr nach Kanada gehen".

Es gibt keine Massenbewegung von US-Soldaten in Richtung Kanada. Aber die Flucht zum nördlichen Nachbarn offenbart das Ausmaß der Unzufriedenheit, der Enttäuschung und der Verärgerung vieler GIs. Bisher haben nach Angaben der ,,War Resisters Support Campaign" etwa 35 US-Soldaten bei den ,,Refugee Boards", die für die Anerkennung von Flüchtlingen in Kanada zuständig sind, Anträge gestellt. Zaslofsky schätzt aber, dass sich in Kanada weitere 150 bis 180 US-Soldaten aufhalten, die abwarten, wie sich die Verfahren entwickeln – und welche Wendungen Irakkrieg und US-Politik nehmen.

Viel höher ist die Zahl derer, die sich unerlaubt von der Truppe entfernten. US-Medien geben, gestützt auf Daten des Verteidigungsministeriums, die Zahl der Deserteure seit Beginn des Irakkriegs im Frühjahr 2003 mit mindestens 8 000 an. Generell sei die Zahl der Soldaten, die Fahnenflucht begehen, seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 aber rückläufig, sagt das Pentagon.

In einer kleinen Souterrain-Wohnung in Toronto lebt seit Oktober der 26-jährige Phil McDowell mit seiner Frau. Er stammt aus dem US-Staat Rhode Island. Er studierte Informationstechnologie, als ,,9/11" passierte. Wenige Tage nach den Terroranschlägen von New York verpflichtete er sich zum Dienst in der US-Armee, die eine Freiwilligenarmee ist. ,,Es war die Antwort auf 9/11. Ich war überzeugt, dass dies in der Situation richtig war", erzählt er. Nach dem Studium schloss er sich 2002 der US-Armee an, wurde in Georgia und Texas ausgebildet und dann zum Irakkrieg einberufen. ,,Ich glaubte den Gründen für den Krieg: die Existenz von Massenvernichtungswaffen, die Verbindungen zwischen Saddam Hussein und El Kaida."

Von März 2004 bis März 2005 war er im Irak – und da kamen ihm Zweifel. ,,Es hieß, es gebe zwar keine Massenvernichtungswaffen, aber der Irak habe die Fähigkeit gehabt, sie zu entwickeln. Von einer Verbindung zwischen Irak und El Kaida war nicht mehr die Rede", berichtet McDowell. ,,Auf die Frage, wie der Krieg zu rechtfertigen sei, wurde mir gesagt, man wolle dem irakischen Volk helfen." Seine Zweifel wuchsen. Nach der Rückkehr in die USA hatte er noch ein Jahr Militärdienst vor sich. Aber kurz vor seiner Entlassung erhielt er die Mitteilung, dass er wieder in den Irak geschickt werde.

Aber McDowell wollte ebenso wenig zurück wie Darrell Anderson aus Kentucky, der heute andere US-Deserteure in Kanada unterstützt. Am 12. Oktober vergangenen Jahres, als McDowell mit seiner in Texas stationierten Einheit die USA verlassen sollte, setzte er sich in seinen grauen Volkswagen Jetta und fuhr los. Nach drei Tagen überquerte er bei Niagara Falls die kanadische Grenze. Sympathisanten der ,,War Resisters Support Campaign" gaben ihm und seiner Frau eine Wohnung. McDowell stellte den Antrag auf Anerkennung als Flüchtling und wartet nun auf die Anhörung vor dem Refugee-Board.

Sein Anwalt ist Jeffry House. Auch er durchlebt seine Vergangenheit noch einmal. Wie Zaslofsky kam er in den Zeiten des Vietnamkriegs nach Kanada. ,,In gewisser Weise schließt sich ein Kreis", sagt der Jurist, der US-Deserteure vor kanadischen Gerichten und Refugee-Boards vertritt. ,,Fragen, die ich mir als 21-Jähriger stellte, tauchen wieder auf", sagt er: ,,Wie steht es mit der Loyalität gegenüber einem Staat, wenn man sich von diesem getäuscht fühlt?" Der Irakkrieg und die Ankunft junger US-Soldaten haben in Kanada ein Netzwerk von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Vietnamära wiederbelebt. Nachdem Premierminister Trudeau, ein Gegner der Vietnampolitik der USA, verfügt hatte, dass Deserteure ohne Einzelfallprüfung ein Bleiberecht haben, kamen junge US-Bürger zu Tausenden nach Kanada. Es waren ,,draft dodgers", die dem Einberufungsbefehl in die damalige Wehrpflichtigenarmee nicht Folge leisteten, oder Deserteure, die sich zum Dienst gemeldet hatten, aber aus Gewissensgründen nicht nach Vietnam gehen wollten. Schätzungen der kanadischen Regierung liegen bei 30 000 bis 40 000, andere gehen von bis zu 120 000 US-Amerikanern aus, die nach Kanada kamen.

Auch wenn die Zahl der Irakdeserteure nur ein Bruchteil der Vietnamverweigerer darstellt, lässt die Erinnerung an jene Zeiten Rechtskonservative in den USA schäumen. Als sich Anfang 2004 die ersten US-Soldaten nach Kanada absetzten, drohte der konservative Fernsehkommentator Bill O'Reilly für den Fall, dass kanadische Behörden den Asylanträgen stattgeben und das US-Militär schwächen würden, dass er zum Boykott Kanadas aufrufen würde.

Irak-Verweigerer haben es heute in Kanada schwerer als ihre Vorgänger aus der Vietnamkriegszeit. Jeffry House vertritt neben McDowell auch Jeremy Hinzman und Brandon Hughey, die ersten beiden US-Soldaten, die in Kanada Antrag auf Flüchtlingsstatus gestellt haben. Ihre Argumentation steht für die vieler anderer: Sie halten den Krieg für unmoralisch und ungerecht, sehen religiöse Prinzipien, ihr Gewissen und internationales Recht verletzt.

Die Argumentation vor den Refugee-Boards stützt sich zunächst auf die Rechtsansicht, dass der Irakkrieg, der ohne UN-Mandat geführt werde, illegal sei und kein Soldat gezwungen werden könne, in einem illegalen Krieg zu kämpfen. Das zweite Argument baut darauf, dass Kriegsdienstverweigerung möglich sei, wenn ein Krieg Menschenrechte verletze – was nach Ansicht der Antragsteller durch die Vorgänge im Gefängnis Abu Ghraib deutlich wird.

Anwalt House weiß, wie schwer die Verfahren zu gewinnen sind. Sollte ein Richter entscheiden, dass die Kriegsdienstverweigerung gerechtfertigt sei, weil der Krieg illegal sei, könnte dies eine Fluchtwelle auslösen. Und im Gegensatz zur Vietnamkriegszeit ist die US-Armee heute eine Freiwilligenarmee. Das erschwert die nachträgliche Berufung auf das Gewissen.

Bisher konnte House weder Anerkennungsgremien noch Gerichte überzeugen. So wollte das Refugee-Board im Fall Hinzman überhaupt nicht die Frage prüfen, ob der Krieg legal sei. Die Anträge auf Flüchtlingsstatus wurden in allen Instanzen abgelehnt. Nun soll ein Berufungsgericht entscheiden. ,,Wenn wir keinen Erfolg haben, beabsichtigen wir, den Obersten Gerichtshof Kanadas anzurufen", sagt Michelle Robidoux von der ,,War Resisters Support Campaign". Die Gruppe möchte, dass Kanada wie zu Trudeaus Zeiten Kriegsdienstverweigerern ein Aufenthaltsrecht gibt, ohne dass sie individuell Anträge stellen müssen.

Unterdessen freut sich ihr Chef Zaslofsky über die Hilfsbereitschaft für US-Deserteure: ,,Es gibt Hunderte Menschen in Kanada, die bereit sind, Quartiere zur Verfügung zu stellen." Davon profitiert auch McDowell. Er will in Kanada bleiben, wenn er als Flüchtling anerkannt werden sollte. Dann wird der Volkswagen-Fan auch sein zweites Auto nach Kanada bringen: einen alten VW-Käfer.

http://www.handelsblatt.com/news/Politik/International/_pv/_p/200051/_t/ft/_b/1206939/default.aspx/flucht-nach-kanada.html

Kater

ZitatDie Terroristen sind wir
Joshua Key kämpfte mit der US-Armee im Irak. Warum er desertierte, kann man nun nachlesen
Christian Esch

Jede Nacht ist es dasselbe: Obergefreiter Joshua Key, wachgehalten von Angst, Abenteuerlust und Tabasco-Sauce, bringt Plastiksprengstoff an irgendeiner irakischen Haustür an, stürmt nach der Explosion als Dritter hinein und macht sofort einen Schritt nach links. Und jede Nacht wird es dann sehr verwirrend: Was sucht man eigentlich? "Meistens stießen wir bei den Hausdurchsuchungen auf AK47-Sturmgewehre. Das war so normal wie ein Waffenfund in einem Haus in Guthrie, Oklahoma." Dafür sind die Häuser im Irak schöner und geräumiger als die daheim, die Key kennt. Die Waffen werden mal mitgenommen, mal dagelassen, die Regeln sind unverständlich. Einfacher ist es mit den Bewohnern: Alle Männer und Jungen über ein Meter fünfzig werden gefesselt und abgeführt. Es bleibt Zeit, das Mobiliar zu zerlegen und Wertsachen einzustecken.

Etwa 200 irakische Häuser hat Joshua Key aus Oklahoma 2003 gestürmt, schätzt er; kein Mal hätten sich die Bewohner gewehrt, kein Mal sei etwas Verdächtiges gefunden worden, die Wut der Besatzer aber sei umso größer gewesen. "In meiner Zeit im Irak sah ich mindestens alle zwei bis drei Tage, wie unsere Soldaten irakischen Zivilisten in die Rippen traten oder ihnen ins Gesicht schlugen, bis ihnen das Blut aus Nase, Mund und Augenbrauen rann." Key prügelt anfangs mit, so wie er auch fleißig mitstiehlt. Allmählich aber wächst in diesem ersten Kriegssommer eine groteske Erkenntnis in ihm, "wie ein Krebsgeschwür": "Wir, die Amerikaner, waren im Irak zu Terroristen geworden."

Solche Sätze machen das erste Buch eines Deserteurs aus dem Irak-Krieg, das heute auf deutsch erscheint, zur propagandistischen Munition für Kriegsgegner ebenso wie für jene, die den Krieg gegen die US-Besatzer führen. Es ist darin von Kriegsverbrechen die Rede, die über bloße Misshandlungen weit hinausgehen - aber nicht von anderer Seite belegbar sind. Wer das Buch als juristische verwertbare Anklageschrift liest, wird enttäuscht.

Wahrhaft erschütternd ist es trotzdem. Es ist einer der spärlichen Einblicke in diesen Krieg aus der Froschperspektive des einfachen Soldaten. Joshua Key geht in den Irak ohne die Bildung und ohne den geistigen Anspruch, die Vorgänge um sich herum zu verstehen; er erlebt den Krieg als Abfolge unverständlicher Szenen. Zugleich ist er unfähig, als Besatzer im fremden Land zu funktionieren. Es ist diese Schwäche, die ihn desertieren lässt und ihn zwingt, seine Kriegserlebnisse nachträglich in Zusammenhang zu bringen. Wie hier jemand aus ärmsten Verhältnissen in seinem eigenen Leben herumgeschubst wird, ohne selbst handeln zu können, das erinnert an den ersten großen Lebensbericht eines Deserteurs, den des "Armen Manns im Tockenburg" Ulrich Bräker aus dem 18. Jahrhundert.

Key hat gute Gründe, zur Armee zu gehen: Geldnot, einen Ausbildungswunsch (Schweißer), einen unbehandelten Nierenstein. Das Schicksal hat ihn nicht dort aufwachsen lassen, wo es Väter und Krankenversicherungen gibt, sondern in einem Trailer-Park. Er ist dick, gewalttätig, verschuldet, hat mit Anfang 20 zwei Kinder und eine schwangere Frau - keiner, um den sich ein Arbeitgeber reißt, nicht mal die US-Armee.

In einem Einkaufszentrum in Oklahoma City besucht er das Rekrutierungscenter. Der Offizier dort sagt Key, was er, um genommen zu werden, alles verschweigen müsse. Er geht mit ihm Dutzende Male in den Kraftraum einer Kaserne und versichert dem ängstlichen Familienvater, dass er eine Truppe wählen könne, die nicht im Ausland eingesetzt wird. Im April 2002, ein halbes Jahr nach dem 11. September, verpflichtet sich Key mit 23 Jahren für drei Jahre Dienst in einer Pionier-Kompanie. Genau ein Jahr später wird er mit der 43rd Combat Engineer Company nach Kuwait verlegt, bald wird er im Irak die ersten Haustüren aufsprengen.

Er hat das nicht gewollt, aber es macht erstmal Spaß. Er ist ein Patriot und Waffennarr. In der Grundausbildung hat man dem ehemaligen Pizzaboten den Stolz vermittelt, ein gefährlicher Kämpfer gegen "Sandnigger", "Hadschis", Muslime zu sein.

Wie der mentale Panzer des Pizzaboten und Familienvaters langsam wieder wegbröckelt, das ist der rote Faden des Kriegsberichts, den der Sachbuch- und Romanautor Lawrence Hill für Key aufgeschrieben hat. Key ist gut sechs Monate im Irak, bis er Ende November auf Heimaturlaub darf. Seine Einheit ist Teil des 3rd Armored Cavalry Regiment, das die unruhigen Provinzen im Westen besetzt. Bis auf zwei Wochen Erholung in einer "Green Zone" ist er im Dauereinsatz. In Al-Habbanyah, auf der Suche nach einem Chefterroristen, fährt Keys Trupp mit dem Schützenpanzer eine Haustür ein. Die Hausbewohner bleiben seltsam ungerührt. Es sind geistig Behinderte, die für ihre Verstocktheit grausam verprügelt werden. Draußen stirbt ein etwa 10-jähriges Mädchen, "Ich dachte, die wirft 'ne Granate", erklärt Keys Vorgesetzter über Funk. In Falludscha wird ein unvorsichtiger Falschabbieger in die Luft gejagt und absichtlich mit dem Panzer überrollt.

Auf Wache in Ramadi freundet Key sich mit einem kleinen Mädchen an, dem er täglich ein eingeschweißtes Fertigessen schenkt. Sie schenkt ihm einmal ein dampfendes Fladenbrot. Dann wird sie, direkt vor ihm, ohne ersichtlichen Grund erschossen - wie Key dem Geräusch des Gewehrs entnimmt, von seinen eigenen Leuten. Es ist für die Soldaten zu einfach geworden, auf Zivilisten zu schießen, lernt Key. Der düstere Tiefpunkt: Das Bild von vier irakischen Zivilisten, enthauptet neben ihrem Auto; ein amerikanischer Nationalgardist schreit hysterisch "Wir haben's total vermasselt, total vermasselt!", zwei andere spielen Fußball mit den Köpfen. Eine unverstandene nächtliche Szene, die Key auch nicht verstehen will - er flieht sofort in den Schützenpanzer zurück, gegen alle Befehle.

So unreflektiert wird er wenig später auch desertieren. Konformitätsdruck wie in jeder Armee, gepaart mit der völligen finanziellen Abhängigkeit vieler US-Soldaten von ihrer Führung, fördern das freie Denken und Handeln nicht. Seinen ersten Heimaturlaub verbringt er wie betäubt. Erst als der Rückflug verschoben wird, entscheidet er sich zur Desertion. 14 Monate lebt die vier-, dann fünfköpfige Familie auf der Flucht, schläft im Kleinbus auf Parkplätzen, in wechselnden Motels. Der Mann, der eben noch nachts in Häuser einbrach, hütet nun seine ihm fremd gewordenen Kinder. "Es wäre weit weniger belastend gewesen, in einer Gefängniszelle zu sitzen", schreibt Key.

Dann schließlich fasst er den Entschluss, nach Kanada zu fliehen, wie die Vietnam-Verweigerer eine Generation vor ihm. Er ist der erste Deserteur, der seinen Asylantrag mit den Menschenrechtsverletzungen im Irak-Krieg stützt. Aus der Begründung seines Asylantrags - und auch dieses Buch lässt sich als solche Begründung lesen - hat seine Frau zum ersten Mal erfahren, was er im Irak erlebt und getan hat. Sie hätte es lieber nicht gewusst. Der Antrag wurde im November abgelehnt. Nun hofft Key auf die nächste Instanz.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/feuilleton/654199.htm

Joshua Key: Ich bin ein Deserteur. Mein Leben als Soldat im Irak-Krieg und meine Flucht aus der Armee.
Hoffmann und Campe, Hamburg
304 S., 18,95 Euro

Kater

Buchauszug:

Zitat»Mister, Food!«
Das Leben als Soldat im Irak-Krieg. Ein flüchtiger Deserteur der US-Armee berichtet von seinen Erlebnissen. Von Joshua Key

Der erste Monat in Ramadi – Ende April bis Ende Mai 2003 – war für mich die ruhigs te und einfachste Zeit im Irak. Die Bewohner von Ramadi waren vor unserer Ankunft bombardiert worden. Daher brauchte der irakische Widerstand wohl eine Weile, um sich zu organisieren. Am Anfang unserer Dienstzeit in Ramadi erlebten wir keine Raketen- oder Mörserangriffe, niemand deckte uns mit Granaten ein, und es fielen kaum Schüsse, wenn wir in der Stadt unterwegs waren. In meinem Zug gab es keine Verletzten oder Toten. Ich gewöhnte mich an meine vier Hauptaufgaben: Haus durch su chun gen, Patrouille auf den Straßen und an den Verkehrskontrollpunkten, das Bewachen von Banken, Krankenhäusern und Militärgebäuden sowie niedere Arbeiten in Saddam Husseins ausgebombtem Palast, den wir bezogen hatten.

weiter:

http://www.jungle-world.com/seiten/2007/21/10000.php

Kater

noch eine Rezension des Buches von Joshua Key im Deutschlandradio Kultur:

ZitatEin Insider berichtet
Joshua Key: "Ich bin ein Deserteur", Hoffmann und Campe Verlag 2007, 255 Seiten

Der US-Amerikaner Joshua Key war Soldat im Irakkrieg. Sieben Monate lang beteiligte er sich an Folter und Mord. In "Ich bin ein Deserteur" wirft er einen Blick zurück auf seinen Einsatz und erhebt schwere Vorwürfe gegen seine Vorgesetzten.

Traut man den offiziellen Erfolgsmeldungen des amerikanischen Militärs, dann sind bisher 93.000 Terroristen im Irak getötet worden. Interviews dazu mit den US-Soldaten selbst sind hingegen verboten. Sein Schweigen gebrochen hat nun aber doch einer von ihnen, denn er ist desertiert und hat in Kanada Asyl beantragt: Joshua Key heißt er, und seine Geschichte hat er in einem Buch mit dem schlichten Titel "Ich bin ein Deserteur" zusammengefasst.

Joshua Key, Dienstrang Obergefreiter, war sieben Monate im Irak. Während dieser Zeit hat er nicht einen einzigen Terroristen gesehen. Keys Auftrag bestand darin, Gebäude zu bewachen und vor allem Hausdurchsuchungen durchzuführen, 200 insgesamt. Dabei wurden regelmäßig die durchsuchten Wohnungen verwüstet und auch geplündert, das heißt, Key hat wie seine Kameraden auch gestohlen, Bargeld, Sonnenbrillen, Schmuck und so weiter. Regelmäßig verhaftet wurden ausschließlich Minderjährige unter 16 Jahren oder auch geistig Behinderte zum Beispiel und verfrachtet in Gefängnisse wie Abu-Ghraib. Und Key hat mehr als einmal erlebt, dass Kinder bewusst erschossen wurden. Dabei handelte es sich nicht um sogenannte Übergriffe der Truppe, sondern Key wie seine Kameraden handelten auf Befehl, die Truppe wurde angehalten, so brutal wie möglich vorzugehen. Protest dagegen war undenkbar - allein wer einen Offizier auch nur anspricht, wird mit Streichung des Urlaubs oder mit Abzug vom Sold bestraft. Die Soldaten lernen bei der Ausbildung, dass jeder Muslim - in der Armee "Sandnigger" genannt - automatisch auch ein Terrorist sei und dass auch Kinder potenzielle Terroristen seien. Die Truppe handelt nach der Maxime: erst schießen, dann fragen. Jeder GI, so berichtet Key, kenne den Spruch: "Nimm einen Kinderspielplatz, füll ihn voll mit Kindern, wirf ein bisschen Napalm drauf, und grill dir dann n paar Rippchen." Pauschal gesagt, die Genfer Konvention scheint im Irakkrieg nicht zu existieren, Folter und ähnliches gehören zur Tagesordnung.

Key beschreibt das Auftreten der amerikanischen Truppen mit harten Worten, die Soldaten benähmen sich selbst wie "Terroristen", wie "Monster", als seien sie eine "Kraft des Bösen".

"Ich bin ein Deserteur" ist einzigartiges Zeitdokument, und es ist ein sehr menschliches, persönliches, aufrüttelndes Buch. Keys Erlebnisse im Irak machen nur ein Drittel des Buches aus. Im ersten Drittel lernt der Leser zunächst den Menschen Joshua Key kennen, dessen Kindheit in einer Bush-treuen Familie, und im letzten Drittel schildert Key seine Flucht nach Kanada mit Frau und drei Kindern. Keys Asylantrag wurde abgelehnt, das Berufungsverfahren läuft, wird er an die USA ausgeliefert, droht ihm die Todesstrafe.

Ein Kritiker hat geschrieben: "Ich bin ein Deserteur" sei ein Buch, das irgendwann einmal - wenn die Kriegsverbrechen des Irakkrieges aufgearbeitet sein werden - als Vorlage für einen Film wie "Apokalypse Now" dienen wird.

Rezensiert von Lutz Bunk

Joshua Key (Co-Autor: Lawrence Hill): Ich bin ein Deserteur. Mein Leben im Irakkrieg und meine Flucht aus der Armee
Übersetzt von Anne Emmert
Hoffmann und Campe Verlag 2007
255 Seiten, 19,95 Euro

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/635038/

Kater

Rezension des Buches von Joshua Key in der Jungen Welt:

ZitatBlackout in Bagdad
Wie Bushs Armee wütet: Joshua Key beschreibt, warum er im Irak Verbrecher und in den USA schließlich Deserteur wurde
Von Rüdiger Göbel
 
Joshua Key ist der Scheißeverbrenner seiner Einheit in der 43rd Combat Engineer Company. Einer muß die Fäkalien ja entsorgen, und er ist als Obergefreiter der rangniedrigste Soldat, also quirlt er auf dem US-Stützpunkt im irakischen Ramadi Diesel in stinkende Hundertfünfzig-Liter-Fässer. Joshua Key ließ sich für die Armee anwerben, um seine Familie über Wasser zu halten. Er war jung und naiv, ein Landjunge aus Guthrie, Oklahoma, handwerklich geschickt. Ihm wurde versprochen, als Brückenbauer in den USA eingesetzt zu werden. Er glaubte es. Bis zum Tag seines Dienstantritts in Fort Leonard Wood. Dort und in Fort Carson wurde er für den Krieg im Irak gedrillt. »In der Militärausbildung, die ich in Missouri und in Colorado absolviert hatte, wurden die Iraker nie als Menschen bezeichnet. Man nannte sie ›Sandnigger‹, ›Lumpenköpfe‹, ›Habits‹, ›Hadschis‹ und vor allem ›Terroristen‹. In der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika waren das die einzigen Wörter für sie. Meine Vorgesetzten unterschieden nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten. In ihren Augen – und irgendwann auch in meinen – gab es im Irak nur Iraker, und alle Iraker waren Feinde.«

Die Militärregeln an der Front waren einfach. »Den Irakern konnten wir antun, was wir wollten. Doch wer sich dem Dienst entzog, den erwartete die Hölle«, schreibt Key, der es nach sieben Monaten Krieg nicht mehr aushielt und Deserteur wurde. »Ich werde mich nie dafür entschuldigen, daß ich Fahnenflucht begangen habe. Ich flüchtete vor der Ungerechtigkeit, und das war richtig. Entschuldigen muß ich mich beim irakischen Volk.«

»Befreiung«, »Demokratie«, »Wiederaufbau«, es sind nicht mehr als Worthülsen im US-besetzten Irak. Jo shua Key schreibt darüber, was er selbst erlebt hat. In Ramadi, in Falludscha, in Al Qaim, in der »Grünen Zone« in Bagdad und in Al Habbanija, Kein Hörensagen, keine Propaganda, keine Erfindungen. Krieg pur. Bushs »Iraqi Freedom« ist blutig, mörderisch, selbstmörderisch. Wohnungen werden willkürlich zerstört, jeder über Einmeterfünzig bei Razzien wird verhaftet. Zivilfahrzeuge werden regelmäßig an Checkpoints beschossen, wenn der Fahrer etwa nicht weiß, wo genau er anzuhalten hat. GIs spielen mit den abgetrennten Köpfen gerade ermordeter Iraker Fußball – Joshua Key und seine Kameraden, die dies sehen, müssen kotzen. Vorgesetzte Offiziere vergewaltigen in einem zuvor gestürmten Haus irakische Mädchen und Frauen – Joshua Keys Trupp muß Wache stehen. »Da wurde mir klar, daß wir, die amerikanischen Soldaten, die Terroristen waren. Wir terrorisierten die Bevölkerung, schüchterten sie ein, schlugen sie, demolierten ihre Häuser, vergewaltigten sie wohl auch.« Alles nur entsetzliche Einzel- und Ausnahmefälle? »Da ich im Irak fast täglich grundlegende Menschenrechtsverletzungen beobachtet und nie erlebt habe, daß ein Soldat oder Offizier dafür gerügt oder bestraft worden wäre, befürchte ich eher das Gegenteil. Ich gehe davon aus, daß ich nur die Spitze des Eisbergs zu sehen bekommen habe.«

Joshua Key sieht, wie ein irakisches Mädchen (»etwa sieben Jahre alt«), dem er beim Wacheschieben in Ramadi regelmäßig seine Fastfood-Armeeration (»das schnellste und schlechteste Essen der Welt«) gegeben hatte, vor seinen Augen erschossen wird: »Ich griff nach einer Einmannpackung in meiner Tasche, und als ich aufblickte, sah ich sie drei Meter vor mir, hörte Schüsse aus einem halbautomatischen Gewehr und sah ihren Kopf platzen wie einen Pilz.« Es waren keine bewaffneten Iraker zu sehen, »und ich hatte auch nicht das stetige Knattern eines irakischen AK47 gehört. Ich kann mir nicht helfen: Bis heute glaube ich, daß einer meiner eigenen Leute sie umbrachte.« Die jungen Iraker, die die Hausdurchsungen, Mißhandlungen und Inhaftierungen überleben, hätten allen Grund, auf Rache zu sinnen. »Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem sie sich organisieren.«

Joshua Key tut schließlich das, was ein Soldat in George W. Bushs Armee niemals tun darf: selbständig zu denken und die Befehle seiner Vorgesetzten in Frage zu stellen. Seinen Heimaturlaub nutzt er, um mit seiner Frau und seinen kleinen Kindern unterzutauchen. Nach monatelanger Odyssee durch die USA flüchten sie. Der Deserteur lebt heute mit seiner sechsköpfigen Familie im kanadischen Exil. Der Krieg ist in ihm, kehrt regelmäßig zurück. »Noch immer habe ich Blackouts. Noch immer wache ich mitten in der Nacht schreiend auf. Ich nehme Medikamente, um die Alpträume im Zaum zu halten. Meine Träume sind wie schlafende Hunde, und manchmal verfolgen sie mich sogar am Tag.«

»Ich bin ein Deserteur« ist neben »Bagdad Burning« der Bloggerin Riverbend (siehe jW vom 12.6.2006) ohne Zweifel das beeindruckenste Zeugnis wider den Irak-Krieg. Es handelt von einem Helden, der als Neunjähriger schon mit Schußwaffen umzugehen wußte und in Bushs Krieg wieder Mensch wurde. Das Antikriegsbuch gehört als Pflichtleküre an alle Schulen, keine Kundgebung am Weltfriedenstag sollte vergehen, ohne daß daraus Passagen verlesen werden. Wer glaubt, mit dem Abzug der Amerikaner im Irak würde alles noch schlimmer, wird eines besseren belehrt. Schlimmer als mit ihnen kann es schwerlich werden.

Joshua Key: Ich bin ein Deserteur. Mein Leben als Soldat im Irak-Krieg und mein Flucht aus der Armee. Hamburg 2007, 253 Seiten, 19,95 Euro

http://www.jungewelt.de/2007/08-20/006.php

Kater

aktuelle Situation für US-Deserteure/AWOLs in Kanada (in englischer Sprache):

http://www.couragetoresist.org/x/content/view/426/1/

Kater



Briefkampagne für politisches Asyl für US-Deserteure in Kanada:

http://www.couragetoresist.org/x/content/view/499/89/

Kater

ZitatImmer mehr US-Soldaten desertieren
Von Frank Patalong

Die US-Army hat ein wachsendes Problem: Immer mehr Soldaten verabschieden sich heimlich aus dem Dienst. In Kanada scheiterte gerade Jeremy Hinzman mit dem Versuch, politisches Asyl zu bekommen. Doch mit juristischen Mitteln ist das Problem sowieso nicht zu lösen.

Jeremy Hinzman ist ein prominenter Mann, sowohl in Kanada, als auch in den USA. An dem dürren, auf allen Fotos stets düster dreinblickenden jungen Mann scheiden sich die Geister: Für die einen ist er ein Held, ein Symbol, ein Hoffnungsträger, für die anderen ein Feigling, ein pflichtvergessener Verräter.

Hinzman ist Deserteur.
Im Februar 2004 versäumte er es, seinen Dienst anzutreten, floh stattdessen mit Sack und Pack über die Grenze nach Norden: Hinzman machte weltweit Schlagzeilen als erster US-Soldat, der desertierte, nach Kanada floh und dort mit der Begründung "Irak-Krieg" Asyl beantragte. Am Donnerstag dieser Woche endete diese juristische Schlacht mit einer Niederlage für ihn. Nun bangen die anderen GIs in Kanada, die sich in den letzten Jahren ohne Genehmigung dorthin entfernt haben.

Denn Hinzman ist nicht allein. Rund 20 US-Soldaten haben dort in den letzten Jahren Asyl beantragt, Schätzungen zufolge verstecken sich über 200 weitere illegal im Land. Sie sind eine Minderheit, denn die meisten Deserteure tauchen anderenorts ab - in den Staaten, in Europa, wo auch immer sie es schaffen, sich unbemerkt von der Truppe zu entfernen.

In diesem Jahr, meldet die amerikanische "Army Times", habe die Zahl der Deserteure einen neuen Höhepunkt erklommen. Der höchste Stand seit 2001 sei erreicht, 4698 Soldaten flüchteten im zurückliegenden Jahr. Um 80 Prozent sei die Zahl der Deserteure seit 2003 gestiegen, und sie klettere immer noch, immer schneller. Rechnet dann auf, dass die Höchststände aus Vietnam-Zeiten noch weit, weit entfernt lägen. Und klingt zerknirscht, wenn in Nebensätzen der Hinweis folgt, dass bei Navy und Luftwaffe zeitgleich die Zahl der Deserteure immer weiter falle.

Kein Wunder: Es ist die Army, die die Last des Irak-Krieges in erster und vorderster Linie tragen muss. Sie stellt das Fußvolk und offenbar glauben immer mehr frustrierte Soldaten, dass sie auch das Kanonenfutter stellt: Wer da nicht mehr mitmachen will, hat mitunter kaum eine andere Möglichkeit, als sich durch Flucht zu entziehen.

Denn Soldat ist kein Job, den man kündigen könnte: In allen Ländern der Erde geht er mit einer Selbstverpflichtung zu einer vorab definierten Dienstzeit einher. Für die US-Armee kann man sich ab einem Alter von 17 Jahren verpflichten, gängige vereinbarte Dienstzeiten liegen zwischen zwei und sechs Jahren. Erfolgt am Ende dieser Vertragszeit ein Einsatzbefehl, wird diese Verpflichtung einseitig auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Soldat verzichtet auf etliche Rechte, unterstellt sich selbst der militärischen Gerichtsbarkeit. Und die tickt teils deutlich härter als die der zivilen Welt.

AWOL: der letzte Ausweg
Als Deserteur gilt in der US-Armee, wer sich mehr als 30 Tage unentschuldigt nicht zum Dienst meldet. "Absent without leave", abwesend ohne Genehmigung lautet der offizielle Begriff, die Soldaten kürzen es zu einem kernigen "AWOL". In der Welt des Militärs ist das nicht nur irgendein Verbrechen, sondern nach wie vor eines der schlimmsten: Wer sich AWOL erwischen lässt, muss empfindliche Strafen befürchten.

Standrechtlich erschossen - die vom Militärgesetz in Kriegszeiten bis heute vorgesehene Höchststrafe - wird er in der US-Armee allerdings nicht mehr, das geschah zuletzt im Januar 1945. Trotzdem bedeutet die Desertierung für einen Soldaten noch immer das letzte aller Mittel. Mit diesem Schritt löst sich für die Betroffenen jede bis dahin gefundene Lebensplanung auf.

Trotzdem wählen immer mehr Soldaten diesen Weg, wie die US-Army in ihrem aktuellen Jahresbericht konsterniert konstatiert. Das US-Steuerjahr 2007, das Ende September endete, markiert für die Army in dieser Hinsicht eine bedenkliche Rekordmarke. Dass von den 4698 Army-Deserteuren (im Vorjahr waren es 3301) fast 64 Prozent in den letzten sechs Monaten AWOL verloren gingen, deutet darauf hin, dass da eine Welle rollt, die an Wucht gewinnt, während die Army an Personal verliert.

Ein wachsendes Problem, das Lawrence Korb, der zwar einst vom Pentagon beratend in die Reagan-Administration entsandt wurde, heute aber als einer der Vordenker des progressiven Think-Tanks Center for American Progress gilt, auf mehrere Gründe zurückführt. Zuvorderst sei dies natürlich der scheinbare endlose Krieg selbst. Dazu käme aber, dass mit wachsender Dauer des Konflikts immer mehr Soldaten dort eine zweite, dritte, sogar vierte Dienstzeit erlebten.

Für diese Einsätze gibt es ein relativ festes Muster: Auf 15 Monate im Krieg folgen zwölf Monate daheim. Für viele Soldaten reiche das noch nicht einmal, das Familienleben wieder ins Reine zu bekommen. Dazu komme ein Grund, über den bei der Army selbst nicht gesprochen wird: Die Qualität der Rekruten. Korb gegenüber der "Army Times": "Es ist eine Mischung aus unzureichenden Auszeiten, dem Zwang, wieder in den Krieg zu müssen und natürlich auch, was für Leute man hier in die Armee aufgenommen hat."

Verzicht auf Moral
Denn seit klar ist, dass die als schnelle Systemwechsel-Aktion gedachte Militärattacke gegen den Irak in einen Dauerkonflikt mündet, seit die Zahl der in der vermeintlichen Nach-Kriegszeit getöteten US-Soldaten die der Opfer während des eigentlichen Konflikts überschritt, sind es nicht gerade mehr die Eliten des Landes, die da mit freudig wehenden Fahnen in die arabische Welt hinausziehen, um ihr amerikanische Demokratie zu bringen.

So senkte die Army in den vergangenen Jahren ihre Anforderungen an Bewerber deutlich. Zu denen gehört eigentlich ein unbeschriebenes Vorstrafenregister, insbesondere in Bezug auf Gewaltdelikte. In Zeiten erhöhten Rekrutenbedarfs gibt es aber Ausnahmeregelungen, die sogenannte "moral waiver" erlauben - was sich mit "Verzicht auf Moral" übersetzen lässt.

Im Jahr 2007 verzichtete die Army in Bezug auf 11,6 Prozent aller neuen Rekruten auf die Moral und ignorierte ein Vorstrafenregister. Auch über das Fehlen jeglicher Schulabschlüsse oder schlechte Einstellungstest-Resultate werde zunehmend häufig und großzügig hinweggesehen. Kaum zufällig spricht Roy Wallace aus dem Personalstab der US-Army darum wohl auch von "Rehabilitierung", wenn er über Deserteure spricht, die sich selbst stellten. Das komme vor, und manche würden wieder integriert.

Denn es geht ja darum, trotz des verfahrenen Konflikts im Irak weiter Anreize zu bieten. Die Army stünde weniger unter Druck, wenn sie genügend Personal bekäme. Jeder Soldat, der unter diesem Druck einbricht und zum Deserteur wird, erhöht ihn weiter. "Wir setzen mehr auf positive Anreize, um die Soldaten dazu zu bringen, bei ihren Einheiten zu bleiben", sagt Eugene Fidell von National Institute of Military Justice, "als auf die Furcht, für Desertierung erschossen zu werden."

Unter dem Strich jedoch wird relative Milde nicht reichen - tatsächlich unternimmt die Army relativ wenig, Deserteure aufzuspüren und zur Abschreckung anzuklagen. Das Rezept, die Moral wieder zu erhöhen und die Deserteurszahlen zu senken, nennt Roy Wallace in einem Nebensatz, als er versucht, die für die Army unangenehmen Zahlen ins Verhältnis zu setzen: "Wir vergleichen hier Statistiken aus Kriegszeiten mit solchen aus Friedenszeiten. Im Jahr 2001 befand sich die Army nicht im Gefecht."

Besser, heißt das ja wohl, wird es von ganz allein, wenn nur der Krieg zuende ginge. Offiziell war das bereits am 1. Mai 2003 der Fall. "Mission Accomplished", hatte Präsident George W. Bush bei einem von Kritikern seitdem oft zitierten Auftritt verkündet, "Auftrag erfüllt". Offenbar entscheiden seitdem immer mehr US-Soldaten, dass man dann ja auch nach Hause gehen könne.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,518004,00.html

Kater

ARD-Programmhinweis:

ZitatUnd am Sonntag, 9. März 2008, um 17.30 Uhr stehen Deserteure im Mittelpunkt von "Gott und die Welt". Der Film von James Pastouna erzählt von den Erfahrungen der US Soldaten im Irak und ihrer Entscheidung, von der Armee zu fliehen: "US-Soldaten sagen Nein." Die Zahl der Deserteure wird auf rund 5.500 geschätzt. Ein mögliches Fluchtland ist Kanada. Der Autor berichtet über den schwierigen Kampf von Dean Walcotts und anderen US-Soldaten um ein Bleiberecht in Kanada. Und er besucht Deserteure in den USA, die für ihre Gewissensentscheidung ins Gefängnis gingen und deren Familien viele Anfeindungen der Umgebung ertragen müssen. Die Redaktion hat Johanna Holzhauer (WDR).

http://www.presseportal.de/pm/6694/1149520/ard_das_erste

Kater

hier noch etwas ausführlicher zum Film:

Das Erste | Sonntag, 09.03.2008 | 17:30 Uhr

ZitatUS-Soldaten sagen Nein  

Film von James Pastouna  

,,Wir wurden im Irak nicht als Befreier begrüßt. Wir wurden als illegale Invasoren empfangen. Das führte dazu, dass ich stark an unserer Politik zweifelte", erklärt Dean Walcott, einer der US-Deserteure, die in Kanada Zuflucht suchen.

Dean Walcott hatte sich als Jugendlicher freiwillig zur Armee gemeldet und kam zur Marineinfanterie. Er war zwei Jahre im Irak eingesetzt, zuletzt in einem Militärkrankenhaus. Dort kam die Wende zu seiner Einstellung zum Krieg: ,,Wenn die vielen Männer ihr Leben verlieren, muss es einen Grund dafür geben - und ich sah keinen plausiblen Grund." Nach einem Heimaturlaub meldete er sich nicht wieder bei seiner Einheit, sondern nahm den Bus nach Kanada. Jetzt lebt er seit einem Jahr illegal im Nachbarland und muss für seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kämpfen. Ihm droht Abschiebung nach Amerika und dort die Verhaftung und Bestrafung als Deserteur.

Rund 5.500 US-Soldaten sind mittlerweile desertiert. Der Autor berichtet über den schwierigen Kampf Walcotts und anderer US-Soldaten um ein Bleiberecht in Kanada. Und er besucht Deserteure in den USA, die für ihre Gewissensentscheidung ins Gefängnis gingen und deren Familien viele Anfeindungen der Umgebung ertragen müssen.  

http://programm.daserste.de/detail1.asp?heute=09.03.2008&id=X000424258&sdatlo=09.03.2008&sender=1&dpointer=24&anzahl=42&ziel=24

Kater

ZitatKeine Zuflucht für Deserteure
Kanada will frühere US-Soldaten abschieben
   
Viele US-Soldaten lehnen den Irak-Krieg als ungerechtfertigt ab. Manche haben die Konsequenzen gezogen und sich nach Kanada abgesetzt. Dort will die Regierung ihren Aufenthalt aber nicht dulden.

Der 21. Mai ist ein wichtiges Datum für Phil McDowell. An diesem Tag wird der ehemalige US-Soldat wissen, ob er bald in sein Heimatland abgeschoben wird oder doch bleiben darf. Er ist einer der etwa 200 US-Soldaten, die sich unerlaubt aus dem Staub gemacht und in Kanada Unterschlupf gesucht haben. Sie waren einfach kriegsmüde. So wie Zehntausende, die in den 60er und 70er Jahren dem Vietnamkrieg den Rücken kehrten. "Dass ich einmal ein Deserteur in Kanada sein werde, hab ich mir nicht träumen lassen", erzählt Phil. Ein ganzes Jahr hat der 28-Jährige im Irak gedient. Das war genug. "Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was im Irak wirklich los ist. Ich wollte kein Teil mehr dieses illegalen und ungerechtfertigten Krieges sein", erklärt er. Beim Militär angeheuert hat er wegen der Terrorattacken vom 11. September 2001. Dass er aber in den Krieg ziehen musste, hatte er nicht gedacht. Vor allem nicht unter falscher Prämisse: Massenvernichtungswaffen wurden im Zweistromland nie gefunden.

Als Deserteur gilt man nach US-Militärgesetz, wenn man sich mehr als 30 Tage unentschuldigt nicht zum Dienst meldet. AWOL - "absent without official leave" ist in der US-Armee ein schweres Verbrechen. Wer sich erwischen lässt, hat mit harten Strafen zu rechnen. Entweder landet man im Gefängnis oder muss damit rechnen wieder in den Irak oder nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden. Erschossen wird keiner mehr, obschon die Militärgesetzgebung das für Fahnenflüchtige einmal vorgesehen hat. Das letzte Mal soll das Todesurteil 1945 vollstreckt worden sein. Fast 5000 Soldaten sollen 2007 ihre Einheiten unentschuldigt verlassen haben. Mehr als 3000 waren es im Jahr davor. Seit Beginn des Irak-Krieges sollen um die 25 000 Soldaten das Gewehr unerlaubt niedergelegt haben. Viele wollen nicht mehr als Kanonenfutter in einem Krieg dienen, den 70 Prozent der US-Bürger sowieso so schnell wie möglich beendet sehen wollen. Fahnenflucht ist oft der einzige Ausweg. Aber wohl auch ein schwieriger. Die meisten bleiben im Heimatland, verstecken sich, ständig in Angst entdeckt zu werden. Ein paar wenige versuchen im Ausland Ruhe zu finden. Zehntausende Fahnenflüchtige und Wehrdienstverweigerer haben während des Vietnam-Krieges in Kanada Schutz gesucht. Und dieser wurde ihnen gewährt. "Ich weigere mich, in Vietnam zu kämpfen", genügte, um dort einen legalen Aufenthalt und bald darauf die Staatsbürgerschaft zu bekommen. "Einen Zufluchtsort vor Militarismus", nannte der damalige Premierminister Pierre Trudeau stolz sein Land.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Der heutige, konservative Premierminister Stephen Harper ist ein Freund der Bush-Regierung und will sich mit dem großen Nachbarn nicht anlegen. Bis jetzt sind jegliche Versuche gescheitert, den Soldaten und Soldatinnen Asyl zu gewähren. Vor allem das Argument der Soldaten, dass der Krieg im Irak "illegal" sei und sie als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden sollten, lässt das offizielle Kanada nicht gelten. "Von einem einfachen Fußsoldaten wird nicht erwartet, dass er oder sie ihre eigene Beurteilung über die Legalität eines Konfliktes macht", erklärte ein kanadisches Bundesgericht 2006. Nur hochrangige politische Autoritäten könnten internationales Recht interpretieren. Ein Zeichen, dass die Gerichte sich in die Debatte um ein Bleiberecht der Deserteure nicht einmischen wollen. Auch die Politiker wünschen, es würde sich von selber erledigen. Michelle Robidoux von der kanadischen "Kampagne zur Unterstützung von Kriegsverweigerern", hofft jedoch noch, dass sich alles zum Besseren wendet. Es gehe ja nicht um Einwanderung, sondern um die Frage, wie Kanada mit ausländischen Kriegsdienstverweigerern umgehe. "Wir tun alles, damit die Soldaten bleiben können." Die US-Soldaten können derweil nur hoffen, dass die kanadischen Verantwortlichen Gnade walten lassen. "Es ist ja nicht so, dass ich mein Heimatland oder das US-Militär hasse. Es ist nur, dass ich mit dem was unsere Regierung im Irak tut, nicht übereinstimme", sagt Phil. "Ich hab mir in Toronto ein neues Leben aufgebaut. Ich will das nicht auch noch aufgeben müssen."
HEIKE WARMUTH

http://www.hz-online.de/index.php?mode=full&cat=16&open=&open_u=&minDate=&s_id=f4f6d73de55d95439c29817bddf459ca&ident=&id=402280

Kater

ZitatFahnenflucht statt Kanonenfutter

USA: Tausende Soldaten desertieren jedes Jahr. Jenen, die sich nach Kanada abgesetzt haben, droht jetzt die Abschiebung und damit Haft.

Der 21. Mai war kein gutes Datum für Phil McDowell. Seit diesem Tag weiß der ehemalige US-Soldat und nunmehrige Deserteur in Kanada, dass er bald in sein altes Heimatland abgeschoben werden könnte. Der Antrag eines seiner Mitstreiter auf Bleiberecht in Kanada wurde nämlich abgelehnt, ab 10. Juli droht die Ausweisung.

Phil ist einer von etwa 200 US-Soldaten, die sich unerlaubt aus dem Staub gemacht und beim nördlichen Nachbarn Unterschlupf gesucht haben. Sie waren einfach kriegsmüde. So wie Zehntausende vor ihnen, die in den 60er- und 70er-Jahren dem Vietnamkrieg den Rücken gekehrt hatten. "Dass ich einmal ein Deserteur in Kanada sein werde, hab ich mir nicht träumen lassen", erzählt Phil.

Ein ganzes Jahr hat der 28-Jährige im Irak gedient. Das war genug. "Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was im Irak wirklich los ist. Ich wollte kein Teil mehr dieses illegalen und ungerechtfertigten Krieges sein", betont er. Beim Militär angeheuert hat er aufgrund der Terrorattacken des 11. September 2001. Dass er aber tatsächlich in den Krieg würde ziehen müssen, hatte er nicht gedacht. Vor allem nicht unter der falschen Prämisse: Massenvernichtungswaffen wurden im Zweistromland nämlich nie gefunden.

Als Deserteur gilt man nach US-Militärgesetz, wenn man sich mehr als 30 Tage unentschuldigt nicht zum Dienst meldet. AWOL – "absent without official leave" ist in der US-Armee ein schweres Verbrechen. Wer sich erwischen lässt, hat mit harter Strafe zu rechnen. Entweder landet man im Gefängnis oder muss damit rechnen, wieder in den Irak oder nach Afghanistan zurückgesendet zu werden. Erschossen wird keiner mehr, obschon die Militärgesetzgebung das für Fahnenflüchtige einmal vorgesehen hatte. Das letzte Mal soll das 1945 vollzogen worden sein.

Fast 5000 Soldaten sollen 2007 ihre Einheiten unentschuldigt verlassen haben. Mehr als 3000 waren es im Jahr davor. Insgesamt sollen seit Beginn des Irakkrieges um die 25.000 Soldaten das Gewehr unerlaubt niedergelegt haben. Sie wollen nicht mehr als Kanonenfutter in einem Krieg dienen, den 70 Prozent der Amerikaner sowieso so schnell wie möglich beendet sehen wollen.

Odyssee
Fahnenflucht ist oft der einzige Ausweg. Aber wohl auch ein schwieriger. Mit diesem Schritt fängt für viele der tagtägliche Überlebenskampf an. Die meisten von ihnen bleiben im Heimatland. Verstecken sich, leben ein Doppelleben, ständig in Angst, entdeckt zu werden. Ein paar wenige versuchen im Ausland Ruhe zu finden.

Zehntausende Fahnenflüchtige und Wehrdienstverweigerer haben
während des Vietnam-Krieges in den 60er- und 70er-Jahren in Kanada Schutz gesucht. Und dieser wurde ihnen auch gewährt. "Ich weigere mich, in Vietnam zu kämpfen", genügte, um in Kanada einen legalen Aufenthalt und bald darauf die Staatsbürgerschaft zu bekommen. "Einen Zufluchtsort vor Militarismus", nannte der damalige Premierminister Pierre Trudeau stolz sein Land.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Der heutige, konservative Premierminister Stephen Harper ist ein Freund der Bush-Regierung und will sich mit seinem großen Bruder nicht anlegen. Bis dato sind daher jegliche Versuche gescheitert, den Soldaten und Soldatinnen Asyl angedeihen zu lassen.

Vor allem das Argument der Soldaten, dass der Krieg im Irak "illegal" sei und sie daher als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden sollten, lassen die öffentlichen Stellen in Kanada nicht gelten.

"Von einem einfachen Fußsoldaten wird nicht erwartet, dass er oder sie ihre eigene Beurteilung über die Legalität eines Konfliktes macht", erklärte ein kanadisches Bundesgericht 2006. Lediglich hochrangige politische Autoritäten hätten bezüglich der Interpretation von internationalem Recht das Sagen. Ein Zeichen, dass die Gerichte sich in die Diskussion über ein Bleiberecht der Deserteure nicht wirklich einmischen wollen.

Heiße Kartoffel
Auch den Politikern ist das Thema eher unangenehm und sie wünschten, es würde sich von selbst erledigen. Selbst der Parteivorsitzende der oppositionellen liberalen Partei, Stephane Dion, gibt sich bedeckt.

"Es geht hier nicht um Immigrationspolitik. Es ist vielmehr eine politische Frage. Nämlich: Wie will Kanada in Zukunft mit ausländischen Kriegsverweigerern umgehen?", sagt etwa Michelle Robidoux von der "Kampagne zur Unterstützung von Kriegsverweigerern", einer Organisation, die sich für die Anliegen der US-Amerikaner einsetzt. Robidoux hofft, dass sich alles noch zum Besseren für die Soldaten wendet. "Wir tun alles in unserer Macht Stehende, damit die Soldaten hier bleiben können", sagt sie.

Zwischenzeitlich können die Soldaten nur zuwarten und hoffen, dass Kanadas Verantwortliche Gnade walten und sie im Land bleiben lassen. Viel Hoffnung aber gibt es seit dem 21. Mai nicht. "Es ist nicht so, dass ich mein Heimatland oder das US-Militär hasse. Es ist nur, dass ich mit dem, was unsere Regierung im Irak tut, nicht übereinstimme", sagt Phil McDowell. "Ich hab mir in Toronto ein neues Leben aufgebaut. Ich will das nicht auch noch aufgeben müssen."

http://www.kurier.at/nachrichten/171976.php

Kater

erste Deportation von US-Deserteur aus Kanada in die USA:

Army PFC Robin Long deported from Canada:

http://www.couragetoresist.org/x/content/view/608/1/

Kater

:aggressiv>

ZitatOttawa deportiert den ersten US-Deserteur

Anders als im Vietnamkrieg ist Kanada für amerikanische Irak-Kriegsdienstverweigerer keine sichere Zufluchtsstätte mehr.

Am Dienstag war es so weit. Nachdem er in Kanada all seine Eingaben und Rekurse erschöpft hatte, konnte Robin Long, Fahnenflüchtiger der US-Armee, seine erzwungene Rückkehr in die USA nicht mehr verhindern. Kanadische Grenzbeamte übergaben den 25-Jährigen an der Grenze südlich von Vancouver der Polizei im US-Staat Washington. Von dort wird Long unter Aufsicht von Militärpolizisten zum Fort Knox in Kentucky zurückkehren, wo er 2003 der Armee beitrat, um im Irak zu kämpfen. 2005 flüchtete er aus Opposition gegen den Krieg nach Kanada.

Nun wurde Long zum ersten Irakkriegs-Deserteur, den Kanada zurück in die USA schaffte. Man schätzt, dass sich rund 200 amerikanische Fahnenflüchtige ins nördliche Nachbarland abgesetzt haben. Etwa 50 haben den offiziellen Antrag gestellt, als politische Flüchtlinge anerkannt zu werden. Doch im Gegensatz zur Zeit des Vietnamkriegs stehen ihre Chancen schlecht, in Kanada Asyl zu erhalten. Damals strömten rund 20'000 junge Amerikaner nach Kanada, um der Aushebung zu entgehen, und etwa 12'000 US-Soldaten desertierten und fanden Zuflucht in Kanada. Dort wurden sie mit offenen Armen aufgenommen. Der liberale Premierminister Pierre Elliott Trudeau lehnte den Vietnamkrieg entschieden ab.

Heute ist die politische und rechtliche Situation ganz anders. Die Regierung des konservativen Premiers Stephen Harper unterstützt US-Präsident Bush auf der ganzen Linie, auch wenn sie keine Truppen im Irak im Einsatz hat.

Auch die Rechtslage hat sich gewandelt. Zur Zeit des Vietnamkriegs erhielt ein US-Deserteur in Kanada fast automatisch politisches Asyl. Seither ist das Asylgesetz verschärft worden. Fahnenflüchtige müssen sich darum bewerben, Flüchtlingsstatus zu erhalten. Das gelingt ihnen aber nur, wenn sie glaubhaft machen können, dass sie eine «gut begründete Sorge» haben, bei einer Rückkehr ins Heimatland aus religiösen, rassischen oder politischen Gründen verfolgt zu werden.

Oder die Asyl suchenden Deserteure müssen nachweisen, dass eine Heimschaffung für sie lebensgefährlich wäre oder dass sie bei ihrer Rückkehr in die USA gefoltert oder grausam bestraft würden. Das konnte Long nach Ansicht des kanadischen Bundesgerichts nicht glaubhaft darstellen. Die meisten Deserteure der US-Armee würden nach ihrer Rückkehr eher milde bestraft, so das Gericht.

http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/911505.html

Kater

auch Jeremy Hinzman, der erste US-Deserteur des Irakkrieges, der in Kanada politisches Asyl beantragt hat, soll jetzt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern aus Kanada abgeschoben werden...

ZitatFacing Years in US Prison, Iraq War Resister Jeremy Hinzman Ordered Deported from Canada

by via Democracy Now
Friday Aug 15th, 2008 7:44 AM

Friday, August 15, 2008 :In 2004, Jeremy Hinzman became the first war resister to seek asylum in Canada instead of going to fight in Iraq. On Wednesday, Canada's Border Services Agency ordered the twenty-nine-year-old Hinzman, his wife, son and baby daughter to leave the country by Sept. 23. We speak to Jeremy Hinzman from Toronto.

http://www.indybay.org/newsitems/2008/08/15/18526635.php

Kater

ZitatUS-Kriegsverweigerer - Kanada schiebt Amerikaner ab

Bislang haben US-Soldaten, die den Dienst im Irak verweigern, in Kanada eine neue Heimat gefunden. Jetzt schickt die Regierung eingewanderte Amerikaner zurück.
Von Bernadette Calonego
 
Jon van Arsdell ist erschüttert, wie sehr sich die Zeiten in Kanada geändert haben. Während des Vietnamkriegs kam er 1968 im Alter von 23 Jahren als Kriegsverweigerer aus dem US-Staat Ohio nach Vancouver. Er wurde mit offenen Armen empfangen und erhielt gleich eine Stelle als Musiklehrer.

Aber heute erlebt er, wie amerikanische Soldaten, die Kanada um Asyl ersuchten, weil sie nicht am Krieg im Irak teilnehmen wollen, in die USA abgeschoben werden. "In manchen Momenten bin ich richtig hoffnungslos", sagt der 62jährige studierte Zoologe.

Im Juli wurde der Amerikaner Robin Long als erster Verweigerer von den kanadischen Behörden an die USA überstellt. Jetzt droht dem zweifachen Vater Jeremy Hinzman dasselbe Schicksal, nachdem das höchste kanadische Gericht entschieden hat, seinen Fall nicht anzuhören. "Ein Kriegsverweigerer wird heutzutage nicht mehr so verstanden wie früher", sagt Jon van Arsdell. "Die Kanadier sind selbstzufriedener geworden."

Harter Kurs gegen Fahnenflüchtlinge
In den sechziger Jahren hatte der damalige liberale Premier Pierre Trudeau, ein Gegner des Vietnamkriegs, US-Kriegsverweigerern das Bleiberecht geboten, und etwa 50000 junge Männer kamen. Van Arsdell fand hier eine Frau und Arbeit als Biologe und Fischer, baute ein schönes Haus und erhielt den kanadischen Pass.

Aber heute fährt die konservative Regierung einen harten Kurs gegen Fahnenflüchtige aus den USA. Etwa fünfzig US-Soldaten haben bisher in Kanada um Asyl ersucht, darunter auch eine Frau. Nach Schätzungen der "War Resisters Support Campaign" (Unterstützungskampagne für Kriegsverweigerer) in Toronto halten sich 150 bis 200 weitere US-Soldaten in Kanada mit einem Touristenvisum auf.

Die Sprecherin der Kampagne, Michelle Robidoux, sagt, es sei die konservative Regierung von Premier Stephen Harper, der früher den Irakkrieg offen befürwortet habe, die für die Deportation sei: "In der Unterstützung von Kriegsverweigerern durch die Bevölkerung hat sich nichts geändert."

Laut einer Umfrage vom Juni sprachen sich fast zwei Drittel der Befragten dafür aus, die Fahnenflüchtigen aus den USA in Kanada bleiben zu lassen. Die Harper-Regierung ignorierte auch die Tatsache, dass eine Mehrheit des kanadischen Parlaments im Juni einen unverbindlichen Vorstoß der linken Abgeordneten Olivia Chow unterstützte, die den Kriegsverweigerern in Kanada Asyl gewähren möchte.

Verbrechen gegen die Menschheit
Der Immigrationsanwalt Rudolf Kischer aus Vancouver sagt, es gebe einen Unterschied zur Zeit des Vietnamkriegs. Früher hätten sich junge Amerikaner dem Einberufungsbefehl in die Wehrpflichtigenarmee entzogen. Heute gehe es um Angehörige der US-Armee, die argumentierten, der Krieg im Irak sei ungerechtfertigt und stelle ein Verbrechen gegen die Menschheit dar. Die kanadischen Gerichte akzeptierten bisher diese Argumentation nicht.

Robin Long, sagt Michelle Robidoux, sitze jetzt im US-Staat Colorado im Gefängnis und werde vor einem US-Militärgericht erscheinen müssen. Ihm drohe eine Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis. Jeremy Hinzman, dessen Abschiebung auf den 23. September angesetzt ist, lebt seit viereinhalb Jahren mit seiner Familie in Kanada, sein zweites Kind wurde hier geboren.

In den sechziger Jahren war das Potential solcher junger Männer willkommen: Viele ehemalige Vietnam-Verweigerer haben Kultur und Gesellschaft Kanadas bereichert. Zu ihnen gehört der einstige Moderator der beliebtesten Rundfunksendung in Toronto, Andie Barrie, oder Rex Weyler, einer der Gründer der Umweltorganisation Greenpeace, und der einflussreiche Filmkritiker Jay Scott.

Jon van Arsdell ist Kriegsgegner geblieben: Am Tag des Interviews demonstrierte er entlang der Hauptstraße seines Wohnortes mit Gesinnungsgenossen gegen den Krieg in Afghanistan.

http://www.sueddeutsche.de/politik/941/306898/text/

Kater

der aus Kanada in die USA abgeschobene US-Deserteur Robin Long ist in Fort Carson, Colorado zu 15 Monaten Haft verurteilt worden...

ZitatU.S. soldier jailed 15 months for desertion

A U.S. army deserter who fled to Canada rather than fight in Iraq was sentenced to 15 months in prison Friday, his lawyer said.

Pte. Robin Long, 25, of Boise, Idaho, faced a maximum jail term of three years, civilian lawyer James Branam said.

Long reached an agreement with prosecutors to plead guilty to desertion with intent to remain away permanently, a lesser charge than desertion with intent to shirk hazardous duty.

The soldier told a military judge in Fort Carson, Colo., that he fled when his unit was deployed to Iraq because of moral objections to what he felt was an illegal war.

Prosecutors said he abandoned his duty and his country.

Long came to Canada in 2005 and sought refugee status, but his claim was denied. He was deported from British Columbia on July 15 after a judge refused to grant a stay of his deportation order.

http://www.cbc.ca/world/story/2008/08/22/deserter-sentenced.html

Kater

Demonstration vor dem US-Konsulat in Toronto, Kanada gegen weitere bevorstehende Abschiebungen von US-Deserteuren aus Kanada in die USA...

ZitatLet U.S. soldiers remain: Rally

By TOM GODFREY
     
More than 50 U.S. deserters have sought refugee status in Canada since the Iraq war began and at least two soldiers a month are crossing the border to seek sanctuary here, anti-war protesters say.

None of the claimants have been granted asylum in Canada. The first, Robin Long, was deported last July and is now serving 15 months in prison for desertion.

High-profile deserter Jeremy Hinzman will be shown the door next on Sept. 23.

"We will not break any laws," Hinzman said at a demonstration outside the U.S. consulate in Toronto to stop the deportation of war deserters who fought in or were to be deployed to Iraq. "We will go to Niagara Falls and they'll escort me to the U.S."

He faces a court martial and can expect to serve one to three years in jail for desertion, Hinzman said.

He was among 300 anti-war supporters in Toronto at the demonstration calling for an end of the war in Iraq and the Conservative government of Stephen Harper. There were similar protests in Montreal, Fredericton, Ottawa and London, Ont.

2 KIDS

Kimberly Rivera, 26, of Texas, who has two children and is pregnant with a third, said she also lost her refugee case and will have to report for removal in a couple weeks.

"I will go back home and face the consequences if I'm told," Rivera said. "I would prefer to go to jail than to kill innocent people."

Garrett Riotte, 18, of Illinois, said he didn't believe in the war and bolted at the first opportunity.

"I was in a school of infantry and left before my graduation," Riotte said. "If Canada wants to deport me, I will go home."

Aslan Lamarche, 19, of Miami, said he sought asylum last November. "I didn't think the war was a good thing to do," he said. "Canada is a great place to live."

http://cnews.canoe.ca/CNEWS/Canada/2008/09/15/6768716-sun.html

Kater

Jeremy Hinzman, prominentester US-Deserteur in Kanada, versucht vor Gericht in Toronto seine für morgen bevorstehende Auslieferung an die USA zu verhindern...

ZitatU.S. war deserter appeals deportation order

U.S. war deserter Jeremy Hinzman was in a Toronto court Monday to plead with a Federal Court to stay his deportation order.

Hinzman, 29, along with his wife and two young children, have been ordered to leave Canada Tuesday.

If he ignores the order, a warrant will be issued for his arrest.

He made this decision very consciously coming here to Canada, knowing that it was uncertain. He thinks he made the right decision," Michelle Robidoux, a spokesman with the War Resisters Support Campaign, said Monday. "He has been very courageous and worried that he won't get a stay removal but hopeful that the judge will grant it."

If a judge grants Hinzman's request, then he will be able to stay in Canada until he can appeal the deportation order, which may take anywhere from several weeks to several months.

A decision is expected to be reached by mid-afternoon, Robidoux said.

On Sunday, about 100 protesters travelled to Immigration Minister Diane Finley's southern Ontario constituency office, begging her to stop the deportation, she said.

Hinzman joined the U.S. army in early 2001. Soon after, he sought status as a conscientious objector, which was denied.

He then fled to Canada with wife and son in 2004.

In August, Canada Border Services ordered Hinzman, his wife, son and daughter to leave the country by Sept. 23. The order came after Citizenship and Immigration denied two of his applications to stay, one made under the pre-removal risk program and the other on humanitarian and compassionate grounds.

The group says Hinzman and his family are the first Iraq war deserters to seek sanctuary in Canada.

U.S. deserters who are returned to their country can face penalties including criminal charges, being required to complete their military contract or being given an undesirable administrative discharge from army service.

In July, Canada deported war deserter Pte. Robin Long, who following his return to the United States, had a Colorado court martial in August and was sentenced to 15 months in jail.

http://www.canada.com/topics/news/national/story.html?id=78bd91d5-f302-42e5-a63f-39e6019fdd47

Kater

ZitatKanada liefert fahnenflüchtigen US-Soldaten vorerst nicht aus
Teilnahme an Irak-Krieg verweigert

Das kanadische Bundesgericht hat die Abschiebung eines Deserteurs der US-Armee in die USA am Montag im letzten Augenblick ausgesetzt. Ursprünglich sollte der Soldat am Dienstag an die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden.

(sda/afp) Dort droht dem 29-Jährigen ein Prozess vor dem Militärgericht. Wie die Verteidigung mitteilte, will das Gericht nun zunächst abklären, ob es sich mit der Berufung des US-Bürgers befassen wird.

Der Soldat war während des Afghanistan-Kriegs als Mitglied der 82. Luftgestützten Division am Hindukush stationiert. Eine Teilnahme an dem aus seiner Sicht «unmoralischen und illegalen» Irak-Krieg verweigerte er schliesslich.

Vor seiner geplanten Entsendung in den Irak setzte er sich im Frühjahr 2003 mit seiner Familie nach Kanada ab. Der Fahnenflüchtige ist einer von rund 200 desertierten GIs, die sich - zum Teil versteckt - in Kanada aufhalten. Mehrere beantragten vergeblich den Status als politischer Flüchtling.

Ein erster von Kanada in das Nachbarland abgeschobene US-Soldat, der sich der Beteiligung am Irak-Krieg widersetzte, war im August von einem Militärgericht in Colorado zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt worden.

http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/us-deserteur_1.888153.html

Kater

weiterer US-Deserteur soll aus Kanada abgeschoben werden...  :(

ZitatCanada orders US war resister to go home
23 hours ago

OTTAWA (AFP) — Another US war resister was ordered to leave Canada on Wednesday or face deportation by the end of the month, a support group said on its website.

"Iraq war resister Patrick Hart, his wife Jill and son Rian were told that they must voluntarily leave Canada or they will be deported to the United States on October 30th," said the War Resisters Support Campaign.

Hart is a former sergeant and nine-year veteran of the US military who served in the Middle East as part of Operation Iraqi Freedom.

After one tour, however, he fled to Toronto in August 2005, deciding that "he could no longer take part in the illegal and unwarranted military occupation."

More than a dozen US war resisters are fighting uphill legal battles to stay in Canada, after the first of them was sent home and sentenced in August to 15 months in prison for desertion.

An estimated recent 200 US war resisters, none of whom has yet to secure refugee status, are currently living in this country.

http://afp.google.com/article/ALeqM5hpQRaig6fMwfTSnJwksiYVjXAdog

  • Chefduzen Spendenbutton