Parteien, Gewerkschaften und linke Organisationen

Begonnen von Kuddel, 11:59:58 Di. 03.Mai 2022

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Kuddel

In wie weit sind diese Organisationen wichtig oder hilfreich bei der sozialen Selbstverteidigung oder dem Kampf gegen das kapitalistische System?

Eure Meinung, eure Erfahrung?

Kuddel

Dieses Thema wurde eröffnet, weil es scheinbar viel Ratlosigkeit über den Umgang mit den herrschenden Verhältnissen gibt. Die kapitalistischen Verhältnisse haben dazu geführt, daß es einen sozialen Abstieg gibt für die Mehrheit der Menschen mit und ohne Arbeit. Es ist nicht nur ein Abstieg, sondern für viele bedeutet es reale Armut. Auch für kleine Gewerbetreibende bedeutet es Abstieg und die Mittelschicht und Teile der Industrie sind von Abstieg bedroht.

Kapitalismus führt auch zur Zerstörung unserer Resourcen, zu Umweltzerstörung und Klimawandel. Der Konkurrenzkampf innerhalb des Kapitalismus geht über Leichen. Die Arbeitsbedingungen und der fehlende Arbeitsschutz produzieren weltweit mehr Tote als allle Kriege zusammen. Das kann sich gerade ändern, denn kapitalistische Machtblöcke stehen sich gerade in einer militärischen Konfrontation gegenüber und wir befinden uns bereits in einem Krieg zwischen dem Regime des Freien Westens® und dem russischen Regime.

In anderen Worten, es sieht finster aus: Wir rauschen in die Armut, der Globus wird durch Umweltzerstörung und Krieg unbewohnbar, bzw. zu einem Planeten, auf dem das Leben zur Hölle wird.

Die logische Konsequenz daraus wäre in meinen Augen, daß die Menschen, denen ihre Zukunftsperspektive geraubt wird, sich zusammenschließen, um sich gegen Verarmung, Ausbeutung, Umweltzerstörung und Krieg zu wehren.

Es scheint, daß sich die Menschen es nicht zutrauen, selbst ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Das gilt nicht nur für "die Gesellschaft" sondern auch für dieses "Forum der Ausgebeuteten". Man sucht auch hier nicht nach Möglichkeiten zusammenzufinden und sich gemeinsam zu wehren und eine Gesellschaft so zu gestalten, wie wir sie brauchen.

Nein, man versucht nicht die eigene Interessen zu bündeln um so die Verhältnisse zu ändern. Man hofft, daß irgendwelche beschissenen Organisationen das übernehmen.

Die Hoffnungen, die man hierbei in die Linkspartei steckt, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Selbst wenn die Linkspartei eine tolle Organisation wäre, die nur aus ausgebufften Kämpfern bestehen würde, wäre sie nicht in der Lage, die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu ändern. Das kann nur eine Massenbewegung erreichen, die wir nicht haben. Die Linkspartei ist seit langem zu einer zahnlosen sozialdemokratischen Partei verkommen. Sie könnte, wenn überhaupt, nur durch massiven Druck ihrer Basis und einer breiten Bewegung (unabhängig einer Parteimitgliedschaft) zu einem notwendigen Neustart der Partei gezwungen werden mit einer kämpferischen Ausrichtung und auch neuen Personal. Aber die Anhänger dieser Partei verweigern sich der Kritik und eines Umbaus der Partei. Hier im Forum jedenfalls wurde Kritik an der Partei als "die Linke (subtil) systematisch durch den Dreck zu ziehen" bezeichnet.

Nochmal, ich glaube, die notwendigen Kämpfe können nur durch einen beiten Zusammenschluß der Betroffenen sebst und in praktischen Kämpfen und einer Bewegung entstehen. Solche Kämpfe und Bewegungen werden selbst entscheiden, welche Organisationsstrukturen hilfreich oder notwendig für die Auseinandersetzung sind.

Ich verstehe nicht, warum man jetzt so viel Interesse und Emotionen in Organisationen steckt, ohne geklärt zu haben, was man überhaupt will und mit wem man zusammen das Ziel erreichten könnte.

Es ging immer wieder um die Linkspartei, die in meinen Augen zu einer zahnosen sozialdemokratischen Partei verkommen ist, die weder in der Lage ist, politische Druck zu erzeugen, noch eine Wählerschaft an sich zu binden. Falls diese Partei jemals wieder die eigene Bedeutungslosigkeit verlassen will, halte ich eine schonungslose Kritik von innen und außen für notwendig. Wenn eine Kritik nicht gewünscht ist, scheint eine Reform der Partei auch nicht gewünscht zu sein.

Dann ist da noch die MLPD. Das ist eine Partei, die winzig ist und deren politische Bedeutung kaum erwähnenswert. Von daher bin ich fassungslos, daß die MLPD für einige ein zentrales Problem darzustellen scheint, als sei sie unser aller Bedrohung. Es geht nicht gegen FDP, SPD oder Grüne, die real für Sozialkahlschlag, Umweltzerstörung und Krieg mitverantwortlich sind, sondern man schießt sich auf eine dogmatische Popelpartei ein.

Die MLPD bietet eine Menge Angriffsfläche jenseits ihrer hölzernen Sprache, da wären die Parteistruktur und gesellschaftliche Analysen, die dazu einladen. Doch ich finde diese Auseinandersetzung nicht. Es wird der Partei eine Bedeutung zugeschrieben die sie nicht hat. Die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung finde ich nervig. Einfach nur pauschal auf die MLPD einzuschlagen, halte ich für keinen Ersatz.

Ferragus

Die bestehenden Organisationen, die ich von innen gesehen habe, waren alle untauglich und in schlechter Verfassung. Parteien waren entweder zu nah am Staat und Wahlzirkus oder ihre Denkschule zu eng, verknöchert, gefährlich. Die Gewerkschaften: schwerfällig und bürokratisiert (was das eigentlich heißt und wie man es verhindert, haben wenige begriffen, obwohl das Problem schon so lange wirkt). Das Erbe der alten Arbeiterbewegung west vor sich hin. Das Bedürfnis nach Vereinigung ist eben nicht besonders groß. eins nach dem anderen, Es stimmt das nicht wenige die Organisation seltsam behandeln, ohne zu klären, warum man sich vereinigt, dann sitzen sie rum und ihnen fällt nur das Übliche ein und sie schreiben Protokolle und gehen auf Demo's. Einen neuen "Lokalismus" braucht es da vielleicht! erst einmal in dem Ort, in dem man steckt, eine kleine Verbindung schaffen und sich verankern ohne Sozialarbeiter zu werden, egal wie man das Gebilde nennt(der Name Partei hat ne Hypothek), abstand von den linken Sekten halten (schwierig in kleineren Städten!) und dann andere dinge ausprobieren. wichtig ist der Klassenhass, d.h. Wut auf die elend Lebensweise von heute; den müssen alle in sich haben, die daran teilnehmen wollen, und er scheint selten zu sein. Später kann man über größere, weitgespanntere Verbindungen nachdenken. soweit sind wir lange nicht.

Kuddel

Zu diesem Thema nochmal ein völlig anderer Ansatz.

"Linke" Regierungen brachten meist soziale und politische Rückschritte und danach einen Frust, resignierte Linke...
Nach Ewigkeiten Helmut Kohl kam Rot-Grün an die Macht und ach, ein ehemals steineschmeißender grüner Außenminister in Turnschuhen, das hielt man schon für eine Revolution.

Dann kam die Agenda 2010, Hartz IV, der Jugoslawienkrieg, die Verfassungsänderung mit Freibrief für die Bundeswehr, in aller Welt Krieg führen zu dürfen.

Na, schönen Dank!

Oder noch ein Beispiel: Frankreich.
Wir hatten damals linksradikale Freunde dort und uns über Jahre wechselseitig besucht.
Es machte uns aber unfaßbar, wie sie erzählt haben, daß auch sie auf den Straßen mit wildfremden Menschen getanzt haben, als der "Sozialist" François Mitterrand gewählt worden ist. Anfangs sah es noch recht gut aus und gegen den Wischiwaschikram der heutigen deutschen Linkspartei beeindruckend: Mitterrand bildete eine Koalition mit den Kommunisten und dem kleinen linksliberalen Mouvement des radicaux de gauche (MRG), die zusammen über eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Nationalversammlung verfügten. Er ließ Schlüsselindustrien und Banken verstaatlichen und die zulässige Arbeitszeit kürzen, es folgten die Abschaffung der Todesstrafe (1981), die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die Abschaffung bestimmter Sicherheitsgesetze und Reform der Medien.

Politisch war das Pulver damit weitgehend verschossen und es setzte die politische Normalität ein, die irgendwann so scheiße war wie immer. Das Hauptproblem war, daß die Linken Bewegungen geschwächt, fast schon unbedeutend geworden sind. Man hatte ja gehofft, der Fortschritt würde aus dem Präsidentenpalast kommen. Als die parlamentarische Linke aber ihren Schwung und Biß verloren hat, immer träger und korrupter wurde, beitete sich Frust unter den einfachen Menschen aus, die ihre Hoffnung für ein besseres Leben durch die "Sozialisten" gesteckt haben. Dieser Frust wurde die Basis für die französichen Faschisten, für Le Pen.

Eigentlich haben die linken Parteien Frankreichs insgesamt keine tolle Rolle gespielt.

Ich halte das Entstehen der Gelbwestenbewegung für den ersten großen Lichtblick in der französischen Politik. Die Herrschenden bekamen echt Muffensausen, hatten teilweise schon Hubschrauber zu Flucht bereitstehen, falls ihre Anwesen gestürmt werden sollten. Leider verlor die Gelbwestenbewegung nach und nach an Schwung.

Ich kann die momentane Begeisterung für den "linken" Mélenchon nicht nochvollziehen. Ich sehe die Linke Politik im Fall eines Wahlsiegs im Parlament verpuffen und der Frust dann einen weiteren Rechtsruck.

Ich halte es für für viel wichtiger, daß Strukturen da sind, die Straßenproteste und betriebliche Kämpfe auf die Beine stellen können. Unabhängigen Strukturen und Soziale Bewegungen kommen in der Diskussion in Deutschland viel zu wenig vor. Es gibt nur das große Rumgeheule, weil sich die Linkspartei selbst zerlegt hat.

Und man guckt so neidisch nach Frankreich und auf Mélenchons Linksbündnis.

Immerhin äußert sich das Neue Deutschland kritisch:
ZitatWenn­gleich Jean-Luc Mélen­chon die Sym­pto­me neo­li­be­ra­ler Regie­rungs­for­men lin­dern könn­te, lässt er doch ihre im Klas­sen­ver­hält­nis grün­den­den struk­tu­rel­len Ursa­chen außer Acht.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164463.parlamentswahlen-in-frankreich-die-optische-taeuschung-einer-roten-gefahr.html


ManOfConstantSorrow

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

counselor

ZitatBERLIN - 6. Ver.di-Bundeskongress vom 17. bis 22. September "Morgen braucht uns"

"Morgen braucht uns", dieses Motto zog sich durch den gesamten Ver.di-Kongress und entfaltete die Auseinandersetzung, was morgen gebraucht wird und vor allem, um welches Morgen geht es?

Quelle: https://www.rf-news.de/2023/kw41/6-ver-di-bundeskongress-vom-17-bis-22-september-morgen-braucht-uns
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Frauenpower

Heute um 20.15 Uhr auf mdr bei "Exakt!"
*Warum immer mehr Menschen in Gewerkschaften eintreten.

counselor

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Hörenswerter Vortrag von Richard D. Wolff über Gewerkschaften und politische Macht

https://youtu.be/4WrfQQsxx_A
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