Gute Stell(ung)en Oder: Stell dich nicht so an!

Begonnen von Kater, 00:30:53 Mi. 23.November 2005

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Kater

ZitatGute Stell(ung)en Oder: Stell dich nicht so an!
Sina Lehmberg

Früher habe ich Heiratsanzeigen studiert. Aber seit Hartz IV ist es doch besser, alleine zu leben. Jetzt stürze ich mich stattdessen mit Vorliebe auf Stellenanzeigen. Lach- und Sachgeschichten für Erwachsene sozusagen.

Da ist ja wirklich für jeden was dabei. "Der Arbeitskreis Wissen und Fortschritt sucht politikinteressierte junge Leute." Als solche treffe ich mich mit einer Frau, die mich nach meiner ideologischen Gesinnung ausfragt und mich dann bittet, auf Veranstaltungen der linken (oder rechten) Szene, je nach persönlichem Geschmack, in meiner Heimatstadt Beobachtungen aufzuschreiben; möglichst detailliert, mit den Namen aller auffälligen Teilnehmer. Die Daten werte sie dann für ihre wissenschaftliche Arbeit aus. Mehr könne sie leider nicht dazu sagen. Alles top secret, der Wissenschaft zuliebe. B-itte N-icht D-arüberreden!

Da flüchte ich doch lieber ins Ausland. Wahlweise "als Deutsch-Nachhilfelehrerin nach Spanien, für 5 Euro die Stunde mit unentgeltlicher Nutzung eines Fahrrades und einer Waschmaschine" - oder nach Afrika. Da sucht ein nicht mehr ganz junger deutscher Filmemacher "eine weibliche Begleitung vor und hinter der Kamera" (mit Frauen komme er nämlich einfach besser klar), um in der Sahara einen Kulturfilm zu drehen. Anreise mit seinem Auto ab Hamburg, vor Abfahrt noch probeweise eine Woche mit ihm in seiner Ein-Zimmer-Wohnung ("man muss sich ja verstehen"). Leider hatte sich seine frühere Mitarbeiterin und spätere Frau, die er bei einem vorherigen Vorstellungsgespräch kennen gelernt hatte, von ihm getrennt, so dass er jetzt jungen und zum Trost hübschen Ersatz brauchte. Clever, dachte ich mir: Gib doch auch mal ein Stellenangebot auf, da schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe - bekommst hunderte von Zuschriften und kriegst alle wichtigen Daten deiner männlichen Bewerber frei Haus. Mit Foto und Adresse. Und frankiertem Rückumschlag!

Also doch in Deutschland bleiben und das Abenteuer in der kunterbunten Republik suchen. Vielleicht als "Statist als Zivilist bei Manövern der U.S. Army"? Einmal "Bürgermeister eines Dorfes im Kosovo" sein, "der von Zeit zu Zeit mit Commandern der US Soldaten verhandeln muss. Alle Manöver werden ausschließlich mit ungefährlichen Attrappen und Platzpatronen durchgeführt. Die civilians on the battlefield werden mit Infrarot-Detektoren ausgestattet, so dass festgestellt werden kann, ob bei entsprechenden Einsätzen Zivilisten zu schaden gekommen wären." Da bin ich dann leider doch nicht genommen worden, obwohl ich ja eine solide Ausbildung mit Zivilverteidigung, Stockbett und Kasernierung hinter einer Mauer genossen habe.

"Gesundheitliche Belastbarkeit" fordert auch ein emeritierter Professor aus München, der möglichst langfristig (also mutmaßlich bis zu seinem Tode) eine wissenschaftliche Privatassistentin sucht. "Voraussetzungen: Geisteswissenschaftlicher Hochschulabschluss und vielfältige praktische Begabung. Gute Autofahrerin. Flexibel in der Arbeitszeit, gelegentlich Mitarbeit am Wochenende und Reisebegleitung. Umsichtige Erledigung aller Arbeiten im privaten Sekretariat, einschließlich Installierung von Software. Entlastende Unterstützung und Begleitung, insbesondere auf Reisen zu Kongressen und Tagungen."

Hmm, so also sieht unsere Zukunft aus: Arbeiten bis 90, dafür werden Stellen für junge Akademikerinnen frei, die ihrem Herren treue dienen, Disketten und Zäpfchen einschieben und auch am Wochenende nichts Besseres vorhaben als Opa überall hin zu chauffieren. Schließlich ist die gebildete Frau von heute gebärfaul und ungebunden. Und sie behält in allen Lebenslagen und auf allen Schreibtischen dieser Welt natürlich stets und zu Ihrer vollsten Zufriedenheit die Um- und Übersicht.

Und da sage noch einer, es gäbe keine attraktiven Stellungen! Ehe ich aber dem alten Herrn mein Magisterzeugnis, Referenzen und negativen Aids-Test schicke, rufe ich noch bei einer gewissen Sandra unter einer 0190-Nummer an, um mich als "Synchronstimme für eine neue Hörspielsynchronistaion" zu bewerben. Oohhhjaa ja, ja, ja, ja aaahhhhoooohh!!

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/502414.html

  • Chefduzen Spendenbutton