"Wir privatisieren, weil wir müssen"

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 15:26:12 Mo. 19.Februar 2007

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Wilddieb Stuelpner

tageszeitung, Regionalteil Berlin, vom 19. Februar 2007

"Wir privatisieren, weil wir müssen"

Am Verkauf der landeseigenen Sparkasse führe kein Weg vorbei, sagt Carola Bluhm, Fraktionschefin der Linkspartei. Trotz scharfer Kritik von Oskar Lafontaine sieht sie die Vereinigung von Linkspartei und WASG nicht gefährdet

INTERVIEW: FELIX LEE

taz: Frau Bluhm, die Linkspartei hat seit ihrer Wiederwahl keinen guten Start hingelegt. Ideenlosigkeit wird Ihrer Partei vorgeworfen. Was soll nun anders laufen?

Carola Bluhm: Die Koalition hatte keinen guten Start. Wir haben deshalb auf unserer Klausurtagung zunächst genau unsere Fehler analysiert. Zum Beispiel hat uns die gescheiterte Klage in Karlsruhe, das den Bund verpflichtet hätte, Berlin bei der Haushaltshilfe unter die Arme zu greifen, kalt erwischt. Aber keiner hatte einen Plan B.

taz: Was folgt daraus?

Jetzt ist besonders wichtig, an einer sozialen und integrativen Stadt zu arbeiten. Dank besserer Steuereinnahmen stehen wir aktuell vor der glücklichen Situation, dass die finanzielle Lage gar nicht so desaströs ist, wie wir befürchtet hatten. Wir können so reagieren, als wären wir mit der Klage erfolgreich gewesen.

taz: Das heißt, es gibt wieder mehr Geld für soziale Projekte?

Nein, denn das wäre zu einfach gedacht. Die Finanzsituation bleibt schwierig. Die höheren Steuereinnahmen ermöglichen uns jedoch, auch die Wirtschaft zu stärken und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen - das ist wichtig für den sozialen Zusammenhalt Berlins.

taz: Wo bleibt dabei das spezifisch linke Profil?

Wir wollen eine Stadt, in der es weiterhin bezahlbare Mieten in der Innenstadt gibt, die Kinderbetreuung gewährleistet bleibt und wir allen Gefahren sozialer Ausgrenzung Einhalt gebieten.

taz: Und dennoch soll die landeseigene Sparkasse privatisiert werden. Wie verträgt sich das?

Wir hatten einen Bankenskandal, das Land musste finanziell einspringen. Die Folge waren EU-Auflagen. Und die sehen den Verkauf der Landesbank vor.

taz: Das sieht Oskar Lafontaine von der Bundes-WASG anders. Er fordert, dass das Berliner Sparkassengesetz wie in Saarland so sehr mit Vorschriften versehen wird, dass renditeorientierte Investoren vom Kauf absehen.

Öffentlich-rechtliche Bieter kämen dann zum Zuge.

Oskar Lafontaine weiß, dass wir so viel wie möglich vom "roten S" erhalten wollen, EU-Recht aber nicht durch eine landesgesetzliche Regelung außer Kraft setzen können. Dagegen käme auch das saarländische Sparkassengesetz nicht an. Jeder muss bieten können. Wenn das Sparkassenlager ein gutes Angebot macht, würde uns das freuen.

taz: Glauben Sie, die Privatisierung könnte den Fusionsprozess von WASG und Linkspartei auf Bundesebene gefährden?

Der Fusionsprozess wird nicht ohne Widersprüche vonstatten gehen. Das ist normal in der Politik. Zugleich weiß Herr Lafontaine um unsere Bemühungen. Wir privatisieren gegebenenfalls ja nicht, weil wir wollen, sondern weil wir müssen.

taz: Es handelt sich also bloß um Drohgebärden, wenn Lafontaine Sie auffordert, den Senat zu verlassen, falls der Zuschlag an eine Heuschrecke fällt?

So wie es in der Linkspartei in allen Fragen gehandhabt wird, entscheidet der Landesverband. Und der hatte sich mit klarer Mehrheit für die rot-rote Koalition ausgesprochen.

Wilddieb Stuelpner

Neues Deutschland, vom 20. Februar 2007

Wenn's um mehr als Geld geht - Berliner Landesbank: Im Linksbündnis wird über den Verkauf der Sparkasse gestritten

Von Tom Strohschneider

Wenn's um Geld geht Sparkasse, lautet seit Jahren ein Werbespruch der öffentlich-rechtlichen Geldinstitute. Nun könnte der Verkauf der Landesbank Berlin, zu der die Berliner Sparkasse gehört, zum Testfall für die Belastbarkeit des Bündnisses aus WASG und Linkspartei werden. Eigentlich ist das Thema viel zu kompliziert für einen öffentlichen Streit. Um richtig mitreden zu können, muss man das Kreditwesengesetz kennen und einiges über EU-Behilfen wissen. Dennoch gehört der Verkauf der Landesbank Berlin (LBB), zu der die Sparkasse gehört, derzeit zu den Lieblingsthemen bei WASG und Linkspartei.

Auf der einen Seite die Wahlalternative und Oskar Lafontaine, die eine Privatisierung der Sparkasse verhindern wollen oder wenigstens hohe Auflagen verlangen, damit das Geldinstitut nicht an »Heuschrecken« veräußert wird.

Seit Monaten wird das Verhalten der Berliner Sozialisten in der Landesbank-Frage zum »Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der Linken« erklärt. Und die WASGSpitze forderte die PDS auf, »zu prüfen, ob die Berliner Sparkasse überhaupt verkauft werden muss«.

Am Wochenende forderte Lafontaine die Genossen schließlich sogar auf, im Fall eines Verkaufs der Landesbank an eine Heuschrecke oder ohne ausreichende Garantien die Koalition zu verlassen. An der Spree kam das Diktum des Saarländers nicht besonders gut an. »Entscheidungen über Berliner Politik werden in Berlin getroffen«, reagierte Wirtschaftssenator Harald Wolf – und verwies auf die Rechtslage. Berlin muss seinen 81-prozentigen Anteil an der Landesbank gemäß einer EUAuflage von 2004 verkaufen. Damals hatte Brüssel nur unter der Bedingung eines »diskriminierungsfreien« Verkaufs eine Geldspritze über 1,75 Milliarden Euro des Landes an die wegen windiger Immobiliengeschäfte in Schieflage geratene LBB genehmigt, die damals noch Bankgesellschaft hieß.

Inzwischen sind 19 Interessenten vorstellig geworden, darunter auch die Commerzbank, die HSH Nordbank und der Sparkassenverbund DSVG. Lafontaine fordert, »dass die Sparkasse weiter im öffentlichen Besitz bleibt« und bevorzugt einen Deal mit dem DSVG. In diesem Fall, so die Hoffnung, wäre am ehesten gewährleistet, dass das Geldinstitut weiter gemeinwohlorientiert wirtschaftet. Allerdings wird nicht erwartet, dass die Sparkassen das höchste Angebot abgeben – für den Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin ist der Preis jedoch das wichtigste Auswahlkriterium im Bieterverfahren.

Zudem haben die Sparkassen Konkurrenz aus dem eigenen Lager bekommen. Ursprünglich sollte der DSVG der einzige Bieter aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor sein. Dann bekundeten auch vier Landesbanken Interesse. Die Sparkassen, die an den Landesbanken beteiligt sind, müssen sich bald entscheiden, ob sie den DSVG unterstützen oder ihre Landesbank.

Oskar Lafontaine sind die Landesbanken ohnehin nicht mehr geheuer. Zwar gehören auch sie zum öffentlich-rechtlichen Sektor des deutschen Dreisäulenmodells aus Genossenschafts-, Privat- sowie Landesbanken und Sparkassen. Beim Mitbieter HSH Nordbank indes, hervorgegangen aus der Hamburgischen und Schleswig-Holsteinischen Landesbank, ist bereit der Finanzinvestor JC Flowers eingestiegen. »Heuschrecken«, so Lafontaine, wollten die Sparkasse aber nur erwerben, um in den Markt »einzudringen« und das Dreisäulenmodell zu knacken.

Lafontaine und die WASG fordern darüber hinaus, dass Berlin »noch vor einem Verkauf« das Sparkassengesetz ändert. So soll zum Beispiel vorgeschrieben werden, dass Gewinne gemeinnützig verwendet werden. Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer hält das zwar für diskussionswürdig, warnt aber zugleich vor möglichen Konsequenzen. Die PDS wolle alles daran setzen, dass »soviel wie möglich vom roten S« übrig bleibt. Man soll aber »alles vermeiden«, so Lederer, was die EU Kommission erneut auf den Plan rufen könnte. Die halte das Dreisäulenmodell »für einen Fremdkörper im Binnenmarkt« und würde es gern abschaffen. Dann, so Lederer, hätte man »Gutes gewollt, aber viel Unheil angerichtet« – über Berlin hinaus. Bei dem Streit geht es ohnehin um mehr als »nur« den Erhalt einer gemeinwohlorientierten Sparkasse in der Hauptstadt. Die Akteure stehen sich nicht zufällig auch in einigen wichtigen, noch offenen Fragen über den zukünftigen Kurs der Linken gegenüber. Auf WASG-Seite fürchtet man zudem, die beim Wähler nicht gerade mit Beifall bedachte Regierungsbeteiligung an der Spree könnte sich negativ in anderen Ländern und auf Bundesebene auswirken. In der Linkspartei ist man derweil um das nach den Herbstwahlen 2006 letzte Referenzprojekt auf Regierungsebene besorgt. Ohne Rot-Rot in Berlin wäre das »strategische Dreieck« der PDS einen zentralen Pfeiler los. »Wir können«, meinte unlängst Gregor Gysi, Lafontaines Pendant an der Linksfraktionsspitze, »über die Berliner nicht immer nur meckern«.

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