Null Leben, nur Lernen.

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 11:42:19 Do. 17.September 2009

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ManOfConstantSorrow

"Der Druck hat sich massiv erhöht"
Studenten stehen unter Dauerkontrolle, sagt Klemens Himpele im FR-Interview. Er ist Autor einer Studie zum Bologna-Prozess.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1938219_Klemens-Himpele-Der-Druck-hat-sich-massiv-erhoeht.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Arwing

Naja, so spielt sich Deutschland im internationalen Bildungswettbewerb eben selbst herunter und droht zu einer Randfigur zu verkommen. 

Die Schwerindustrie sowie die eigene Rohstoffknappheit lassen Deutschland keine Wahl als auf den Service- und vor allem Bildungssektor zu setzen, um gut qualifizierte (akademische) Facharbeiter zu erzeugen.

Nur sieht die Realität durch einen schlecht umgesetzten Bolognaprozeß, Studiengebühren und magere Bafögobergrenzen, die die Studis zum Nebenjob zwingen, anstatt sich auf das Studium konzentrieren zu können, sehr schlecht aus.
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

Alan Smithee

@Arwing

da kann ich dir nur zustimmen. Ich bin ja leider schon jenseits von Gut und Böse was Leben und Lernen betrifft, aber eigentlich bin ich heilefroh, dass ich doch nicht mehr in dem Alter bin.... ::)
...still dreaming of electric sheep...

Crazy_Jules

Ich kann das nur bestätigen, was hier gesagt wurde. Ich bin 22 studiere Erziehungswissenschaften mit schwerpunkt Sprach-Heilpädagogik und ich komm mit meinem Mini Bafög- Satz net weit, ich hab zwei nebenjobs, damit ich mein Studium finanzieren kann. Da ich nicht mehr zu hause wohne, muss ich auch noch meine Miete zusammenkriegen. Und meine Eltern haben beide im März den Arbeitsplatz verloren, die können mir kaum etwas zahlen. Ende vom lied ist im moment dass ich mit 22 kurz von einem Burn out stehe, seit september deswegen krankgeschrieben bin und jetzt in ne Reha muss. Aber gelebt hab ich noch net, eher nur glernt und gearbeitet wie ne maschine, das war kein Leben..
Fallen ist menschlich, liegen bleiben ist feige....

Pinnswin

Nicht nur das Schulsystem hat schon länger geschnallt, das Bildung in D nicht benötigt wird. Vitamin B reicht völlig aus, damit das Töchterlein vom Staatssekretär in einen feschen Job reingefilzt wird. Deswegen auch das Beamtendeutsch.
Die Hartz4-(u.ä.)Ableger, die irgendwas mit höherem Bildungsweg machen wollen, sollen mal lieber wieder schnell unter dem Teppich abkriechen, wo se rausgekrochen kamen, die braucht keiner im deutschen Filz. Oder sie bringen ne Tonne geschnorrter Kohle für ihre Ausbilung mit, die sie dann nie wieder zurückzahlen können.



Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

Alan Smithee

Was Pinnswinn schreibt ist absolut korrekt. Geh mal als Hartzler zur ARGE und frage nach Weiterbildung...lieber versenken die Ihre Kohle in absoluten Sinnlos-Pseudo-Weiterbildungen, als dass die auch nur annähernd was Vernünftiges bewilligen. Dies betrifft vor allem diejenigen, die eigentlich schon längst ausselektiert worden sind - aaaber dann noch per EGV zig Bewerbungen pro Monat vorweisen müssen oder darf´s noch das 10. Bewerbungstraining oder unbezahlte Praktikum sein??

So produziert man eine Armee an Billigstlöhnern, denen man dann auch noch vorwirft, trotz all der tollen Maßnahmen von ARGE immer noch auf (ZU-) Zahlungen vom Amt angewiesen zu sein..

Und selbst wenn man es irgendwie schafft, noch eine Ausbildung, Umschulung oder wirklich qualifizierende Maßnahme durchzuringen; auf der ARGE wird die ganze Vorbildung ignoriert und versucht, lustig wieder in Billigst-Jobs zu vermitteln.
...still dreaming of electric sheep...

Pinnswin

Begeistern statt vergraulen
http://www.heise.de/tr/blog/artikel/Begeistern-statt-vergraulen-866738.html
[...] Mein Sohn studiert zur Zeit Elektrotechnik an der TU München. Er hat ein bayerisches Abitur mit Auszeichnung und ist Stipendiat. Die bisherigen Klausuren hat er gerade noch so bestanden. Wir dachten zunächst, dass der Umstieg vom Schulbetrieb auf das Studium gewöhnungsbedürftig sei und dass sich die Ergebnisse schon noch verbessern würden. Statt dessen kam es schlimmer und er musste Klausuren wiederholen.

Mein Mann ist selbst Ingenieur und wenn wir nicht wüssten, dass unser Sohn ein begabter Bastler und interessierter Forscher ist, würden wir ihm raten, in einen anderen fachlichen Zweig zu wechseln. Da wir aber überzeugt sind, dass er als Ingenieur ein Gewinn für unsere Gesellschaft sein kann, haben wir ihn ermutigt, die Richtung beizubehalten. Allerdings habe ich inzwischen erheblichen Zweifel an der Uni, an der er versucht zu studieren: Von den 700 Kommilitonen, die mit ihm begonnen haben, werden (oder besser gesagt dürfen) nach den ersten vier Semestern nur noch etwa 250 übrig sein. Das Verhältnis dürfte noch krasser ausfallen, wenn gleichzeitig die G9 und G8 Abiturienten auf die Hochschulen zukommen. [...] Inzwischen hat das neue Semester begonnen. Gleich in der ersten Vorlesung legte einer der Professoren eine Graphik mit den Durchfallquoten in seinem Fach auf, um den Studenten mit Stolz klarzumachen, wie hart es hier zugeht und wie schlecht die Vorgänger damit zurecht gekommen sind – da kam Begeisterung auf beim Ingenieursnachwuchs! [...]
Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

Hedgegina

Da Studierendendemos für die Verbesserung von Studienbedingungen in der Bevölkerung (hab ich mehrere Male selbst erfahren dürfen)  kontinuierlich auf Unverständnis stoßen - ist sowas doch immer wieder schön zu lesen.   >:(

Arwing

Ja, unser deutscher Bildungs(un)weg ist herrlich. Ich selber werde wohl mit ca. 100€ für Lebensmittel, Kleidung, schuhe und sonstige anfallende Kosten -inkl. Lernmittel- auskommen müssen, möchte ich ab Oktober studieren...

Es vollzieht sich ein Rückfall ins Mittelalter, habe ich den Eindruck >:(
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

Troll

ZitatWELCHE FOLGEN HAT DIE SCHULE FÜR DAS LEBEN?
von Markus Sommer

Dass die Verhältnisse, denen wir selbst in unserem Beruf ausgesetzt sind, sich auf unsere Gesundheit auswirken, glauben wir gerne. Wir sind überzeugt, dass ständiger Ärger zum Magengeschwür beiträgt, der Stress im Büro unserem Herz nicht gut tut und dass wir uns eigentlich mehr bewegen sollten, was aber nicht möglich ist, weil wir doch schon so früh zur Arbeit gehen und erst so spät zurückkommen. Dass es aber unseren Kindern schon ebenso gehen könnte, haben nicht alle im Bewusstsein und am wenigsten diejenigen, die keine Schulkinder (mehr) haben und die dennoch darüber entscheiden, wie deren Tage aussehen.
Eine Apothekerin (und frühere Mitschülerin von mir) erzählte mir kürzlich, dass Jahr für Jahr mehr besorgte Eltern zu ihr kommen und nach Medikamenten fragen, welche die Schulleistungen und das Konzentrationsvermögen bessern sollen, die Angst vor den Prüfungen mildern oder seelische Störungen - vom Schulbauchweh über Schlaflosigkeit bis hin zu ausgeprägter Depressivität - heilen. «Normale» Kinder scheine es gar nicht mehr zu geben, entweder sie erschienen als hochbegabt (und deshalb mit vielen Schwierigkeiten geschlagen) oder hätten ADHS.

Sind die Ängste der Kinder denn so unbegründet? Schon Grundschüler haben oft Furcht, dass von ihren Fehlern im Diktat ihr weiterer Lebensweg bestimmt ist. Die Entscheidung, dass sie «nur in die Hauptschule» müssen, trennt sie nicht nur von früheren Mitschülern, sie ist auch allzu oft mit dem Gefühl verbunden, damit endgültig verloren zu haben. Haben Lebensunsicherheit, Leistungsdruck und Konkurrenzdenken damit auch die Kinder erreicht?

Natürlich war früher nicht alles besser (obwohl schon das älteste Schriftdokument der Menschheit, eine mesopotamische Tonscherbe, dies behauptet). Wer es nicht glaubt, der soll David Copperfield von Charles Dickens lesen und froh sein, dass wir in anderen Zeiten leben. Dennoch ist es eine Tatsache: Seit die Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre verkürzt wurde (eine Entscheidung, die maßgeblich von einem Ministerpräsidenten vorangetrieben wurde, der selbst zehn Jahre benötigte, weil er eine Klasse wiederholen musste), werden Arztpraxen und Apotheken öfter wegen seelischer Störungen von Schülern aufgesucht - obwohl gründliche Untersuchungen hierzu noch fehlen. Aber man weiß bereits, dass Jugendliche sich umso häufiger selbst töten, je früher sie einst eingeschult wurden. Rächt es sich nicht vielleicht doch, wenn die Kindheit zunehmend verschwindet, weil man glaubt, «der Wirtschaft» einen Gefallen zu tun, wenn man möglichst früh junge Menschen «zur Verfugung stellt», die an deren (angeblichen) Bedürfnisse «möglichst gut angepasst» sein sollen? Ein Kinderarzt unserer Praxisgemeinschaft hat ausgerechnet, dass ein durchschnittlicher 15- bis 16-jähriger Schüler heute weit mehr Stunden für die Schule leisten muss, als es das Jugendarbeitsschutzgesetz bei einem gleichaltrigen Lehrling zuließe. Sehr viele Schüler verbringen heute nicht nur die Vor-, sondern auch die gesamten Nachmittage hinter dem Schreibtisch — in der Schule und zu Hause.

Auch Fastfood-Restauraunts eröffnen nicht grundlos immer häufiger ihre Filialen in Schulnähe. Das mag bei den kurzen Mittagspausen praktisch erscheinen, trägt aber zum zunehmenden Übergewicht im Jugendalter bei, zumal die freie Zeit für Spiel und körperliche Aktivität schrumpft. Die erschreckende Zunahme der Diabeteshäufigkeit bei Kindern und Jugendlichen liegt auch hierin begründet. Mit dieser Krankheit beginnt oft ein Leidensweg über Jahrzehnte, der viele gesundheitliche Störungen nach sich ziehen kann. Aber auch Bluthochdruck und Gefäßsklerose (mit ihren Spätfolgen Herzinfarkt und Schlaganfall) können durch die Kombination aus Fehlernährung und Bewegungsmangel in der Kindheit ihren Anfang nehmen. Diese Folgen werden wir z.T. erst in Jahrzehnten bemerken. Sie tragen dazu bei, dass unser Gesundheitssystem zunehmend unbezahlbar wird. Es kann also niemandem gleichgültig sein, wenn immer weniger Baumhäuser gebaut werden, weniger Drachen am Herbsthimmel fliegen und der Sportunterricht gekürzt wird. Wenn Schuldirektoren ernsthaft äußern, dass «ab dem siebten Schuljahr eigentlich keine Fortschritte mehr im Deutschunterricht erzielt werden», weil dann die Rechtschreibung einigermaßen beherrscht wird, und zudem glauben, dass man ruhig einen Teil der Stunden «für Wichtigeres» zur Verfügung stellen könne, dann übersehen sie, dass die Liebe zur Literatur einem die Möglichkeit verschafft, die Welt mit den Augen von Menschen anderer Herkunft, anderen Geschlechts, anderer Lebensweise zu erleben und damit Welterfahrung und Toleranz auszubilden. Wenn die Liebe zu etwas so «Nutzlosem» wie Lyrik geweckt wird und ein Verständnis für Metaphern, Rhythmus und Reimschema, dann wird nicht nur seelisches Feingefühl gefordert, sondern auch Abstraktionsvermögen. Wer gelernt hat, seine Gedanken in einem Aufsatz so strukturiert darzustellen, dass ein anderer sie nachvollziehen kann, der hat eine Fähigkeit erworben, die er sein ganzes Leben lang anwenden kann.
Es muss aber auch Raum bleiben, neben der Schule eigene Interessen zu entdecken und auszubilden. Wer gelernt hat, aus einfachen Dingen etwas zu machen und seine Zeit zu gestalten, wird später weniger verführbar sein. Vieles, was nicht vordergründig nützlich erscheint, wie z.B. der Musikunterricht oder das Erlernen eines Instrumentes, fordert die Fähigkeit, sich selbst und die Frustrationstoleranz auszubilden (übrigens ist als einzige Schulnote die für Musik mit einem Studienerfolg in Medizin verknüpft). Wer trotz Mühe anhaltend zu üben gelernt hat, bis er schließlich doch einen Erfolg erlebt, wird auch im späteren Leben lernbereiter sein als jemand, der immer nur das Pensum für die nächste Prüfung erarbeitet hat. Spätestens seit den fürchterlichen Amokläufen frustrierter, sich isoliert fühlender Schüler kann es uns nicht mehr gleichgültig sein, wenn Musik gekürzt wird, um beispielsweise mehr Informatikunterricht erteilen zu können.

Es ist gut belegt, dass musikalische Aktivität der Schüler das Gewaltpotenzial senkt. Wenn der Antrieb zum Lernen nicht aus dem Leistungsdruck entsteht, sondern aus dem Staunen über die Welt und dem Antrieb, sie zu verstehen, wenn nicht das Gefühl herrscht, der eigene Wert hänge von den Leistungen ab, sondern er stehe für einen liebevollen Lehrer unverbrüchlich fest, dann wird weitaus mehr zum Schutz getan als durch Metalldetektoren, die Mitnahme von Waffen in den Schulbereich unterbinden. Ich selbst blicke mit Dankbarkeit auf mein Schulleben zurück - ebenso wie die genannte Apothekerin. Wir hatten einen Lehrer, der einen Busführerschein besaß und in seiner Freizeit Schüler ins Theater einer entfernteren Stadt fuhr. Wir hatten Lehrer, die wir nachmittags und am Abend besuchten, um mit ihnen zu diskutieren und uns Bücher von ihnen zu leihen. Wir durften ganze Wochen in der Schule fehlen, um gründlich ein Museum zu erkunden, ein Seminar an der Universität zu besuchen oder einfach krank zu sein. Niemand fürchtete, dass danach der Schulstoff uneinholbar wäre. In unvergesslichen Stunden brachten uns Mitschüler bei, was eine Abseitsfalle beim Fußball ist, wie man strickt, eine Soße zubereitet, oder weckten Interesse an Platon und Aristoteles, wenn der vorgeschriebene jährliche Lehrstoff schon bewältigt war. Hier haben wir tatsächlich etwas «für das Leben» gelernt. Das geht aber nur, wenn bei allem Vorgeschriebenen noch Luft für spontane Initiative bleibt.
Schul- und Bildungspolitik ist keine Frage für Spezialisten - und sie geht auch nicht nur Eltern etwas an. Der Lebensabschnitt der Schulzeit hat Folgen für das ganze Leben und prägt die künftige Gesellschaft. Hoffentlich wird es auch in Zukunft viele Menschen geben, die im Rückblick auf die Schulzeit sagen: «Eigentlich ist es doch eine ganz schöne Zeit gewesen.» •

Markus Sommer, geb. 1966, Medizinstudium in München, klinische Erfahrung im Bereich Innere Medizin, Geriatrie, Neurologie, Pädiatrie und der praktischen Anwendung von anthroposophischer Medizin und Homöopathie Neben seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt ist er Autor und hält Vortrage.

Quelle: DM-Zeitschrift "alverde" März 2010, aus deml "a tempo" Teil
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Kuddel

ZitatVerordnung von Psychopharmaka bei Studenten steigt um 54 Prozent

In den vergangenen vier Jahren stieg die Verordnung von Psychopharmaka bei Studenten um 54 Prozent. Auch die Inanspruchnahme psychologischer Beratung an den 42 Beratungsstellen wächst. Die Gründe dafür reichen von einem hohen Leistungsdruck, über die Belastung durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, bis hin zum Absinken der Hemmschwelle, psychologische Hilfe anzunehmen.


Durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen stieg die Lernbelastung von Studenten. Mehr Stoff in kürzerer Zeit zu bewältigen, überfordert so manchen Menschen. Zudem zählen die Noten, die vor dem Examen geschrieben wurden, zur Gesamtnote. Darüberhinaus sollen die Studenten ihr Studium schnell abschließen, viel Auslandserfahrung sammeln und auch im Inland schon viele Praktika absolviert haben.

In den vergangenen vier Jahren stieg die Verordnung von Psychopharmaka bei Studenten um 54 Prozent. Auch die Inanspruchnahme psychologischer Beratung an den 42 Beratungsstellen wächst. 5 Prozent der Studentinnen und 3 Prozent der Studenten erhalten mittlerweile Medikamente gegen Depressionen. Diesen Angaben liegt eine Auswertung der Techniker Krankenkasse zugrunde, welche Daten von 135.000 selbst versicherten Studenten der TK sichtete.

Experten streiten mittlerweile, ob die Gründe für das Ansteigen psychischer Erkrankungen in den gestiegenen Leistungsanforderungen liegen oder eher im Absinken der Hemmschwelle, psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen. Zu den Problemen von Studenten zählen, neben den hohen gesellschaftlichen Anforderungen, oftmals Geldmangel und enorme Prüfungsängste, die jedoch fast alle Studenten betreffen. Auffällig ist, dass die Einnahme von Psychopharmaka ab einem Alter von 25 Jahren ansteigt
http://www.cecu.de/gesundheit-nachrichten+M578d6f34204.html

Hedgegina

ZitatZudem zählen die Noten, die vor dem Examen geschrieben wurden, zur Gesamtnote.

Das geht doch bereits beim Abitur los....ich hab zur Examenszeit auch Baldrian gefressen ohne Ende (Wirkung setzte ca. nach einer halben Stunde ein, also mit Baldrian zur Prüfung und ne halbe Stunde vorher einwerfen)...Sozialkontakte sind dann überhaupt nicht mehr vorhanden, Beziehung kann in die Brüche gehen... und und und...nebenher noch arbeiten (wenn Mami oder Papi nicht zahlt). Hab mal zusammengerechnet, dass ich für meine 4 mündlichen Examensprüfungen 90 Bücher aufm Kasten haben musste. Als der ganze Spuk vorbei war, hab ich mit allen 4en ausgestreckt nur noch Soap Operas im Fernsehen geschaut. Möglicherweise ist dieser ganze Prüfungsdruck ja nicht meines, aber ich fand es doch etwas hart, mühlen- tretmühlenhaft.

Kuddel

Eine neue Studie der Techniker-Krankenkasse (TK) kommt zu dem Ergebnis, dass viele Schüler bereits unter Stress und Panikgefühlen leiden. Bei Grundschülern sind es 20 Prozent, bei Gymnasiasten 23 Prozent und bei Haupt-, Real- und Gesamtschülern 27 Prozent. Jeder fünfte Schüler insgesamt leidet öfter morgens unter Bauch- und Kopfschmerzen.

Troll

ZitatWirtschaftswissenschaftler Scholz: Bachelor ist "schlichte Katastrophe"

Christian Scholz, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Saarland, betonte, Deutschland sei das einzige Land, dass wirklich etwas umgestellt habe. Das hätte man - auch in europäischen Vergleich - einfacher und besser haben können. Der deutsche Bachelor sei eine "schlichte Karastrophe".

Video

Der Bachelor-Abschluss ist bei Unternehmern nicht so angesehen wie ein Diplom.
Video

Die Wirtschaft ruft, die Politik springt, beide offensichtlich an Dummheit kaum zu überbieten, billiger, schneller und besser geht nicht zusammen, aber wen interessiert schon die Realität, die Dummen haben die Oberhand und Prügeln auf die vielbeschworene Zukunft ein.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
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Jiddu Krishnamurti

Efeu

Zitat von: Hedgegina am 20:31:13 Fr. 15.Juli 2011
... und und und...nebenher noch arbeiten (wenn Mami oder Papi nicht zahlt). Hab mal zusammengerechnet, dass ich für meine 4 mündlichen Examensprüfungen 90 Bücher aufm Kasten haben musste. Als der ganze Spuk vorbei war, hab ich mit allen 4en ausgestreckt nur noch Soap Operas im Fernsehen geschaut.
Das ist doch genau der Plan. Bildung nur noch für Reiche (wo Mami und Papi alles zahlen können). Und falls sich doch jemand aus einer anderen ("bonzen-/eliten-fernen" = "bildungsfernen") Schicht da durch quält kommt danach direkt die totale mediale Verseuchung durch Seifenopern ::)

Das gehört doch alles zusammen. Und da redet noch jemand von Verschwörungs"theorien"? Der Wahnsinn ist längst überall Normalität, deshalb sehen wir ihn nicht mehr. Die Pharmaindustrie kassiert auch noch kräftig mit ab...

arte-Doku: "Doping für den Job"
http://clips.team-andro.com/watch/6b6626e1f186f03c9a06/doping-fuer-den-job

"work hard - play hard": Horror-Dokumentation - Die Ressource Mensch muss optimiert werden!
http://www.chefduzen.de/index.php?topic=25466.0

Kuddel

ZitatDem Studenten wird ein übertriebenes Konkurrenzstreben eingetrichtert und er wird dazu ausgebildet, raffgierigen Erfolg als Vorbereitung für seine zukünftige Karriere anzusehen.

Albert Einstein

Kuddel

ZitatJeder fünfte Student betreibt Hirndoping

Sie schlucken Koffeintabletten, greifen zu Amphetaminen oder sogar zu Ritalin: Die Zahl der jungen Leute, die sich mit Hilfe von Medikamenten durchs Studium kämpfen, ist hoch. Viel höher als gedacht.
http://www.stern.de/gesundheit/medikamentenstudie-jeder-fuenfte-student-betreibt-hirndoping-1964184.html

waaaas?

ohne die Beträge zu dem Thema gelesen zu haben fiel mir "duales Studium" und der BA ein.
Rein damit und raus damit. Hauptsache die Selbstorga funktioniert.

Troll

Zitat"Denkzeit" vom Samstag, den 1. März 2014 um 22.30 Uhr in BR-alpha

Mint or Mind
Kopf oder Zahl – was soll die Schule fürs Leben liefern?

Darüber sprechen:

    Porf. Dr. Julian Nida-Rümelin, Lehrstuhl für Philosophie, Ludwig-Maximilians-Universität München
    Prof. Dr. Claus Hipp, Unternehmer
    Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger, Chefärztin Klinikum München
    Max Schmidt, Vorsitzender Bayerischer Philologenverband

Moderation: Prof. Dr. Harald Lesch
Eine Veranstaltung des Arbeiterkreises Humanistisches Gymnasium e. V. vom 5. Februar 2014.


https://vimeo.com/88146036

So zum nebenher anhören.

Mein Fazit, die Schule sollte nicht an ökonomischen Sachzwängen ausgerichtet werden, der Verwertungsgedanke gehört nicht in die Schule und die Wirtschaft darf direkt keine Unterrichtsinhalte mitentwickeln.
Sponsoring hat an/in der Schule eh nichts verloren!

Das Wissen wäre also vorhanden, nur die bereitgestellten politikberatenden Experten aus der Privatwirtschaft, die die angeblich ausnahmslos alles besser können, sehen das mal wieder ganz anders und somit werden wir uns mit einer zunehmend ökonomisierten Bildung abfinden müssen, oder auch nicht.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Troll

Zitat,,Unsere Schulen sind kinderfeindlich"

Dass das deutsche Schulsystem eines der sozial selektivsten der Welt ist, ist inzwischen zum Allgemeinplatz fortschrittlicher Kritik am Bildungssystem geworden. Ob dies jedoch das wichtigste, geschweige denn einzige Problem der Bildungspolitik ist, darf getrost bezweifelt werden. Der Streit geht eher um die Ein- versus Mehrgliedrigkeit des Schulsystems oder die Frage, ob das Abitur und ein anschließendes Studium allen oder nur wenigen möglich sein sollen. Grundlegendere Fragen werden von den üblichen Diskursen oft mehr überdeckt denn thematisiert. Fragen etwa wie: Was brauchen und wie lernen Kinder eigentlich? Zur Frage, was an deutschen Schulen jenseits der üblichen Kritik noch zu kritisieren ist, sprach Jens Wernicke mit der Pädagogin, Politologin und Fachbuchautorin Magda von Garrel.
....

Quelle: NDS
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
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Jiddu Krishnamurti

Kuddel

ZitatBelastung im Studium
Ausgebrannt und aufgeputscht

Die Beratungsstellen an norddeutschen Universitäten sind ausgelastet. Studierende bewältigen den Stress mit Medikamenten – oder mit professioneller Hilfe.


Marie (Name geändert) lernte an sieben Tagen die Woche – vom frühen Morgen bis in die Nacht. ,,Ich war fertig. Ich hatte zu nichts mehr Kraft", sagt die angehende Therapeutin heute. ,,Ich glaube, ich war nahe am Burnout." Nicht nur ihr wurde der Leistungsdruck zu viel, die psychologischen Beratungsstellen der Unis sind oft überlaufen. ,,Das Chaos nimmt zu", sagt Diana Kaufmann von der Sozialberatung des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) in Kiel.

Seit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System habe das Tempo für Studenten angezogen, sagt Kaufmann. Hinzu kämen finanzielle Sorgen. Wenn jemand durch psychische Erkrankungen länger studieren müsse, gebe es oft Probleme mit dem Bafög-Amt. Sechs Prozent der Studierenden gaben in einer Befragung im Auftrag des Studentenwerks aus dem Jahr 2011 an, die psychologische Beratung der Universitäten genutzt zu haben. Kaufmann sagt, dass das Thema dennoch ein Tabu sei.

Studenten in Kiel planen deshalb eine Aufklärungskampagne. Überall in der Uni sollen Poster aufgehängt werden. Die Themen sind sexuelle Diskriminierung, Suizidgedanken und Medikamentenmissbrauch. Insbesondere in Prüfungszeiten würden viele Studenten Aufputschmittel nehmen, um die Prüfungsbelastung zu ertragen, sagt Simone Weigel, die für die Kampagne zuständige Studentin im Asta. ,,Wir legen jeden Tag ungefähr 40 Flyer zur Einnahme von Amphetaminen aus. Die sind immer sofort weg."

Aufputschmittel hat Marie nicht genommen. Stattdessen hat sie sich professionelle Hilfe an der Uni geholt. In acht Einzelsitzungen hat sie mit Hilfe der psychologischen Berater Wochenpläne erstellt, mit ihren Pflichten, aber auch mit erzwungener Freizeit. An ihren Grundüberzeugungen habe man gerüttelt und ihr Selbstwertgefühl gestärkt. Sie sei an der Uni nicht nur beraten, sondern psychotherapeutisch unterstützt worden.

1.434 Einzeltermine an der Uni Hamburg

An der Uni Hamburg studieren rund 40.000 Menschen, im letzten Jahr gab es 1.434 Einzeltermine für die psychologische Beratung. Die Neu-Anmeldungen seien in den letzten Jahren so stark gestiegen, dass die Uni eine Sprechstunde ohne Voranmeldung eingerichtet hat. In Hannover stieg die Zahl der Ratsuchenden seit dem Beschluss des Bologna-Prozesses 1999 von 480 auf 714. Die psychologische Beratungsstelle der Leibniz-Uni führt den Andrang auch auf wachsende Studierendenzahlen und ihre Öffentlichkeitsarbeit zurück.

Die Studierenden müssen nach der Erhebung des Studentenwerks von 2012 durch die Umstellung auf das Bachelor-Master-System nicht mehr Zeit zum Lernen aufwenden, mit durchschnittlich 35 Stunden in der Woche sei das Lernpensum seit 1991 sogar um zwei Stunden gesunken. Erhöht hat sich aber der Prüfungsdruck, sagt Psychotherapeutin Christiane Maurer von der Uni Hannover. ,,Früher war das Studium weniger strukturiert, dafür aber freier." Auch seien Studierende viel mehr darauf getrimmt, ihr Studium in der Regelzeit durchzuziehen. Dabei sei die Struktur des Studiums nicht für die Leute ausgerichtet, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben. ,,Wer einmal nicht mitkommt, fällt schnell aus dem System", sagt Maurer.

Programm für psychisch Erkrankte

Neben den Beratungsstellen versuchen einige Universitäten die Studierenden auch auf andere Weise zu unterstützen. An der Universität Hamburg gibt es ein Programm, das sich ausdrücklich an psychisch Erkrankte wendet. Hier werden in einem kleinen Kreis von maximal zwölf Leuten Probleme geteilt oder eine realistische Semester-Einteilung geplant.

Auch Marie sagt, Gespräche mit Freunden und der Familie sowie ihren Beratern hätten ihr etwas von dem Druck genommen. Ihr habe außerdem geholfen, dass die psychischen Probleme in ihrem Umfeld kein Tabu waren. ,,Ich würde aber lügen, wenn ich sage, dass das Problem damit gegessen war."
http://www.taz.de/Belastung-im-Studium/!144806/

Kuddel

ZitatKapitalismuskritik:
Der Karriereverweigerer
Jung und links

Von Luisa Jacobs

Freunde und Hobbys opfern, 60 Stunden pro Woche arbeiten, um ganz oben anzukommen? Von einem, der an unser System von Arbeit nicht mehr glaubt. Aber an Luxus für alle.

Jetzt musst du dich knechten. Diesen einen Monat noch das Konto überziehen, einmal deine Eltern noch um einen Vorschuss bitten, das letzte Mal einen schlecht bezahlten Nebenjob schönreden. Und dann, irgendwann in der Zukunft, frag lieber nicht genau, wann, wirst du belohnt: mit der richtigen Stelle, ganz weit oben, mit Geld, mit Anerkennung, Ruhm.

    Und was machst du so?

So lautet das Versprechen, an das Hendrik Sodenkamp nicht mehr glaubt. Vor eineinhalb Jahren schmiss Hendrik, heute 27, das Literaturstudium und den Job am Theater. Und wurde Karriereverweigerer.

"I would prefer not to" heißt der Leitspruch des Hauses Bartleby, Zentrum für Karriereverweigerung in Berlin, dem Hendrik beigetreten ist. Gesagt hat diesen Satz der Titelheld in einer Erzählung von Herman Melville: Der Schreiber Bartleby kopiert per Hand die Akten einer New Yorker Anwaltskanzlei im 19. Jahrhundert, unermüdlich wie eine Maschine, bis er eines Tages die Arbeit verweigert und bekannt gibt: "I would prefer not to." Ich möchte lieber nicht.

Karriere ist zum Synonym für Erfolg im Leben geworden. "Und was machst du so?" bestimmt den sozialen Stellenwert. Die Karriereverweigerer wollen sich vom "kapitalistischen Wachstums- und Karrierefetisch" befreien.

Karriere ist dabei nicht zu verwechseln mit Dienstwagen und einem sechsstelligen Jahreseinkommen. Nicht nur Banker, Anwälte und Unternehmensberater opfern Freunde und Hobbys, um 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Das Versprechen, von dem Hendrik spricht, kennt keine Grenzen. Es existiert in allen Branchen: auch in der Kunst, im Journalismus, in der Musikbranche, im Theater.

Hendrik, gepflegtes Haar, grauer Trenchcoat, zarte Hände, die beinahe pausenlos Zigaretten drehen, wollte immer etwas machen, das einen Wert hat. Nach dem Zivildienst ging er als Praktikant ans Schauspielhaus in Hamburg. Ein geistreicher, ein zweckfreier Raum, so hoffte er. Kurz darauf wurde Hendrik persönlicher Assistent von Carl Hegemann, heute Chefdramaturg an der Berliner Volksbühne. Hegemann ist einer, der es geschafft hat. Sein Assistent zu sein: eine Auszeichnung in der Logik der Theaterkarrieristen.

Enttäuschung an der Uni

Hendrik war damals schon nah dran, aber nie ganz da. Als Praktikant musste er Kinder hüten, damit Produktionen stattfinden konnten. Immer wollte er möglichst scharfsinnig und kritisch wirken, musste glänzen, um andere Praktikanten auszustechen. Dann entschied er sich, zu studieren, um seinem Traumjob näherzukommen. Deutsche Literatur und Kulturwissenschaft in Berlin. "Ich hatte gehofft, dass das für den Dramaturgenberuf sinnvoll sei", sagt Hendrik. Vielleicht fehlte ja nur ein Abschluss.

Was soziales studieren? Zum Studium-Interessentest


An der Universität beschlich ihn schnell das Gefühl, das er schon vom Theater kannte. "Die Diskurse drehten sich nur um sich selbst, wurden nur geführt, weil sie hoffentlich berufsfördernd waren", erinnert er sich. Credits sammeln, gute Noten, dann Karriere. Acht Semester studierte er, dann wurde er auf eine Vortragsreihe des Hauses Bartleby aufmerksam. "Das hat mich begeistert. Es hat mir in meinem Unbehagen den letzten Impuls gegeben", sagt Hendrik. Kurz darauf brach er das Studium ab.

Den Karriereverweigerern geht es nicht darum, Arbeit grundsätzlich zu verweigern. Arbeit ist gut, sagen sie, solange sie selbstbestimmt sei. Den Unterschied erklärt Hendrik mit einer Anekdote aus Frankreich, wo er während der Nuit-Debout-Proteste Interviews  geführt hat, um die Arbeitssituation junger Franzosen zu verstehen.

    Ein gutes Leben ist so eigentlich unmöglich.


In Paris lernte er eine junge Frau kennen, die für ihre winzige Wohnung – für Paris nicht ungewöhnlich – 800 Euro bezahlt. Die Französin studiert und ist im queer-feministischen Spektrum aktiv, Typ engagierte Akademikerin. Um ihre Studentenwohnung zu finanzieren, arbeitet sie am Abend als Domina. Nicht weil es ihr Spaß macht, sondern weil man als Domina schnelles Geld verdient. "Es gibt Frauen, die finden Gefallen daran, Männer spielerisch zu knechten. Die sollen das mit Freude machen", sagt Hendrik. "Aber niemand soll Domina werden, nur um einem reichen Eigentümer Geld in den Hals zu werfen." Selbstbestimmung und Geld verdienen schließe sich zwar nicht aus, doch sei durch den ökonomischen Druck kaum einer mehr in der Lage, sich frei für einen Beruf zu entscheiden. "Ein gutes Leben ist so eigentlich unmöglich", sagt er.

Trotzdem arbeitet er jetzt wieder. Aber eben nicht, um Theaterabonnenten zu befriedigen, sondern für die große Sache. "Weniger arbeite ich jetzt auch nicht, aber ich bin inhaltlich wirksam", sagt der 27-Jährige. Seit eineinhalb Jahren widmet Hendrik sich der Umsetzung des Kapitalismustribunals: Das ist ein vom Haus Bartleby initiierter Gerichtsprozess, der in einem zweiwöchigen Verfahren versucht hat zu ermitteln, welche Regeln es in einer zukünftigen Ökonomie nicht mehr geben darf. Auf einer Internetseite haben etwa 400 Leute zuvor Anklagen geschrieben. Auf der Anklageliste stehen neben Peter Hartz der Chemiekonzern BASF, die gesamte Bundesregierung, die Europäische Union. Heute wird Hendrik noch zu einem Crowdfunding-Event gehen, Mails schreiben, Leute einladen.


Die Mitglieder des Hauses treffen sich im goldenen Café Rix. 

Links oben, nicht links unten

Hendrik lebt von der Substanz, wie er es nennt. Die Substanz ist Geld, das seine Großeltern ihm seit Kindestagen auf ein Sparbuch eingezahlt haben. Seit das alleine nicht mehr reicht, arbeitet er in der Gastronomie, bald wechselt er zu den Berliner Verkehrsbetrieben. Nicht, weil er darin Erfüllung findet, sondern weil er den ökonomischen Druck mit seinen Interessen abwägen musste. "Dass es städtische Infrastruktur und öffentlichen Verkehr gibt, finde ich gut", sagt Hendrik.

    Ich bin nicht glücklich darüber, dass ich so wenig Geld habe.

Die Anklagen des Kapitalismustribunals sind in ihrem Kern links; mit typisch linken Weltverbesserern, die mittellos, aber prinzipientreu jeden Konsum verachten, haben die Karriereverweigerer trotzdem nichts zu tun. Genauso missverstanden fühlen sie sich mit dem Etikett "arm, aber glücklich". Hendrik und die anderen wollen den prekären Umständen entfliehen. Das Ziel, so sagt es Hendrik, sei links oben, nicht links unten.

"Ich bin nicht glücklich darüber, dass ich so wenig Geld habe", sagt er. Die Karriereverweigerer zelebrieren deshalb das gute Leben, auch wenn sie es sich eigentlich nicht leisten können. Wenn Hendrik und die anderen Mitglieder sich treffen, dann meistens im Café Rix, ein Kaffeehaus mit vergoldeten Wänden, wo Stuck die Decke ziert und Zeitungen in hölzernen Stäben stecken. Die Karriereverweigerer verkehren dort zum vergünstigten Hauspreis, den nur Stammgäste zahlen.

Das Haus Bartleby, derzeit noch ein kleines Ladenbüro in Berlin-Neukölln, stellen sie sich künftig eher als Schloss vor. "Wir wollen einen Ort des gepflegten Müßiggangs schaffen", sagt Hendrik. Kollege Anselm Lenz hat dem rauschenden Lebensstil gleich ein ganzes Buch gewidmet. Es heißt Das Ende der Enthaltsamkeit, und auf den letzten Seiten findet sich eine Rezeptesammlung für Cocktails. Die Grundzutat aller Getränke: Champagner.

Luxus für alle. Arbeit nur für die, die mögen. Passt das zusammen? Eine Welt, in der keiner für seine Miete arbeiten muss, aber alle ein Anrecht auf Champagner haben, klingt mehr nach einer Utopie im Sinne des großen Gatsby als nach einer politischen Idee.

Aber auch wenn nach Ende des Kapitalismustribunals keine Gesetze neu geschrieben werden, Praktikanten weiterhin auf der Karriereleiter ausrutschen, dann haben die Karriereverweigerer doch zumindest wichtige Fragen gestellt: Warum arbeiten wir? Und wer hat gesagt, dass unsere Arbeitswelt so aussehen muss, wie sie aussieht? Produzieren wir Dinge, weil wir sie brauchen? Oder nur, weil sich damit Geld verdienen lässt?

Ein Vorschlag

Einen Masterplan für die Ökonomie der Zukunft hat auch das Haus Bartleby nicht. "Sicher ist, dass sich an den ökonomischen Grundverabredungen etwas ändern muss", sagt Hendrik.

Man müsse nur nach Frankreich blicken oder sich an die Occupy-Proteste vor fünf Jahren erinnern: Viele verspüren ein diffuses Unwohlsein mit der derzeitigen Ökonomie. Wer oder was Schuld daran trägt, wollen sie mit dem Kapitalismustribunal zeigen.   

Im kommenden Jahr arbeiten Hendrik und die anderen Mitglieder des Hauses Bartleby 28 Präzedenzfälle aus den Verhandlungen heraus und stellen sie Sommer 2017 im Haus der Kulturen der Welt vor. Das Kapitalismustribunal und der daraus abgeleitete Rechtstext seien ein Angebot an jede zukünftige verfassungsgebende Entität, so formuliert es Hendrik. Ein Vorschlag, nicht mehr und nicht weniger.
http://www.zeit.de/campus/2016-09/kapitalismuskritik-haus-bartleby-karriere-kritik-links

Was für ein Scheißartikel!
Nahezu jeder denkende und fühlende Mensch kommt zu der Erkenntnis, daß Karriere, zumal auf buckelnde Art und Weise, bocklos, bzw. indiskutabel ist.
Aber was ist die Alternative? Armut! Und die ist ebenfalls scheiße und indiskutabel. Sie bedeutet keinesfalls angehmer Konsumverzicht, ein sich-kontzentrieren-auf-das-Wesentliche, sie ist erniedrigend und qualvoll.

Um mich rum kacken die Leute reihenweise ab. Weil sie sich mit der Arbeit kaputtmachen oder weil sie in der entwürdigenden Armut zerrieben werden. Ich sehe nur noch Wracks und Seelenkrüppel. Ich hasse Karrieristen und Konsumgeilheit. Aber ich habe Verständnis dafür, daß Leute nach Alternativen zur Armut suchen.  Doch die Nischen, in denen man als "Lebenskünstlker" klarkam,  verschwinden. Wir werden überall zerrieben, mit Arbeit, ohne Arbeit. Das ist der tolle Kapitalismus.

Hendrik lebt von der Substanz, wie er es nennt. Die Substanz ist Geld, das seine Großeltern ihm seit Kindestagen auf ein Sparbuch eingezahlt haben.

Aus einer solchen Position kann ich auch vor mich hinlabern. Ändern tut das nichts.

Troll

ZitatVOX zeigt, wie man in einer neoliberalen Marktgesellschaft Kinder erzieht

Eine Dokumentation des TV-Senders VOX mit dem Titel »Die wunderbare Welt der Kinder – wir sind 4!« veranschaulichte, wie sich eine neoliberale Marktgesellschaft auch in der Erziehung der Kleinsten niederschlagen kann.

Für den Zweiteiler, gesendet am 17. und 24. Januar, wurde eine Gruppe von zehn Kindern in einer altersgerechten Umgebung beim Spielen, beim Toben und während mehrerer spielerisch-pädagogischer Versuche gefilmt. Eine Professorin und ein Professor für Entwicklungspsychologie sowie die Eltern der Vier- und Fünfjährigen kommentierten die Filmaufnahmen. Insbesondere die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler gaben dem Publikum darüber hinaus auch jede Menge Erziehungstipps.

[...]

Es ist entlarvend, was sich die Verantwortlichen der Sendung unter Erziehung und frühkindlicher Bildung vorzustellen scheinen: Schon das erste Experiment prüfte das Verhalten der Kinder in einer Konkurrenzsituation. Schließlich sei »Wettbewerb« in unserer Gesellschaft alltäglich. Ein weiteres Experiment testete die Bereitschaft der Kleinen zur Selbstdarstellung – gleichfalls unter Verweis auf gesellschaftliche Regeln: »Wer sich nicht zeigt, wird nicht gesehen.« In einem anderen Experiment mussten die Kinder (ohne anwesende Aufsichtsperson) ihre Finger von einem Schokokuchen lassen. Dies zu können sei bedeutsam, da Selbstbeherrschung die Grundlage für späteren Erfolg darstelle. Bei einem Bootsbau-Wettbewerb musste eine Gruppe zurückhaltender Kinder gegen eine Gruppe von »Bestimmern« und »Machern« antreten. Immerhin, so erklärte man dem Publikum, gebe es »solche Versuchsarten auch bei Managertrainings«. Dass am Ende die Gruppe der vorsichtigen Kinder den Kürzeren zog, überraschte den Kommentator offenbar nicht, denn: »Was hier fehlt: Einer, der antreibt. Und der feste Wille zu gewinnen.«
[...]

Quelle: annotazioni via NDS

Hirnficken von Kindern zählt leider nicht zum strafbaren Mißbrauch.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Rudolf Rocker

Hmmm, warum muss ich grade an die HJ denken?

Troll

Kinder so früh wie möglich zu beeinflussen war schon immer ein Wunsch aller möglichen Seiten, nur waren die Hürden für diesen Zugriff/Eingriff schon mal wesentlich höher, heute will man tatsächlich Konsumidioten heranziehen, der Wirtschaft wird immer mehr Einflussnahme gewährt und die Eltern die noch ein Schutz sein könnten versucht man über Gebühr zu beschäftigen/beanspruchen, die praktische, helfende Hand aus der Wirtschaft wird dann gerne genommen.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Bowie

Kenne ein paar Leute, die studieren.
Ist ja fürchterlich. Die haben nie Zeit. Die ganze Zeit eingespannt in Dinge rund ums Studium oder in den Kampf ums ökonomische Überleben.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, in denen Studenten ein lustiges Leben geführt haben und das Studium, das machte man irgendwie auch noch. Hat einfach notfalls länger studiert...

ZitatIn den Jahren 2005 bis 2016 ist der Anteil der 18- bis 25-Jährigen mit entsprechenden Diagnosen um fast 40 Prozent gestiegen, wie aus dem Arztreport der Krankenkasse Barmer hervorgeht. Demnach litt jeder Vierte an einer psychischen Störung.

Besonders deutlich angestiegen sei die Zahl der erkrankten Studenten. Diese seien bislang als eine weitgehend gesunde Gruppe eingestuft worden. Besonders bei angehenden Akademikern steige der Zeit- und Leistungsdruck kontinuierlich, zudem gebe es finanzielle Sorgen und Zukunftsängste, hieß es zur Begründung.
http://www.deutschlandfunk.de/bericht-junge-menschen-leiden-zunehmend-unter-depressionen.2932.de.html?drn:news_id=853784


Kuddel

 
ZitatJung und depressiv

Burn Out. Viele Studierende kämpfen mit psychischen Erkrankungen. Druck, Zweifel und Zukunftsangst tragen dazu bei
https://www.freitag.de/autoren/josimon/jung-und-depressiv

Kuddel

ZitatFreiheit oder Forschungsgeld
Peter-André Alt analysiert das deutsche Uni-System. Er bemängelt das 68er-Erbe und Bologna


Noch 1957 bestand der Philosoph Hans Blumenberg auf der ,,Brotlosigkeit des reinen Denkens". Als er vom Rektor der Uni Kiel dazu aufgefordert wurde, mehr Anträge zu stellen, um international konkurrenzfähig zu werden, beantragte Blumenberg ,,Mittel in noch unbestimmter Höhe zwecks Erforschung der Rückseite des Mondes durch reines Denken". Eine derart souveräne Verweigerungshaltung gegenüber dem Druck, das Forschen von externen Finanzierungen abhängig zu machen, kann sich heute kaum noch jemand leisten.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/wettbewerb-freiheit-oder-forschungsgeld

Frauenpower

Solange noch wenigstens gelernt werden kann. Für die Uni Halle sind in einer Frist von zwei Jahren drastische Einsparungen geplant, die u.a. 25 Professuren und 4000 Studienplätze umfassen  soll.
https://www.zeit.de/news/2022-04/06/senat-beschliesst-drastischen-sparplan-fuer-uni-in-halle

Es gab deswegen auch schon Proteste.
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/uni-halle-senat-beschluss-sparmassnahmen-100.html

Kuddel

Bin gerade hierüber gestolpert.

ZitatMit der FOM neben dem Beruf studieren
Selbstbestimmt weiterkommen


Ein Studium neben dem Beruf ist für immer mehr Menschen der ideale Weg, Kompetenz und Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Aktuell haben sich über 50.000 Berufstätige für ein Bachelor- oder Master-Studium an der FOM entschieden, um sich auf aktuelle und zukünftige Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten.
ZitatDie Studienzeiten freitagabends und samstags tagsüber passten gut und da ich ein Teamplayer bin, kam ein Fernstudium für mich nicht infrage.
https://www.fom.de/alles-was-da-kommt?utm_source=outbrain&utm_medium=banner&utm_campaign=bb_mai24&utm_content=carousel&dicbo=v4-WI62Uc6-1080670711

Was für ein Dreck! Die Wirtschaft braucht immer besser geschulte Malocher und dafür sollen sie ihren Rest an Freizeit opfern.

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