[Sexarbeit] KN 22.1.03

Begonnen von Kalle, 17:12:43 Mi. 22.Januar 2003

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Kuddel

Alice Schwarzer will Sexarbeiterinnen in die Illegalität drängen:

ZitatJuliane Löffler
Deutungshoheit gepachtet

Sexarbeit Alice Schwarzer startet über die EMMA eine Initiative zum Verbot von Prostitution und ignoriert die Stimmen aus dem Gewerbe selbst. Mit welchem Recht eigentlich?



Sie hat es wieder getan. Alice Schwarzer kämpft für die Rechte der Frauen aber ignoriert den aktuellen Stand der Debatte. In der EMMA wurde nun ein ,,Appell gegen Prostitution" veröffentlicht, welcher unter anderem für die Abschaffung des "Systems Prostitution" wirbt. Darin wird Prostitution als ,,moderne Sklaverei" bezeichnet und das Prostitutionsgesetz von 2002 als Grund dafür gesehen, dass Deutschland ,,Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies der Sextouristen aus den Nachbarländern" geworden sei. Doch so einfach ist es nicht. Keine Frage: Prostitution ist ein Gewerbe, welches eng verknüpft ist mit Illegalität, Menschenhandel und Sklaverei. Trotzdem kann man Sexarbeit und Sklaverei nicht einfach gleichsetzen.

Es gibt eine Lobby von Sexarbeiterinnen und -arbeitern, die seit Jahren für ihre Rechte kämpfen, für die berufliche Anerkennung und für Entkriminalisierung. Sie nun in einen Topf zu werfen mit jenen illegalen Machenschaften, muss für sie wie ein Schlag ins Gesicht sein. Einige von ihnen haben bereits einen Gegenaufruf FÜR Prostitution veröffentlicht. Dort wird sehr richtig darauf hingewiesen, dass nicht-einvernehmlicher Sex Vergewaltigung ist und damit bereits heute ein Strafbestand.

Schaut man sich einmal die Liste der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des EMMA-Aufrufs an, wird klar, wohin die Reise geht. Unter dem Appell stehen Namen von CDU- und FDP-Politikerinnen, und viele andere mit Doktoren- und Professorentitel.

An der Lebensrealität vorbei

Unter dem Appell für sexwork-deutschland.de haben viele Sexarbeiterinnen unterzeichnet – also Menschen, welche die Situation der Prostitution am besten beurteilen können. Dass die Initiative von Alice Schwarzer konträr zu ihren Forderungen steht, zeigt, dass man sie nicht ernst nimmt. Und mehr noch aus einer eltitären Machtgebärde heraus meint, es besser zu wissen. Weil man eine Frau ist, zum Beispiel, oder ein politisches Amt bekleidet, oder einen gewissen Bildungsstand hat. Es ist auch eine Frage der Deutungshoheit. Mit der Lebensrealität vieler freiwilliger Sexarbeiterinnen hat das offensichtlich nichts zu tun.

Natürlich kann man nun argumentieren, Sexarbeiterinnen arbeiteten nicht freiwillig in dem Gewerbe. Es seien patriarchal dominierte ökonomische Strukturen, welche sie in ihre Situation drängen würden. Das ist eine legitime Überlegung. Doch die Konsequenz daraus müsste ziemlich genau dem Forderungskatalog von sexwork-deutschland.de entsprechen. ,,Aufklärung statt Zwang und Verbot, staatlich geförderte Weiterbildungsangebote für Sexarbeiter_innen" etwa. Oder ,,Bleiberechte, Entschädigungen und umfassende Unterstützung für Betroffene von Menschenhandel." Stattdessen: paternalistische Gebärden, wie die bekennende Sexarbeiterin Carmen auf Twitter schreibt.

Auf der langen Unterzeichnerliste der EMMA fehlt ihr Name genau wie der des Deutschen Frauenrats oder Terre de Femmes. Letztere gaben auf Nachfrage bekannt, dass sie sich in dieser Frage noch nicht positioniert hätten. Es sei aber eine bewusste Entscheidung gewesen, den Aufruf der EMMA nicht zu unterzeichnen. Das wird schon einen Grund haben.
http://www.freitag.de/autoren/juloeffl/deutungshoheit-gepachtet

Rudolf Rocker

Hmm, wo bleibt denn der Aufruf von Alice Schwarzer Zeitarbeit zu verbieten?


BGS

Zitat von: Rudolf Rocker am 07:29:16 Do. 31.Oktober 2013
Hmm, wo bleibt denn der Aufruf von Alice Schwarzer Zeitarbeit zu verbieten?



Sehr gute Frage, auf die es wohl seitens der Wohlgenährten, Arrivierten und Saturierten mit dauerhaften Tunnelblick mal wieder keine Antwort geben wird.

Wie groß kann Arroganz eigentlich sein?

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel

ZitatAusbeutung im Bordell:
79-Jährige angeklagt


Aurich. Eine 79 Jahre alte Frau, ihr 51-jähriger Sohn sowie ein 24 Jahre alter Mann sollen 18 Prostituierte ausgebeutet haben. Wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution muss sich das Trio ab dem 30. Juli vor dem Landgericht Aurich verantworten. Die Angeklagten sollen die Frauen aus Tschechien und der Slowakei persönlich und finanziell abhängig gemacht haben. In den Bordellen habe ein System von Strafen und Forderungen geherrscht, heißt es in der Anklageschrift. Die privaten und sozialen Kontakte der Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren seien unterbunden oder auf ein Minimum reduziert worden, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Bis Oktober sind 17 Verhandlungstage angesetzt.
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Strafen-und-Ausbeutung-im-Bordell-Trio-angeklagt,aktuelloldenburg394.html

ManOfConstantSorrow

ZitatWas ich als Exprostituierte zu Teilen der Linken zu sagen habe

Guten Morgen. Ich habe heute Nacht nicht geschlafen. Keine einzige Minute.Ich bin gestern auf einer Veranstaltung über Prostitution von Linken als ,,rassistisch" bezeichnet worden, weil ich als Exprostituierte auf den Rassismus in der Prostitution aufmerksam gemacht habe. In dieser Nacht habe ich kein Auge zugetan und deswegen genügend Zeit gehabt, das zu durchdenken, was mich als Linke an Debatten in der Linken, und da zähle ich Teile der Grünen Jugend dazu, gerade so ankotzt. Vorsicht – es wird grundlegend.Erstmal: was ist gestern geschehen? Ich bin Exprostituierte und Aktivistin für die Abschaffung der Prostitution und war auf einer Informationsveranstaltung über Prostitution als Referentin eingeladen. Dabei sind unter anderem folgende Dinge geschehen:

– Ich wurde als ,,rassistisch" bezeichnet, weil ich darauf aufmerksam gemacht habe, dass in der Prostitution Rassismus stattfindet und weil ich gesagt habe, dass Freier Ethnien fetischisieren und rassistische Stereotype festigen und ausleben: ,,devote Thaifrauen", ,,hemmungslose schwarze Frauen", ,,tabulose unemanzipierte Osteuropäerinnen" usw. – die exakte Sprache, mit der nichtdeutsche Frauen in Freierforen belegt werden, möchte ich hier nicht wiederholen... Dies, wurde mir gesagt, sei ,,problematisch" von mir, da ich wöllte, dass Freier nicht mehr mit ,,weißen" Frauen schlafen, und da ich jede ,,Attraction" zu ,,nichtweißen Frauen" als pervers und Fetisch einordnen würde. Darauf, dass in Deutschland ein neuer (alter?) Kolonialismus herrscht, der es erlaubt, dass deutsche Männer sich Frauen (und Jungs und Männer) aus wirtschaftlichen Krisengebieten und aus Kriegsgebieten sexuell verfügbar machen, wurde nicht eingegangen. Anzumerken, dass in Deutschland struktureller Rassismus herrscht, der sich vor allem auch in der Prostitution manifestiert, macht mich augenscheinlich zur ,,Rassistin".

– Ich wurde als ,,migrantenfeindlich" bezeichnet, als ich darauf hingewiesen habe, dass es vor allem Menschen aus sehr armen Ländern sind, die hierzulande in der Prostitution von deutschen Männern sexuell ausgebeutet werden: Frauen aus den Armenhäusern Europas, aber auch geflüchtete Männer, die sich z.B. im Berliner Tiergarten unter Elendsbedingungen prostituieren.

– Ausserdem wurde mir abgesprochen, Betroffene zu sein mit der Begründung, ich sei ja aus der Prostitution ausgestiegen und sei damit keine Betroffene und keine ,,Sexarbeiterin" mehr. Mein Betroffenenstatus wurde mir also aberkannt...
weiter: https://huschkemau.de/2021/04/27/was-ich-als-exprostituierte-zu-teilen-der-linken-zu-sagen-habe/?fbclid=IwAR3lpx7zxV1T1W2pQ7R6UU2unS67F6klv4Pos2keum7Zn4b327J3NoDnvys
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Nikita

Ich war nicht dort. Das glaube ich sofort, dass das eigentliche Thema von Teilen der Linken mal wieder ignoriert wurde und es nur noch um reininterpretierten Rassismus ging. War Gendern dann noch Thema? Wieder ein Thema zerstört und eine Aktivistin verprellt. Wenn Linke nur noch in der eigenen Blase leben ...

Kuddel

ZitatSektion Sexarbeit

Gruppe für Mitglieder die in der Sexarbeit tätig sind




Die Sexarbeiter*innen Sektion der FAU Berlin ist eine Plattform für Sexarbeiter*innen, um sich zu organisieren, Strategien zu entwickeln, zu mobilisieren und für unsere Interessen zu kämpfen, sowie Solidarität und Bewusstsein unter den Mitgliedern und in der Gesellschaft aufzubauen.

Die Sektion ist ein Raum nur für Sexarbeitende, aber wir sind in ständigem Austausch mit anderen Arbeiter*innen der FAU. Darüber hinaus sind wir eng mit anderen Gruppen vernetzt, die sich mit Sexarbeits- spezifischen Themen befassen, wie etwa Entkriminalisierung, aber auch Themen die andere Arbeiter*innen betreffen, wie Rassismus, Transphobie Mehrfachdiskriminierung, Probleme mit Papieren oder Gewalt.

(...)

https://berlin.fau.org/strukturen/sexarbeit

Frauenpower

Ich kann es kaum glauben,  dass das Gespräch so missverständlich abgelaufen sein soll in # 34.
Ich frage mich, ob die Anwesenden mit dem Thema Prostitution überfordert gewesen sein könnten. Nicht alle sind immer  ausreichend allen Themen gewachsen.
Oder ich frage mich, ob den Anwesenden Prostitution nur
aus Fernsehkrimis bekannt ist, also nicht real, die schaut man abends, und am nächsten Tag führt  man den eigenen  Alltag, der nicht mit "am Rande der Gesellschaft" stigmatisiert ist und in dem nichtdeutsche Frauen (und Männer)  unter Unständen  gut integriert sind.

Also hier vor Ort gibt es neuerdings Thai Massage. Irgendwann war da ein Aufkleber der einem Verbotsschild glichmit dem  durchgestrichene Wort "Sex".
Vermutlich haben viele geglaubt, THAI-Massage, sei eben ein sexuelles Angebot, so dass  extra ein Aufkleber darauf hinweisen muss, dass es tatsächlich nur um Massage geht.

Und über männliche People of Colour hört man ja immer noch ab und an  bestimmte Vorstellungen in sexueller Hinsicht..

Ich bin gegen Prostitution und gegen Sexarbeit.  Und Betroffenen  soll  immer geholfen werden können.



Kuddel

ZitatErklärung zum Mord im Bordell von der Sektion Sexarbeit

Es hat eine lange und schmerzliche Tradition, dass Mörder Sexarbeiter*innen ins Visier nehmen, weil die Strafverfolgungsbehörden dazu neigen, nicht allzu genau zu ermitteln und wir als gesellschaftlich entbehrlich gelten. Selbst im Jahr 2023 sind viele Menschen der Meinung, dass wir, wenn wir in diesem prekären Bereich arbeiten, es ,,darauf ankommen lassen".

Der Tod einer Frau, die am 17. April in einem Bordell in Friedrichshain ermordet aufgefunden wurde, macht uns als Sexarbeiter*innen und unsere Gewerkschaft sehr betroffen. Auch wenn das ProstituiertenSchutzGesetz seit sechs Jahren in Kraft ist, gibt es wenig bis gar keinen Schutz für Menschen, die im Sexgewerbe arbeiten, eine Situation, die von böswilligen Menschen ausgenutzt wird. Als Gewerkschaft sind wir uns der unsicheren und isolierenden Arbeitsbedingungen bewusst, die von Bordellbetreiber*innen aber auch dem Gesetz aufrechterhalten werden.

Wir fordern eine gründliche Untersuchung der Bedingungen, die diesen Mord ermöglicht haben, und endlich Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen Situation sowie der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter*innen. (...)
https://berlin.fau.org/presse/pressemitteilungen/

ManOfConstantSorrow

Gewalt gegen Sexarbeitende ist rechte Gewalt!

Das, was jetzt kommt: überfällig.
Dass es überhaupt gesagt werden muss: traurig.
Denn es zeigt, wie entsolidarisiert Menschen beim Thema Sexarbeit sind.

Viele halten die schrillen, oft erhitzten Auseinandersetzungen um Sexarbeit entweder für einen ,,(feministischen) Meinungsstreit", eine moralische Zumutung oder an sich irrelevant.

Solche ,,Haltungen" schaden Sexarbeiter*innen und zwar aktiv.

weiter: https://rubyrebelde.com/2023/07/27/gewalt-gegen-sexarbeitende-ist-rechte-gewalt/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

ZitatEingekaufte Frauen aus Osteuropa, Sexarbeiterinnen, die ohne Pass und in organisierten Strukturen von Bordellwohnung zu Bordellwohnung gekarrt werden, Zwangsprostitution, Sklaverei und Arbeitsausbeutung – Menschenhandel macht auch vor dem oft als idyllisch beschriebenen Freistaat nicht halt. Sozialpädagogin Ulrike Richter von der Beratungsstelle "Kobranet" kritisiert mangelndes Problembewusstsein bei Staatsanwaltschaften in Sachsen sowie eine schlechte Ausstattung der Polizei.
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/menschenhandel-sachsen-justiz-mangelndes-problembewusstsein-100.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Frauenpower

Heute, in München:

https://ru.muenchen.de/2023/225/Rathaus-110307
ZitatKreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl lädt zum Stadtratshearing zum Thema Prostitution ein. Bürgermeister Dominik Krause spricht ein Grußwort.
Das Hearing soll das Thema Prostitution wieder in den gesellschaftlichen und politischen Fokus rücken und den Stadtrat sowie interessierte Bürger*innen ausführlich über die Situation in München informieren. Zudem dient es als Grundlage, gemeinsam weitere Optimierungsmöglichkeiten zum Schutz von in der Prostitution Tätigen zu identifizieren. Im Rahmen des Hearings werden die Stadtverwaltung, die Polizei, die Fachberatungsstellen, Expert*innen und in der Prostitution Tätige zu Wort kommen. Die Veranstaltung dauert zirka bis 17 Uhr.

ManOfConstantSorrow

Ist die Prostituierte die Ware oder nur deren Verkäuferin oder beides zugleich? Theodora Beckers Buch hat die erste historisch-materialistische Geschichte der Prostitution in der bürgerlichen Gesellschaft geschrieben.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178456.theodora-becker-dialektik-der-hure-imagination-und-wirklichkeit.html

Dialektik der Hure

ISBN: 978-3-7518-2009-7
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Preis: 34,00 €

https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/dialektik-der-hure.html

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

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