ZitatDruck im Betriebskesselhttps://www.jungewelt.de/artikel/512198.union-busting-druck-im-betriebskessel.html
Küchenpersonal der Uniklinik Bonn klagt über Arbeitsbedingungen. Gewerkschaftliche Organisierung wird von Chefetage torpediert
Von Jessica Reisner
Viele Köche verderben den Brei? Nein! In Großküchen wie der Zentralküche der Universitätsklinik Bonn leisten sie Enormes. Um die Patientenverpflegung zu sichern, wird hier gewissenhaft geschnippelt, gerührt und gegart. Ist alles bereitet, stellen die Frauen am Band innerhalb einer Stunde unter Hochdruck rund 1.600 Mahlzeiten zusammen – plus 180 Diät- und 190 Sondergerichte für die Privatpatientenstationen, dreimal täglich das Ganze.
Verdorben ist jedoch das Arbeitsklima: Kehrt man die Reste zusammen, sind von ehemals sieben Betriebsratsmitgliedern gerade noch zwei übrig. Zehn Rücktritte aus dem Betriebsrat, inklusive der Ersatzliste, gab es seit 2022. Jetzt müssen Neuwahlen stattfinden. Gleichzeitig heizt die Geschäftsleitung unter Stephanie Schwedhelm die Negativstimmung im Betrieb weiter an. Vorläufiger Höhepunkt war die jüngste Kündigung und Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden.
Angestellte berichten von einem angstbesetzten Arbeitsalltag: Wer nicht spurt – und beispielsweise ablehnt, kurzfristig einzuspringen –, muss demnach schon mal für sechs Stunden Essensreste in den sogenannten Schweineeimer befördern. Schnell würde einem hier das Leben zur Hölle gemacht, so Maurice Graf, zuständiger Sekretär der Gewerkschaft Verdi.
Der Ärger begann, als der 2022 gewählte Betriebsrat auf einer Schulung erfuhr, dass in Betrieben mit ständig mehr als 100 Beschäftigten Fachausschüsse zu bilden sind. Das trifft für die UKB Catering GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Uniklinik Bonn, zu: Rund 130 Angestellte arbeiten hier, wie das Klinikum jW auf Anfrage mitteilte. Seitdem soll die Geschäftsleitung Beschäftigten zufolge Kostenübernahmen für Betriebsratsschulungen beständig verweigern. Absagen erfolgten zumeist telefonisch, damit der Betriebsrat nichts Handfestes vorweisen könne.
Noch mehr Dampf ist im betrieblichen Kessel, seit die Küchenangestellten fordern, wie ihre Kollegen in Direktanstellung nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) statt nach dem Tarif des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes bezahlt zu werden. Einer der delikaten Unterschiede: Im TV-L werden die Berufsjahre angerechnet. Die Differenz kann laut Verdi je nach Tätigkeit und Berufsjahren zwischen 200 und 800 Euro im Monat liegen. Für solche Beträge lohnt es sich, einen Streit mit dem Chef auszutragen.
Doch schon, seit der Betriebsrat eine Inflationsprämie von 500 Euro durchsetzte, sind laut Verdi im Betrieb vermehrt vorgefertigte Rücktrittsformulare für Betriebsräte und Musteraustrittsformulare für Mitglieder der Gewerkschaft aufgetaucht. Verdi wertet das als Behinderung der Betriebsratsarbeit und Eingriff in die gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit. Vorgesetzte sollen in Gesprächen zudem starken Druck auf Betriebsratsmitglieder ausgeübt haben, und tatsächlich seien Rücktritte von Betriebsräten teils unter Verwendung gleicher Formulare erfolgt.
Die Uniklinik Bonn erklärte gegenüber jW, dass die Auslagerungen von Catering, Patientenservice und Gebäudereinigung 2004 und 2007 auf Struktur-, Managementoptimierungen und Personaleinsparungen abgezielt hätten. Stephanie Schwedhelm ist Geschäftsführerin der drei Töchter und Leiterin der Rechtsabteilung der Uniklinik. Als solche ist sie laut Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet, vertrauensvoll mit Betriebsräten zusammenzuarbeiten und Betriebsratsmitglieder vor Behinderung und Benachteiligung zu schützen. Das Gegenteil scheint der Fall – und gilt als Straftat.
Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sah auf Anfrage von jW keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Geschäftsführung der Uniklinik die Gewerkschafts- oder Betriebsratsarbeit behindert hätte. Das Thema Union Busting nehme die Landesregierung jedoch sehr ernst, so ein Sprecher.
Die volkswirtschaftlichen Folgen von Auslagerung und Lohndumping sind derweil verminderte Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und Altersarmut. Dabei sollte doch gerade beim Essen, und noch mehr bei der Verpflegung Kranker, gelten: Lieber ein bisschen besser und dafür etwas mehr Geld ausgeben.
ZitatIch hatte ja während meiner Zeit als Student ähnliche Jobs und anbei sehr viel Mobbing erfahren. Mittlerweile bin ich bezüglich "arbeiten" so sehr traumatisiert, daß ich im Moment überhaupt nicht sagen kann, ob ich das überhaupt nochmal kann.
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