Triage-Regelungen des Infektionsschutzgesetzes sind verfassungswidrig + nichtig

Begonnen von dagobert, 17:07:29 Di. 04.November 2025

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dagobert

ZitatTriage-Regelungen des Infektionsschutzgesetzes sind mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Triage-Regelungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz − IfSG) wegen fehlender Bundeskompetenz für die konkreten Regelungen für nichtig erklärt.

Die Beschwerdeführenden – Fachärztinnen und Fachärzte im Bereich der Notfall- und Intensivmedizin – wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen den neu eingeführten § 5c IfSG. Darin regelt der Bundesgesetzgeber unter anderem, anhand welcher materieller Kriterien eine Entscheidung über die Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten bei nicht ausreichenden Ressourcen – also im Fall einer sogenannten Triage – zu treffen ist, soweit dieser Knappheitsfall durch eine übertragbare Krankheit jedenfalls mitverursacht ist.

Die Verfassungsbeschwerden haben Erfolg, der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Es besteht keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die angegriffenen Regelungen des § 5c IfSG.

Die Entscheidung ist mit 6 : 2 Stimmen ergangen.

Sachverhalt:

Mit der Neuregelung von § 5c IfSG hat der Gesetzgeber erstmals ein Verfahren sowie ein (positives) Priorisierungskriterium und zahlreiche nicht anzuwendende Kriterien im Falle einer Triage geregelt. Er hat damit auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2021 reagiert. Der Erste Senat hatte darin festgestellt, dass der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt habe, weil er es unterlassen habe, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehender intensivmedizinischer Ressourcen benachteiligt werde. Das Gericht hatte den Gesetzgeber verpflichtet, unverzüglich geeignete Vorkehrungen zu treffen, siehe Pressemitteilung Nr. 109/21.

Kennzeichnend für die Triage-Situation bei einem Mangel an intensivmedizinischen Ressourcen ist ein Dilemma: Jede Entscheidung über die Verteilung der zur Verfügung stehenden intensivmedizinischen Ressourcen kann regelmäßig zu einem Verlust von Menschenleben führen. Die Zuteilung der vorhandenen Ressourcen (sog. Allokation) kann folglich nie zum Wohle aller Patienten gelingen. Der neu eingeführte § 5c IfSG macht gesetzliche Vorgaben für diese Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten in einer Knappheitssituation.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Regelungen des § 5c IfSG und rügen unter anderem, durch diese in ihrer Berufsfreiheit verletzt zu sein.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-099.html

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/09/rs20250923_1bvr228423.html
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
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