Integrationsbetrieb verweigert Arbeitszeugnis

Begonnen von counselor, 08:31:08 Mi. 28.Mai 2025

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counselor

Ich habe meinen "Arbeitsplatz" in einem Integrationsbetrieb zum Ende Mai 2025 gekündigt, weil ich mich selbst in der EDV weiterbilden und Zertifikate erwerben will.

Ich habe elf Jahre in diesem Betrieb für einen beschissenen Hungerlohn (ca. €2,00 pro Stunde) gearbeitet und musste immer mit Wohngeld aufstocken, um über die Runden zu kommen. Jetzt hat der Integrationsbetrieb mir mit folgender Begründung die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses verwehrt.

ZitatAufgrund des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses greift die Pflicht zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses nicht.

Damit hätte ich eine elfjährige Lücke in meinem Lebenslauf.

Nach einigem Recherchieren im Internet (auch mit Hilfe von ChatGPT) habe ich nun dem Integrationsbetrieb geantwortet und um Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses gebeten:

ZitatBitte um Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses nach Beendigung der Beschäftigung in der WfbM

Sehr geehrte Frau XY,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 30.4.2025.

Darin schreiben Sie mir:

,,Aufgrund des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses greift die Pflicht der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses nicht."

Dazu nehme ich wie folgt Stellung:

Auch wenn ich in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stand, ergibt sich ein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis nicht aus dem Arbeitsrecht, sondern aus Ihrer sozialrechtlichen Verpflichtung zur Förderung meiner beruflichen Teilhabe (§136 SGB IX i.V.m. § 219 SGB IX). Ein qualifiziertes Zeugnis ist ein zentrales Instrument zur beruflichen Weiterentwicklung, insbesondere zur Bewerbung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ist in der Fachpraxis allgemein anerkannt, dass Werkstätten in diesem Zusammenhang Zeugnisse ausstellen sollen – wie es auch die Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der WfbM und diverser Landesbehörden betonen.

Daher bitte ich Sie hiermit um Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses über meine Beschäftigung im Arbeitsbereich Ihrer Werkstatt, die am 31.5.2025 endet.
Ich bitte darum, dass das Zeugnis Angaben über Art und Dauer meiner Tätigkeit sowie über meine Leistung und mein Sozialverhalten enthält.

Sollten Sie meiner Bitte nicht nachkommen wollen, bitte ich um eine schriftliche Begründung.

Mit freundlichen Grüßen


Counselor

Das Schreiben hat der Inklusionsbetrieb laut Zustellungsnachweis am 20.5.2025 erhalten. Wenn ich bis zum 4.6.2025 keine Antwort erhalte, werde ich mich mit der Verdi Gewerkschaft in Verbindung setzen. Eventuell werde ich mich auch an den Bezirk Mittelfranken (dem Kostenträger) wenden, um Druck aufzubauen. Außerdem habe ich das Verhalten des Betriebs einer ehemaligen Kollegin mitgeteilt. Sie ist empört, und will die Sache unter den ehemaligen Kollegen bekannt machen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Deine Stellungnahme klingt ganz gut. Viel Glück und Daumendrück, das der
bisherige AG deinen Forderungen gerecht wird. Solange die von dir gesetzte
Frist noch nicht verstrichen ist, würde ich gegenüber deinen Kollegen noch
Stillschweigen bewahren, denn dein AG versucht dich weiter unter seine
Schluffen zu halten nach dem Motto, "der soll hier bleiben, der bringt Knete
ein, mit einem Arbeitszeugniss könnte er ja abhauen..

Stillschweigen ist zunächst auch wegen der Gefahr des Petzertum besser, da
dir sonst noch was als politisch motivierte Störungen im Betrieb unterstellt
werden könnte.. Lese dazu mal dein "Beschäftigungs-Vertrag"..
In Werkstätten wird es allgemein so gehalten, das Politik außer Haus verbannt
wird. Ansonsten können sie kündigen.

Da würde ich die Möglichkeiten von solidarisierung etwas feinfühliger angehen.
Die Umdisponierung in einem normal bezahltem Arbeitsverhältnis wäre da die
besser Option, da Du zuvor nichts in der Hand hast.

In der Beziehung ähneln sich Betriebe für Menschen mit Behinderungen mit der
Erwerbslosenindustrie wie die Zwillinge. Da wird kräftig auf die geschissen,
die sich als nicht pflegeleicht entpuppen. Das kostet doch nur Arbeit und da
können Falschbehauptungen den Weg des rausschmiss wegen Vorsatz beschleunigen.
Jo, den möglichen Judas nicht vergessen. ;-)

Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Danke @OnkelTom! Ich habe schon zum 31.5.25 gekündigt. Bin zur Zeit im Resturlaub und quasi schon draußen aus dem Betrieb.

ZitatIn der Beziehung ähneln sich Betriebe für Menschen mit Behinderungen mit der
Erwerbslosenindustrie wie die Zwillinge. Da wird kräftig auf die geschissen,
die sich als nicht pflegeleicht entpuppen.

Ernsthafte Widersprüche zu den Anweisungen der Vorgesetzten werden zB als Grund zur Abmahnung wegen "Arbeitsverweigerung" behandelt. Da halten die Hauptamtlichen gegen die Beschäftigten zusammen. Überhaupt bevormunden die Hauptamtlichen die Beschäftigten den ganzen Tag.

Ich habe es nicht mehr ausgehalten, den ganzen Tag für einen Lohn von ca. € 300 monatlich bei einer 30-Stunden-Woche zu arbeiten. Zumal die Arbeiten einfachster Art und sehr monoton waren.

Alles in Allem kann ich nach elf Jahren sagen, dass ich dank dieser "Inklusion" mir nur wenige Rücklagen aufbauen konnte und dass dieser Betrieb mein berufliches Fortkommen eher behindert als gefördert hat. Hätte der Bezirk Mittelfranken die ganzen bewilligten Gelder mir anstatt dem Inklusionsbetrieb überwiesen, hätte ich mich schneller gesundheitlich stabilisieren können und mir eine Weiterbildung finanzieren können.

Ich bin auch der Meinung, dass die Bezahlung verfassungswidrig ist und alle Beschäftigten Anspruch auf Mindestlohn haben (siehe: https://www.reha-recht.de/fachbeitraege/beitrag/artikel/beitrag-b6-2023). Aber das ist eine andere Baustelle. Eine Klage auf Mindestlohn wäre juristisches Neuland und müsste von Sozialverbänden oder der Gewerkschaft finanziert werden. Aber die meisten Beschäftigten in diesem Inklusionsbetrieb sind "pflegeleicht" und durchschauen den Betrug nicht.

Habe jedenfalls einen befreundeten Rechtsanwalt zum Thema Zeugnis befragt, der meinte, ich soll mich an die Gewerkschaft wenden, wenn die das Arbeitszeugnis nicht freiwillig ausstellen. Dieser Anwalt hat sich auch gewundert, warum dieser Inklusionsbetrieb sich so sträubt und nicht einfach ein Zeugnis auf freiwilliger Basis ausstellt.
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Wanderratte

Zitat von: counselor am 13:50:34 Mi. 28.Mai 2025Aber die meisten Beschäftigten in diesem Inklusionsbetrieb sind "pflegeleicht" und durchschauen den Betrug nicht.
Genau wie bei den meisten Beschäftigten und Teilnehmern der Erwerbslosenindustrie. Ich finde das richtig scheiße. Doch leider weiß ich auch nicht, was man tun könnte, damit sich diese Menschen anders verhalten.

Bei den Erwerbslosen liegt es wohl auch daran, dass sehr viele von ihnen meinen, sie seien an ihrer Arbeitslosigkeit selbst schuld. Es wird ihnen ja auch ständig suggeriert, dass sie Defizite hätten. Das sind nunmal nicht die besten Voraussetzungen für Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.

Keine Ahnung, vielleicht ist es ja bei den sogenannten Behinderten ähnlich. Von einer echten Inklusion sind wir halt leider noch sehr weit entfernt.

counselor

ZitatKeine Ahnung, vielleicht ist es ja bei den sogenannten Behinderten ähnlich.

In besagtem Inklusionsbetrieb ist es so, dass die Beschäftigten sich bewusst sind, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung kaum Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben. Sie sind froh, dass sie Arbeit haben und Sozialpädagogen als Ansprechpartner für Probleme haben. Das ist ja per se auch nicht schlecht.

Schlecht ist aber der Lohn von ca. €2,00 pro Stunde. Der Rechtsanwalt, mit dem ich mich üb er das Zeugnis unterhalten habe, sagte zum Lohn, dass sich doch die Frage stellt, warum dieser Betrieb nicht freiwillig mehr zahlen will, als er gesetzlich muss.

Ich für meinen Teil habe den Hungerlohn innerlich nie akzeptiert und habe mich jahrelang jeden Morgen gefragt, warum ich überhaupt aufstehe. Das System dieser Inklusionsbetriebe besteht meiner Meinung nach darin, dass deren Auftraggeber dort für lau produzieren lassen können (ich habe mal gelesen, dass die Produktion in so einem Betrieb billiger ist, als wenn die Produktion nach Osteuropa verlagert wird). Es geht also bei den Auftraggebern um schnöde Profitmaximierung. Und der Betreiber der Werkstatt kann Gelder vom Staat für die Aufrechterhaltung der Produktionsinfrakstruktur beanspruchen. Die Verlierer sind die Beschäftigten, die dann für Hungerlöhne um die €2,00 pro Stunde rackern dürfen und sich von den Sozialpädagogen auf Grundsicherung oder Wohngeld verweisen lassen dürfen.

Zur Illustration ein Beispiel: Bei uns in der Abteilung haben wir Hundeleinen aus Biothane für den Online-Shop einer Hundeschule produziert. Diese Hundeleinen werden dort für €29,95 verkauft. Das Material, aus dem die Leine hergestellt wird, hat einen Wert von ca. €10,00. Für das Zuschneiden und Nähen der Leine braucht man ca. fünf Minuten Arbeitszeit. Bei einem Lohn von ca. €2,00 pro Stunde sind das wenige Cent, die für die Fertigung der Hundeleine anfallen. Da stellt sich doch die Frage, wer das ganze Geld mit welcher Berechtigung einsackt, wenn die  Arbeiter, die den Mist produzieren, fast leer ausgehen? Ist das gerecht?

Dass mir nun ein Arbeitszeugnis verweigert wird, setzt dem Ganzen nur die Krone auf und zeigt meiner Meinung nach, dass diese Beschäftigungsform ("arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis") behinderte Beschäftigte verfassungswidrig diskriminiert.

Zur Frage, wie man das Bewusstsein bei den Beschäftigten schafft, dass sie den Betrug erkennen und sich wehren, habe ich auch keine Antwort. Ich habe jedenfalls die Zustände im Gespräch mit Kollegen immer wieder kritisiert und die Lohnfrage auch gegenüber der für mich zuständigen Sozialpädagogin immer wieder mal aufgeworfen. Diese meinte, dass eine Reform des Lohnsystems durch die Politik noch Jahre dauern werde.

Mein Problem ist, dass die Erwerbsminderungsrente nicht zum Leben langt. Ich werde also auf Dauer immer irgendwelche Nebenjobs annehmen müssen. Und um mich auf solche Jobs bewerben zu können, brauche ich das Arbeitszeugnis über die letzten elf Jahre Beschäftigung in diesem Inklusionsbetrieb. Und deswegen werde ich auch nicht nachgeben und notfalls vor dem Arbeitsgericht Klage einreichen.
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dagobert

Zitat von: counselor am 19:36:38 Mi. 28.Mai 2025Und um mich auf solche Jobs bewerben zu können, brauche ich das Arbeitszeugnis über die letzten elf Jahre Beschäftigung in diesem Inklusionsbetrieb.
Die sind möglicherweise sauer, weil sie eine billige Arbeitskraft verlieren, und stellen sich deshalb wegen dem Zeugnis quer. Einfach um dich zu ärgern.
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

Onkel Tom

Zitat von: counselor am 13:50:34 Mi. 28.Mai 2025Bin zur Zeit im Resturlaub und quasi schon draußen aus dem Betrieb.
Ah ok, also längst aus der Schusslinie.

Zitat von: counselor am 13:50:34 Mi. 28.Mai 2025Dieser Anwalt hat sich auch gewundert, warum dieser Inklusionsbetrieb sich so sträubt und nicht einfach ein Zeugnis auf freiwilliger Basis ausstellt.
Villeicht folgt das, wenn dein Resturlaub abgefeiert ist (?)..

Zitat von: counselor am 19:36:38 Mi. 28.Mai 2025Und deswegen werde ich auch nicht nachgeben und notfalls vor dem Arbeitsgericht Klage einreichen.
Würde ich auch so handhaben.  ;)


Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

ZitatVilleicht folgt das, wenn dein Resturlaub abgefeiert ist (?)..

Daran habe ich auch schon gedacht. Laut Google muss der Arbeitgeber das Zeugnis unverzüglich, dh innerhalb von zwei bis drei Wochen nach der Aufforderung ausstellen (siehe: https://kanzleihk.de/wie-lange-hat-der-arbeitgeber-zeit-ein-arbeitszeugnis-auszustellen/). Das wäre bei mir also bis spätestens 10.06.2025. Bis dahin müsste ich also mindestens warten und dann das Zeugnis unter Setzung einer Nachfrist anmahnen.
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counselor

Ich werde morgen folgendes Schreiben an den Kostenträger, den Bezirk Mittelfranken, schicken, um etwas Druck aufzubauen:

ZitatUnterstützung bei der Ausstellung eines Zeugnisses durch die WfbM

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich war bis zum 31.5.2025 im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen (Werkstatt XY) beschäftigt. Nach Beendigung meines dortigen Beschäftigungsverhältnisses habe ich um die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses gebeten. Die Werkstatt hat dies mit Verweis auf das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis abgelehnt (siehe Anlage).

Ich halte diese Ablehnung für nicht gerechtfertigt:

Auch wenn kein reguläres Arbeitsverhältnis im Sinne des § 109 GewO oder des § 630 BGB besteht, ergibt sich aus dem sozialrechtlichen Förderauftrag der Werkstatt gemäß §§ 136 ff. SGB IX (insbesondere aus § 219 SGB IX) ein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Dieses dient der beruflichen Teilhabe und ist gerade für Bewerbungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von großer Bedeutung.

Ich bitte Sie daher, als mein zuständiger Kostenträger im Rahmen Ihrer Verantwortung für die berufliche Teilhabe (§§ 104 ff. SGB IX) darauf hinzuwirken, dass mir durch die Werkstatt ein qualifiziertes Zeugnis ausgestellt wird – mit Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit sowie zu meinen Leistungen und meinem Sozialverhalten.

Für Ihre Unterstützung danke ich Ihnen im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Counselor
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Onkel Tom

Ich würde nur den §219 SGB IX nutzen. Mal Unabhängig davon, wie viel Einkommen
erzielt wird, dürfte dieser § ausreichen, das ein Arbeitszeugnis ein Teil des
Förderns ist. Mit dem 136 ff SGB IX bringst Du meiner Vermutung nach nur noch
Kuddelmuddel mit ein, was vom Kernproblem ablenken könnte.. Korrekturvorschlag:

Zitat von: counselor am 13:31:29 Do. 29.Mai 2025Auch wenn kein reguläres Arbeitsverhältnis im Sinne des § 109 GewO oder des § 630 BGB besteht, ergibt sich aus dem sozialrechtlichen Förderauftrag der Werkstatt gemäß §§ 136 ff. SGB IX (insbesondere aus § 219 SGB IX) ein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Dieses dient der beruflichen Teilhabe und ist gerade für Bewerbungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von großer Bedeutung.
Das zu viel ist durch gestrichen.  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Danke @Onkel Tom. Habe es zu
Zitat§ 219 Abs. 1 Satz 3 SGB IX
korrigiert, damit die genau wissen, was ich meine. Dort steht
ZitatSie (, die Werkstatt, Anm. d. Verf) fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen.
(siehe https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__219.html).
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Onkel Tom

Der Tenor des §219 SGB IX deutet doch schon darauf hin, das beim Übergang in den
regulären Arbeitsmarkt ein Arbeitszeugnis von Nöten ist.. Diesen § kannst Du so
auch allgemein drauf hinweisen.. Dein AG wird darauf auch seine Hausaufgaben
machen, (übernehme sie nicht, wie das in H4-Kreisen manchmal auch fälschlicherweise
gemacht wird). Das "Auftischen vor dem SG" kann dann auch besser ein Anwalt, wenn der
denn nötig wäre. Ich glaube nicht, das AG mit der Weigerung durch kommt.
Ich glaube AG knickt schnell ein.  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Ich hoffe, dass sie ohne Gerichtsverfahren einknicken. Das wäre auch in meinem Interesse, weil ich im Internet keine Gerichtsurteile gefunden habe, die meine Rechtsauffassung stützen. Klagen gegen WfbMs scheinen ehr selten zu sein.

Wenn die mir nicht antworten und sich weiter weigern, werde ich zur Gewerkschaft gehen und mir dort Rat holen. Außerdem habe ich mir einen günstigen Kommentar zum SGBIX bestellt, um besser argumentieren zu können.

Ich werde weiter hier berichten!
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counselor

Der Kommentar zum SGB IX ist da.

Es ergibt sich folgendes Bild (obwohl der Kommentar zu Arbeitszeugnissen schweigt):

  • Ich könnte nachweisen, dass ich Arbeitnehmer war, womit § 109 GewO direkt gelten würde. Das setzt neben den üblichen Kriterien der Arbeitnehmereigenschaft (Nichtselbständigkeit, Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation, Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste), dass mit der Beschäftigung ein wahrnehmbares wirtschaftliches Ergebnis angestrebt wird. Wenn therapeutische Überlegungen im Vordergrund stehen, liegt kein Arbeitsverhältnis vor. Ein Arbeitsverhältnis liegt dagegen vor, wenn Behinderte in quantitativer Hinsicht wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbringen. Für einen Arbeitnehmerstatus kann auch sprechen, dass ein Behinderter keine werkstattspezifischen Leistungen mehr benötigt und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden könnte. Die Beweislast für die Arbeitnehmereigenschaft liegt bei mir und der Beweis wird schwierig, da es Argumente für und gegen den Arbeitnehmerstatus geben wird und schon ein substantiierter Vortrag dazu schwierig sein dürfte.
  • Bei einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis hat die WfbM den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen zu fördern, § 219 Abs. 1 Satz 3 SGB IX. Diese Verpflichtung wird in § 5 Abs. 4 WVO näher konkretisiert.

    Dort steht:
    Zitat(4) Der Übergang von behinderten Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist durch geeignete Maßnahmen zu fördern, insbesondere auch durch die Einrichtung einer Übergangsgruppe mit besonderen Förderangeboten, Entwicklung individueller Förderpläne sowie Ermöglichung von Trainingsmaßnahmen, Betriebspraktika und durch eine zeitweise Beschäftigung auf ausgelagerten Arbeitsplätzen. Dabei hat die Werkstatt die notwendige arbeitsbegleitende Betreuung in der Übergangsphase sicherzustellen und darauf hinzuwirken, daß der zuständige Rehabilitationsträger seine Leistungen und nach dem Ausscheiden des behinderten Menschen aus der Werkstatt das Integrationsamt, gegebenenfalls unter Beteiligung eines Integrationsfachdienstes, die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben erbringen. Die Werkstatt hat die Bundesagentur für Arbeit bei der Durchführung der vorbereitenden Maßnahmen in die Bemühungen zur Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt einzubeziehen.
    Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/schwbwv/__5.html

    zu § 219 SGB IX siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__219.html

    Außerdem ist die Werkstatt nach § 58 Abs. 2 Ziff. 3 SGB IX zur "Förderung des Übergangs geeigneter Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen" verpflichtet.

    zu § 58 SGB IX siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__58.html

    Mein Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt muss also durch geeignete Maßnahmen gefördert werden. Dazu zähle ich die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses (auch wenn der Kommentar und die Rechtssprechung bisher dazu schweigen)
  • Ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis könnte sich aber auch aus meinem Werkstattvertrag ergeben. Dort steht in § 2 Abs. 1 (Leistungen und Pflichten der Werkstatt):

    ZitatAuf dieses Rechtsverhältnis werden die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze entsprechend angewandt ... Die Schutzrechte werden durch weitere Leistungen zur Förderung der Eingliederung ergänzt.

    Eine solche weitere Leistung zur Förderung der Eingliederung könnte doch ein Arbeitszeugnis sein.
  • Außerdem stellt sich die Frage, ob -angesichts der Ähnlichkeit des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses mit einem Arbeitsverhältnis- nicht § 109 GewO bzw. § 630 BGB analog anzuwenden sind.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Zitat von: counselor am 14:59:49 Di. 03.Juni 2025Dabei hat die Werkstatt die notwendige arbeitsbegleitende Betreuung in der Übergangsphase sicherzustellen und ..
Könnte es sein, das dein AG für solches nicht eingerichtet ist also Menschen mit Behinderungen
nur ungern laufen lassen ? Klingt ja nach viel Arbeit für null Profit für sie..  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Zitat von: Onkel Tom am 09:53:50 Do. 05.Juni 2025
Zitat von: counselor am 14:59:49 Di. 03.Juni 2025Dabei hat die Werkstatt die notwendige arbeitsbegleitende Betreuung in der Übergangsphase sicherzustellen und ..
Könnte es sein, das dein AG für solches nicht eingerichtet ist also Menschen mit Behinderungen
nur ungern laufen lassen ? Klingt ja nach viel Arbeit für null Profit für sie..  ;)

Das dürfte so sein. Es gibt zwar die Möglichkeit, ein durch einen Jobcoach begleitetes Praktikum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu machen. Aber: Diese Einrichtung hatte letztes Jahr eine Werbeaktion für Frischfleisch laufen, weil es eben an Bewerbern mangelt. Diese Werbeaktion brachte keine Besserung der Personalsituation, so dass ein Standort aus Kostengründen geschlossen werden musste. Da lassen die sicher Menschen mit Behinderungen nicht so gerne laufen.

Ich habe mich gestern mit einem anderen ehemaligen Sklaven dieser Einrichtung unterhalten. Wir waren uns einig, dass die Einrichtung keine gute Einrichtung für Behinderte ist, weil sie die Leute nur langweiligste Hilfsarbeiten machen lässt und die arbeitsbegleitenden Maßnahmen nur auf minimaler Basis durchgeführt werden. Es gibt quasi nur noch arbeitsbegleitende Maßnahmen, die die Einrichtung nichts kosten.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

counselor

Morgen werde ich folgende Mahnung an den Inklusionsbetrieb abschicken:
ZitatErinnerung an die  Bitte um Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses nach Beendigung der Beschäftigung in der WfbM

Sehr geehrte Frau XY,

bezugnehmend auf meinen Antrag vom 17.5.2025 erinnere ich Sie an die Ausstellung meines Arbeitszeugnisses. Ich bitte Sie, mir das Zeugnis bis spätestens zum 30.6.2025 zuzusenden.  Andernfalls sehe ich mich leider gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten.

Ich möchte Sie nochmals darauf hinweisen, dass sich mein Anspruch auf Arbeitszeugnis trotz fehlender expliziter Regelung aus dem allgemeinen Fürsorgegrundsatz und der Verpflichtung zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben ergibt (§§ 58 Abs. 2 Ziff. 3, 219 Abs. 1 Satz 3 SGB IX).

Mit freundlichen Grüßen

Counselor
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Onkel Tom

Den letzen Absatz würde ich weg lassen, damit die Betreiber endlich mal ihre
Hausaufgaben machen und selber dahinter kommen, das du ein Anrecht auf ein
Zeugnis hast. Ob man dies als Arbeitszeugnis oder Beschäftigungszeugnis
titulieren kann, weiß ich nicht aber "Arbeitszeugnis" klingt natürlich besser.

Ich bin echt gespannt, ob Du den selbstsozialen Betreiber Manieren beibringen
kannst. Euer Betrieb ist kein Einzelfall. Behinderung, sein Leben weiter selbst
zu organisieren was das Erwerbsleben betrifft, sind auch z.B. in Männerwohnheimen
an der Tagesordnung.

Wohnst Du auch in Räumlichkeiten/Immos des Betreiber / angeschossenen Sozialverein ?

Zitat von: counselor am 20:07:03 Do. 12.Juni 2025Andernfalls sehe ich mich leider gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten.
.. würde ich ändern in : Sollte dies nicht fristgerecht möglich sein, sehe ich mich
gezwungen rechtliche Schritte zu ersuchen.

Klingt nicht ganz so angriffslustig aber hat genau so Druck im Kessel und kann dir kein
Erpressungsversuch unterstellen ;-)

Obertöne = Ich brauche ein Zeugnis und habe keine Lust zu klagen aber wenn ihr mir kein
Zeugnis ausstellt, muss ich das wohl so machen ?!..

Mein Gedanke anbei, die Eskalationsspirale nach Möglichkeit nicht von selber hoch zu
schrauben, für den Fall, das sie irgendwie doch aus der Nummer raus kommen und Du plötzlich
zum Mobbingopfer ausgesucht und "dequallifiziert" wirst..

Naja, Sozialclubs können echt übel drauf kommen, wenn da Felle weg schwimmen.
Schön wäre es, wenn nicht nur Du alleine ein Zeugnis anforderst, sondern mehrere. Dann zieht
das eventuell besser, das der Betreiber deinem, besser euren Wünschen nach kommt.

Achte darauf,das der Betreiber deine Bestrebungen nicht als politische Aktion einnordnen könnte.
Ich bin mir sicher, das zu "politischem" eine Untersagung im Beschäftigungsvertrag etc. steht.

Sone Klauseln dienen offiziell der Friedenswahrung in der Werkstätte und inoffiziell ein
Kündigungsgrund zu haben, wenn einer auf die Barrikaden gehen sollte.

Schaue mal in deinen Unterlagen nach, wie es mit deinen vertraglichen rechten und Pflichten
gestellt ist.

Schönes WE  ;)


Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

ZitatWohnst Du auch in Räumlichkeiten/Immos des Betreiber / angeschossenen Sozialverein ?

Nein. Meine Wohnung gehört meiner Mutter. Aus dem Inklusionsbetrieb bin ich seit 16.5.25 draußen und das Beschäftigungsverhältnis hat zum 31.5.2025 geendet. Die können mich daher nicht mehr mobben. Behinderte, die zu widerspenstig sind, verstoßen nach Meinung der Vorgesetzten gegen die Werkstattordnung und werden von den Sozialdiensten gegenüber dem Kostenträger als "nicht werkstattfähig" denunziert.

Wenn ich bis zum 30.6.25 kein Zeugnis habe, werde ich zur Gewerkschaft gehen und mich dort beraten lassen. Ich brauche das Arbeitszeugnis für Bewerbungen auf Nebenjobs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, weil ich ohne eine mehrjährige Lücke im Lebenslauf habe.

Aber Danke für Deine Antwort, @OnkelTom!
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Onkel Tom

Zitat von: counselor am 15:14:28 Fr. 13.Juni 2025Nein. Meine Wohnung gehört meiner Mutter.
Na, Jott sei Dank, da bist Du also im Bezug "Auszug aus dem Hause" nicht bedroht.  :)
Ich kenne zwei deiner Leidensgenossen mit ähnlichen Lebensverhältnissen, die in der Beziehung
schlechter gestellt sind, weil im Bezug Wohnen Abhängigkeitsverhältnisse vorherrschen..

Zitat von: counselor am 15:14:28 Fr. 13.Juni 2025Wenn ich bis zum 30.6.25 kein Zeugnis habe, werde ich zur Gewerkschaft gehen und mich dort beraten lassen.

Okay, habe verstanden.
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Ja, die Bewohner des Wohnheims dieses Inklusionsbetriebes sind schlechter dran. Die werden gezwungen, in diesem Inklusionsbetrieb zu arbeiten. Weigern sie sich, verlieren sie ihren Wohnheimplatz.

PS: Ein Kumpel von mir meinte gerade, dass arbeiten für €1,50 pro Stunde in Maßnahmen erniedrigend ist. Das sehe ich genauso!
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

counselor

Um mehr Druck aufzubauen, habe ich noch ein Schreiben an den Werkstattrat (eine Art Betriebsrat für die behinderten Beschäftigten) des Inklusionsbetriebs verfasst, das ich morgen abschicken werde:

ZitatBitte um Unterstützung bei  Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses

Sehr geehrte Mitglieder des Werkstattrats,

ich wende mich heute an Sie, weil ich Ihre Unterstützung in einer für mich wichtigen Angelegenheit benötige.

Ich war bis zum 31.5.2025 im Arbeitsbereich unserer Werkstatt beschäftigt und habe nach Beendigung meines Beschäftigungsverhältnisses ein qualifiziertes Zeugnis beantragt. Leider hat die Werkstatt die Ausstellung eines Zeugnisses abgelehnt (siehe Anlage).

Ein Zeugnis über Art, Dauer, Leistung und Verhalten während der Werkstattzeit ist für mich sehr wichtig – insbesondere zur beruflichen Orientierung und zur Bewerbung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch wenn ich kein Arbeitnehmer im klassischen Sinn war, ist allgemein anerkannt, dass Werkstätten in ihrer Funktion zur Teilhabe am Arbeitsleben verpflichtet sind, solche Zeugnisse auszustellen. Dies wird auch von Fachverbänden wie der BAG WfbM empfohlen.

Ich bitte Sie deshalb herzlich, mich bei meinem Anliegen zu unterstützen und sich dafür einzusetzen, dass mir ein qualifiziertes Zeugnis zeitnah ausgestellt wird. Es würde mir sehr helfen, wenn Sie bei der Werkstattleitung nachfragen oder vermitteln könnten.

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Unterstützung und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Counselor
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

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