Hartz-IV und Wohnen

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 22:07:40 Fr. 22.Dezember 2017

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ManOfConstantSorrow

ZitatKeine Arbeit, kein Zimmer

Bremens Sozialbehörde will die Mieten für Hartz-IV-Bezieher kürzen, die in WGs wohnen


Wenn es nach Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) geht, sollen Wohngemeinschaften weniger Unterstützung vom Jobcenter bekommen. Die Mietobergrenze von Hartz-IV-Empfänger*innen, die in Wohngemeinschaften leben, soll sich zukünftig nach den Sätzen für Familienmitglieder richten. Bisher wurden die WG-Bewohner*innen wie Einzelhaushalte behandelt. Dies geht aus einer Vorlage der Sozialdeputation der Stadtbürgerschaft hervor. Nach einer Mitteilung des Bremer Erwerbslosenverbands werden die Sachbearbeiter*innen aber bereits jetzt zu dieser Praxis angehalten.

455 Euro Kaltmiete zuzüglich Heizkosten und einem Zuschlag nach Stadtteilen hält das Jobcenter für Ein-Personen-Haushalte für angemessen. Bisher durfte die Miete bis zur Miet­obergrenze für Ein-Personen-Haushalte heranreichen. Nun soll das Jobcenter Hartz-IV-Bezieher*innen nur noch die anteilige Miete der Familiensätze zugestehen. Die Mietobergrenze einer vierköpfigen Familie beispielsweise liegt bei 620 Euro – für einen WG-Mitbewohner stünde somit nur noch ein Mietanteil von 155 Euro zur Verfügung. Liegt die Miete über der zulässigen Obergrenze, werden Mieter zunächst zu einer Kostenreduzierung aufgefordert. Wird dem nicht Folge geleistet, wird die Miete nur bis zur Obergrenze übernommen.

Stoff für Diskussionen


Die Vorlage sorgt behördenintern offenbar für Diskussionen. Bereits zum zweiten Mal wurde das Thema von der Tagesordnung genommen. ,,Das Problem bedarf weiterer politischen Beratung", erklärte Bernd Schneider, Pressesprecher des Sozialressorts. Anlass für die Änderung der Verwaltungspraxis sei eine Gesetzesänderung im SGB XII, die die Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung betrifft. Diese Gesetzgebung möchte das Sozialressort für die Arbeitslosensicherung übernehmen. Begründen wollte Schneider den Vorstoß während der laufenden Beratung gegenüber der taz nicht. Laut Vorlage soll verhindert werden, dass Mehrpersonenhaushalte wie mehrere Ein-Personen-Haushalte behandelt werden.

Herbert Thomsen vom Bremer Erwerbslosenverband bezweifelt die Übertragbarkeit der Vorschrift auf die Arbeitslosenunterstützung. Eine Differenzierung danach, ob Hartz IV-Empfänger*innen in einer WG oder alleine wohnen, stellt nach Urteil des Bundesverwaltungsgericht aus dem Jahr 2008 eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung dar. Begründet wurde das Urteil auch damit, dass der Platzbedarf von WG-Mitgliedern größer ist als von Familienangehörigen. ,,Wir gehen davon aus, dass die Praxis vor den Verwaltungsgerichten scheitern wird", erklärt Thomsen. Er befürchtet jedoch, dass bis zu einer gerichtlichen Klärung viele Leistungsbezieher*innen eventuelle Bescheide akzeptieren könnten. Die Folgen für sie entstünden dann unabhängig von der Rechtmäßigkeit.

Hintertürchen für WGs


Eine Hintertür bleibt den Wohngemeinschaften aber: Die Mieter*Innen, die dem Jobcenter einen Untermietvertrag über die allein genutzten Räume vorlegen, müssten auch weiterhin wie Ein-Personen-Haushalte behandelt werden.

Wie relevant Änderungen der Mietobergrenzen für Empfänger*innen von Sozialleistungen sind, zeigt die Erhöhung der Mietobergrenze im März 2017. Seitdem übernimmt das Amt um rund 20 Prozent höhere Mieten. Genutzt hat die Erhöhung den Leistungsbezieher*innen nach Ansicht des Bremer Erwerbslosenverbands jedoch nicht: ,,Die Vermietungsgesellschaften haben blitzartig die ,,Preisschilder" auf den Stand der neuen Obergrenzen gebracht", so die Einschätzung dort.
http://www.taz.de/Hartz-IV-in-der-WG/!5470653/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatHartz IV-Vorurteile erschweren nachweisbar die Wohnungssuche

Immer wieder haben Hartz IV-Bezieher mit Vorurteilen zum kämpfen. Eine Tatsache, die ihnen häufig ihren ohnehin schon harten Alltag zusätzlich erschwert. Vor allem die Suche nach bezahlbarem Wohnraum stellt eine große Herausforderung für Betroffene dar.

Hartz IV-Bezieherin möchte zu ihrer Tochter ziehen


Agatha ist eine junge Frau, die in Berlin lebt und arbeitet. Ihre alleinlebende Mutter möchte in absehbarer Zeit aus Essen zu ihrer Tochter nach Berlin ziehen. Das Problem: Ihre Mutter bezieht seit einigen Jahren Hartz IV. Eine Tatsache, die die Wohnungssuche enorm erschwert. Agatha berichtet von einer Besichtigung, die sie für ihre Mutter übernommen hat: Entgegen ihrer Erwartungen ist sie die einzige Besucherin. Sie begrüßt den Makler freundlich und entschuldigt sich dafür, dass ihre Mutter nicht persönlich dabei sein kann. Dass diese sich das Zugticket von Essen nach Berlin nicht leisten kann, erwähnt sie nicht.

Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt spitzt sich immer mehr zu. Vor allem in Großstädten wird bezahlbarer Wohnraum immer seltener. Selbst gut verdienende Menschen warten häufig monatelang auf eine Bleibe. Wenn es für ,,normal" arbeitende Menschen schon eine Herausforderung darstellt, lässt sich die enorm schwere Situation für Leistungsbezieher nur erahnen. Agathas Mutter ist vor über 30 Jahren nach Deutschland gezogen. Sie war zu dem Zeitpunkt eine ausgelernte Pädagogin. Ihr Studium wurde allerdings nicht anerkannt. Seither übte sie diverse Nebenjobs aus. Häufig im Niedriglohnsektor. Zuletzt hatte sie einen Bürojob in einer Speditionsfirma, bis diese vor einigen Jahren Pleite ging. Mit Ende 50 fand sie schließlich keinen Job mehr und war gezwungen ALG II zu beantragen. Nun ist die Leistungsbezieherin 63 Jahre alt und räumt neben ihrer Leistung, Regale in einem Supermarkt ein. Vor einiger Zeit hat sie beschlossen, dass sie in Zukunft näher bei ihrer Tochter leben möchte.

Leistungsbezieher sind mit Vorurteilen behaftet

Diese geht nun im Namen ihrer Mutter auf Wohnungssuche. Jedes Mal graut es Agatha davor, dem Makler die Frage zu stellen, ob es ein Problem für den Vermieter darstelle, dass ihre Mutter von Hartz IV lebt. Denn sie weiß, dass es viele Vorurteile gegen Leistungsbezieher gibt. Vorurteile, denen sie am liebsten im selben Atemzug widersprechen möchte. Denn entgegen der Annahme, kann ihre Mutter sehr gut mit Geld umgehen. Auch die Wohnung wird nicht verkommen, gleichwohl sie sehr viel Zeit darin verbringen wird. Und nein, ihre Mutter ist nicht glücklich mit ihrer Situation. Aber all dies interessiert den Makler natürlich nicht.

Es lässt sich nur auf Mitleid hoffen


Agatha fühlt sich hilflos. Hartz IV-Bezieher sind vorbelastet. Das kommt vor allem bei der Wohnungssuche zum Vorschein. Denn bei dieser müssen sie sich mit ,,normal" arbeitenden Menschen messen. In solchen Situationen lässt sich eigentlich nur auf das Mitleid eines Vermieters hoffen. Allerdings ist das erfahrungsgemäß ein eher seltener Grund für Vermieter, ihre Wohnung zu vermieten. Die Tochter wünscht sich für ihre Mutter, dass man sie als ganz normale Mieterin ansieht und nicht als problembehaftetet Sozialschmarotzerin. Für das Jobcenter Essen stelle der bevorstehende Umzug kein Problem dar. Schließlich zwinge Hartz IV niemandem, nur an einem Ort zu leben. Die Umzugskosten würden sie jedoch nicht übernehmen.
https://www.gegen-hartz.de/news/hartz-iv-vorurteile-erschweren-wohnungssuche-erheblich

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