Tarifabschluss Leiharbeit: bis zu 24 Prozent mehr Geld

Begonnen von bernie von zoom, 20:44:00 Di. 21.Juni 2022

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bernie von zoom

Etwas Abstand zu EP muss sein damit niemand über EP redet

ZitatTarifabschluss Leiharbeit: bis zu 24 Prozent mehr Geld

Bis zu 24 Prozent mehr Geld für Leihbeschäftigte der Entgeltgruppen 1 bis 2b in drei Schritten. In Entgeltgrupe 1 etwa geht es im Oktober von 10,88 hoch auf 12,43 Euro, bis Januar 2024 auf 13,50 Euro. Zudem steigt der Vorteil für Gewerkschaftsmitglieder ab November 2023 auf bis zu 1000 Euro im Jahr.

Tarifabschluss in der Leiharbeit: Im Oktober steigen die Tarifentgelte für Leihbeschäftigte der Entgeltgruppen 1 bis 2b um bis zu 14 Prozent. Danach geht es in zwei Stufen bis Januar 2024 weiter hoch. Insgesamt steigen die Entgelte bis dahin um bis zu 24 Prozent.
Grafik zum Tarifabschluss Leiharbeit 2022

Dieses Verhandlungsergebnis hat die IG Metall in Tarifgemeinschaft mit den anderen DGB-Gewerkschaften heute morgen mit den Arbeitgeberverbänden BAP und iGZ erzielt.

Die Anhebung der unteren Entgeltgruppen war notwendig, da ab Oktober der neue gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro gilt und die unteren beiden Entgeltgruppen derzeit darunter liegen. Ziel der IG Metall-Tarifkommission und der anderen Gewerkschaften war es dabei, deutlich über den gesetzlichen Mindestlohn zu kommen.

       aktuell      ab 1.10.22    ab 1.4.23 ab 1.1.24
EG 1     10,88 €     12,43 €    13,00 €    13,50 €
EG 2a     11,60 €    12,63 €    13,20 €    14,80 €
EG 2b    12,20 €    12,93 €    13,50 €    14,15 €

Laufzeit: bis 31. März 2024

Der Tarifabschluss betrifft die Mehrheit der Leihbeschäftigten: Rund 70 Prozent arbeiten in Entgeltgruppe 1 bis 2b.

Zum Jahresende wird die DGB-Tarifgemeinschaft erneut mit den Arbeitgeberverbänden über Entgeltsteigerungen für die oberen Entgeltgruppen 3 bis 9 verhandeln.

Ab 2023 bis zu 1000 Euro Mitgliedervorteil

Außerdem hat die DGB-Tarifgemeinschaft auch deutliche Verbesserungen beim Mitgliedervorteil für Gewerkschaftsmitglieder erreicht: Ab November 2023 steigt die Extra-Zahlung zum Weihnachtsgeld um 150 Euro. Statt bisher 100 bis 350 Euro (je nach Betriebsangehörigkeit) gibt es dann 250 bis 500 Euro obendrauf.

Das macht zusammen mit der Extra-Zahlung zum Urlaubsgeld statt bisher bis zu 700 Euro dann bis zu 1000 Euro Mitgliedervorteil im Jahr.

Für den Mitgliedervorteil reichen ab November 2023 zudem 6 statt wie bisher 12 Monate Gewerkschaftsmitgliedschaft aus. Das heißt: Wer dann in die Gewerkschaft eintritt, muss nicht mehr bis zum nächsten Jahr warten, sondern kann schon nach einem halben Jahr die Extra-Zahlung für Gewerkschaftsmitglieder zum Urlaubs- oder Weihnachtsgeld beantragen.
https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/leiharbeit/tarifabschluss-leiharbeit-bis-zu-24-prozent-mehr-geld

karl.

Hallo bernie,

in der IGM-Tabelle für die E 2a und E 2b ab 01.04.23 muss eine Verwechslung stattgefunden haben.

Lt. Tabellenangabe bekommt die E 2a ab 01.04.2022  14,80 Euro aber die  E 2b  - die höherbewertete - nur  14,15 Euro.


Die E 1 muß also zum 01.04.2023  mit 13 Euro bezahlt werden. Das ist eine Steigerung von knapp 20 %.

Nimmt man die Forderung der IGM - die Lohngruppen  E3 bis E9 ab Januar im gleichen Abstand zu erhöhen - ernst, bedeutet z.B.  eine Erhöhung um 20 Prozent einen Ecklohn (Facharbeiter mit mindestens 3 Jahren Ausbildung) von 16,90 Euro momentan 14,08 Euro.

bernie von zoom

Hallo Karl,
die E 2 a bekommt ab dem 1.4.24 13,80, die IGM hat den Fehler inzwischen korrigiert.

Das ändert nichts daran dass mit dem Abschluss die Grundsatzbeschlüsse aller DGB Gewerkschaften Equal Pay zu fordern ignoriert werden. Im AÜG steht immer noch dieses, ein Tarifvertrag kann abweichen, er muss es nicht
Zitat
Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG)§ 8 Grundsatz der Gleichstellung

(1) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz).

...

(2) Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen

https://www.gesetze-im-internet.de/a_g/__8.html

karl.

Hallo bernie,

ZitatDas ändert nichts daran dass mit dem Abschluss die Grundsatzbeschlüsse aller DGB Gewerkschaften Equal Pay zu fordern ignoriert werden. Im AÜG steht immer noch dieses, ein Tarifvertrag kann abweichen, er muss es nicht

Grundsätzlich sind sie dafür und dann kommt das ja aber...usw. Die Diskussionen von vor fast 20 Jahren (christl. Gewerkschaften) mache ich jetzt aber nicht mehr auf.

Die Gew. müßten total aus den TV aussteigen und erklären, dass sie nicht mehr bereit sind TV in der Branche Leiharbeit abzuschließen. Ob dann anschließend die ZAF anstanndslos EP und Equal-Treatment (gleiche Arbeitsbedingungen usw.) bezahlen halte ich für nicht bewiesen.
Die LAN müßten klagen. Wenn ich mir die Däubler-Kampagne anschaue: Am Schluß blieben von mehreren hundert Interessierten  glaube ich 3 Klagen übrig. Die letzte Fall ist noch nicht entschieden.
Und dass die Politik (die ja die Leiharbeit dereguliert hat) das dann einfach seelenruhig anschaut so nach dem Motto: "Et hätt noch immer jot jejange" halte ich für einen Faschingsscherz.

Deshalb komme ich wieder auf die IGM-Aussage zurück : "Die DGB-Gewerkschaften wollen die Leiharbeitstarife auf den neuen Mindestlohn anheben. Auch die höheren Entgeltgruppen sollen im gleichen Verhältnis steigen."

Hiermit hat sie eine Ansage gemacht. An diese sollten wir sie in den nächsten Monaten erinnern.

Onkel Tom

Zitat von: karl. am 17:59:54 Sa. 25.Juni 2022
...
Die Gew. müßten total aus den TV aussteigen und erklären, dass sie nicht mehr bereit sind TV in der Branche Leiharbeit abzuschließen. Ob dann anschließend die ZAF anstanndslos EP und Equal-Treatment (gleiche Arbeitsbedingungen usw.) bezahlen halte ich für nicht bewiesen.
...

Das fände ich auch spannend und wenn EP darauf nicht funzen will, wofür gibt es (Bummel)streiks ?  :D
Jo, der Hoffnungstraum finge damit an, das die Gewerkschaften den Verhandlungen fern bleiben bis
TV ausläuft oder gekündigt wird.. Ansonsten kann man ja nur auf Kläger_innen hoffen.
Lass Dich nicht verhartzen !

bernie von zoom

Bummelstreiks bei den LAN? träum weiter, Onkel Tom.

EP noch nicht einmal als Eingangsforderung ist Verhöhnung der eignen Grundsatzbeschlüsse.
Die Klausel im AÜG,  die ein abweichen durch einen Tarifvetrag ermöglicht, können die Gewerkschaften nicht ändern. Das ist Aufgabe der Politik, mit der FDP ist da wenig zu machen.

Die Gewerkschaften könnten es dennoch laut fordern um glaubwürdig zu bleiben.

Kuddel

Zitat von: bernie von zoom am 19:38:18 Mo. 27.Juni 2022
...um glaubwürdig zu bleiben.

??

Mich würde interessieren, wie ihr es diskutiert, daß eine gewerkschaftliche Forderung nur für Mitglieder gelten soll.

 

dagobert

Zitat von: bernie von zoom am 19:38:18 Mo. 27.Juni 2022Die Klausel im AÜG,  die ein abweichen durch einen Tarifvetrag ermöglicht, können die Gewerkschaften nicht ändern.
Müssen sie auch nicht.

Sie könnten aber sehr wohl auf den Abschluss von Gefälligkeits-Schlechterstellungs-Tarifverträgen verzichten ...
Zitat von: bernie von zoom am 19:38:18 Mo. 27.Juni 2022... um glaubwürdig zu bleiben.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

BGS

Bin gleichfalls der Meinung, dass Tarifverträge selbstverständlich  nicht nur für Mitglieder von Gewerkschaften gelten, von der Forderung nach Equal Pay mal abgesehen.

Geht in anderen Ländern schliesslich auch.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Onkel Tom

Soso.. Nur für Clubmitglieder_innen..

Das in der Leihe nun auch zwei Gruppierungen vertreten sind, die vermutlich
miteinander unterschiedlich entlohnt (und ausgespielt) werden, macht sauer.

Mein Traum träume ich weiter.. Die Lans, die keiner Gewerkschaft angehörig
sind, werden begeistert sein..  ???

300 Ocken für Urlaub oder seine Gewerkschaftsbeiträge bezahlen zu können ?
Lass Dich nicht verhartzen !

bernie von zoom

Tarifverträge sind immer nur für Mitglieder verbindlich, das ist hier geregelt
Zitat
Tarifvertragsgesetz (TVG)
§ 3 Tarifgebundenheit
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.  https://www.gesetze-im-internet.de/tvg/__3.html
Ausnahme sind die Allgemeinverbindlichen TV. Damit nicht alle in die Gewerkschaft eintreten vereinbaren  die AG die Anwendung des TV gerne im Arbeitsvertrag.
Der  TV Leih verhindert EP und wird deshalb im Arbeitsvertrag vereinbart, als Bonus  ist ein höheres Weihnachts- und Urlaubsgeld für Gewerkschaftsmitglieder vereinbart. Aus der Gewerkschaft austreten um nicht mehr zu Geltungsbereich zu gehören und EP statt Bonus zu bekommen klappt nicht.
Wenn ein Tarifvertrag einseitig gekündigt wird geht er in die Nachwirkung, bleibt so bestehen. Das ist als Schutz für AN gedacht wenn AG aus einem TV aussteigen. In der Leiharbeit bewirkt die Nachwirkung das Gegenteil.
Daher bleibt Gewerkschaften die ihre eigenen Grundsätze ernst nehmen  nur EP zumindest am Anfang einer Tarifrunde zu fordern. Und von der Politik die Streichung der Öffnungsklausel.

dagobert

Laut AÜG ist Equal Pay die Regel und ein Tarifvertrag die Ausnahme.
Ob dieses gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis mit einem Tarifvertrag ausgehebelt werden kann welcher sich lediglich noch in der Nachwirkung befindet, halte ich für sehr zweifelhaft.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

karl.

Hallo bernie,
ZitatTarifverträge sind immer nur für Mitglieder verbindlich,

Das AÜG erlaubt, dass auch ZAF die nicht tarifgebunden sind einzelvertraglich mit ihren LAN nach Tarifvertrag bezahlen. Ob der LAN Mitglied ist spielt keine Rolle.

ZitatWenn ein Tarifvertrag einseitig gekündigt wird geht er in die Nachwirkung, bleibt so bestehen.

Der Bestand des nachwirkenden TV gilt für die die schon vorher unter den TV fielen. Bei Neueinstellungen ist die Rechtslage meines Wissens umstritten. Ein neueingestellter LAN könnte dann auf equal Pay klagen.

@dagobert.
ZitatLaut AÜG ist Equal Pay die Regel und ein Tarifvertrag die Ausnahme.
Ob dieses gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis mit einem Tarifvertrag ausgehebelt werden kann welcher sich lediglich noch in der Nachwirkung befindet, halte ich für sehr zweifelhaft.
Das mit der Ausnahme ist natürlich zweifelhaft auch ohne Nachwirkung. Aber bis jetzt hat es Bestand.

Warten wir mal ab wie der EuGH in den nächsten Wochen zur letzten verbliebenen Klage  aus der Däublerkampagne sich äußert. Das Ergebnis muss dann das BAG - welches den Fall an den EuGH verwiesen hat - aufgreifen.

Im Worstcase für die ZAF und auch für die Gewerkschaften könnte herauskommen, dass alle TV der EU-Richtlinie nicht entsprechen und die TV ungültig sind. Halte ich aber eher für unwahrscheinlich.
Der EuGH ist lt. Antrag der Klägerin aufgefordert ob das AÜG den Begriff des Gesamtschutz eines LAN erfüllt. Der Begriff ist bisher nicht definiert.

Herauskommen könnte eine erneute Änderung des AÜG durch den deutschen Gesetzgeber.

karl.

Habe mir mal das Tarifergebnis mit max. 24,1 % Lohnerhöhung in den nächsten 27 Monaten ab 01. Oktober genauer angeschaut.

Die Erhöhung der E1 auf bis zu 24,1 % setzt sich so zusammen aus: 12,9 Prozent Tariferhöhung auf den gesetzl. Mindestlohn ab Oktober. Die Erhöhung durch den gesetzlichen Minderstlohn selbst beträgt demzufolge 11,2 %.

Für die E2a beträgt die tarifl. Erhöhung ca. 15%.

Für die E2b beträgt die tarifl. Erhöhung ca. 18%.

Die 18 Monate Laufzeit aufs Jahr umgerechnet bedeuten ca. 7,5 % für E1.
8,3 % für E2a und für E2b ca. 10 %.

Des weiteren ist mir aufgefallen:

Im bisher noch gültigen aktuellen TV  entspricht die Differenz von der E1 zur E2a 52 Cent. Von der E2a zur E2b beträgt die Differenz 60 Cent.

In den TV ab 01.10.2022 liegt die Differenz nur noch zwischen min.20 Cent und max. 35 Cent.

Für mich bedeutet das, dass die Verbesserung des gesetzl. Mindestlohns durch Tarif um 43 Cent  (12 Euro auf 12 Euro 43) zu Lasten der qualifiizierteren Lohngruppen (E2a und E2b) erkauft wurde.
Sprich: der Lohngruppenschlüssel für die beiden Entgeltgruppen wurde verschlechtert.

Hier die Tabellen:

       aktuell    ab 1.10.22    ab 1.4.23    ab 1.1.24
EG 1     10,88 €     12,43 €    13,00 €    13,50 €
EG 2a     11,60 €    12,63 €    13,20 €    13,80 €
EG 2b    12,20 €    12,93 €    13,50 €    14,15 €


Laufzeit: bis 31. März 2024




Kuddel

Zitat von: karl. am 23:38:56 Mi. 29.Juni 2022
Hallo bernie,
ZitatTarifverträge sind immer nur für Mitglieder verbindlich,

Das AÜG erlaubt, dass auch ZAF die nicht tarifgebunden sind einzelvertraglich mit ihren LAN nach Tarifvertrag bezahlen. Ob der LAN Mitglied ist spielt keine Rolle.

Das meinte ich. Bei anderen Tarifauseinandersetzungen handeln die Gewerkschaften ja auch nicht etwas nur für ihre Mitglieder aus, sondern für alle.

Bei den Leiharbeitern testet man etwas anderes aus. Mich würde interessieren, wie ihr bei Zoom das seht.

Mir kommt es so vor, als würden Gewerkschaften damit wie ein kommerzieller Dienstleister auftreten, wo man durch einen Mitgliedsausweis persöniche Vorteile erhält, wie mit einer Paybackkarte im Supermarkt.

Die Gewerkschaften als neuer ADAC?

karl.

@Kuddel
ZitatDas meinte ich. Bei anderen Tarifauseinandersetzungen handeln die Gewerkschaften ja auch nicht etwas nur für ihre Mitglieder aus, sondern für alle.

Im Tarifvertragsgesetz heißt es:

Zitat§ 3 Tarifgebundenheit

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

So wie ich das verstehe gehören nicht organisierte Arbeitnehmer keiner Tarifvertragspartei an. Also haben sie auch keinen Rechtsanspruch darauf. Dass in der Regel sie trotzdem gleich behandelt werden ist eine freiwillige Sache der Unternehmer. Könnte ja sonst ein Anreiz sein sich zu organisieren.

In der Leiharbeit können Leihfirmen auch abweichend vom Tarifvertrag Arbeitsverträge abschließen. Aber wenn sie einen TV anwenden müssen sie ihn komplett anwenden. Wenn sie also Mitgliedervorteile auch an nicht Organisierte bezahlen, dann ohne Verweis auf einen TV. Sonst wird der ganze Vertrag ungültig und es tritt equal-pay und equal-treatment in Kraft.

So ist mein Verständnis in der Sache. ZOOM gibt es nicht mehr sondern nur noch ein paar freischwebende die halt bei Chefduzen mitdiskutieren.

Das facebook-Diskussionsforum der IGM unter "Gute Arbeit für Alle" ist als Diskussionsforum ein Rohrkrepierer. Genaugenommen muss man es als "digitale Litfasssäule" der IGM bezeichnen.
https://de-de.facebook.com/gutearbeitfueralle
Man muss sich aber anmelden. Wer sich langweilen will dem ist es zu empfehlen.

Kuddel

Danke karl. für deine Erläuterung.

Ich habe halt bei der Sache mit der unterschiedlichen Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und nicht-Mitgliedern Bauchschmerzen.

Es ist natürlich so, daß mir alles lieb ist, was die Situation für Leiharbeiter verbessert und das Prinzip Leiharbeit für Unternehmer verteuert. Wenn die Gewerkschaft einen besseren Lohn aushandelt, sollte ich es gut finden. Tue ich aber nicht. Wenn die Gewerkschaft einfach nichts tun würde, wäre der Lohn automatisch noch besser durch Equal Pay. Sie schließt aber Tarifverträge ab und pißt den Leiharbeitern damit ans Bein.

Ich finde eigentlich eine gewerkschaftliche Organisierung, sollte für jeden Arbeiter, jede Arbeiterin,  selbstverständlich sein. Ich war, als ich Stammbeschäftigter in einem Großbetrieb war, Mitglied der IGM. Ich habe mich da aber bereits sehr geärgert über die Politik der IGM. Sie hat nicht in meinem Sinne gehandelt. Ganz und gar nicht.

Etwas mehr als ein Jahr später war ich wieder in dem selben Betrieb, doch als Leiharbeiter. Ich bekam fast 30% weniger als zuvor für die gleiche Arbeit. Ich war nicht mehr in der IGM und bin auch nie wieder in die IGM eingetreten.

Die IGM hat mitgespielt bei dem ganzen Agendascheiß von Schröder. Hartz IV und die Ausweitung der Leiharbeit. Bis heute hat sie Equal Pay eher verhindert. Ich war später, als ich in einem Betrieb, der zur Lebensmittelindustrie gehörte, arbeitete (nicht als Leiharbeiter) Mitglied der NGG. Das war aus symbolischen Gründen und es herrschte da quasi "Closed Shop", am ersten Arbeitstag bekamen wir Arbeitsklamotten, unseren Spind gezeigt und dann ins Betriebsratsbüro. Da hat mit die Gewerkschaftsmitgliedschaft unterschrieben. Ich fand das ok, und finde die Symbolik, daß alle organisiert sind, eigentlich super. Aber über die Politik von Betriebsrat und NGG habe ich mich trotzdem geärgert.

Naja, für mich ist "Equal Pay" nicht das Ziel von Auseinandersetzungen in der Leiharbeit. Die Wirtschaft hat ein riesiges Interesse an flexibel einsetzbaren Arbeitkräften. Letztendlich ermöglichen sie, daß der Normalbetrieb mit 100% Arbeitsauslastung laufen kann. Bei Auftragspitzen holt man ein paar Leihsklaven dazu und es lauft weiter auf 100%. Leiharbeit fällt also der Stammbelegschaft in den Rücken, weil sie Arbeitsverdichtung für alle bedeutet.

Wenn Leiharbeiter das Doppelte, als flexibler Springer, kriegen sollten, könnte man vielleicht darüber diskutieren. Ansonsten bin ich der Meinung, der Arbeitsverleih gehört abgeschafft und nicht verbessert.

Das wäre mein Ziel, mein Interesse. Deshalb kann ich nicht für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft werben, wenn die Gewerkschaft nicht in meinem Interesse handelt. Deshalb finde ich es auch ziemlich abtörnend, wie die IGM für sich wirbt, daß man mit ihr persönliche Vorteile erhält.

Ich will nicht nur "persönliche Vorteile", sondern eine Organisation, die die Situation insgesamt verbessert. Ich will keinen ADAC und keine Rechtsschutzversicherung (als ich mal Rechtschutz von der Gewerkschaft wollte, hatte ich mich auch nur geärgert. Er taugte nix.), sondern einen kämpferische Organisation, die hinter mir und meinen Interessen steht. Die sehe ich leider nicht.

karl.

@Kuddel

Zitat

Ich habe halt bei der Sache mit der unterschiedlichen Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und nicht-Mitgliedern Bauchschmerzen.


Ja Bauchschmerzen kann man dabei schon bekommen. Bei mir jedenfalls solange die Gewerkschaften mit ihren TV equal-pay und equal-treatment aushebeln.

Wenn sie mit TV das EP und ET erreichen habe ich nichts dagegen wenn sie zusätzliche Verbesserungen für Mitglieder herausholen.

karl.

Tarifinfo des DGB unter:

https://www.dgb.de/tarifrunde-leiharbeit/++co++429a3592-602f-11ed-bd8a-001a4a160123

Dort heißt es u.a.:

"Am 24.11.2022 wird die erste Tarifverhandlung
zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit
und den Arbeitgeberverbänden der Branche in
Frankfurt am Main stattfinden."

karl.

Neueste Tarifinfo der DGB-TG unter:

https://www.dgb.de/tarifrunde-leiharbeit/++co++1ef8474a-6cba-11ed-8d14-001a4a160123

"Tarifrunde Leiharbeit: Verhandlungsauftakt gescheitert

Am 24.11.2022 fand die erste Verhandlung zur Erhöhung der Entgeltgruppen 3 bis 9 in der Leiharbeitsbranche statt. Die erste Runde der Tarifverhandlung zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und den beiden Arbeitgeberverbänden BAP und iGZ wurde ergebnislos abgebrochen. Die Verhandlung soll am 14.12.2022 in Berlin fortgesetzt werden."

Darin heißt es ziemlich am Ende u.a.:

"Eure Unterstützung ist gefragt!

Die Tarifgemeinschaft wird den Arbeitgebern weiter unmissverständlich klar machen, dass ihr Angebot unzureichend ist.

Hierfür brauchen wir auch eure Unterstützung bei der nächsten Tarifverhandlung. Zusammen mit den Beschäftigten der Branche werden wir den Arbeitgebern zeigen, was wir von dem Angebot halten. Nämlich nichts!"

Das scheint mir ein Aufruf für Aktionen während der Verhandlungen. Fehlt nur noch der Ort und die Uhrzeit.


PS:
Bei Labournet heute gefunden unter:

https://www.labournet.de/

"Die EuGH-Urteilsverkündung in der Klage auf equal pay in der Leiharbeit gegen TimePartner – und damit über den Gesamtschutz durch DGB-Leiharbeitstarife – findet am 15. Dezember 2022 statt!"

Also einiges an Aktualität. Bei Chefduzen scheinbar nur noch Murmeltiere unterwegs zum Winterschlaf.


Hans01

Zitat von: karl. am 23:38:56 Mi. 29.Juni 2022
ZitatWenn ein Tarifvertrag einseitig gekündigt wird geht er in die Nachwirkung, bleibt so bestehen.

Der Bestand des nachwirkenden TV gilt für die die schon vorher unter den TV fielen. Bei Neueinstellungen ist die Rechtslage meines Wissens umstritten. Ein neueingestellter LAN könnte dann auf equal Pay klagen.


Aber auch nur bei Arbeitnehmern, die aufgrund einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Anspruch auf einen Tarifvertrag haben. Das Problem ist, dass das AÜG auch eine arbeitsvertragliche Bezugnahme zulässt. Und hier sind eben auch Bezugnahmeklauseln von abgelaufenen Tarifverträgen zulässig.

,,b) Das Bundesarbeitsgericht verneint allerdings in ständiger Rechtsprechung eine normative Wirkung von Tarifregelungen nach § 4 Abs. 5 TVG, wenn das Arbeitsverhältnis erst während der Nachwirkungszeit begründet wird (vgl. 6. Juni 1958 - 1 AZR 515/57 - BAGE 6, 90; 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22; 3. Dezember 1985 - 4 ABR 60/85 - BAGE 50, 258; 7. November 2001 - 4 AZR 703/00 - BAGE 99, 283; 11. Juni 2002 - 1 AZR 390/01 - BAGE 101, 288). Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Nachwirkungszeitraum schließt es aber nicht aus, dass die Arbeitsvertragsparteien die abgelaufenen Tarifbestimmungen einzelvertraglich in Bezug nehmen. Dies ist insbesondere bei abgelaufenen Vergütungstarifverträgen (vgl. BAG 27. Januar 1987 - 1 ABR 66/85 - BAGE 54, 147, 159) nicht ungewöhnlich, kommt aber auch bei Manteltarifverträgen und sonstigen Tarifverträgen vor. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Inhalt des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen (§ 105 Satz 1 GewO). Machen die Arbeitsvertragsparteien von der Möglichkeit Gebrauch zu vereinbaren, dass die Vorschriften eines abgelaufenen Tarifvertrages Anwendung finden oder treffen sie in Kenntnis des Ablaufs eines Tarifvertrages davon abweichende, individuelle Abmachungen, ist das Arbeitsverhältnis nicht inhaltsleer."

https://openjur.de/u/171084.html

Zwar ging es in diesem Fall nicht um Arbeitnehmerüberlassung. Allerdings fällt mir kein logischer Grund dafür ein, warum dies nicht auch in der Arbeitnehmerüberlassung gelten soll. Ganz einfach weil das AÜG keinerlei Einschränkungen in der Hinsicht beinhaltet.

dagobert

Hatte ich doch im andern Thread schon geschrieben:
Das AÜG schreibt ausdrücklich Equal Pay als Regelfall vor, den Tarifvertrag nur als Ausnahme. Da beinhaltet das AÜG sehr wohl eine Einschränkung. Und dass diese mit einem lediglich nachwirkenden Tarifvertrag ausgehebelt werden kann, darf als unwahrscheinlich gelten.

In § 4 Abs. 5 TVG heißt es:
ZitatNach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Diese "andere Abmachung" besteht in Form des § 8 AÜG bereits Kraft Gesetz.
Die Regelungslücke, die Überhaupt erst eine Nachwirkung sinnvoll erscheinen lässt, ist in der Leiharbeit damit von vornherein gar nicht gegeben.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Hans01

Andere Abmachungen im Sinne des TVG können nur folgende Instrumente sein:

- Ein neuer Tarifvertrag
- Eine Betriebsvereinbarung (die wiederum aufgrund von § 77 Abs. 3 BetrVG ausscheidet)
- eine arbeitsvertragliche Regelung

https://www.etl-rechtsanwaelte.de/stichworte/arbeitsrecht/nachwirkung-tarifvertrag

Theoretisch könnten alle neuen Arbeitnehmer eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung mit dem Verleih-AG vereinbaren. In der Praxis würde das kein Verleih-AG zulassen. Er wird darauf bestehen, dass im Arbeitsvertrag dann ein abgelaufener Tarifvertrag in Bezug genommen wird (ich habe weiter oben die Zulässigkeit anhand einer BAG Entscheidung dargelegt). Dann kommt einfach kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der potentielle Mitarbeiter nicht unterschreiben will.

Und nochmal: Da steht gar nichts von Ausnahmen. Da steht, dass ein Tarifvertrag von diesem Grundsatz abweichen kann. Und das ohne die von dir gewünschten Einschränkungen. Es gibt weder eine Regelung zu einer Maximalanzahl möglicher Tarifverträge in der Branche (die wäre auch ein Wettbewerbsnachteil für diejenigen Arbeitgeber, die dann keinen Tarifvertrag mehr abschließen dürften), noch wird die Regelung dahingehend eingeschränkt, dass es sich um aktive Tarifverträge handeln müsste.

Zudem ist es kein Automatismus, dass die Tarifverträge automatisch schlechter sind als die Löhne in den Entleihbetrieben. Gerade bei den Dienstleistungen sieht es oft andersherum aus (da gibt es oft nur Mindestlohn). Da ziehen die Leiharbeitertarife die Löhne mit nach oben. Am Ende ist ein Tarifvertrag immer nur so gut, wie Mitglieder im Hintergrund eine Kampfbereitschaft zeigen. Theoretisch wäre mit einem Tarifvertrag somit auch ein höherer Lohn als Equal Pay drin (was bei den Dienstleistungen oft schon so ist). Letztendlich würden das auch die Entleiher bezahlen, da die höhere Flexibilität ein enormer Kostenvorteil ist. Wenn man am Verhandlungstisch gar keine echte Basis im Rücken hat, die auch streiken würden, wird man weniger erreichen.

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