Migrantischer Widerstand

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 20:49:23 Fr. 08.November 2019

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Kuddel

Ich würde mal sagen, es ist mehr als angebracht, sich mit Thema weiter zu beschäftigen:

Zitat»Fragt man sie nach Refats Tod, beharren die Beschäftigten darauf, dass es pro Jahr zehn bis fünfzehn solcher Fälle gibt, die das Unternehmen unter den Teppich kehrt.«

https://jacobin.de/artikel/warum-starb-refat-sueleyman-thyssenkrupp-leiharbeit-subunternehmen-ausbeutung-polina-manolova/

ManOfConstantSorrow

Refat Suleyman ist nicht vergessen!



Ein Flugblatt von GewerkschafterInnen und Antifa gemeinsam gegen Dummheit und Reaktion
https://gewantifa.wordpress.com/2023/01/22/der-tod-refat-suleyman-im-oktober-2022-kein-einzelfall/

Kritische Aktionäre zur Hauptversammlung 2023 Thyssenkrupp AG am 3. Februar
https://www.labournet.de/?p=208443
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

admin



Die heutige Veranstaltung "Handwerkskunst als (Über-)Lebensstrategie in Stolipinovo" beginnt mit einer Gedenkminute an Refat Süleyman, der aus bislang unbekannten Gründen am 14.10.22 bei Thyssenkrupp in Duisburg ums Leben kam.






ManOfConstantSorrow

Frankreich: Kurierfahrer auf der Demo der gegen das Einwanderungsgesetz



Parolen:
"BESTRAFT UBER"
"PAPIERE FÜR DIE LIEFERBOTEN"
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

admin

Im Oktober 2022 starb der 26-jährige Refat Süleyman auf dem Werksgelände von Thyssen-Krupp in Duisburg während der Arbeit. Zu diesem Zeitpunkt war er erst seit kurzem als Leiharbeiter im Sub-Sub-Sub-Firmen-Geflecht des Konzerns tätig. Am So: Demo für Aufklärung & Gerechtigkeit

Lückenlose Aufklärung des Todes von Refat Süleyman!!!
Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle Arbeitsmigrant*innen in der Industriereinigung!

Aufruf zur Demo am Sonntag 26.03.2023, 13:00 Uhr, vor der Staatsanwaltschaft, Koloniestr. 237 Duisburg


Fünf Monate sind seit dem tragischen Tod von Refat Süleyman vergangen, einem Industriereiniger, dessen Leiche am 17. Oktober 2022 auf dem Gelände des Thyssenkrupp Steel (TKS) Werks in Bruckhausen/ Duisburg gefunden wurde.



Fünf lange Monate, in denen das Schweigen der Ermittlungsbehörden und des Unternehmens seinen Freunden und seiner Familie sowie der gesamten bulgarisch-türkischen Gemeinschaft keine Ruhe ließ.

ManOfConstantSorrow

Die Waz schreibt:
ZitatDas Amt für Arbeitsschutz hat seine Überprüfung zum Tod eines Arbeiters bei TKS in Duisburg-Bruckhausen abgeschlossen. Fragen bleiben.
https://www.waz.de/staedte/duisburg/toter-arbeiter-26-bei-thyssenkrupp-pruefung-abgeschlossen-id237975107.html

Der Rest verschwindet hinter der Paywall.

Die Aktivistin Polina Manolova schreibt: "Das Amt für Arbeitsschutz gibt an, bei seiner Prüfung des Todes von Refat Süleyman keine Hinweise auf die Ursache dafür zu finden. Indes weiteres Schweigen von Polizei und Staatsanwaltschaft.
✊🏽Deswegen: Kommt zum Protest am Sonntag 13 Uhr!!✊🏽
Vielleicht sollten die Herren auch mal einen Tag bei OPS & Eleman arbeiten, bevor sie die in der Community kursierenden Informationen als "wild" abtun."
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!


Kuddel

Eine sehr wichtige Meldung.
Seit Jahren sind rollende Sklavenbuden auf deutschen Autobahnen unterwegs. Es gibt kaum eine gewerkschaftliche Organisierung und Verdi sieht auch weg.

Jetzt gibt es einen spontanen Protest bei Darmstadt:

40 georgische und uzbekische Lkw-Fahrer eines poln. Firmenkonsortiums haben sich auf einer Raststätte bei Darmstadt versammelt u. protestieren gegen ihre Arbeitsbedingungen.







Es würde Sinn machen, mal Kontakt aufzunehmen.

Kuddel


Kuddel

Der Streik hat sich ausgeweitet, es sollen inzwischen 55 Fahrer auf dem Rastplatz Gräfenhausen sein. Es soll diesen Streik schon seit längerem  (seit 2 Wochen?) geben, und er soll noch an anderen Orten stattfinden (Hannover, Südtirol und der Schweiz, insgesamt mehr als 100  Osteuropäer),  doch erst jetzt ist die Öffentlichkeit darauf aufmerksam geworden.

Die Fahrer haben es als Auseinandersetzung zwischen den betrügerischen Unternehmern und sich selbst gesehen, ohne sich dabei von jemandem vertreten zu fühlen. Deshalb war ihr Kampf kaum sichtbar, denn sie haben keine Transparente oder Schilder benutzt. Ihr Motto: "Entweder fahren wir alle, oder keiner."

Mir hat mal jemand gesagt, "Wenn Arbeiter anfangen selbst zu kämpfen, zieht das Leute aus Parteien und Organisationen an, wie Scheiße die Fliegen."

Als bisherige Unterstützer habe ich folgende ausgemacht.

dgb-news
Verdi-Kraftfahrerkreise
FNV-niederländische Gewerkschaft
RTDD-internationale Stiftung ,,Road Transport due Diligence"
Betriebsseelsorge
Jan Cremers, niederländischer Dozent, Soziologe und Politiker (Partei der Arbeit, niederländische sozialdemokratische Partei, Europäisches Parlament)

Bin derweil über weitere Unterstützer gestolpert:

Katholische Kirche
Verdi
Verdi Hessen
IG Bau
IG Metall

Auch den Gegenseite schlug auf: BLG Logistics Group, ein Großlogistiker macht sich Sorgen, daß Lieferketten reißen könnten. Man zeigte sich entgegenkommend und kümmert sich um die Reparatur einer defekten Dusche.



Die Hilfe in Form von Lebensmitteln ist berührend. Einige der Helfer sind wirklich lebensnah und haben auch Geld und Tabak mitgebracht. Alle Achtung! Großartig!











Solidarität!

Onkel Tom

Upps, wo kommen denn plötzlich die verdianer her ?

Haben sie überhaupt Mitspracherechte in den osteuropäischen
Logistik-Firmen ?

Diese Streikform "on the wild" finde ich ok, zumal es sich sofort in
der Aufragsabwicklung Der Firmenbosse bemerkbar macht.

Kann mir nicht vorstellen, da deutsche Gewerkschaften anbei aktzeptable
Lösungen vorbringen können. Ich hoffe, das Wort bleibt bei den
Streiker_innen selbst, damit nicht wieder faule Kompromisse für
"Friedenspflicht" sorgen sollen. Villeicht werden es noch mehr  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Die Streiks bei Amazon in Deutschland sind zu einem großen Teil migrantisch.

https://twitter.com/_verdi/status/1642627277027459073

Kuddel

Die Usbekischen- und Georgischen Fahrer wissen was sie tun, lassen sich nicht mit windigen Versprechen abspeisen und halten zusammen, gewinnen sogar als Streikbrecher eingeplante Kollegen als Mitstreiter.

https://www.politnetz-darmstadt.de/node/32939

Onkel Tom

Zitat :
Zitat..
Außerdem haben die Streikenden die beladenen LKWs durch die Leeren so eingekeilt, dass eine Weiterfahrt nur schwer zu bewerkstelligen ist.

Richtig so, Streikbruch unmöglich machen  :D
Lass Dich nicht verhartzen !


Kuddel

ZitatMach mit, Bruder!
Viele der Amazon-Beschäftigte in Winsen kamen als Geflüchtete, jetzt bestreiken sie das größte Logistikzentrum Norddeutschlands.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-04/amazon-warnstreik-logistikzentrum-winsen-luhe-arbeitsbedingungen

ManOfConstantSorrow

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Der Kampf geht weiter!

ich werde demnächst alles zusammenfassen, was ich an Infos zu diesem Arbeitskampf gefunden hab. Ich muß auch noch etwas korrigieren, was ich zuvor gechrieben habe.

Die Streikfront steht geschlossen und inzwischen haben sich weitere Fahrer hinzugesellt. Es stehen nun 62 LKW im Arbeitskampf auf dem Rastplatz Gräfenhausen. Es wurden wieder Lebensmittel und für die muslimischen Fahrer auch halal-Fleisch gespendet.

Kuddel

+++breaking news+++breaking news+++breaking news+++

ZitatSchlägertruppe aus Polen ist nach Gräfenhausen gekommen um den Fahrern ihre LKW's zu klauen. Großer Polizeieinsatz läuft. Gruppen wurden getrennt.
twittert Stefan Körzell, Mitglied im Geschäftsführenden DGB Bundesvorstand.

Die ersten Bilder vom Geschehen:


Ich sehe deutsche Polizeiwagen und vermutlich polnische Bullen.


Eine polnische Aufschrift. Ein polnischer Polizeiwagen?


Eine ähnliche Szenerie hinter deutschem Polizeiflatterband.


Ein polnischer Panzerwagen?


Onkel Tom

Das ist ja krass und meiner Vermutung nach völlig Rechtswidrig, das nun
Bullen aus D und ausgerechnet Polen mit vermutlich von Ost-Logistik-Bonzen
gekauften Schlägerpack sich nun zum Streikbruch austoben (dürfen).

Liebe Streiker_innen. Lasst Euch bitte nicht davon einschüchtern.. LKWs
mit leerem Tank lassen sich schlecht klauen und es ist eine Frage der Zeit,
wann die deutsche Presse sich eeendlich dafür interessiert und die Diskussion
in der Öffentlichkeit los geht, Euer Problem zu lösen..

Naja, wenn ihr Lust dazu habt, könnt ihr auch gern hier darüber berichten, wie
die Sachlage ausschaut. Diese Diskussion hier allein wird Eure Forderungen nicht
lösen, ist aber ein guter Anfang im Bezug Öffentlichkeitsarbeit die Schwelle
der Nachrichten-Verschwiegenheit des Deutschen TV und der Presse zu durchbrechen.

Hat in anderen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit z.B. gegen VW mit
ihrer Sucht Arbeiter_innen in China wie Sklaven zu behandeln, ganz gut geklappt.

Schaade das ihr so weit weg von Hamburg seid. Ich würde sowas z.B. auf der
Raststätte Stillhorn sofort unterstützen. Ich fand den Verrat an die
Brummifahrer_innen 1992 schon echt scheiße, weil ab da Lohndumping etc.
saloonfähig gemacht wurde..

Daumendrück und passt gut auf Euch auf. Gemeinsam seid ihr stark  ;)



Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Ich wollte ja nochmal zusammenfassen, welche Infos ich zusammengetragen habe, ohne vor Ort zu sein.

Die Fahrer haben teilweise angeblich fast 2 Wochen gestreikt, bevor es von der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen worden ist. In Punkto Wahrnehmung und Öffentlichkeit verdient Faire Mobilität ein großes Lob. Ihre Fähigkeiten im Dolmetschen waren und sind wichtig.



Es wurde berichtet, es gab auch streikende Fahrer in Hannover, Norditalien und der Schweiz. Ich habe mich umgehört, aber keine Bestätigung dafür gefunden.


Das sind die Busse, mit denen man Streikbrecher rangekarrt hat. Die mitgebrachten Fahrer zeigten sich solidarisch und weigerten sich, als Streikbrecher zu arbeiten.

Es hat sich eine erstaunlich bunte Mischung an Unterstützern am Rastplatz Gräfenhausen:
dgb-news
Verdi-Kraftfahrerkreise
FNV-niederländische Gewerkschaft
RTDD-internationale Stiftung ,,Road Transport due Diligence"
Betriebsseelsorge
Jan Cremers, niederländischer Dozent, Soziologe und Politiker (Partei der Arbeit, niederländische sozialdemokratische Partei, Europäisches Parlament)
Katholische Kirche
Verdi
Verdi Hessen
IG Bau
IG Metall
DGB



Für deutsche Augen mehr als ungewönlich:
Ein Wilder Streik. An einer Ecke eine Georgische Nationalfahne, an einer anderen die Usbekische. Dazwischen eine Verdifahne. An der LKW Rückwand: Ein Verdi-Banner mit der Aufschrift "wir streiken". Darunter: FNV (holländische Gewerkschaft) "in actie" (in Aktion).



Die Unternehmen, LUKMAZ, AGMAZ and IMPERIA, für die die Fahrer arbeiten und die über 1000 Fahrzeugen haben sollen, arbeiten wiederrum im Auftrag der Großlogistiker Walter, C.H.Robinson und Sennder. An die Letzteren haben die Fahrer einen offenen Brief gerichtet:


Die Unterstützung der Streikenden war lebensnah. Man brachte ihnen nicht nur Lebensmittel und Wasser, sondern auch Tabak und Geld. Die Kolleg*innen vom DGB Darmstadt und den Mitgliedsgewerkschaften vor Ort haben heute dafür gesorgt, dass die Lkw-Fahrer in Gräfenhausen WLAN haben. Egal wie man zur Politik der dort auftretenden Gewerkschaften stehen mag, in dieser Sache scheinen Leute vor Ort zu sein, die sich an die Grundlagen der Arbeiterbewegung zu erinnern und zeigen sich vorbehaltlos solidarisch. Ich empfinde es als sehr bewegend. Ich wünschte, es wäre immer so.



Ich hatte mir aber weiter oben einen Faux Pas erlaubt. Ich schrieb BLG, was ein Großlogistiker ist, doch es hätte BGL heißen müssen und das ist noch eine andere Nummer. Das ist der Kapitalistenverband der Großspediteure. "Der BGL ist der Spitzenverband für Straßengüterverkehr, Logistik und Entsorgung in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main." Der hat nicht nur mal schnell die Duschen reparieren lassen, ein befreundeteter LKW Fahrer hat mir erzählt, man hätte das Scheckbuch gezückt und 1000€ rübergeschoben. Gut, für diese Meldung habe ich keine Bestätigung, doch ich kann es mir vorstellen.

Ich halte das für glaubhaft, denn seit Jahren frage nicht nur ich mich, wie lange die brutal prekäre Arbeit auf deutschen Autobahnen weiterläuft, bis es knallt. Die Situation ist insgesamt hoch gespannt. Plötzlich ein mutiger Wilder Streik. Die Wirtschaft fürchtet Ausbreitung und einen Flächenbrand. Ich hoffe darauf!

Die Polizei kommt regelmäßig vorbei, um nach dem Rechten zu schauen. Man gibt sich freundlich und sieht keinen Grund zur Beanstandung.

Kuddel

Aktuelle Nachrichten von der Raststätte Gräfenhausen.

Den Bildern nach hatte ich vermutet, es wäre polnische Polizei gekommen.

Es handelte sich jedoch um Schlägertruppen der Detektei Rutkowski. Sie hatten nicht nur auf Fahrzeugen, die Polizeifahrzeugen ähneln, die Aufschrift des Unterstehmens. Der Clou ist jedoch, daß sie auch mit einem Panzerwagen angerückt sind. Sehr martialisch. Die können einfach damit über die Grenze kommen? Für ein Privatunternehmen ein krasser Auftritt.



Es kam zu einem großen Polizeieinsatz. Die Polizei versucht beide Seiten auf Distanz zu halten.



Die Detektei Rutkowski ist nicht gerade unbekannt. Laut WELT ist der Laden mit rechtsradikalem Hintergrund und kriminellen Aktivitäten aufgelöst worden, scheint aber wiederauferstanden zu sein: https://www.welt.de/print-welt/article231524/Polizei-verhaftet-beruehmten-Privatdetektiv.html



Nun interessieren sich auch die Medien dafür:



Wir sind gespannt!


Kuddel


Kuddel

Zitat von: Kuddel am 15:43:37 Fr. 07.April 2023Es wurde berichtet, es gab auch streikende Fahrer in Hannover, Norditalien und der Schweiz. Ich habe mich umgehört, aber keine Bestätigung dafür gefunden.

Das Labournet scheint andere Infos zu haben und berichtet: "rund 300 Fahrer der polnischen Gruppe Agmaz-Luk Maz protestieren in mehreren europäischen Ländern".

Es wäre interessant mehr zu erfahren.

Onkel Tom

Zitat von Kuddel

ZitatDen Bildern nach hatte ich vermutet, es wäre polnische Polizei gekommen.

Dachte ich erst auch und flog mir gleich die Hutkrempe hoch  ;)

Infos dazu aus dem labour-net :

https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/speditionen/mind-55-lkw-fahrer-aus-georgien-und-usbekistan-streiken-auf-der-autobahnraststaette-bei-darmstadt-fuer-ihren-lohn-von-der-polnischen-firmengruppe-mazur/
Lass Dich nicht verhartzen !

Fritz Linow

Nach der Festnahme des Spediteurs und seiner Schlägertruppe:


Onkel Tom

Hoppla, wie flott sich das Blatt wendet.  8)
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Hach, wat is dat schön!

Schon lange nicht mehr von einem Bild so gerührt gewesen.

Kuddel



ZitatPolnischer ,,Schlägertrupp" sorgt für Großeinsatz an der A5

Spektakuläre Eskalation des Lkw-Fahrer-Streiks auf dem Rastplatz Gräfenhausen West: Eine Security-Firma hat am Freitag gewaltsam versucht, Laster zu entwenden.
https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kreis-darmstadt-dieburg/weiterstadt/lkw-fahrer-streik-polizeieinsatz-bei-graefenhausen-2453828

Zitat»War eine sehr brenzlige Situation«
Lasterstreik auf Raststätte – 16 Festnahmen nach Bedrohung

Lkw-Fahrer einer polnischen Spedition haben tagelang auf einem Rastplatz in Südhessen für mehr Lohn gestreikt. Ihrem Chef passte das gar nicht. Er rückte mit schusssicherer Weste, gepanzertem Auto und Schlägertrupp an. Dann kam die Polizei.
https://www.spiegel.de/panorama/graefenhausen-lasterstreik-auf-raststaette-16-festnahmen-nach-bedrohung-a-57772e7f-ea7f-4d09-89a4-54997a1d981b?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss

Nikita

https://www.hessenschau.de/panorama/eskalation-auf-raststaette-graefenhausen-paramilitaerische-einheiten-aus-polen-bedraengen-lkw-fahrer-v2,eskalation-lkw-streik-100.html

Audio-Beitrag:
https://www.hessenschau.de/wirtschaft/lkw-streik-auf-raststaette-polizei-schlichtet-auseinandersetzungen,audio-80430~_story-eskalation-lkw-streik-100.html

Eskalation auf Raststätte Gräfenhausen
"Paramilitärische Einheiten" aus Polen bedrängen streikende Lkw-Fahrer

Seit Tagen streiken dutzende Lkw-Fahrer an der A5 bei Weiterstadt, unter anderem weil sie kein Geld bekommen. Jetzt wollte die zuständige polnische Spedition den Streik offenbar mit Gewalt beenden. Die Polizei musste mit einem Großaufgebot einschreiten, es kam zu Festnahmen.

Von Julian Moering

Seit Tagen harren rund 50 Lkw-Fahrer mit ihren Fahrzeugen auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen an der A5 bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) aus. Sie sind in den Streik getreten, weil sie von der polnischen Großspedition, für die sie fahren, offenbar seit über 50 Tagen kein Geld gesehen haben. Am Karfreitag ist die Situation eskaliert.

Gegen 11 Uhr kam es zu handfesten Auseinandersetzungen, als sich der polnische Firmeninhaber in Begleitung mehrerer Personen Zutritt zu den abgestellten Lkw verschaffen wollte. Die Delegation glich dabei eher einer paramilitärischen Einheit denn einer Abordnung einer Spedition.

Polizei mit Großaufgebot vor Ort
Teils mit panzerähnlichen Fahrzeugen fuhren die Männer auf der Raststätte vor, einige trugen sogar vermeintlich schusssichere Westen. Sie hatten offenbar den Auftrag, die Lkw-Fahrer einzuschüchtern und die Lastwagen zur Not mit Gewalt zu entwenden. Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), spricht auf Twitter von einer "Schlägertruppe aus Polen", die versucht habe, den Fahrern ihre Lkw zu "klauen".

Die Polizei war mit großem Aufgebot und Hunden vor Ort, um die drohende Eskalation zu verhindern. Den Einsatzkräften gelang es nach Polizeiangaben, den Konflikt unter Androhung des Einsatzes von Pfefferspray und Schlagstöcken zu schlichten. Insgesamt 16 Personen wurden vorläufig festgenommen. Gegen die Tatbeteiligten werde nun unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, Bedrohung, Nötigung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Störung einer Versammlung ermittelt.

DGB-Vorstand fordert Konsequenzen
"Die Fahrer sind glücklich, dass sich die Situation entspannt", sagte Körzell, der den Vorfall vor Ort erlebt hat, am Nachmittag und bedankte sich für das rasche Eingreifen der Polizei. Die Gruppen seien mit einem Absperrband voneinander getrennt worden.

Der Besitzer habe nicht nur die Security-Leute mitgebracht, sondern in drei kleinen Bussen auch gleich Ersatzfahrer, so Körzell. Diese hätten erzählt, dass sie in der Nacht auf anderen Rastplätzen aus ihren eigenen Lastern geholt worden und nach Gräfenhausen gebracht worden seien.

"Dass der Inhaber der Spedition einen paramilitärischen Schlägertrupp inklusive Panzerfahrzeug nach Deutschland schickt, um mit martialischer Bedrohung einen Protest von Lkw-Fahrern zu beenden, ist ein ungeheuerlicher Vorgang", sagte Körzell. Das müsse Konsequenzen haben.

Protest gegen Arbeitsbedingungen
Dass die Spedition die Fahrer offenbar seit Wochen nicht bezahlt, ist nur einer der Gründe für den anhaltenden Protest. Die Männer, die zumeist aus Usbekistan, Georgien und anderen osteuropäischen Ländern stammen, wollen ihre Forderung nach fairer Bezahlung und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen durchsetzen.

"Das sind keine normalen Arbeitsbedingungen, die wir haben", sagte einer der Streikenden. Ein anderer klagte: "Eigentlich habe ich drei Jobs. Ich sitze nicht nur hinter dem Steuer, ich muss auch die Be- und Entladung machen und bin für die Sicherheit verantwortlich." Dennoch warte er seit Wochen auf seinen Lohn. Teilweise bekämen Fahrer Reparaturen von ihrem Lohn abgezogen, das Geld, das sie für Essen bekommen, reiche vorne und hinten nicht.

Die Trucker sind nicht alleine: Gewerkschafter und Vereine aus der Umgebung haben Lebensmittel und Getränke gespendet, Verdi-Fahnen hängen als Zeichen der Solidarität an Lastwagenplanen. Berater des Netzwerks "Faire Mobilität" waren vor Ort und machen auch in sozialen Netzwerken auf den Protest der Fahrer aufmerksam.



"Was wir hier erleben, ist leider ein Stück weit traurige Realität im Güterverkehr in Europa", sagte der hessische Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Rudolph, der die Streikenden ebenfalls besuchte. Die Rechtslage sei eigentlich klar: "Es gilt der Lohn des Landes, in dem gefahren wird." Die Realität sei leider eine andere, so Rudolph. Es gebe viele Arbeitgeber, die Fahrer "für wesentlich weniger Geld durch Europa schicken". Diese Menschen würden nicht nur unter prekärsten Verhältnissen arbeiten, sondern auch leben.

Ruf nach besseren Kontrollen
Statt maximal zwei Wochen am Stück unterwegs zu sein, seien sie tatsächlich oft über Wochen und Monate in Europa auf den Fernstraßen und schliefen dann auch verbotenerweise nur in ihren Wagen. Hinzu komme: Laut ihren Verträgen seien die Fahrer wohl Scheinselbstständige.

Die geltenden Regeln müssten auch eingehalten und besser kontrolliert werden, so Rudolph. Der hessische DGB-Chef tritt noch für weitere Forderungen ein: "Wir wollen den Tarif des Landes, in dem entladen wird." Und noch etwas betont er: "Wir brauchen klare Regel dafür, dass Verstöße gegen das Mindestlohngesetz in Deutschland auch gegen die Arbeitgeber in Polen vollstreckt und durchgesetzt werden können."

SPD und Linke zeigen sich solidarisch
Ähnlich sieht das Günther Rudolph, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag: "Wir brauchen dringend mehr Kontrollen und die Einhaltung geltenden Rechts, dazu bedarf es aber mehr Personal", sagte er am Freitag laut einer Mitteilung. "Leider sehen wir an dem Beispiel auf der Raststätte Gräfenhausen an der A5, dass Ausbeutung im Fernkraftverkehr auch in Deutschland immer noch an der Tagesordnung ist." Das Vorgehen des Spediteurs auf dem Rastplatz dürfe der Rechtsstaat nicht dulden.

Auch die hessische Linke äußerte sich zu den Vorgängen. "Wir stehen solidarisch an der Seite der streikenden Lkw-Fahrer in Gräfenhausen", sagte Landesvorsitzende Christiane Böhm. Wenn Arbeitgeber Arbeitskämpfe durch vermeintlich rechte Kräfte gewaltsam auflösen möchten, sei das ein Skandal, der an die "dunkelsten Momente der deutsche Geschichte" erinnere. Beobachter vor Ort hätten bei den Männern aus Polen einschlägige rechte Szenekleidung und Tätowierungen festgestellt, so Böhm.

Unklar ist, wie es jetzt auf dem Rastplatz Gräfenhausen weitergeht. Die Streikenden wollen ihre Arbeit wohl auch weiterhin nicht wieder aufnehmen.

Weitere InformationenSendung: hr-iNFO, 07.04.2023, 16 UhrEnde der weiteren Informationen
Veröffentlicht am 07.04.23 um 16:30 Uhr

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe

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