Kurdistan... Rojava.Militanter feministischer Kampf? Bewaffneter Antifaschismus?

Begonnen von Kuddel, 14:05:47 Fr. 26.November 2021

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Kuddel

Einerseits ist alles globalisiert. Die Einzelteile eines Autos kommen von verschiedenen Erdteilen und werden irgendwo zusammengeschraubt. Junge Leute finden Fernreisen normal, müllen Instagram mit ihren Selfies vor irgendwelchen Tempelanlagen voll und fachsimpeln in sozialen Medien darüber, in welcher Seitengasse es das beste Fingerfood gibt. Der Spiegel hat für den Touri mit dem besonderen Geschmack Kaschstan als Reiseziel empfohlen, da es noch so "authentisch sei und so wenig vom Tourismus versaut.

Andererseits: Rojava (Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien) ist nicht halb so weit weg, doch für die meisten steht es nicht auf der Landkarte. Für sie befindet es sich auf einem fremden Planeten.

Dort zeigt sich, daß nicht alles so sein muß, wie es ist. Dort hat man die Waffe in die Hand genommen, um sich gegen IS Faschisten und gegen die Nato zu wehren.

Ein Teil der radikalen Linken unterstützt es, der Rest der Welt scheint komplett auszublenden, was sich da tut. Ich halte es für ein Problem, das zu glorifizieren, aber es ist enorm wichtig, was sich dort entwickelt hat. Ich möchte eine kritische Diskussion zu diesem Thema und frage mich, wie man vermitteln kann, daß es ein Thema nicht nur für Linksradikale sein sollte.

Kuddel

Für uns mag Kurdistan weit, weit weg sein.
Erdogan ist gedoch ein enger Partner der Bundesregierung und der EU. Für den letzten Flüchtlingsdeal erhielt Erdogan 6 Milliarden Euro. Erdogan hält der EU Flüchtlinge vom Leib. Er führt einen Krieg gegen den kurdischen Kampf gegen Unterdückung.




Kuddel

Eigentlich sollte ich die Meldung in einen Türkeithread stellen.
Ich finde es aber erwähnenswert, wie doll der Antidemokrat Erdoğan vom Freien Westen® hofiert und unterstützt wird.

Wenn man sich mit Erdoğan anlegt, legt man sich mit dem Freien Westen® an.

ZitatIst Interpol Erdoğans Polizei?
Staatschefs wie Erdoğan, Putin und Xi betrachten Interpol als ihre persönliche Polizeiorganisation. Nun wurde bei der Jahrestagung in Istanbul ein neuer Chef gewählt.
https://www.zeit.de/kultur/2021-11/interpol-recep-tayyip-erdogan-tuerkei

ManOfConstantSorrow

Zur Diskussion. Ein Reisebericht und Auseinandersetzungen mit der politischen Situation:

ZitatEin langer Weg nach Kurdistan, ein langer Weg zum Frieden

Mitte Juni 2021. Wir fahren durch die Berge der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, unsere Busse sind voller Internationationalist_innen. (...) Als Gewerkschafter:innen der FAU sind wir Teil einer internationalen Delegation zur Unterstützung der kommunalistischen Bewegungen der Region und zum Protest gegen einen drohenden türkischen Invasionskrieg im Nordirak. Die Busse winden sich die steilen Schotterstraßen des Zagros-Gebirges (Çiyayên Zagrosê) hinauf, wir sind keine 20 Kilometer von der Front entfernt.

In den nächsten Tagen soll unsere heterogene Delegation auf über 150 Vertreter_innen verschiedenster Organisationen, Parteien, Gewerkschaften und Medien aus über 20 Ländern anwachsen. Wir sollen uns mit Vertreter_innen von Parteien und Zivilgesellschaft aber auch mit Geflüchteten und Kriegsopfern treffen. Ziel ist es, einen Eindruck von der Lage in der Autonomen Region Kurdistans zu bekommen, wo seit dem 24. April 2021 (Jahrestag des türkischen Völkermords an den Armenier_innen) eine großangelegte türkische Militäroffensive begonnen hat. Offiziell gilt diese der Niederschlagung der PKK im Zagros-Gebirge, viele Beobachter*innen befürchten indes darüber hinaus eine dauerhafte türkische Besetzung, Vertreibungs- und Umsiedlungspolitik in den attackierten Gebieten. (...)

Die kurdische PKK, verknüpft mit parteiinternen Machtkämpfen und Säuberungen, habe eine Kehrtwende gemacht. Von einer marxistisch-leninistischen Kaderpartei soll sie sich den anarchistischen Ideen des Anacho-Kommunismus und Kommunalsismus angenähert haben. Ich stutze, ist mir doch kein Beispiel in der revolutionären Geschichte für eine ähnliche Entwicklung in so kurzer Zeit bekannt. Auf dem Kongress treffe ich langjährige Freund_innen, exilierte Anarchist*innen aus der Türkei – sie bestätigen mir, das etwas dran ist, sich die Entwicklung schon mehrere Jahre vollziehe und das die kommunalistisch-kurdische Bewegung mittlerweile größere Teile Nordsyriens und auch Teile der Türkei de facto unter Kontrolle halte.

Zu Hause beginne ich zu recherchieren, mehr Informationen einzuholen, doch die Informationslage bleibt dürftig. Ein paar Artikel im Internet geben sehr unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob es sich bei all dem wirklich um eine Konzeptänderung oder schlicht einen PR-Gag vor dem Hintergrund des weltweiten Niedergangs des autoritär-kommunistischen Lagers handelt.

Daesh, Pegida und linke Gegenwehr


Zwei Jahre später, die nordsyrische Stadt Kobane wird vom Daesh (auch bekannt als Islamischer Staat) bedrängt. (...) Wie mir ging es vielen in und außerhalb unserer Gewerkschaftsbewegung. Wir begannen Reportagen, Einschätzungen und Dokus zu sichten und uns ein Bild von der Situation zu machen, gleichzeitig wurde die Bewegung durch ihren erfolgreichen Bodenkampf gegen den Daesh weltberühmt, Rojava ein Schlagwort, welches vielen Menschen auch außerhalb der linken Bewegung ein Begriff wurde. (...)

Ein großes Problem für die kommunalistischen Bewegungen in Türkei, Nord-Ost-Syrien, Iran und Nordirak ist, dass ihnen internationale Aufmerksamkeit meist nur während akuter Kriegszeiten zu Teil wurde und wird. Ich war da leider zunächst keine Ausnahme. Mit dem 19. Januar 2018 sah sich die Revolution in Nord-Ost-Syrien einer neuerlichen, türkischen Invasion gegenüber. Anders als bei vorherigen Konflikten, nahm ich diesmal sehr aktiv an der Solidaritätsarbeit teil, lernte Menschen vor Ort kennen, sichtete tägliche Berichte über Frontverläufe, Menschenrechtsverletzungen und auch Videos der dschihadistischen Milizen, die als Verbündete der Türkei kurdische Kämpfer:innen vergewaltigten, verstümmelten, töteten. Natürlich hatte mich all dies schon vorher beschäftigt, doch diesmal konnte ich nicht mehr schlafen, mir verging der Appetit und ich verzweifelte ob unserer Machtlosigkeit und dem Desinteresse der deutschen Öffentlichkeit, deren Regierung den türkischen Diktator deckte, Panzer und Drohnentechnologie lieferte, um im nächsten Moment wieder etwas von humanistischen Werten und Rechtsstaatlichkeit zu faseln.(...)
https://direkteaktion.org/ein-langer-weg-nach-kurdistan-ein-langer-weg-zum-frieden/

Lesenswert.

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Kuddel

Es geht nicht allein um Rojava oder Kämpfe in Kurdistan.
Es geht darum, wie man lebt und wie man mit der herrschenden Normalität umgeht. Unserer Normalität.
Unser Alltag. Das was ist, muß es so sein? Muß es ewig so weitergehen?
Suche, Träume, Sehnsüchte.
Vielleicht werden die Hoffnungen sich nie erfüllen.
Ich halte es aber für sinnvoll, sich mit dieser Suche und den Träumen und Hoffnungen auseinanderzusetzen.

ZitatWarum der Internationalist Bruno in Rojava ist

Bruno ist aus Deutschland nach Nordsyrien gereist und lebt in der Internationalistischen Kommune Rojava. Für ihn ist es der ideale Ort, um etwas über den revolutionären Prozess zu lernen und einen Anfang in der Arbeit vor Ort zu machen.



Die Internationalistische Kommune in Nordsyrien ist ein Ort, an dem Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen, um sich über die ideologischen Grundlagen der revolutionären Bewegung in Kurdistan zu informieren und sich an der Revolution in Rojava zu beteiligen. Einer von ihnen ist Bruno aus Deutschland. In einem von der Kommune veröffentlichten Beitrag erzählt er von seinen Beweggründen, nach Rojava zu kommen:

,,Ich bin ein Internationalist aus Europa. Ich bin nach Rojava gekommen, weil die Ideologie der kurdischen Freiheitsbewegung und der demokratische Konföderalismus eine große Quelle der Hoffnung und des Verständnisses sind.

Ich komme aus der radikalen Linken in Deutschland. Dort habe ich gesehen, dass die Mentalität des Systems nicht vor der Linken halt macht. Individualismus, Liberalismus, patriarchalisches Verhalten, Reformismus oder eine große Hoffnungslosigkeit sind vorherrschende Phänomene.
Ich bin hierher gekommen, um in der Revolution eine Haltung zu entwickeln, die dem auf Dauer standhalten und einen anderen Weg einschlagen kann. Das Leben und die Gesellschaften in Europa sind zersplittert, durch den Kapitalismus sehr isoliert und weit entfernt von einem gemeinsamen Verständnis. Das macht es uns sehr schwer, ein Leben nach gemeinschaftlichen und sozialistischen Prinzipien zu führen.

In Rojava und Kurdistan findet eine der wichtigsten Revolutionen unserer Zeit statt. Für revolutionäre Menschen und alle, die nach einem Ausweg aus der kapitalistischen Herrschaft suchen, ist sie ein wichtiger Bezugspunkt und Hoffnungsfunke. Diesen Hoffnungsfunken zu unterstützen und zu verteidigen, durch Öffentlichkeits- und Medienarbeit, Aufklärung und Berichterstattung vor Ort, ist auch ein wichtiger Grund, warum ich hierher gekommen bin.

Um die Revolution in Rojava kennenzulernen, ist die internationalistische Kommune der ideale Ort, hier lernt man die Kultur der Region, die Sprache und die politischen Besonderheiten der Revolution kennen. Auch der gemeinsame Austausch über die Situation in unseren Heimatländern ist eine wertvolle Erfahrung. Hier findet ein Bewusstseinsprozess statt, der die Möglichkeit bietet, dass wir uns entsprechend den revolutionären Notwendigkeiten organisieren können, um unseren eigenen Platz zu finden. Es ist der ideale Ort, um etwas über den revolutionären Prozess hier zu lernen und einen Anfang in der Arbeit hier vor Ort zu machen.

Im Kollektiv zu leben und zu lernen, sich gegenseitig zu helfen, sich zu entwickeln, die Mentalität des Systems und des Patriarchats zu reflektieren und zu verändern, ist eine sehr gute Erfahrung. Das Verständnis von Kritik als etwas, das uns weiterbringt und uns hilft, uns zu verändern, statt uns damit über andere zu stellen, ist ein wichtiger Teil dieser gegenseitigen Hilfe. Nach einiger Zeit des Zusammenlebens und des gegenseitigen Kritisierens entsteht ein tiefes Verständnis und eine Verbindung miteinander. Diese Verbindungen sind das, was revolutionäre Organisierung braucht, und es ist hier in der internationalistischen Kommune möglich, die Fähigkeit aufzubauen, gemeinsam zu lernen und sich zu entwickeln."
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/warum-der-internationalist-bruno-in-rojava-ist-30198

Kuddel

ZitatHeute bombardierte die Türkei erneut die syrisch-kurdische Grenzstadt Kobanê. Mehrere Granaten schlugen in der Innenstadt ein. Ein 4-jähriger Junge verlor ein Bein. Der Kleine hat draußen mit seinem Bagger gespielt. (Das Foto des verstümmelten Kindes zeige ich nicht.)

https://twitter.com/MartinGlasenapp/status/1479927306768502786?s=20

ManOfConstantSorrow

Es ist schon ein Wunder, daß dieses Thema mal in den Mainstreammedien behandelt wird.
Für einen Spiegelartikel recht vernünftig:

ZitatAls 2011 in Syrien Proteste ausbrechen, zieht sich Machthaber Baschar al-Assad aus dem Nordosten zurück. Er überlässt die Region der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), der syrischen Schwester der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK. Seitdem verwalten sich die Kurden Syriens selbst – allerdings ist ihr Wirkungsbereich enorm gewachsen. Kontrollierte die PYD zunächst nur die als Rojava bekannten kurdischen Enklaven entlang der Grenze zur Türkei, umfasst ihr Gebiet inzwischen den gesamten Nordosten Syriens.

Diese Expansion verdanken die Kurden ihrem Kampf gegen den IS. Unterstützt von der internationalen Anti-IS-Koalition vertrieben sie die Dschihadisten und übernahmen deren Territorien. Heute regiert dort die Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens, die sich nicht als kurdisches Autonomieprojekt versteht, sondern als Modell gleichberechtigter Koexistenz aller Bevölkerungsgruppen. Im Vergleich zum übrigen Syrien gilt der Nordosten als einigermaßen stabil und sicher.
...
Erdoğan begründet seine Militärinterventionen in Syrien mit Sicherheitsinteressen. Angesichts der ungelösten Kurdenfrage im eigenen Land möchte er ein kurdisches Autonomieprojekt jenseits der Grenze verhindern – erst recht, wenn es unter dem Einfluss der PYD steht. Denn für Ankara sind PYD und PKK dasselbe: eine Terrororganisation, die den türkischen Staat bedroht.

»Ohne die Lösung der Kurdenfrage kann es keine Stabilität im Nahen Osten geben«, betont Abdulkarim Omar, der Außenbeauftragte der Autonomen Verwaltung.
...
In Nordostsyrien durchläuft Öcalans Vision den Praxistest. Die Autonome Verwaltung besetzt Führungspositionen stets mit einer Frau und einem Mann, sämtliche Ethnien und Konfessionen – Araber und Kurden, Assyrer, Chaldäer, Armenier, Tscherkessen und Jesiden – sind vertreten. Mit Kurdisch, Arabisch und Syro-Aramäisch gibt es offiziell drei Amtssprachen.
...
https://www.spiegel.de/ausland/kurden-in-syrien-die-is-bezwinger-und-ihr-traum-von-der-eigenstaendigkeit-a-fe4708df-62c4-40bf-9ce6-fff9f655ee0e?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
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ManOfConstantSorrow

Der Natostaat Türkei hat kein Interesse an Menschen, die Selbstverwaltung und ein multietnisches und multireligöses Zusammenleben mit Frauenrechten praktizieren. Die Türkische Regierung ünterstützt lieber den IS.

ZitatTürkei fliegt Luftangriffe gegen Kurdenmilizen in Syrien und Irak

Die türkische Luftwaffe hat nach Angaben aus Ankara Stellungen von kurdischen Milizen im Norden Syriens und des Iraks angegriffen.


Unter anderem seien Schutzräume und Munitionslager getroffen worden, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Der Einsatz habe sich gegen die PKK sowie die YPG in Syrien gerichtet. Beide Gruppen werden von der Türkei als Terrororganisationen eingestuft. Für die verbotene PKK gilt dies auch seitens der EU und der USA. Die Kurdenmilizen in Syrien sind dagegen Verbündete der Vereinigten Staaten im Kampf gegen die Terrormiliz IS.
https://www.deutschlandfunk.de/tuerkei-fliegt-luftangriffe-gegen-kurdenmilizen-in-syrien-und-irak-102.html
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ManOfConstantSorrow

ZitatTürkische Militäroperation und IS-Terror in Nordsyrien und im Nordirak

Die Türkei bombardiert Selbstverwaltungsgebiete, dem "Islamischen Staat" gefällt das – und der Westen schaut nur wie gebannt auf Russland und die Ukraine


Die Türkei hat vergangene Woche eine neue Militäroperation mit dem Namen "Winteradler" im Norden Syriens und des Irak gestartet. Am Dienstagabend griff die türkische Armee mit Kampfbombern mehrere Gebiete in Nordsyrien, darunter eine Elektrizitätsstation bei Dêrik, an. Zeitgleich gab es Angriffe auf das ezidische Siedlungsgebiet Shingal und das Flüchtlingscamp Maxmur im Nordirak.

Die Türkei begründete die völkerrechtswidrigen Angriffe wie immer mit dem Kampf gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Tatsächlich wurden zivile Infrastruktureinrichtungen und die Zivilbevölkerung bombardiert.
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkische-Militaeroperation-und-IS-Terror-in-Nordsyrien-und-im-Nordirak-6351161.html
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Kuddel

ZitatWDR: ,,In Rojava ist die demokratische Frauenrevolution Realität"

Women Defend Rojava hat einen Bericht zum aktuellen Stand der Entwicklung der Frauenbefreiung und gesellschaftlichen Demokratisierung in Rojava und Nordsyrien veröffentlicht. Darin ist von großen Fortschritten die Rede.


https://anfdeutsch.com/frauen/wdr-in-rojava-ist-die-demokratische-frauenrevolution-realitat-30961

ManOfConstantSorrow

ZitatÜber die Autonomie von radikaldemokratischen Gemeinschaften

Ein Gespräch mit dem Historiker Nikolaus Brauns


(...)
Um einmal den Fokus auf andere Formen der demokratischen Selbstbestimmung zu richten:
Können wir uns das an einem Beispiel anschauen?


Ich kann hier aus eigener Erfahrung über Rojava sprechen. Um zu begreifen, was die Selbstverwaltung verändert hat, müssen wir erst einmal sehen, wie es vor der Revolution war. Syrien war und ist unter der Baath-Herrschaft ein brutaler Polizeistaat und auch dort, wo dieser Staat sich um Infrastruktur oder Versorgung der Bevölkerung kümmerte, ist er durch Bürokratie und Korruption geprägt. Dazu kam für die Kurden noch eine nationale Unterdrückung durch den arabischen Nationalismus und eine Assimilationspolitik, hunderttausenden Kurden wurde zudem selbst die syrische Staatsbürgerschaft vorenthalten. Der Staat wurde also von den meisten Menschen in Rojava als etwas Feindliches, etwas zu Fürchtendes wahrgenommen. Auch die Gemeinschaften, die wie einige arabische Stämme in Rojava oder Teile der christlichen Minderheit, mit dem Staat kooperierten, taten dies, um entweder in den Genuss besonderer Privilegien zu kommen oder - wie im Falle der Christen - aus einem besonderen Schutzbedürfnis heraus aber nicht aus Überzeugung.

In den Großstädten Qamishli und Hasaka war die alte Verwaltung der Baath-Partei ja noch intakt geblieben und dort gab es weiterhin auch syrisches Militär und in einigen Stadtvierteln unterstützen die Bewohner bis heute die Regierung in Damaskus. Die Selbstverwaltung hat nie versucht, die Baathisten militärisch ganz aus diesen Städten zu vertreiben, da dies einen Keil zwischen Kurden und Arabern getrieben hätte. Stattdessen versuchte die Selbstverwaltung, effektiver und besser zu arbeiten, als die staatliche Bürokratie. Die staatlichen Gerichte wurden also z.B. nicht dicht gemacht, aber es wurde eine neue Gerichtsbarkeit aufgebaut, die sich stärker am Gedanken der Aussöhnung als der Bestrafung orientierte. Oder öffentliche Dienstleistungen wie Müllabfuhr oder die Ausbesserung von Straßen oder die Gesundheitsversorgung konnten durch das Rätesystem, dass ja bis auf Straßenebene herunterging, viel effektiver gelöst werden als durch die staatliche Bürokratie, in der Anträge hängen blieben und Gelder verschwanden. Das praktische Beispiel überzeugte viele Menschen.
(...)
https://staatstheater-hannover.de/de_DE/nick-brauns
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ManOfConstantSorrow

ZitatDie Türkei nutzt die Kriegssituation in der Ukraine um selbst an anderer Stelle eine Bodenoffensive gegen die kurdische nationale Befreiungsorganisation PKK im Norden Iraks zu starten. Die Invasion in das Nachbarland wird mit Angriffen von Artillerie, Jets, Helikoptern und Drohnen unterstützt. Für heute Nachmittag ruft der kurdische Dachverband zu Spontandemonstrationen gegen de Attacken in bisher 18 deutschen Städten auf.
https://perspektive-online.net/2022/04/tuerkei-startet-bodenoffensive-und-bombardierungen-von-kurdischen-gebieten-im-irak/
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ManOfConstantSorrow

ZitatMit 21 Jahren verlässt Konstantin Gedig Kiel und zieht nach Kurdistan in den Krieg. Dort stirbt er. Zurück bleiben seine Eltern mit vielen Fragen.
https://taz.de/Kaempfen-fuer-Kurdistan/!5847101/

Ein längerer, gut geschriebener und berührender Text.

Über einen Menschen, der nicht bereit war, die hier herrschende Normalität zu akzeptieren. Eine Normalität, die ein relativ sicheres Leben mit ein wenig Konsum ermöglicht, während nebenan Krieg herrscht. Hinter beidem stehen die gleichen Kräfte. Konstantin Gerding verläßt die Sicherheit und geht dorthin, wo Krieg herrscht. Er ist kein Militarist. Er findet Sinn in einem Leben, das Selbstverwaltung und Frauenrechte verteidigt gegen die Agriffe von Islamisten und der türkischen Armee. Er verlor sein Leben dort, wo er glücklich war.
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Kuddel

Der Versuch der Selbstorganisierung steht unter ständiger Bedrohung und Angriffen durch den Nato-Staat Türkei.

Gestern gab es wieder einen türkischen Drohnenanschlag in Rojava. Es ist der 36. in weniger als fünf Monaten.

Kuddel






Kuddel

Es ist schon komisch.
Dieser Krieg ist uns räumlich näher als die üblichen Fernreiseziele.

Die Menschen kämpfen dort um Selbstverwaltung und gegen die nationalistischen und religiösen Spaltungen.

Dabei befinden sie sich in der Zange zwischen den Angriffen des Natostaats Türkei denen des Islamischen Staats. Es ist ein stetiges Blutvergießen, das in den westlichen Medien nicht vorkommt. Das Blutvergießen in Myanmar ist für diese Medien auch uninteressant.

In Rojava werden Videos für Youtube produziert, die uns die Selbstverteidigung näher bringen wollen. Die Bilder erscheinen mir ewig weit weg, wie von einem fernen Planeten. Ich verstehe, daß die Kämpfer:innen sich an dem Begriff des Märtyrers festhalten und vieles so pathetisch klingt. Ich mag diesen Ton aber nicht.

Ich habe gerade wieder so ein Video gesehen, teilweise wirkte es wie ein Videospiel mit pathetischer Musik. Das bringt mir diesen Kampf nicht näher.

Ich fühle mich mit dem Kampf solidarisch verbunden, aber er ist auch für mich weit weg. Auch ich bin geprägt von Medien, die lieber von der Queen, Gendersternchen und Winnetou berichten.


Kuddel

Den Namen "Andrea Wolf" sah ich hier mal an eine Hausmauer gesprüht.

Ich habe mir den Namen gemerkt und öfter mal nachgesehen, wer sich dahinter verbarg. Sie kam in dem kurdischen Befreiungskampf durch die Türkische Armee um. Das war heute von 24 Jahren. Sie war jünger als ich, doch sah ich eine gewisse Seelenverwandschaft.
ZitatNach der regelmäßigen Teilnahme an Demonstrationen gegen Faschismus und Globalisierung engagierte sich Andrea Wolf gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf.
schreibt wikipedia.


https://youtu.be/iz43wJRym-s

24 min in VHS Qualität. Es wirkt fern. Für die meisten befremdlich, vermute ich. Der Griff zur Waffe ist ein riesiger Schritt. Ich kann mir so etwas schwer vorstellen.

Befremdlich ist aber auch diese Realität hier in Deutschland. Da gibt es für alles Regeln. Diese so geordnete Normalität ist aber auch verantwortlich für Bombeneinsätze anderswo. Wir meinen, damit nichts zu tun zu haben. Andrea Wolf sah das anders.


ManOfConstantSorrow

Die Türkei bombardiert gezielt die zivile Infrastruktur im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien. Aufgrund der Intensität der Angriffe gibt es wenige Informationen über die Auswirkungen, die Bombardierungen dauern an.

In der Provinz Kobanê sind die Dörfer Koran, Siftek und Qeremox bombardiert worden. In Koran wurde eine Schule getroffen, in Qeremox ein Gesundheitszentrum. Bereits bei der ersten Angriffswelle in der Nacht auf Sonntag ist in Kobanê eine Corona-Klinik zerstört worden.
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ManOfConstantSorrow

Kerem Schamberger:
ZitatWas die türkische Luftwaffe alleine heute in Rojava bombardiert hat: eine Klinik, Ölförderanlagen und eine Basis der Einheiten, die den Kampf gegen IS-Schläferzellen führt.

Der Türkei geht es um die Zerstörung der demokratischen Selbstverwaltung.
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Kuddel

ZitatJin Jiyan Azadî
Seit Beginn der Revolution in Nordsyrien 2012 hat sich die Rolle der Frauen in der Region grundlegend verändert. Ein Besuch in Rojava


Vor der Revolution, während des Assad-Regimes, waren die meisten Frauen zu Hause. Es gab ein paar wenige, die im Büro gearbeitet haben, aber dennoch die ganze Hausarbeit zu erledigen hatten. So etwas wie jetzt, dass Frauen kollektiv und sich gegenseitig unterstützend in einer Kooperative arbeiten, wäre vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen.

Wir Frauen sind ein Teil der Gesellschaft geworden. Wir haben auch eigene ökonomische Strukturen aufgebaut. Ein wichtiger Meilenstein sind die Frauenkooperativen. In Hesekê gibt es solche Kooperativen in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und Textilproduktion. Da arbeiten eher ältere Frauen, die von ihren Familien verstoßen wurden, die keinen Schulabschluss machen konnten oder es schwer haben, einen Job zu finden.

In den Kooperativen werden alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Wir haben viele Ideen, und es geht uns nicht nur um Profitmaximierung. (...)
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170425.frauen-in-rojava-jin-jiyan-azadi.html

Ich bin sehr, sehr gerührt von diesen Zeilen.

Ich halte es für extrem wichtig, daß praktische Beispiele geschaffen werden, um zu beweisen, daß man das Leben anders organisieren kann. Es muß nicht profitgetrieben sein. Dann ist es angenehmer und schöner.

Solche Beispiele sind eine Bedrohung für die kapitalistische Welt. Deshalb sollen sie weggebombt werden.

ManOfConstantSorrow

ZitatDrohne tötet kurdische Politikerin

Mutmaßlich türkische Angriffe sollen Selbstverwaltung in Nordsyrien schwächen, deren Zusammenbruch steht aber nicht bevor.
https://www.fr.de/politik/drohne-toetet-kurdische-politikerin-92356105.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Meine Gedanken drehen sich oft darum, wie man mit dem Leben klarkommt und wie man mit der Welt umgehen soll.

Ich bin immer zutiefst berührt, wenn wieder eine der schrecklichen Meldungen mich erreicht, daß eine deutsche Aktivistin oder Aktivist im Freiheitskampf umgekommen ist. Es sind Menschen, die sich in Deutschland Gedanken darüber gemacht haben, was mit der Welt los ist, um dann einen relativ sicheren Lebensraum zu verlassen, um sich dort einzubringen, wo bewaffnet gekämpft wird.







Eva Maria Steiger hat den Kampfnamen Elefteria Hambi angenommen.
Sie hatte Physik studiert, war Anarchistin und Umweltschützerin und im "Hambi" (Hambacher Forst) aktiv. Sie ist bereits 2019 bei einem Luftangriff der türkischen Armee umgekommen, doch erst jetzt wurde ihr Tod bekanntgeben.

In dem ANF Artikel würde ich das 3. Video empfehlen, das 2. auch. Wie auch immer, es sind junge, sensible Menschen, die wissen, was ihnen in einem solchen Kampfgebiet zustoßen kann und sie entscheiden sie sich für den bewaffneten Kampf zur Verteidigung ihrer Ideen.

Es läßt einen darüber nachdenken, was man selbst für ein Leben führt, aber auch warum andere nicht auf solche Ideen kommen. Mir gehen solche Nachrichten wirklich nah, sie lösen bei mir viel aus, ich finde aber keine treffenden Worte...

https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-internationalistin-elefteria-hambi-gefallen-38474

Kuddel

ZitatWaltershausen: Gedenkabend in Erinnerung an Elefteria Hambi

Aktivistinnen der feministischen Organisation Gemeinsam Kämpfen haben auf dem Rebellischen Zusammentreffen in Thüringen einen Gedenkabend für die in Kurdistan gefallene Internationalistin Elefteria Hambi organisiert.




Auf dem Rebellischen Zusammentreffen, ein vom Ya-Basta-Netz und Netz der Rebellion organisiertes Vernetzungscamp, haben Aktivist:innen der feministischen Organisation Gemeinsam Kämpfen am Mittwoch zum Gedenkabend in Erinnerung an die im November 2019 gefallene Internationalistin Elefteria Hambi (Eva Maria Steiger) eingeladen. Elefteria Hambi war lange Zeit im Hambacher Wald aktiv, bevor sie 2018 nach Rojava ging und sich dort den YPJ anschloss.

,,Ihr Aufruf, ,Verantwortung dafür zu übernehmen, was wir tun und was wir nicht tun' und ihre Überzeugung und Entschlossenheit, mit der sie sich dem Kampf zur Verteidigung der Revolution angeschlossen hat, nehmen wir mit in unsere nächsten gemeinsame Schritte, die wir im Kampf für die Befreiung des Lebens gehen – sowohl in unseren Herzen, als auch in unseren Stimmen. Dafür haben wir dem Lied ,Here's to you', das in Gedenken an die im August 1927 in den USA ermordeten italienischen Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti geschrieben wurde, eine Strophe in Gedenken an die Elefteria Hambi hinzugefügt:

Heres to you Elefteria,
kämpftest im Hambi und in Rojava.
Klar und entschlossen konntest du sehen.
Stets bereit noch weiter zu gehen
."

https://anfdeutsch.com/aktuelles/waltershausen-gedenkabend-in-erinnerung-an-elefteria-hambi-38482


https://youtu.be/7oday_Fc-Gc

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