Verminderung des Krankengeldes durch § 140 SGB III?

Begonnen von Hajo, 14:21:29 Mi. 28.April 2004

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Hajo

Kurzbeitrag

Verminderung des Krankengeldes durch § 140 SGB III?

Udo Geiger

Mit der am 1.7. 2003 in Kraft getretenen Vorschrift des § 140 SGB III wird eine nicht unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Beendigungszeitpunkt einer Beschäftigung erfolgte Arbeitslosmeldung mit einer Verminderung des Arbeitslosengeld-Auszahlungsbetrages sanktioniert. Nach dem Gesetzeszweck, einen pauschalen Ausgleich für den hypothetischen Schaden zu schaffen, der der Versichertengemeinschaft durch eine Verzögerung von Vermittlungsbemühungen entsteht (Hennig/Spellbrink, § 140 Rn. 24), gilt dies auch dann, wenn die Verspätung der Meldung nur mit geringem Verschulden erfolgt und keine Auswirkungen auf eine frühere Vermittlung in Arbeit haben konnte.

Trotz der Begrenzung auf einen Höchst-Minderungsbetrag, proportional zur Höhe des Bemessungsentgelts, können sich gravierende Leistungseinbußen ergeben; insbesondere hat die in § 140 S. 4 SGB III vorgeschriebene Anrechnung auf das halbe Arbeitslosengeld, mit der ein Ausfall des grundsätzlich nur mit Leistungsbezug bestehenden Krankenversicherungsschutzes (§ 5 Abs. l Nr. 2 SGB V) vermieden werden soll, zur Folge, dass der Zeitraum der verminderten Auszahlung über die Dauer der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall (6 Wochen, gerechnet seit Beginn der Erkrankung) hinausreichen kann.

Beispiel nach Hennig/Spellbrink § 140 Rn. 35:

Bei Anrechnung des maximalen Minderungsbetrages von € 1.050,- auf ein nach einem Bemessungsentgelt von € 410,-, Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz, LVO-Tabelle 2003 resultierenden hälftigen Auszahlungsbetrag von € 11,43 kalendertäglich erstreckt sich die Abgeltung der Leistungseinbuße über einen Zeitraum von 92 Tagen (€ 1.050 ./. € 11,43).

Damit stellt sich die - von der Bundesanstalt für Arbeit (Rdbrief 93/2003 v. 27. 7. 2003) verneinte - Frage, ob das seit dem 43. Tag der Erkrankung von der Krankenkasse zu erbringende Krankengeld ebenfalls in verminderter Höhe auszuzahlen ist. Die Krankenkassen sehen sich hierzu nach § 47 b SGB V, vorbehaltlich einer Klarstellung durch den Gesetzgeber, verpflichtet (Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Juli 2003 - die Ersatzkasse 2003, S. 341), Das Krankengeld sei »in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes, den der Versicherte zuletzt bezogen hat«, zu gewähren.

Zwingend ist eine gesetzliche Klarstellung - im Entwurf eines dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt auch nicht aufgegriffen - indes nicht. Bereits auf dem Boden der bestehenden Rechtslage sprechen gewichtige Gründe gegen die Auffassung der Spitzenverbände. Als Lohnersatzleistung soll das Krankengeld die Einkommensverhältnisse widerspiegeln, die für den Lebensstandard des Versicherten prägend waren. Für Bezieher von Arbeitslosengeld stellt § 47 b Abs. l S. l SGB V daher konsequent auf die Fortschreibung in Höhe dieser Lohnersatzleistung ab. Maßstab für den Umfang der Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld ist der Betrag, der sich durch Einstellen des Bemessungsentgelts in die LVO-Tabelle ergibt. Veränderungen dieses Auszahlungsbetrages aus sonstigen Gründen (Abzweigung nach § 48 SGB I, Aufrechnung nach § 52 SGB I, § 333 SGB III oder eine Pfändung) haben keinen Einfluss auf die Höhe des Krankengeldes (Kasseler Kommentar, Höfler § 47 b Rn. 11).

Nach dem genannten Normzweck des § 140 SGB III und der speziellen Ausgestaltung der Leistungsminderung handelt es sich auch bei der Verminderung wegen Spätmeldung um eine Sonderform der Aufrechnung, mit der die Schadensersatzpauschale - die Krankenkassen sprechen von Bußgeld - abgegolten wird.

Als Bezugsgröße für die Bemessung des Krankengeldes scheidet das verminderte Arbeitslosengeld daher aus, anderenfalls würde der Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft zugunsten einer Leistungsersparnis der Krankenkassen geschmälert.
Überdies passt der nach Auffassung der Krankenkassen erforderliche Antrag auf volle Auszahlung des Krankengeldes nach Tilgung des Rest-Minderungsbetrages nicht zur Situation einer nur vorübergehenden und exakt bestimmten Leistungseinbuße, da in den »Verhältnissen des Versicherten« (z.B. Wechsel der Lohnsteuerklasse oder Wegfall des erhöhten Leistungssatzes), auf die § 47 b Abs. 2 SGB V abstellt, keine Änderung eingetreten ist.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch aus dem verminderten Arbeitslosengeld die vollen KV-Beiträge abgeführt werden.
Richtigerweise ist daher die Verminderung des Arbeitslosengeldes nach § 140 SGB III, die über die Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III hinausreicht, erst bei Wiedereintritt in den Arbeitslosengeldbezug fortzusetzen. Krankengeld steht dem Versicherten in unverminderter Höhe zu.

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