Beweislastumkehr und "eheähnliche Gemeinschaft"

Begonnen von Kater, 00:37:11 Fr. 25.August 2006

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Kater

ZitatVerbraucher & Service Eheähnlich oder Arbeitslosengeld II
Donnerstag 24. August 2006, 11:30 Uhr
 
Berlin (AP) Der Staat hat die Hürden für das Arbeitslosengeld II seit 1. August höher gelegt. Viele der gut 50 im so genannten Fortentwicklungsgesetz zu Hartz IV festgeschriebenen Neuregelungen machen Betroffenen das Leben nicht gerade einfacher. Für Gezerre zwischen Behörden und Langzeitarbeitslosen dürfte vor allem folgende Änderung sorgen: Wer bestreitet, in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben, muss das jetzt beweisen können. Sonst gibt es nur gekürzte Leistungen oder gar keine mehr. Der Staat geht dann nämlich davon aus, dass der Mitbewohner finanziell auch für den anderen einstehen kann.
«Das Problem der Bedarfsgemeinschaft wird besonders viel Ärger machen», befürchtet Anne Ames, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen. «Wir rechnen mit einer Vielzahl von Sozialgerichtsverfahren», meint auch Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.
An der Umkehr der Beweislast dürfte sich so mancher Alg II-Antragsteller tatsächlich die Zähne ausbeißen. Denn jetzt darf der Staat immer dann eine eheähnliche oder lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft vermuten, wenn folgende Kriterien zutreffen: Menschen leben seit mindestens einem Jahr zusammen, haben ein gemeinsames Konto, können über Vermögen und Einkommen des Partners verfügen, haben gemeinsame Kinder oder versorgen zumindest gemeinsam Kinder respektive Angehörige. Auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind erstmals betroffen.

Wohnen zwei Menschen über ein Jahr zusammen, wäre der Status der «Eheähnlichkeit» laut Gesetz bereits erfüllt, erläutert Künkler. «Da wäre es unerheblich, wenn beide gar nicht aus einem Topf wirtschaften oder nur als Zweckgemeinschaft die Wohnung teilen.»

Und wie weist man dann letztendlich nach, dass die Beziehung keinesfalls eheähnlich ist? «Das ist genau das Problem», betont Ames. Detaillierte Vorgaben fehlten im neuen Gesetz. «Eine bloße Behauptung, dass die Partnerschaft nicht auf Dauer angelegt ist und beide in Notfällen nicht füreinander einstehen, reicht nicht aus», heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Was als Nachweis geeignet sei, müsse immer im Einzelfall entschieden werden.

Ames rät Betroffenen, sich vom Partner bescheinigen zu lassen, dass er keinesfalls bereit ist, finanzielle Unterstützung zu leisten. «Wie weit man damit kommt, muss die Praxis zeigen», räumt Künkler ein. Notfalls muss das Sozialgericht angerufen werden.

Schätzungen zufolge droht über 300.000 Bedarfsgemeinschaften jetzt der Entzug von Alg II-Leistungen. Dem Staat wird das nur Recht sein. Bis Jahresende sind Einsparungen von 400 Millionen Euro allein für den Bund und nochmals rund 100 Millionen Euro für die Gemeinden angepeilt. Ab 2007 sollen die Einsparungen auf rund 1,2 Milliarden Euro (Bund) sowie rund 300 Millionen Euro (Gemeinden) jährlich wachsen.

Damit das Ziel auch erreicht wird, wird nicht nur der Druck in Sachen Bedarfsgemeinschaften erhöht. Es ändern sich auch die Vermögensfreigrenzen für Alg II-Empfänger. Betroffene dürfen frei verfügbares Vermögen jetzt nur noch bis maximal 150 Euro pro Lebensjahr auf der hohen Kante haben (bislang 200 Euro) - das bedeutet eine Kürzung um ein Viertel. Im Gegenzug steigt der Freibetrag fürs Altersvorsorge-Vermögen von 200 auf 250 Euro je Lebensjahr. Der Haken: Davon profitieren arbeitslose Sparer nur dann, wenn sie eine Hartz-Klausel vereinbart haben, so dass das Vermögen nicht vor dem Ruhestand ausgezahlt werden kann.

Weitere Hürden: Alg II-Empfänger haben die grundsätzliche Pflicht, an Werktagen erreichbar zu sein. Ein maximal dreiwöchiger Urlaub muss bewilligt werden, die Rückmeldung ist ein Muss. Wer sich ohne Zustimmung von seinem Wohnort entfernt, muss damit rechnen, dass Leistungen gestrichen oder zurückgefordert werden. Außerdem wird es verstärkt Außendienst- und Telefonkontrollen geben. EU-Ausländern ohne Job wurde der Anspruch auf Alg II gestrichen.

Für 2007 hält das neue Gesetz zusätzliche Sanktionen in petto: Weigert sich ein Alg II-Empfänger dann, ein Jobangebot anzunehmen, kann der Staat seine Unterstützung um 30 Prozent kürzen, bei einer zweiten Weigerung um 60 Prozent. Bei drei Ablehnungen innerhalb eines Jahres können die Leistungen komplett gestrichen werden, einschließlich der Zahlungen für Unterkunft und Heizung.

Die komplette Liste der Änderungen seit August kann unter //www.arbeitsagentur.de nachgelesen werden. Der Gesetzestext ist auf den Seiten des Bundesarbeitsministeriums unter //www.bmas.bund.de zu finden.

http://de.news.yahoo.com/24082006/12/verbraucher-service-eheaehnlich-oder-arbeitslosengeld-ii.html

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