Kostenstreit beim Wechsel v. d. Arbeitslosen- zur Krankenv..

Begonnen von Hajo, 15:02:24 Mi. 28.April 2004

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Hajo

Kostenstreit beim Wechsel von der Arbeitslosen- zur Krankenversicherung

In Zeiten leerer Kassen verschärfen sich auch die Konflikte bei der Lastenverteilung zwischen den Sozialsystemen, oftmals als Folgeprobleme sog. »Verschiebebahnhöfe«. Auf drei Friktionsstellen beim Übergang von der Arbeitslosen-zur Krankenversicherung soll hier kurz hingewiesen werden.

1. Nahtlosregelung § 125 SGBIII

Erkrankt ein Bezieher von Alg/Alhi so schwer, dass er voraussichtlich mehr als sechs Monate außerstande ist, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung auszuüben, erhält er dennoch Leistungen vom Arbeitsamt, bis der Rentenversicherungsträger eine Feststellung über das Restleistungsvermögen trifft.

In einer Verwaltungsvereinbarung vom l. August 98 hatten sich die Spitzen verbände der Krankenkassen mit der Bundesanstalt für Arbeit darauf verständigt, dass die Zuständigkeit der Leistungsgewährung bei Feststellung einer voraussichtlich dauerhaften Minderung des Leistungsvermögens auf die Kurzzeitigkeitsgrenze ungeachtet eines noch bestehenden Krankengeldanspruchs bei den Arbeitsämtern verbleibt, wenn die medizinische Feststellung noch innerhalb des Zeitraums der sechswöchigen Leistungsfortzahlung nach §126 SGBIII erfolgt.

Im Verlauf des Jahres 1999 beanstandeten die Krankenkassen in zahlreichen Fällen die mangelnde Bereitschaft der Arbeitsämter zur Umsetzung dieser Verwaltungsvereinbarung, während die Bundesanstalt umgekehrt die Neigung der Krankenkassen rügte, Versicherte mit Krankengeldanspruch in Nahtlosverfahren nach § 125 SGB III zu drängen.
Die Hartz-Kommission hat daher die Notwendigkeit gesehen, Arbeitslosengeld und Krankengeld i. S. eines Eintritts der Nahtlosigkeit erst nach Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs abzugrenzen (S. 135 d. Berichts).

Eine Klarstellung des Gesetzgebers mag sinnvoll sein, das gewünschte Ergebnis wird aber bereits von den bestehenden Regelungen getragen:
Nach derzeitiger Gesetzeslage schließen sich die Leistungsansprüche dauerhaft erkrankter Arbeitsloser nach §§44, 51 SGB V (Krankengeld) einerseits und §125 SGBIII (Nahtlos-Alg/Alhi) andererseits nur dadurch aus, dass bei Inanspruchnahme einer Leistung die andere ruht (§ 142 SGB III bzw. § 49 SGB V). Der/die Betroffene wird jedoch nur in Unkenntnis der Rechtslage, d. h. in Ermangelung einer fachkundigen Beratung, zu der die Sozialleistungsträger verpflichtet sind, zum Nahtlos-Alg/Alhi greifen. Denn bei Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs wird der Alg-Restanspruch geschont, auf den im Fall einer Rentenablehnung (aus medizinischen Gründen) bis zu einer Dauer von vier Jahren seit Entstehung des Anspruchs zurückgegriffen werden kann, oder der Krankengeldbezug führt sogar zur Realisierung eines neuen Alg-Anspruchs. Bei Alhi-Beziehern kommt hinzu, dass sie für die Dauer des Krankengeldbezugs keiner Bedürftigkeitsprüfung unterliegen.
Grundsätzlich wird der Arbeitslose daher bei rechtzeitiger und richtiger Beratung die Möglichkeit einer vorherigen Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs nutzen bei Verzicht auf die Nahtlosleistungen nach § 125 SGBIII. Die Krankenkasse ist an diesen Verzicht gebunden, weil der Versicherte damit keine gesetz- oder systemwidrige Lastenverteilung zwischen Arbeitslosen- und Krankenversicherung in Anspruch nimmt (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1991 - 7 Rar 24/91).

Die auf Spitzenverbandsebene getroffene Verwaltungsvereinbarung vom 1.8.1998 kann dem Arbeitslosen nicht entgegengehalten werden. Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung zu Lasten Dritter, die unsere Rechtsordnung nicht kennt.

2. Dynamisierung des Krankengeldes nach Alhi-Vorbezug

Nach Ablauf der sechswöchigen Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall erhalten Alhi-Bezieher Krankengeld in Höhe des zuletzt bezogenen Leistungssatzes (§ 47 b Abs. l SGB V). § 47 Abs. l S. 3 SGB V besagt: »Für die Erhöhung des Krankengeldes gilt § 138 SGB III entsprechend.«

Die Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten die Ansicht (die Ersatzkasse 2/2002, S. 52), bei vorangegangenem Alhi-Bezug sei der Anpassungsfaktor entsprechend § 201 Abs. l SGB III um den Degressionsfaktor von 0,03 zu mindern. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 SGB III vorliegen - Teilnahme einer geförderten, mindestens sechs Monate dauernden Weiterbildungs- oder Reha-Maßnahme oder ununterbrochene Ausübung einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung für die Dauer von mindestens sechs Monaten - was durch Nachfrage beim Arbeitsamt zu klären sei.

Jedenfalls seit. Ergänzung des § 201 SGB III durch das Job-Aqtiv-Gesetz fehlt es für eine degressive Anpassung des Krankengeldes auch an einer sachlichen Grundlage; es kann schwerlich zu Lasten des Versicherten gehen, wenn er wegen einer Erkrankung den in § 201 Abs. 2 SGB III eingeräumten Vorteil verliert oder gar nicht erst nutzen kann. Ob das Willkürverbot des Art. 3 GG außerhalb eines Anwendungsfalles von § 201 Abs. 2 SGB III eine Verminderung des Krankengeldes zum Anpassungsstichtag fordert, erscheint höchst zweifelhaft. Die Dynamisierung nach § 201 Abs. l SGB III soll in pauschaler Form den Verlust arbeitsmarktlicher Qualifikation/Verrnittlungschancen widerspiegeln, ein Gesichtspunkt, der bei Sicherung des Lebensunterhalts im Krankheitsfall keine Rolle spielt.

3. Beiträge aus Krankengeld nach Alhi-Bezug

Im laufenden Alhi-Bezug werden die Rentenbeiträge aus dem Zahlbetrag der Leistung berechnet (§ 166 Abs. l Nr. 2 a SGB VI). Nach Ablauf der sechswöchigen Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III ist die Bemessungsgrundlage für den Rentenbeitrag 80 v. H. des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. l Nr. 2 SGB VI).
Die Spitzenverbände der Krankenkassen sind der Ansicht, hierdurch entstehe eine wesentliche Ungleichbehandlung
zwischen einem arbeitsunfähigen Leistungsempfänger und einem nicht arbeitsunfähigen Alhi-Bezieher (die Ersatzkasse 9/2002, S. 332 f.), und führen daher auch aus dem Krankengeld nach Alhi-Vorbezug nur den Zahlbetrags-Rentenbeitrag ab.

Um spätere Nachteile bei der Rentenberechnung zu vermeiden, sollte der Krankengeldbezieher eine Beitragsüberwachung des Rentenversicherungsträgers nach §212 SGBVI veranlassen und auf eine Beitragsabführung auf der Grundlage des § 166 Abs. l Nr. l SGB VI dringen. (Die vergleichbare Problematik bezüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung betrifft nur die Versicherungsträger untereinander, die eine gerichtliche Klärung oder gesetzgeberische Klarstellung herbeiführen wollen.)

Udo Geiger

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