"Wenn ich schweige, mache ich mich zum Komplizen"

Begonnen von Eivisskat, 08:09:27 Mi. 20.August 2008

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Eivisskat

ZitatKLIMACAMP
 
Der Mahner aus dem Kongo - Erdnussbauer Victor Nzuzi prangert auch Firmen aus Deutschand an

Eigentlich dürfte es ihn gar nicht mehr geben, sagt Victor Nzuzi: "Laut Weltbank hat ein Mann im Kongo eine Lebenserwartung von 41 Jahren. Ich bin aber schon fast 45!" Victor Nzuzi ist Erdnussbauer aus dem Kongo - und ein unermüdlicher Kämpfer für eine gerechtere Welt. Der Aktivist trat im Sommer 2007 auf dem Alternativen G8-Gipfel in Heiligendamm auf, war kürzlich zu einer Sitzung der Vereinten Nationen eingeladen. Zur Zeit ist er in Hamburg, hält Vorträge beim Antirassismus- und Klimacamp.

Victor Nzuzi, Vertreter von La Via Campesina, einem weltweiten Zusammenschluss von Kleinbauern, trägt Afrikas Probleme mit sich herum: Eingerollte Stoffbilder, eindringlich und farbenfroh, mit denen er seine Vorträge auf der ganzen Welt illustriert. Nzuzi, Vater von vier Kindern, spricht französisch. Seine Reisen werden von westlichen Nicht-Regierungsorganisationen bezahlt.

Die eingerollten Gemälde hat ein Freund gemalt. Etwa das Bild von dem mageren Afrikaner, der auf einem Diamanten sitzt, hinter ihm abgeholzter Wald und vor ihm ein dicker, bewaffneter weißer Mann. Ausbeutung, Umweltzerstörung, Rassismus - eine schlichte Darstellung komplexer Themen.

So naiv die Bilder anmuten und so freundlich Nzuzis Lächeln - so scharf sind seine Worte, wenn er den Westen anprangert: "Es ist Rassismus, wenn multinationale Konzerne in ein Land gehen und dessen Bodenschätze ausbeuten, ohne die Rechte der Bevölkerung zu respektieren."

Er nennt deutsche Unternehmen wie Siemens und Telefunken, die Stromleitungen durch den Kongo ziehen, um das Handy-Erz Koltan im Norden zu fördern, während die Dörfer unter den Leitungen keine Elektrizität haben. Er nennt die deutsch-schweizerische Danzer Group, die den kongolesischen Regenwald abholzt, laut Greenpeace International aber keine Steuern an die regionalen Regierungen zahlt.

Er spricht über ein Zementwerk, das der korrupte Diktator Mobutu einst mit Geld von der Commerzbank errichtete und das nie in Betrieb ging. Die Schulden, die Mobutu anhäufte, sagt Nzuzi, müssten dem Land erlassen werden: "Die Schulden wurden unter sittenwidrigen Umständen gemacht!"

Er geht auch gegen das kongolesische Regime an, das keine Anstalten macht, die Millionen des 1997 verstorbenen Diktators von den Schweizer Konten zurück ins Land zu holen. Wenn bis zum Jahresende nicht passiert, fällt das gebunkerte Geld an die Diktatorenfamilie zurück.

Nzuzi zieht seine Zuhörer in den Bann, wenn er Themen wie Migration einfach erklärt: "Ich war bei den Pygmäen im Regenwald. Ihr Lebensraum wird abgeholzt, sie werden bald in die Hauptstadt Kinshasa kommen. Sie werden keine Arbeit finden, aber Filme sehen vom reichen Europa. Und sie werden sagen: Da wollen wir hin."

Morgen um 17 Uhr wird Nzuzi an einer Kundgebung am Hauptbahnhof teilnehmen. Nach dem Camp fliegt er heim, die Regenzeit beginnt, die Felder müssen bestellt werden. Im September packt er wieder seine Bilder ein, fliegt zum Migrationsforum nach Madrid. Woher er die Energie für den Kampf gegen die übermächtigen Gegner nimmt? Die Frage versteht Nzuzi nicht. Was sollte er denn sonst tun? "Wenn ich schweige, werde ich zum Komplizen."

(MOPO vom 20.08.2008 / SEITE 12-13) http://www.mopo.de/2008/20080820/hamburg/politik/der_mahner_aus_dem_kongo.html

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