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Industrie & Handwerk & Agrar => Industrie und Handwerk bundesweit => Landwirtschaft und Agrarindustrie => Thema gestartet von: nontestatum am 23:50:10 Fr. 26.Oktober 2007

Titel: Erntehelfer
Beitrag von: nontestatum am 23:50:10 Fr. 26.Oktober 2007
Jetzt habe ich geglaubt, das Thema Erntehelfer wäre für dieses Jahr ausdiskutiert, aber nein, es geht weiter:

Nun sind's die Weihnachtsbäume:

ZitatAls Grund für den Erntehelfer-Mangel nannte Bernd Oelkers, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft (der Weihnachtsbaum- und Schmuckgrünerzeuger ...http://www.wb-verband.de/), die streng begrenzten Arbeitszeitregeln für osteuropäische Arbeiter.

Sie erlaubten es vielen Aushilfen nicht, nach der Erdbeer- und Spargelernte auch in der Erntezeit für Weihnachtsbäume in Deutschland zu arbeiten.


http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/wirtschaft/news/493999
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: Eivisskat am 00:08:55 Sa. 27.Oktober 2007
;) http://www.chefduzen.de/thread.php?threadid=12302
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: Futter am 19:02:54 Sa. 27.Oktober 2007
Die W.Bäume sollen bis 20 % teurer werden und ich glaub nicht das die
Leute davon ne' n vernünftigen Mindestlohn abbekommen.

Holt euch den Baum selber aus der Plantage, gibt es auch, Säge mitnehmen und einen Schönen aussuchen.  =)




http://www.ln-online.de/artikel/2243178/Weihnachtsb%E4ume_werden_deutlich_teurer.htm
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: Carpe Noctem am 01:13:03 So. 28.Oktober 2007
ZitatOriginal von Futter
Holt euch den Baum selber aus der Plantage, gibt es auch, Säge mitnehmen und einen Schönen aussuchen.  =)

Ich konnte noch nie verstehen, warum jeder glaubt, zum Weihnachtsfest unbedingt einen Baum töten zu müssen ;(

Grüsse - CN
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: Pinnswin am 08:46:16 So. 28.Oktober 2007
Die Ernte geht das ganze Jahr, mit Bodenheizung, Klimawandel und Plastikfolie.
Die Weinernte ist noch lange nicht im Keller, Äpfel und Brokoli sind noch dran...

Lg
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: WurstKalle am 11:42:54 So. 28.Oktober 2007
hab mal für nen 10er die stunde in holland geerntet soviel kriegst du hier noch nicht einmal als facharbeiter bei einer lehbude
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: Ziggy am 11:52:18 So. 28.Oktober 2007
Als Pazifist bin ich gegen das Schlagen von Weihnachtsbäumen.
Ich finde, jeder Baum hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob er die Feiertage mit mir in meiner Wohnung verbringen möchte oder nicht.
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: WurstKalle am 12:08:48 So. 28.Oktober 2007
dann möchte ich nicht weissen wie deine wohnung aussieht hast bestimmt keine haustiere und keine pflanzen in der wohnung und wovon ernährst du dich wenn das obst und gemüse selber entscheiden kann ob es in deinem körper verdaut werden will lolo
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: Ziggy am 13:39:56 So. 28.Oktober 2007
Die Pflanzen sind alle freiwillig hier, wir haben das gründlich diskutiert ... ebenso die Möbel und die Frau ...
Weihnachtsbäume hatten wir auch schon, aber ohne Schläge, wir haben sie mit unserem warmherzigen Wesen überzeugt. :]

Du weißt schon, was Satire ist, oder?
Titel: Erntehelfer
Beitrag von: WurstKalle am 17:11:17 So. 28.Oktober 2007
:D
Titel: Re:Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 21:43:06 Do. 08.September 2016
Zitat(Dehydrierter) Tod durch Arbeit(s)-Hetze endet nach 2 Jahren mit Strafbefehlsantrag

Die Staatsanwaltschaft Freiburg teilt mit: "Mit einem Strafbefehlsantrag zu dem Amtsgericht Freiburg hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Vorwurfs der fahrlässigen Tötung abgeschlossen. Einem 47 Jahre alten Landwirt aus dem südlichen Breisgau wird zur Last gelegt, für den Tod eines 32jährigen rumänischen Erntehelfers im Juni 2014 verantwortlich zu sein. Der Erntehelfer habe am Nachmittag des 07.06.2014 unter direkter Sonneneinstrahlung gemeinsam mit einem weiteren Erntehelfer Heuballen mit einem Einzelgewicht von ca. 20 kg im Akkord auf einen Anhänger aufstapeln müssen. Obwohl der Erntehelfer den den Traktor fahrenden Landwirt darüber unterrichtet habe, dass er sich unwohl fühle, habe der Landwirt darauf bestanden, dass die beiden Erntehelfer, deren Wasservorräte aufgebraucht gewesen seien, weiterarbeiten sollten. Weil der Landwirt die erforderlichen Pausen sowie die Flüssigkeitsaufnahme nicht zugelassen habe, obwohl sich der Gesundheitszustand des 32jährigen verschlechterte, habe dieser gegen Abend einen Hitzschlag erlitten, sei bewusstlos zusammengebrochen und nach längerem Koma ca. 2 ½ Wochen später verstorben"
https://rdl.de/beitrag/dehydrierter-tod-durch-arbeit-hetze-endet-nach-2-jahren-mit-strafbefehlsantrag
Titel: Re:Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 10:03:36 Di. 13.Dezember 2016
ZitatAusbeutung und Betrug:
Gefängnisstrafe für Geschäftsführer von Prime Champ


Das Gericht von Roermond hat am 10. November 2016 vier strafrechtliche Verurteilungen wegen Missbrauchs auf der Pilzfarm Prime Champ Production B.V. in dem Zeitraum von Juli 2009 bis August 2012 ausgesprochen. Geert Verdellen, ehemaliger Geschäftsführer des Pilzunternehmens Prime Champ, bekam zwei Jahre Gefängnis.

Das Gericht erachtete es als erwiesen an, dass Prime Champ unter Führung des Geschäftsführers Fälschungen begangen hat. Es ist auch erwiesen, dass ein Teil der polnischen Pflückerinnen ausgebeutet wurde. Verdellen wurde auch wegen illegalen Besitzes von zwei Feuerwaffen und Munition verurteilt.

Das Unternehmen und sein Geschäftsführer wurden wegen Missbrauchs von 6 polnischen Pilzpflückerinnen und der Fälschung von Lohnangaben und Teilen der Geschäftsführung verurteilt. Das Gericht hat auch eine weitere Führungsperson für Finanzen und einen von dem Unternehmen eingestellten ICT-Mitarbeiter wegen Fälschung verurteilt.

Drei weitere Mitarbeiter ohne Geschäftsführungspflichten wurden von dem Gericht bezüglich des Arbeitermissbrauchs freigesprochen.
http://www.fruchtportal.de/artikel/ausbeutung-und-betrug-gefangnisstrafe-fur-geschaftsfuhrer-von-prime-champ/025530 (http://www.fruchtportal.de/artikel/ausbeutung-und-betrug-gefangnisstrafe-fur-geschaftsfuhrer-von-prime-champ/025530)
Titel: Re:Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 21:22:12 Fr. 26.Januar 2018
ZitatErntehelfer starb nach Schwerstarbeit in der Sommerhitze

Stundenlang stapelte er Heuballen - bis er einen Hitzschlag erlitt: Nach dem Tod eines 32-jährigen Erntehelfers steht nun in Freiburg der Landwirt vor Gericht. Er soll Pausen und Getränke verboten haben.


Der 48-jährige Deutsche habe seinen Bediensteten im Juni 2014 bei Hitze und unter direkter Sonneneinstrahlung auf einer Wiese bei Freiburg zur Arbeit gezwungen, sagte der Staatsanwalt zum Prozessauftakt am Freitag.

Gemeinsam mit einem weiteren Helfer habe der 32 Jahre alte Mann 800 bis 900 jeweils 20 Kilo schwere Heuballen im Akkord auf einem Anhänger stapeln müssen. Der Landwirt saß auf dem Traktor. Der Erntehelfer, der zuvor laut Staatsanwalt über gesundheitliche Probleme geklagt hatte, erlitt einen Hitzschlag und starb.

Der Landwirt habe dem Mann, der zusammen mit seinem Schwager auf dem Feld arbeitete, keine Pausen erlaubt und nichts zu trinken bereitgestellt, sagte der Staatsanwalt. An dem Tag seien im Schatten 31 Grad gemessen worden, es habe Windstille geherrscht. Der Landwirt habe die zwei Helfer zur schnellen Arbeit angetrieben. Die beiden arbeiteten den Angaben zufolge zehn Stunden am Tag für sechs Euro Stundenlohn. Es war der zweite Arbeitstag des 32-Jährigen.
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/freiburg-erntehelfer-stirbt-nach-schwerstarbeit-bauer-vor-gericht-a-1189995.html (http://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/freiburg-erntehelfer-stirbt-nach-schwerstarbeit-bauer-vor-gericht-a-1189995.html)
Titel: Re:Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 18:04:34 Do. 22.Februar 2018
Zitat14.2.18
Erntehelfer/-innen im Arbeitskampf unterstützen

Zahlreiche Menschen kommen jedes Jahr in westliche europäische Länder, um in landwirtschaftlichen Betrieben zu arbeiten. Ihre wenigen Rechte werden oftmals nicht gewahrt, die Entlohnung ist gering, Mindestlöhne werden nicht eingehalten, Überstunden bleiben unbezahlt, die Unterkünfte sind unwürdig.
Diese Ausbeutung kann drastische Folgen haben: Im Juni 2014 starb ein Mann aus Rumänien durch einen Hitzeschlag nach der Arbeit auf dem Feld nahe Freiburg. Die Arbeiter/-innen aus Bulgarien, Rumänien und anderen Ländern über ihre Rechte aufzuklären und für diese einzutreten, zu diesem Zweck hat sich die Organisation ,,sezonieri" gegründet. Der Verbund aus österreichischer Produktionsgewerkschaft und Aktivist/-innen publiziert unter anderem mehrsprachige Videos, die zur Aufklärung der Erntehelfer/-innen beitragen sollen. ,,sezonieri" gründete sich, nachdem mehrere Saisonarbeiter/-innen in Österreich 2014 in den Streik traten um gegen ihre unwürdige Situation zu protestieren. Wir haben mit Sónia Melo gesprochen, die Erntehelfer/-innen im Bundesland Tirol unterstützt.
http://radiocorax.de/erntehelfer_innen-im-arbeitskampf-unterstuetzen/ (http://radiocorax.de/erntehelfer_innen-im-arbeitskampf-unterstuetzen/)

http://www.sezonieri.at (http://www.sezonieri.at)

Titel: Re:Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 12:19:58 So. 08.April 2018
Auf die Felder!

Die Spargelsaison(arbeit) ist eröffnet


Mitte, Ende April geht die Spargelzeit wieder los. Gemüse, Obst und Früchte müssen geerntet und für den Verkauf bereit gemacht werden. Hunderttausende Wanderarbeiterinnen kommen dafür jährlich zur Erntesaison nach Deutschland, die Arbeitsbedingungen sind prekär, der Mindestlohn wird häufig unterwandert. Die Emanzipatorische LandarbeiterInnen-Initiative und die Initiative Frohes Schaffen rufen zum Saisonstart dazu auf, sich an einer Informationskampagne auf den Feldern zu beteiligen.

Die Ernte wird seit Jahrzehnten von WanderarbeiterInnen durchgeführt, sie stellen mit etwa 314000 Menschen rund 66 Prozent der in der Landwirtschaft Beschäftigten. Sie kommen vor allem aus Polen, Bulgarien und Rumänien, vereinzelt auch aus Kroatien, Ungarn, Serbien und der Ukraine.

Die Anzahl an SaisonarbeiterInnen variiert von 20 bis 1500 bei einem Betrieb. Unterbringung und Verpflegung gibt es meist vor Ort, doch auch sie werden vom Lohn abgezogen. In den meisten Fällen sind es Mehrbettzimmer, teils Stockbetten in Containern. Wieviel dafür zu bezahlen ist, ist den LandarbeiterInnen oft bis zum Schluss unbekannt.

Ist das Wetter gut, kann es sein, dass an sieben Tage die Woche bis zu 14 Stunden gearbeitet werden. Ist es schlecht, gibt es unbezahlten Urlaub – die Unterkunft ist natürlich weiter zu bezahlen.

Die Hauptstoßrichtung liegt auf der Aufklärung über Arbeitsrechte. Entstanden sind Informationsflyer in verschiedenen Sprachen sowie eine Vernetzung und der Ausbau von Beratungsstellen, die die LandarbeiterInnen in ihren Muttersprachen beraten.

Angedacht ist auch eine App zur digitalen Selbsthilfe, die über Pflichten des Arbeitgebers informiert – nicht in Bezug auf die Einhaltung von Arbeits-, Ruhe- und Pausenzeiten, sondern auch in bezug auf die Bereitstellung von Getränken und Sonnenschutz im Sommer. Auch die Zusammenarbeit mit dem Zoll und den Arbeitsschutzbehörden gehört dazu, darauf wird jedoch nur in Absprache mit den Beschäftigten zurückgegriffen. 2017 gab es Razzien und staatsanwaltliche Ermittlungen bei sechs Betrieben in Rheinland-Pfalz.

Grundlage für die Organisierung und vermehrt erprobt wird die aufsuchende Arbeit, also das gezielte Fahren auf die Felder, um in den Pausen ins Gespräch zu kommen und Vertrauen aufzubauen. Für die anstehende Saison werden Unterstützer gesucht, die in einer Aktionswoche mit auf die Felder ziehen, um über die bestehenden Rechte zu informieren und die gewerkschaftliche Organisierung zu unterstützen. Unterstützung in Form von Material, Erfahrungswerten aus den letzten Jahren und einer detaillierten Durchführungshilfe wird bereit gestellt. Rumänisch-, Bulgarisch- oder Polnischkenntnisse sind keine Voraussetzung, aber natürlich besonders wertvoll.

http://www.sozonline.de/2018/04/auf-die-felder/ (http://www.sozonline.de/2018/04/auf-die-felder/)
(von mir gekürzt)


Es ist ein praktischer Ansatz für das im Forum bereits diskutierte Problem: Wie kriegt man Kontakte zu Arbeitsmigrant*innen und wie kann man ihnen helfen sich zu organisieren?
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 13:31:38 Mi. 02.Oktober 2019
Zitat24.9.19
Sklavenartige Arbeitsbedingungen auf Pelati-Plantagen

Foggia in Süditalien. Hier trifft «Kassensturz» afrikanische Migranten, die gegen ihre miserablen Lebensbedingungen und Ausbeutung demonstrieren. Sie ernten auf den Feldern rund um Foggia Tomaten für die Pelatiproduktion. Im Akkord reissen sie Stauden aus, schwere körperliche Arbeit für wenige Euro pro Tag. Von diesem kargen Lohn ziehen ihnen Arbeitsvermittler – sogenannte Caporali – noch Gebühren ab.
(...)
https://www.srf.ch/news/schweiz/ausgebeutete-erntehelfer-sklavenartige-arbeitsbedingungen-auf-pelati-plantagen
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 14:44:47 Do. 02.April 2020
ZitatDrehen wir Klöckners Vorschlag auf links. Das bedeutet bedingungslose Bleibeperspektive für alle, unbeschränkter Zugang zur Sozial- und Gesundheitsversorgung und darin enthalten auch eine nicht an Bedingungen geknüpfte Arbeitserlaubnis. Das wären die Grundvoraussetzungen, um überhaupt eine Tätigkeit Geflüchteter in der Landwirtschaft zu diskutieren.
https://www.freitag.de/autoren/skonto/roter-spargel
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 12:40:51 Mi. 06.Mai 2020
Zitat5.5.20
Spargelbauern und Corona: Wie viele rumänische Erntehelfer ausgebeutet werden

Zunächst war das Geschrei der Landwirte groß, als die Erntehelfer aus Osteuropa ausblieben. Inzwischen sind mehr als 10.000 von ihnen gekommen, helfen bei der Spargelernte. Doch nach drei Wochen hagelt es Beschwerden, beklagen sich viele massiv über die Arbeitsbedingungen.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/report-mainz/videosextern/spargelbauern-und-corona-wie-viele-rumaenische-erntehelfer-ausgebeutet-werden-102.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 14:40:27 Fr. 15.Mai 2020
Zitat15.5.20
Erntehelfer des Erdbeer- und Spargelhofs Ritter in Bornheim haben am Freitag die Arbeit niedergelegt. Vor einer Unterkunft protestierten die Arbeiter gegen Lohnausfall und die Zustände in der Unterkunft - auch mit Blick auf die Corona-Pandemie.
(...)
https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/erntehelfer-bei-spargel-ritter-protestieren-gegen-missstaende_aid-51157837
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 16:30:50 So. 17.Mai 2020
Zitat17.5.20
Aufruf zur Demonstration für morgen 9 Uhr, Am Ühlchen 53332 Bornheim

Seit einem Monat arbeiten über 250 rumänische Beschäftigte als Erntehelfer*innen auf dem Spargelhof Ritter. Ohne Schutzausrüstung ernten sie hier jeden Tag pro Person circa 30 Kisten Erdbeeren einen Stundenlohn gibt es nicht. Theoretisch sollen etwa drei Euro pro Kiste gezahlt werden. Manchmal sind es noch weniger. Das bedeutet, dass die Arbeiter*innen teils weniger als ein Drittel des gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohns bekommen. Das ist ein Skandal!
Es fehlt an Hygieneartikeln, das vom Lohn abgezogene Essen ist verdorben und die Beschäftigten dürfen das Gelände nicht ohne weiteres selbstständig verlassen.

Während der Arbeit am letzten Donnerstag kam großer Unmut auf, als sich rumsprach, dass einzelne Angestellte etwas mehr Geld bekamen als andere. Daraufhin verließen die Erntehelfer*innen geschlossen das Feld und wollten zum Chef. Dieser aber war für keine Gespräche bereit und ging nicht auf die gerechtfertigten Vorwürfe ein. Am nächsten Tag rief er direkt die Polizei, die zog aber ohne wirklich benötigt zu werden bald vom Wohngelände der Arbeiter*innen ab.

Der zu diesem Zeitpunkt bereits insolvente Spargel- und Erdbeerenproduzent Ritter hatte seinen Erntehelfer*innen drei Monate Arbeit vertraglich zugesichert. Nun sollen sie nach einem Monat bereits auf eigene Kosten nach Rumänien abreisen dabei kostet schon eine Strecke die Hälfte des unvollständig gezahlten Lohns.
Am Dienstag müssen die Erntehelfer*innen ihr Unterkünfte verlassen und müssen zusehen, wo sie bleiben. Die ca. 250 Personen stehen vor der Obdachlosigkeit und stehen kurz davor, ohne das dringend benötigte Geld für sich und ihre Familien heimreisen zu müssen. Aus Protest wurde die Arbeit am Freitag niedergelegt. Diesen Protest unterstützen wir und fordern euch alle auf, an diesem Protest teilzunehmen!

Wir solidarisieren uns mit den Arbeiter*innen und fordern gemeinsam mit den Arbeiter*innen die Auszahlung der zustehenden Löhne. Weiterhin wehren wir uns gegen die ausbeuterische, menschenunwürdige Unterbringung und Versorgung der Beschäftigten.

Wir rufen zur Unterstützung und zur Selbstorganisation aller in vergleichbaren Situationen auf, denn Bornheim ist kein Einzelfall.

Gemeinsam mit den Beschäftigten ruft die FAU Bonn zu einer Demonstration für Montag den 18. Mai um 9 Uhr morgens in Bornheim auf. Treffpunkt ist: Am Ühlchen 53332 Bornheim.
https://bonn.fau.org/aufruf-zur-demonstration-fuer-morgen-9-uhr-am-uehlchen-53332-bornheim/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 21:26:50 So. 17.Mai 2020
Update:

ZitatAktuell werden die Arbeiter*innen bei Spargel Ritter einzeln in ein Büro gebeten. Darin sind 2 Anwälte die sie unter Druck setzen einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben den sie vorher nicht lesen durften.

Eine Prüfung durch unsere Anwälte wird ihnen Verweigert. Sie dürfen das Schriftstück nicht mit raus nehmen. Die Arbeiter*innen sind isoliert, sprechen kein deutsch, sind verunsichert und haben Angst obdachlos zu werden.

Die Angaben im Aufhebungsvertrag entsprechen nicht der Wahrheit. Sie sollen unterschreiben, dass sie bereits die vollen 3 Monate die ihr Vertrag vorsieht gearbeitet hätten, obwohl es nur einer war. Man droht ihnen das sie sonst keine Lohnzahlung erhalten.

Das ist die Arbeitsweise der Insolvenzverwalter Schulte-Beckhausen und Bühs in Bonn.
http://ra-sbb.de
https://twitter.com/FAUBonn/status/1262071739242119169
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: counselor am 22:26:17 So. 17.Mai 2020
Sollte Anzeigen wegen versuchter Nötigung nach sich ziehen.
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: BGS am 06:39:37 Mo. 18.Mai 2020
Was sind das bloss fuer Advokaten und unmögliche Verhältnisse? Sowas glaubt einem hier niemand.

MfG

BGS
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Onkel Tom am 14:11:27 Mo. 18.Mai 2020
Und bei der Anwaltskammer Alarm schlagen, damit solch Schweinejuristen hoffentlich die Zulassung
entzogen kriegen.. Sone Touren mag die Anwaltskammer nicht..

Dreister geht es wohl nicht  >:(

Und noch was.. Aufhebungsverträge, die so zustande kommen, sind ungültig, da sie voll mit dem § 123 BGB
kollidieren. Die Betroffenen sollten sich zusammen tun und gemeinsam dagegen vorgehen..

Die Wechselwirkung zu § 240 StGB (Nötigung) und § 123 BGB (arglistiger Täuschung oder Drohung) geben
sich da super die Klinke in die Hand, das die Spargel-Bonzen so richtig tief in die Tasche kommen müssen..
(Lohnnachzahlungen, Gerichtskosten u.s.w.)  ;D

Ich hoffe, das die FAU das aufschappt und das nutzt.. Habe kein FB-Acount..
Titel: Re: Erntehelfer, Protest in Bornheim, 18.5.20
Beitrag von: Fritz Linow am 17:57:28 Mo. 18.Mai 2020
Zitat18.5.20
Ausgebeutet, gestreikt, gekündigt

Feldarbeiter protestieren gegen Hungerlöhne, miese Unterkünfte und Versorgung
(...)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1136818.bornheim-ausgebeutet-gestreikt-gekuendigt.html

Der Protest läuft noch. Einige Schnappschüsse aus dem Internet:

(https://abload.de/img/sp16yju7.png) (https://abload.de/image.php?img=sp16yju7.png)

(https://abload.de/img/sp2nbj2f.png) (https://abload.de/image.php?img=sp2nbj2f.png)

(https://abload.de/img/sp3drkjw.png) (https://abload.de/image.php?img=sp3drkjw.png)

(https://abload.de/img/sp4dfk79.png) (https://abload.de/image.php?img=sp4dfk79.png)

(https://abload.de/img/sp5zuktn.png) (https://abload.de/image.php?img=sp5zuktn.png)

(https://abload.de/img/sp6ujjhk.png) (https://abload.de/image.php?img=sp6ujjhk.png)

(https://abload.de/img/sp7enjk8.png) (https://abload.de/image.php?img=sp7enjk8.png)

(https://abload.de/img/sp8q2j6t.png) (https://abload.de/image.php?img=sp8q2j6t.png)

(https://abload.de/img/sp9tjjbt.png) (https://abload.de/image.php?img=sp9tjjbt.png)

(https://abload.de/img/sp10hpkzn.png) (https://abload.de/image.php?img=sp10hpkzn.png)

(https://abload.de/img/sp11hyjwi.png) (https://abload.de/image.php?img=sp11hyjwi.png)

(https://abload.de/img/sp126rkcz.png) (https://abload.de/image.php?img=sp126rkcz.png)

(https://abload.de/img/sp13lrjj1.png) (https://abload.de/image.php?img=sp13lrjj1.png)

(https://abload.de/img/sp15xfjyh.png) (https://abload.de/image.php?img=sp15xfjyh.png)

(https://abload.de/img/sp16kfk84.png) (https://abload.de/image.php?img=sp16kfk84.png)

(https://abload.de/img/sp17vqktc.png) (https://abload.de/image.php?img=sp17vqktc.png)

(https://abload.de/img/sp19lzk22.png) (https://abload.de/image.php?img=sp19lzk22.png)

(https://abload.de/img/20mpj3v.png) (https://abload.de/image.php?img=20mpj3v.png)

(https://abload.de/img/sp21j1jx0.png) (https://abload.de/image.php?img=sp21j1jx0.png)
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 18:42:58 Mo. 18.Mai 2020
Beeindruckend. Osteuropäische "Wegwerfarbeiter" (Prälat Kossen) erfahren hierzulande selten so breite Solidarität.
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 20:45:52 Mo. 18.Mai 2020
Endlich in der Mainstreampresse:

Zitat,,Das ist wie Sklaverei"
Erntehelfer protestieren gegen Bornheimer Spargelhof Ritter


(https://www.express.de/image/36713808/max/600/450/16d27ba9d731ab40999b34a3948e3cb9/ap/ernte-ritter-proteste-plakate.jpg)
https://www.express.de/bonn/-das-ist-wie-sklaverei--erntehelfer-protestieren-gegen-bornheimer-spargelhof-ritter-36711658

Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 21:14:43 Mo. 18.Mai 2020
In erster Linie geht es gegen den Insolvenzverwalter. Hier das Statement vom insolventen Bauern:

ZitatSehr geehrte Geschäftspartner, Facebook-Follower, Kunden und Freunde

Mit diesem Schreiben beziehen wir Stellung zu den aktuellen Mediengesprächen über unseren Spargel- und Erdbeerbetrieb.

Wie Sie seit Anfang des Jahres über zahlreiche Medienberichte erfahren haben, befindet sich die Claus und Sabine Ritter GbR nach zwei hintereinander folgenden Jahren mit Sturm, Dürre und schlechten LEH-Preisen in der Insolvenz.

Ziemlich schnell entschied sich der Insolvenzverwalter dazu, die bereits gut im Feld stehenden Pflanzen bis zur Ernte weiter zu pflegen um diese einzufahren und dadurch Geld in die Insolvenzkasse zu spülen.

Mit dieser Entscheidung wurde der laufende Betrieb vom Insolvenzverwalter vollständig übernommen. Die Betriebsführung durch Claus und Sabine Ritter verfiel dadurch, die angestellten Mitarbeiter wurden übernommen.

Die gesamte Verwaltung lag ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Händen der Familie Ritter.

Nachdem die Familie anfangs noch zur Beratung und Mitarbeit benutzt wurde, wurden die Tätigkeitsfelder nach und nach bei zunehmender Erfahrung der vom Insolvenzverwalter zusätzlich eingestellten Mitarbeiter eingeschränkt, bis zum Schluss für alle ein gesamtes Betriebsverbot verhängt wurde.

Dies hatte nichts mit durch die Familie gestifteter ,,Unruhe" zu tun, vielmehr konnte man uns nicht mehr gebrauchen und konnte dadurch unbeobachtet und uneingeschränkter diversen Sachen nachgehen.

Auch die für die Pflege und Ernte benötigten Erntehelfer wurden vom Insolvenzverwalter eingestellt, womit dieser auch für die Bezahlung voll zuständig ist.

Hierbei handelte es sich bei einem großen Teil um Menschen, die bereits seit zum Teil über 25 Jahren jährlich in unseren Betrieb kommen und uns bei anfallenden Arbeiten unterstützen.
In all diesen Jahren gab es bei uns noch nie Probleme bei Lohnauszahlungen oder Unterkünften. Wir bezahlten unsere Mitarbeiter meist übertariflich und hatten Personal welches sich nur um die Pflege, Sauberkeit und Instandhaltung der Unterkünfte kümmerte.

Verpflegt wurde unser Personal von der betriebseigenen Küche, welche täglich frisch und kalorienreich kochte, um die schwer arbeitenden Erntehelfer ausreichend zu sättigen. Ebenfalls stand für alle Arbeiter uneingeschränkt Wasser mit und ohne Kohlensäure zur Verfügung.

Doch um Geld zu sparen wurde auch dieser Service eingestellt und ein Caterer arrangiert. Dieses Essen passt eher in den Speisesaal eines Altersheimes als in die Kantine für Erntehelfer. Weiteres ist Medienberichten zu entnehmen.

Abschließend gesagt hat unsere Familie mit der aktuellen Betriebsführung unseres bis Dato gut funktionierenden und sauber geführtem Familienbetrieb nichts zu tun und jegliche in Verbindung bringen mit diesen Missständen ist schlicht falsch.

Wir hoffen, dass wir Sie mit diesem Schreiben etwas näher über die Situation aufklären konnten.
Statt blind Berichten in der Boulevardpresse zu glauben und sich dadurch ein Bild über die Situation zu machen, ist es oft besser sich direkt bei den Betroffenen zu melden und sich seine Fragen aus erster Hand beantworten zu lassen.

Für jegliche Fragen stehen wir jederzeit in der Nachrichtenfunktion unserer Facebookseite zur Verfügung.
Zur weiteren Aufklärung ist das weitere Teilen dieses Beitrages erwünscht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Familie Ritter
https://www.facebook.com/erntehelfer.bornheim/posts/1416303485232774?__tn__=K-R

Als der Bauer Ritter heute erschien, wurde ihm zugejubelt, weil die Beschäftigten ihm vertrauen. Sie vertrauen eher weniger dem hier:

(https://abload.de/img/insolvenz4ujbl.png) (https://abload.de/image.php?img=insolvenz4ujbl.png)

Dr. jur. Andreas Schulte-Beckhausen von der Kanzlei Dr. Schulte-Beckhausen & Bühs. Die haben auch das Sicherheitsunternehmen KTD Night & Day aus Bad  Honnef beauftragt, um für Sicherheit zu sorgen:

Zitat11:19 Uhr: Die Schergen des sogenannten "Anwalts" Schulte-Beckhausen hindern uns weiterhin daran die Unterkünfte der Arbeiter zu begehen. Damit verstoßen sie gegen §2 BetrVG.

12:15 Uhr: Ca. 60 Spargelbäuer*innen haben heute auf dem Feld gearbeitet und würden gerne zu den Unterkünften zurückkehren um sich der Demo anzuschließen. Die Security weigert sich sie zurück zu bringen.

13:45 Uhr: Der Klassenfeind hat angekündigt das die Lohnauszahlungen die es heute Morgen nicht gab nun in den Unterkünften stattfinden, weil die Security uns davon abhält da rein zu kommen. Feudalismus 2020.

15:36 Uhr: Wir versuchen die Arbeiter*innen mit Vollmachten eines Anwalts auszustatten bevor sie zur Lohnauszahlung gehen. Wie es aussieht kriegen wir das Begehungsrecht juristisch durchgesetzt. Der Security Stiernacken macht aber immer noch Faxen.

15:38 Uhr: Einer unserer Dolmetscher wird von der Polizei festgehalten, warum ist unklar. Anscheinend Vorwürfe der Security.

16:15 Uhr: Der RockerAtzen Security sagt wir können nicht mit unserem Anwalt bei der Lohnauszahlung dabei sein, weil da läge viel Geld rum und wir oder unser Anwalt könnten das ja klauen.
Aus FAU Bonn Twitter

Hier wird einem Journalisten uff die Fresse angedroht:
https://twitter.com/d_pesch/status/1262375167466057733

Während nun mal mehr, mal weniger böse Bauern mit verbrecherischen Anwälten und Rockern versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen, vermeldete die zuständige Ministerin heute:

ZitatAus Rumänien hatte ich heute Arbeitsministerin Victoria Alexandru zu Besuch. Es ging um die Arbeits- + Infektionsschutzstandards bei Saisonarbeitskräften. Wir haben beide den hohen Wert der Arbeitnehmerfreizügigkeit betont + die Kontrolle der verabredeten Corona-Schutzmaßnahmen
https://twitter.com/JuliaKloeckner/status/1262375639136505861
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 12:15:15 Di. 19.Mai 2020
Solidarität vom Hambacher Forst!

ZitatAufruf zur praktischen Solidarität mit dem Sklavenaufstand in Bornheim!

In Bornheim, zwischen Köln und Bonn, spielt sich gerade einer der größten Skandale bezüglich Ausbeutung von Arbeiter:innen ab, die in Deutschland in den letzten Jahren öffentlich wurden. Man könnte von Sklaverei sprechen.

Was ist passiert?

Im März und April dieses Jahres hat die Firma Spargelritter in Bornheim mit folgenden Versprechen Saisonarbeiter:innen, vor allem aus dem rumänischen Sprachraum, geworben:
-10€/Stunde Netto
-Vereinbarung über die Tätigkeit als Erntehelfer
-Ordnungsgemäße Anmeldung zur Sozialversicherung
-Saubere Abrechnung
-Mittagessen oder Abendessen
-Mundschutz
-Handschutz
-Witterungsunabhängiges arbeiten im Tunnel
-Ordnungsgemäße Erfassung der Arbeitszeit
-8 Stunden-Tag

Hier könnte man schon stutzig werden, dass solche absoluten Selbstverständlichkeiten Leuten, die deutsches Arbeitsrecht nicht gut kennen, als große Besonderheit verkauft wird. Die Website, auf der das ganze beworben wurde, wurde inzwischen deaktiviert, es existieren allerdings Screenshots.

Am 15. Mai begannen die Arbeiter:innen, die mit diesem Versprechen gelockt wurden, spontan einen Streik. Die Gründe: Unbeheizte Unterkünfte, mangelnde Corona-Schutzmaßnahmen (teilweise nicht mal Masken), nicht trinkbares Wasser und ungenießbares Essen, aber vor allem, weil die versprochenen Löhne niemals ausgezahlt wurden! Am 17. Mai wurde bekannt, dass einige Arbeiter aufgefordert wurden, am nächsten Morgen ihre Unterkünfte zu verlassen. Der Lohn für einen Monat Arbeit: 150€. Später stellte sich heraus, dass einige noch weniger bekamen, teilweise nur 50€ für zwei Wochen. Ebenfalls am 17. Mai wurden die Arbeiter:innen abends einzeln bei Spargel Ritter ins Büro gebeten. Dort wurden sie von zwei Anwälten der Kanzlei Schulte-Beckhausen und Bühs, deren Anwalt Schulte-Beckhausen auch Insolvenzverwalter von Spargelritter ist und vermutlich die Verantwortung für den ganzen Scheiß trägt (Adresse: Oxfordstraße 2, 53111 Bonn) unter Druck gesetzt, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, den sie vorher nicht lesen durften. Eine Prüfung durch die Anwälte der FAU Bonn (der Gewerkschaft, die sich spontan bereit erklärt hat den Streik zu unterstützen, fette Probs) wurde verweigert. Die Arbeiter:innen durften keine Kopie des Schriftstück aus dem Büro mitnehmen. In dem Vertrag sollten die Arbeiter:innen unter anderem erklären, bereits drei Monate gearbeitet zu haben wie es der Vertrag vorsieht, obwohl es nur einer war. Bei Nicht-Unterzeichnung wurde mit Nicht-Zahlung des gesamten Lohn gedroht.
Heute ging es ähnlich weiter, einige Arbeiter:innen wurden mit 170€ abgespeist, andere ließen das nicht mit sich machen. Später hat die Buchhalterin bei der Lohnauszahlung sich in ihrem Büro verbarrikadiert, anstatt den Arbeiter:innen ihren rechtmäßigen Lohn zu zahlen. Schulte-Beckhausen drohte im nächsten Schritt damit, dass alle, die weiter streiken, keinerlei Lohn für die bisher geleistete Arbeit bekommen. Gewerkschafter:innen wurde währenddessen illegal der Zutritt in die Unterkünfte der Arbeiter:innen verweigert (nicht von den Arbeiter:innen, sondern im Auftrag von Schulte-Beckhausen). Später wurde einigen Arbeiter:innen nach der Arbeit auf dem Feld durch den Sicherheitsdienst (KTD Night&Day) verweigert, sie zurück zu den Unterkünften zu bringen, um zu verhindern, dass sie an einer Demo gegen diese Zustände teilnehmen. Es scheint in dem Unternehmen übliche Praxis zu sein, dass Arbeiter:innen mit Bussen zur Arbeit gefahren werden. Etwa 200 Arbeiter:innen wurden auf dem Feld festgehalten, die Fahrt zur Kantine verweigert. Später hat der Sicherheitsdienst die Arbeiter:innen in die Busse getrieben und dann in Lessenich (NICHT bei ihren Unterkünften, sondern halt irgendwo) rausgeschmissen.
Etwa gleichzeitig stellte sich heraus, dass in einer Unterkunft eine schwerverletzte Person lag, der Schulte-Beckhausen vermutlich die medizinische Versorgung verweigert hat. Presse und Gewerkschaft wird auch nach dieser Info der Zugang zu den Unterkünften verwehrt. Der Schwiegersohn des ehemaligen Eigentümers Ritter kommentierte die Situation mit ,,Lasst die Leute auf keinen Fall ohne Dolmetscher und euren RA [Rechtsanwalt] ins Büro! Die Secus sind kriminell und werden die Leute massiv unter Druck setzen! Irgendwas vertuschen die da drin!" Die Polizei unterstützt währenddessen die Ausbeuter, indem sie Dolmetscher festnimmt und bei der Lohnauszahlung Leute einschüchtert. Anwälte werden nicht zur Lohnauszahlung gelassen, weil sie ja ,,das Geld klauen könnten".

Die Infos dieser Kurzzusammenfassung stammen größtenteils von der Twitterpräsenz der FAU Bonn (https://twitter.com/FAUBonn), wo es auch regelmäßige Updates gibt.

Warum werden diese Infos gerade hier publiziert?

Die Waldbesetzung war nie ein reines Umwelt-Projekt. Es ging immer auch um einen generellen Kampf gegen jede Form der Ausbeutung. Niemand, der sich linken Ideen irgendwie verpflichtet fühlt, kann weg schauen, wenn in direkter Nähe so etwas passiert. Deshalb der Aufruf an alle, die sich irgendwie als links, anarchistisch, sozialistisch oder auch sozialdemokratisch verstehen oder einfach nur Wert auf Menschenrechte legen: Auf nach Bornheim oder Bonn und den Streik supporten.

Aber wie kann man jetzt helfen?


Dafür vernetzt euch am besten mit der FAU Bonn. Die ist vor Ort und hat viel Ahnung und Erfahrung bezüglich Arbeitskämpfen. Für andere kreative Aktionen hier die Adresse der Kanzlei, die die Insolvenzverwaltung/Betriebsleitung übernommen hat:

Rechtsanwälte
Dr. Schulte-Beckhausen & Bühs
Oxfordstraße 2
53111 Bonn

und noch eine Privatadresse:
Dr. Andreas Schulte-Beckhausen
Terrassenweg 21 A
53639 Königswinter – Thomasberg
Kennzeichen BN TD 28

Für Telefon/Fax/Mail-Terror erreicht ihr die Kanzlei unter:
Telefon: 0228 98521-0 (Die 0 gerne mal experimentell durch andere Ziffern ersetzen und schauen, welche Durchwahlen es sonst noch gibt)
Fax: 0228 98521-22
Mail: info@ra-sbb.de

Privat ist Herr Schulte-Beckhausen erreichbar unter der 02244 872737

Für die Hacktivisten unter euch hier noch die Website der Kanzlei: https://www.ra-sbb.de/

Die Zentrale des Sicherheitsdienstes, der die Drecksarbeit für Schulte-Beckhausen macht, ist zu finden:
KTD Night & Day
Floßweg 61b
53604 Bad Honnef

Und erreichbar unter:
Telefon: 02224 969606
Fax: 02224 969609
E-Mail: contact@ktd-nightday.de
Website: https://www.ktd-nightday.de/

Die Eigentümerfamilie und ehemalige Geschäftsleitung vor der Insolvenz hat mit dem Ganzen vermutlich recht wenig zu tun.
https://hambacherforst.org/blog/2020/05/18/aufruf-zur-praktischen-solidaritaet-mit-dem-sklavenaufstand-in-bornheim/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 12:28:40 Di. 19.Mai 2020
Vor dem Büro der ADWIN Consulting GmbH in Siegburg gab es heute morgen auch eine Forderung. Die Klitsche ist wohl direkt in die betrügerischen Verhandlungen verwickelt:

(https://abload.de/img/adwinvzjak.png) (https://abload.de/image.php?img=adwinvzjak.png)
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 21:27:29 Di. 19.Mai 2020
Zu der heutigen Entwicklung bei den Erntehelfern in Bornheim gibt es auf diesem Twitterkanal einige nette kurze Filmchen:
https://twitter.com/johnmalamatinas

Ob sich der Geschäftsführer der ADWIN Consulting GmbH darüber freut?

(https://abload.de/img/siegburgjmke7.png) (https://abload.de/image.php?img=siegburgjmke7.png)
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 14:28:05 Mi. 20.Mai 2020
Auch in Rumänien wird über den Kampf berichtet:

https://adz.ro/artikel/artikel/erntehelfer-weiter-kritik-an-arbeitsbedingungen
https://adevarul.ro/economie/stiri-economice/reactia-violetei-alexandru-protestele-muncitorilor-romani-aflati-cules-sparanghel-bonn-nu-accept-indrumari-de-bine-nimeni-1_5ec4b4bc5163ec4271f4784c/index.html

(https://pbs.twimg.com/media/EYVGGszXkAEXSnO?format=jpg&name=large)

(https://pbs.twimg.com/media/EYc6tccXkAAVM8z?format=jpg&name=medium)

Solidarität in Dresden:
(https://pbs.twimg.com/media/EYccF_IWoAALWab?format=jpg&name=large)

Kleiner Spontanprotest vor dem Landwirtschaftsministerium in Berlin:
(https://pbs.twimg.com/media/EYYhZp5XkAEriP2?format=jpg&name=small)

(https://pbs.twimg.com/media/EYVAtiNXYAku6QN?format=jpg&name=large)

https://youtu.be/qXt5TcpPoIQ
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 22:16:50 Do. 21.Mai 2020
ZitatSpanien ordnet Überprüfung auf Ausbeutung von Erntehelfern an
Der spanische Staat schickt Inspektoren auf die Höfe, um die Arbeitsbedingungen der Saisonarbeiter zu überprüfen und ob sie unter Druck gesetzt werden. Die Bauern sind über die Vorverurteilung empört.
https://www.topagrar.com/panorama/news/spanien-ordnet-ueberpruefung-auf-ausbeutung-von-erntehelfern-an-12067763.html

Es erinnert an das, was sich in Deutschland an den Schlachthöfen tut.
Der Staat hat sicherlich nicht plötzlich sein Herz für migrantische Arbeiter entdeckt. Die Ausbeuter haben den Bogen überspannt. Das wohlaustarierte Ausbeutungssystem droht ihnen um die Ohern zu fliegen.
Die Auseinandersetzungen in Bornheim sind eine Drohung, bzw. ein Hoffnungsschimmer. Er könnte sich ein Flächenbrand entwickeln.
Der Staat will genau das verhindern, indem die Ausbeuter ein wenig staatliche Kontrolle hinnehmen müssen, damit das gesamte Ausbeutungssystem weiterlaufen kann.

Ich kann meinen alten Vorschlag nur wiederholen: Wenn wir die Verhältnisse aufmischen wollen, müssen wir den Kontakt zu migrantischen Malochern suchen!
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: BGS am 06:35:01 Fr. 22.Mai 2020
Zitat von: Kuddel am 22:16:50 Do. 21.Mai 2020
... .

Ich kann meinen alten Vorschlag nur wiederholen: Wenn wir die Verhältnisse aufmischen wollen, müssen wir den Kontakt zu migrantischen Malochern suchen!

Wie wahr.

MfG

BGS
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 18:13:12 Fr. 22.Mai 2020
Nochmal Spargelhof Ritter in Bornheim: Hier ist ein Video von 2018 mit Aufnahmen von 2013/14 über die Unterbringung, teilweise wohl heimlich gefilmt. Das ist erst seit einer Woche in der Röhre. Keine Ahnung, was der Kommentator da redet, in der Beschreibung steht laut Googleübersetzung:

ZitatNach Gesprächen mit einigen Kollegen starb der 43-jährige Rumäne, nachdem er seine Arbeitgeber um Hilfe gebeten hatte, weil seine Brust und sein Herz sehr schmerzten. Nach einer Stunde der Barmherzigkeit fiel der Mann und ging in die andere Welt. Die Rumänen sagten, dass hier im Spargelhof Ritter in Bornheim vor etwa einem Monat ein weiterer 48-jähriger Rumäne gestorben ist und niemand weiß, warum und was mit seinem Körper passiert ist.

Aber so sieht es aus in der heilen Erdbeerwelt:

https://www.youtube.com/watch?v=3dnlQFEOb4U

In diesem Blog werden weitere Schweinereien dokumentiert:
https://aebs.org/blog/lagar-de-romani-langa-bonn-doi-morti-in-ultima-luna-nu-s-a-chemat-salvarea-video/

Unter anderem sind dort auch Arbeitsverträge und Mietverträge eingescannt (2018), z.B.

(https://abload.de/img/mietehljx7.png) (https://abload.de/image.php?img=mietehljx7.png)
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 19:33:05 Sa. 23.Mai 2020
ZitatDie Abwesenheit der zuständigen DGB-Gewerkschaft
Ausbeuterischem Spargeln den Sarg zunageln!

In der Nähe von Bonn zeigt sich gerade, zu welchen Spargel-Spitzenleistungen das deutsche Agrarkapital in der Lage ist, und wer dafür den Buckel krumm zu machen hat.
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/spargelernte-arbeitsrecht-2629.html (https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/politik/deutschland/spargelernte-arbeitsrecht-2629.html)

Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 12:27:52 So. 24.Mai 2020
Auch der AK hat sich dieser Auseinandersetzung gewidmet:
ZitatDer wilde Streik der rumänischen Feldarbeiter*innen in Bornheim zeigt, dass auch im System rassistischer Überausbeutung Kämpfe möglich sind
https://wirkommen.akweb.de/bewegung/der-streik-bei-spargel-ritter/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Nikita am 14:31:17 So. 24.Mai 2020
Rumänische Erntehelfer demonstrieren am Bonner Bertha-von-Suttner-Platz am 19.05.20

https://www.youtube.com/watch?v=oO4yz1S0PtQ

vom Kanal "Einsatzfahrten und so"

"Am 19.05.2020 gegen 13:00 Uhr trafen ca. 20 rumänische Erntehelfer vor der Kanzlei des Insolvenzverwalters in der Oxfordstraße am Bertha-von-Suttner-Platz im Bonner Zentrum ein, um mit ca. 30 Vertreter der anarchistischen Gewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union, die bereits seit dem Morgen vor der Kanzlei demonstrierten, für Ihren Lohn bei Spargel Ritter zu kämpfen. Gegen 13:45 Uhr zogen alle gemeinsam über den Bertha-von-Suttner-Platz bis zum  rumänischen Konsulat im Legionsweg. Dort durften 10 Demonstranten in die Botschaft, um mit den Diplomaten zu sprechen. Das Konsulat nahm Kontakt zum rumänischen Landwirtschaftsministerium auf, deren Mitarbeiter den Arbeitern helfen möchten. Die Demonstration endete am Konsulat."
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 15:09:10 So. 24.Mai 2020
Die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru hat die kämpfenden ArbeitInnen in Bornheim besucht. Die Rumänischen Medien sind voll mit Berichten darüber.

Ein deutscher Bericht:
https://www.rundschau-online.de/region/bonn/bornheim/spargelstreit-in-bornheim-rumaenische-ministerin-sagt-erntehelfern-unterstuetzung-zu-36730874
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 13:29:28 Mo. 25.Mai 2020
Dem Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhaus droht weiteres Ungemach:
Zitat
Nach den gravierenden Unregelmäßigkeiten bei der Behandlung von Saisonarbeiter*innen auf dem in Insolvenz befindlichen Landwirtschaftsbetrieb ,,Spargel-Ritter" in Bornheim bei Bonn wurde vom Bundestagsabgeordneten Dr. Alexander Neu bei der Staatsanwaltschaft Bonn Strafanzeige gegen den Insolvenzverwalter gestellt. (...)
https://www.dielinke-nrw.de/start/aktuell/detail/news/spargel-ritter-linke-stellt-anzeige-gegen-insolvenzverwalter/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 15:52:54 Mo. 08.Juni 2020
Die unschuldige und ehrenwerte Familie Ritter vom Spargelhof Ritter in Bornheim:

Zitat
8.6.20
Erschreckende Einblicke in die Erntehelfer-Branche

(...)
Bei den Protesten war auch der Besitzer des insolventen Betriebs Claus Ritter dabei. Er kritisierte den Insolvenzverwalter scharf und erklärte in der Lokalzeit aus Bonn, dass er das ganze Chaos nicht nachvollziehen könne: "Wir haben die Leute seit 25 Jahren. Das sind immer die gleichen Leute, die da jedes Jahr kommen. Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt."

Gab es nie Probleme mit Erntehelfern?
Sie sei fast vom Hocker gefallen, als sie diese Aussage von Claus Ritter im Fernsehen gesehen habe, erzählt Ursula Heß. Seit fünf Jahren arbeitet sie im Büro für die Eheleute Ritter. Sie sagt, die rumänischen Erntehelfer seien immer schlecht behandelt worden.
(...)
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/einblicke-erntehelfer-branche-100.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Nikita am 17:19:43 Mo. 08.Juni 2020
Die Recherche klingt so gruselig, dass ich sie noch mal als Fullquote reinstelle:

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/einblicke-erntehelfer-branche-100.html

Erschreckende Einblicke in die Erntehelfer-Branche
Von Tobias Al Shomer

Dieser Artikel ist eine gemeinsame Recherche des WDR Landesstudios Bonn und des General-Anzeigers Bonn

Es waren Bilder, die deutschlandweit Schlagzeilen gemacht haben: rumänische Erntehelfer protestieren vor dem Spargel- und Erdbeerhof Ritter in Bornheim. Angeblich, weil sie zu wenig Lohn erhalten hätten. Der Betrieb ist pleite. Der Insolvenzverwalter erklärt aber gegenüber dem WDR und General-Anzeiger, dass alle Erntehelfer vertragsgemäß bezahlt worden seien.

Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim | mehr
Bei den Protesten war auch der Besitzer des insolventen Betriebs Claus Ritter dabei. Er kritisierte den Insolvenzverwalter scharf und erklärte in der Lokalzeit aus Bonn, dass er das ganze Chaos nicht nachvollziehen könne: "Wir haben die Leute seit 25 Jahren. Das sind immer die gleichen Leute, die da jedes Jahr kommen. Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt."

Gab es nie Probleme mit Erntehelfern?
Sie sei fast vom Hocker gefallen, als sie diese Aussage von Claus Ritter im Fernsehen gesehen habe, erzählt Ursula Heß. Seit fünf Jahren arbeitet sie im Büro für die Eheleute Ritter. Sie sagt, die rumänischen Erntehelfer seien immer schlecht behandelt worden.

WhatsApp-Nachricht vom 10. Mai 2017. "Frau Ritter zahlt jetzt die 15 Leute von heute Morgen aus, mit 4 Mann von der Security im Rücken."Whats App-Nachricht der Mitarbeiterin
Bei Auszahlungen in den letzten Jahren seien immer Polizei und Sicherheitsdienst mit dabei gewesen. Als Beleg zeigt sie uns eine Whats App-Nachricht, die sie am 10. Mai 2017 an ihren Ehemann geschrieben hat: "Frau Ritter zahlt jetzt die 15 Leute von heute Morgen aus, mit 4 Mann von der Security im Rücken (...)"

Auch sonst sei der Umgang ruppig gewesen. Besonders in Erinnerung geblieben, ist ihr ein Vorfall aus dem Sommer 2018: "Da wollte ein Mann unbedingt nach Hause. Ich weiß nicht mehr, was der Grund war, aber er hatte offensichtlich große Probleme. Dem wurde das abgewiesen und dann griff er hier durch das offene Fenster in meinem Büro, nahm sich meine Büroschere und schlitzte sich damit den kompletten Oberarm auf. Nach dem Motto: wenn ich verletzt bin kann ich nicht mehr arbeiten und dann müsst ihr mich nach Hause schicken." Weitere Kollegen bestätigen diesen Fall.

Abgelaufenes Kantinen-Essen
Monika Blank bestätigt das. Sie hat als Küchenkraft auf dem Hof gearbeitet. Das Mindeshaltbarkeitsdatum der Lebensmittel sei immer wieder abgelaufen gewesen, sagt sie. Trotzdem seien die verarbeitet worden. Noch heute schaudert es sie, wenn sie an tiefgekühlte Hähnchen zurückdenkt: "Also das waren diese kleinen Hähnchenkeulen. Die waren im Gefrier 3 Jahre abgelaufen. Die Anweisung war halt, noch mal gut zu waschen. Salz, Pfeffer und gut zu würzen. Damit die Leute das halt nicht merken. Irgendwo hatte man ein schlechtes Gewissen, aber irgendwie denkste Dir: ok, mach es einfach. Weil Du irgendwie immer diesen Druck gekriegt hast. Irgendwann gibst Du es auf und sagst gar nichts mehr dazu. Du nimmst es einfach irgendwie hin." Weitere Kollegen bestätigen diese Zustände in der Küche.

Ritter weist Vorwürfe zurück
Die Anschuldigungen zur Küche weist Claus Ritter auf Anfrage des WDR zurück. Es habe immer gutbürgerliches Essen gegeben, das neben den Erntehelfern auch die anderen Angestellten und seine Familie sowie er selbst gegessen hätten.

Claus Ritter.Claus Ritter weist die Vorwürfe zurück
Den Vorfall mit der Schere bestätigt er: "Durch unsere übertarifliche Bezahlung hatten die Erntehelfer schnell Ihren Lebensunterhalt verdient und versuchten bereits weit vor Vertragsende abzureisen. Bei den dann geführten Gesprächen Zwecks fristgerechten Verbleib in unserem Betrieb, da wir in der Ernte auf die Kräfte angewiesen waren, kam es zu dem von Ihnen erwähnten Zwischenfall mit der Bastelschere." Der Mann habe aber nicht Mal einen Arzt aufsuchen müssen und sich am nächsten Tag entschuldigt. Er habe auch in den Folgejahren weiter auf seinem Hof gearbeitet.

Die Containerunterkünfte neben dem Spargelfeld.Feldarbeiter protestieren03:09 Min. Verfügbar bis 19.05.2021Eine Halle des Spargelhofs Ritter mit einer Erdbeerfigur auf dem Dach.Halle des Spargelhofs
Ein anderes Bild zeichnet eine Kontrolle des Zolls Mitte Oktober 2018. Am Firmensitz und im privaten Wohnhaus in Bonn-Endenich gab es Hausdurchsuchungen. Aus dem Einsatzbericht, der WDR und General-Anzeiger vorliegt, geht hervor, dass mutmaßlich Erntehelfer den Zoll verständigt hatten. Im Bericht steht: "In Zusammenhang mit verzögerten Lohnzahlungen wurden die Beschuldigten und der Rechtsanwalt auf den Nötigungstatbestand hingewiesen, da Arbeitnehmer wegen der fehlenden Entlohnung nicht in ihr Heimatland abreisen können."

Gefälschte Papiere für Sozialversicherung
Brisanter dürfte für die Eheleute der Fund diverser Siegel und Stempel damals sein. Offenbar stehen die im Zusammenhang mit Formularen ausländischer Sozialversicherungsträger. Ursula Heß erinnert sich, dass sie an dem Tag gar nicht im Büro war: "Ein paar Tage später hat mir die Frau Ritter verzweifelt erzählt, mit Tränen in den Augen, dass sie richtig Angst hat und dass sie befürchtet, dass da noch was ganz Schlimmes auf sie zukommt. Sie hätten diverse Papiere, die die Rumänen im Grunde benötigen, um hier arbeiten zu können, gefälscht. Hätten also da diverse Stempel zu Hause gehabt von diesen verschiedenen rumänischen Distrikten (...) und hätten dann mehr oder weniger die Papiere selber ausgefüllt für die Rumänen mit rumänischen Stempeln, Siegelstempel versehen."

Rumänische Erntehelfer dürfen unter bestimmten Voraussetzungen in einem Zeitraum von 90 Tagen sozialversicherungsfrei in Deutschland arbeiten. Ursula Heß hat die Anmeldung der Rumänen auf Anweisung von Sabine Ritter bearbeitet. Sie sagt, auf dem Hof habe es ein eigenes System gegeben: "Dann ist aber irgendwann Mal durchgesickert. Ja, ja, die fahren dann nach Hause nach ihren 90 Tagen, weil sie auch die Familie Mal sehen möchten und kommen dann mit nem anderen Ausweis und anderen Papieren aber selber wieder und sind dann halt unter anderem Namen wieder für 90 Tage hier."
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 22:42:16 Mo. 08.Juni 2020
Auch der investigative Generalanzeiger aus Bonn berichtet aktuell von Spargelritter:

Zitat8.6.20
Einreise unter falscher Identität

Zollbericht belegt: Schon 2018 Missstände bei Spargel Ritter

Bornheim/Bonn Ein alter Zoll-Bericht belegt Missstände bei Spargel Ritter: Schon 2018 kam es zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Lohns und Saisonarbeiter reisten unter falscher Identität erneut ins Land ein. Das ergaben gemeinsame Recherchen des GA und des WDR Landesstudios Bonn.

Der insolvente Bornheimer Erdbeer- und Spargelhof Ritter kommt nicht zur Ruhe. Während der Proteste rumänischer Erntehelfer Mitte Mai wegen angeblich ausstehender Lohnzahlungen und hygienischer Mängel in der Unterkunft sprachen Ritters in einer Stellungnahme auf Facebook noch von einem ,,bis Dato gut funktionierenden und sauber geführten Familienbetrieb". Zu verstehen sind diese Worte als deutliche Kritik am Bonner Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen, der die Geschäfte im Zuge der Insolvenz seit dem Frühjahr führt und Claus Ritter wegen Unruhestiftung Hausverbot auf dem Betriebsgelände erteilt hatte.

In einem Beitrag der WDR-Lokalzeit Bonn zu den Protesten ist Claus Ritter zu sehen, wie er sagt: ,,Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt." Gemeint sind die rumänischen Erntehelfer. Eine Aussage, die nach gemeinsamen Recherchen von General-Anzeiger und WDR-Landesstudio Bonn unhaltbar ist. Denn was er verschweigt, was aber mehrere ehemalige Ritter-Mitarbeiter nun berichten, ist: Vor etwa zwei Jahren rammte sich einer der Saisonarbeiter eine Schere in den Arm. Das soll eine Tat aus Verzweiflung gewesen sein, weil Ritters ihn genötigt hätten, zu bleiben, um das Geld für seine An- und Abreise abzuarbeiten.

Der Bericht eines Zoll-Einsatzes bei Ritter aus dem Oktober 2018, der GA und WDR vorliegt, belegt, dass es schon damals zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Lohns kam. ,,Im Zusammenhang mit verzögerten Lohnzahlungen wurden die Beschuldigten und der Rechtsanwalt auf den Nötigungstatbestand hingewiesen, da Arbeitnehmer wegen der fehlenden Entlohnung nicht in ihr Heimatland abreisen können", heißt es in dem Zoll-Bericht. Und weiter: Ritter habe zugesagt, die Lohnzahlungen ,,umgehend vorzunehmen".

Gleichwohl ermittelt die Staatsanwaltschaft nach Informationen von GA und WDR gegen Claus Ritter und seine Frau Sabine seit 2018 wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Zudem gibt es ein Ermittlungsverfahren, das sich um illegale Geschäfte mit Oldtimern dreht.

Bei dem Einsatz an Ritters Privatanschrift stellte der Zoll laut Bericht ferner einen nicht registrierten Revolver samt Munition und eine Schreckschusswaffe sicher. Auch rückte eine mit Siegeln und Stempeln gefüllte Stofftüte ins Visier der Fahnder. Ritter hatte während des Einsatzes vergeblich versucht, diese zu verstecken, indem er sie unter einen Anhänger mit Brennholz warf.

Auf die Tüte von den Fahndern angesprochen, sagte Ritter laut Bericht, ,,dass die einen Briefmarken sammeln und der andere das", also die Stempel. Zudem müssten die Ermittler die dazu gehörigen Dokumente haben – und die fänden sie nicht.

Die Frage drängt sich auf, ob Ritter die Stempel möglicherweise dazu genutzt haben könnte, um Dokumente der rumänischen Erntehelfer zu fälschen. Denn nach Informationen von GA und WDR war es bei Ritter Praxis, dass Saisonarbeiter nach spätestens drei Monaten das Land verließen und unter falscher Identität wieder einreisten. Auf diese illegale Weise sollten Steuern und Abgaben gespart werden. Aus dem Umfeld das Betriebs wird dies von verschiedenen Seiten bestätigt.

So sei auch stets Unruhe ausgebrochen, wenn ein Erntehelfer medizinische Versorgung brauchte. Denn man habe nicht gewusst, mit welchen Papieren der Betroffene zum Arzt gebracht werden sollte, erzählt ein Mensch, der es wissen muss, aber anonym bleiben will. Diese Person berichtet zudem von einem ,,schlimmen Umgang" mit den Erntehelfern bei Ritter. Den Angaben zufolge waren aber auch Erntehelfer Teil des Problems, besonders die ,,Clans", die angereist seien. ,,Wenn die gesagt haben, es wird nicht gearbeitet, wurde nicht gearbeitet." Schon immer sei es so gewesen, dass rumänische Erntehelfer der Meinung waren, dass sie zu wenig Geld bekommen. ,,Die waren immer am Pokern". All diese Schilderungen stehen in deutlichem Widerspruch zu den Äußerungen der Ritters auf Facebook und im Fernsehen, nach denen es Probleme mit den Erntehelfern erst seit der Insolvenzverwaltung in diesem Jahr gegeben haben soll.

Zu dem Einsatz des Zolls und den Ermittlungen gegen ihn äußert sich Claus Ritter indes nicht. Den Vorfall mit dem Erntehelfer, der sich eine Schere in den Arm gerammt haben soll, bestätigt er jedoch. Seine Version lautet wie folgt: Durch die ,,übertarifliche Bezahlung" hätten die Erntehelfer schnell Ihren Lebensunterhalt verdient und ,,bereits weit vor Vertragsende", versucht abzureisen. ,,Wie sich Menschen mit gesundem Verstand vorstellen können, musste die durch die Bastelschere entstandene ,,Verletzung" nicht ärztlich behandelt werden", äußert sich Ritter schriftlich. Bereits einen Tag nach diesem Vorfall habe sich der Erntehelfer ,,aufrichtig" entschuldigt. Bis heute komme er jedes Jahr in den Betrieb zurück.
https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/spargel-ritter-aus-bornheim-schon-2018-wurde-lohn-zu-spaet-ausgezahlt_aid-51549287

Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 14:14:37 Mo. 22.Juni 2020
Zitat Verschweigen, verdrängen, ignorieren

Die Ausbeutung osteuropäischer Wanderarbeiter*innen findet wenig Aufmerksamkeit – in Bornheim war das anders. Was folgt daraus?


(https://wirkommen.akweb.de/wp-content/uploads/2020/06/streik_bornheim-700x471.jpg)
Als juristischer Nachklapp der Ereignisse in Bornheim bleiben jetzt noch rund 150 bis 200 Einzelverfahren um ausstehenden Lohn.

er Pulverdampf hat sich innerhalb einer Woche verzogen, die meisten rumänischen Erntehelfer*innen sind entweder zurück nach Hause gereist oder haben bei anderen Landwirtschaftsbetrieben angeheuert. Jetzt sind die 180 Wohncontainer, in denen sie in drei Zeilen übereinander gestapelt hausten – abgezäunt und von Security bewacht, versteckt, isoliert und vergessen zwischen Bahndamm, Roisdorfer Klärwerk und Friedhof –, wieder verlassen. Die Europäische Union hat dem »Bornheimer Spargel« 2014 den Titel »geschützte geografische Angabe« verliehen. Die Region zwischen Köln und Bonn ist bekannt für ihre fruchtbaren Böden, was große Chemiekonzerne wie Shell, Evonik oder LyondellBasell nicht daran hindert, diese systematisch zu verseuchen. (1) Der Beliebtheit des Spargels hat es bis jetzt nicht geschadet.

Während die EU die Bornheimer Spargelbauern und -bäuerinnen also mit einem Siegel vor unlauteren Wettbewerbern schützt, schuften diejenigen, die im Mai die Ernte einbringen, abseits öffentlicher Wahrnehmung, unbeobachtet auch vom trägen Auge des Gesetzes. Für die rumänischen Erntehelfer*innen aus verarmten Regionen wie Banat und Transsylvanien hat die EU höchstens individuelle Sonderbetreuung und Beratung in Form des Projekts »Faire Mobilität« parat: Muttersprachliche Akademiker*innen leisten individuelle Rechtsberatung und Betreuung. Gewerkschaftliche Organisierung, Proteste, Streiks und Arbeitskämpfe sind eher nicht ihr Ding.

Diesmal kam die »Faire Mobilität« zu spät. Am Freitag, den 15. Mai 2020, legten 100 bis 300 Erntehelfer*innen in Bornheim bei Bonn unter Protest die Arbeit nieder. Bereits am Montag, den 18. Mai, folgten rund 150 bis 200 Unterstützer*innen einem Aufruf anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter*innen Union Bonn (FAU) und demonstrierten vor der Unterkunft der Erntehelfer*innen.

Die Mobilisierung war beeindruckend. Den Anstoß gab eine schnelle, intensive Lokalberichterstattung durch General-Anzeiger, Rheinische Post und Express, denen im Lockdown nach echten Ereignissen dürstete. Die FAU Bonn baute spontan Kontakt auf zu den Arbeiter*innen, organisierte praktische Hilfe und mobilisierte – neben vielen anderen. Kurzfristig kamen Leute aus Köln, Bonn, Düsseldorf, sogar Frankfurt und Essen zusammen, die froh waren, in Zeiten des Lockdowns einen Ansatzpunkt für sinnvolle Intervention zu finden: angewandte Solidarität, Anti-Rassismus und Arbeitskampf. Gemeinsam mit den Betroffenen zog das Protestgemisch an jenem Montag lautstark vom Container-Lager zur Zahlstelle und konnte dort durchsetzen, dass der Bonner Rechtsanwalt Harald Klinke sowie rumänisch-deutsche Übersetzer*innen die anstehenden Lohnauszahlungen begleiteten. Sie konnten verhindern, dass die Arbeiter*innen dubiose Quittungen unterzeichneten, mit denen sie weitere Forderungen abtraten.

Ein Lehrstück des institutionellen Rassismus


Der Streik war ausgebrochen, als der Bonner Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen, der das Pleite-Unternehmen Sabine & Claus Ritter GbR bereits seit Anfang März 2020 leitet, am Ende für einen Monat Arbeit nur 200 bis 250 Euro rausrücken wollte. Um die letzte Ernte in Zeiten von Corona noch einzubringen, hatte Schulte-Beckhausen aber für mehrere Wochen Arbeit wohl rund 2.000 Euro in Aussicht gestellt.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ließ die Rumän*innen mitten im Lockdown per Sonderregel extra über Düsseldorf einfliegen. Als die Lohntüte nur ein Zehntel der erhofften Summe aufwies, platzte den Leuten der Kragen, die zuvor ohne Heizung die Eisheiligen überstehen mussten, verschimmeltes Essen serviert bekamen und neben Müllbergen wohnten, die nicht entsorgt wurden, von Infektionsschutz und Hygiene, selbst regelmäßig gereinigten sanitären Einrichtungen ganz zu schweigen. Vor allem wussten die Arbeiter*innen nicht, wie sie ohne ihren rechtmäßigen Lohn überhaupt nach Hause kommen sollten. Vielen drohte die Obdachlosigkeit.

    Um das Gespenst wilder Streiks von Wanderarbeiter*innen zu bannen, setzt die EU vor allem auf Soft Power.

Der Bornheimer Spargelstreik ist ein Lehrstück des industriellen und institutionellen Rassismus in Zeiten der EU-Osterweiterung, ebenso wie für plötzlich aufflammende, spontane Arbeiterproteste, die nach 120 Jahre alten syndikalistischen oder revolutionär-unionistischen Mustern verlaufen. Nur wenig unterschied das Szenario von historischen Streiks wie dem Free Speech Fight in Fresno, Kalifornien, im Jahr 1910. (2) Statt auf Seifenkisten zur Menge zu sprechen, wie es damals Joe Hill und Frank Little taten, sprechen die Wortführer*innen heute lautstark und empört in Handies, die das Geschehen auf Facebook, Youtube und Twitch in die Welt streamen.

Doch so schnell die Emotionen überborden und rumänische Wanderarbeiter*innen plötzlich schwarz-rote Fahnen schwenken, so schnell zerstreuen sich die Leute auch wieder und dies – so meine Befürchtung – ohne erkennbaren Nachhall oder organisatorische Verankerung. Eine Erkenntnis, die 1910 schon frustrierte. Um das Gespenst wilder Streiks von Wanderarbeiter*innen zu bannen, setzt die EU vor allem auf Soft Power. Entstehende Risse im Herzen der EU sollen heute möglichst schnell oder sogar präventiv gekittet werden – gerne auch durch ehemals linkes, »progressives« Personal, dessen Projekte der EU-Sozialfonds und gewerkschaftsnahe Fördertöpfe recht großzügig finanzieren. (3) Schon durch deren üppig bezahlte Stellen entsteht eine scharfe Trennung zwischen Betreuer*innen und Betreuten sowie zwischen Forscher*innen und Erforschten. Die Praxis dieser Projekte verschärft diese Grenze. Es geht nicht um gemeinsame Kämpfe, Mobilisierung, gar Aufruhr – also Grenzüberschreitung –, sondern um Einhegung und Einzelfallbetreuung durch Profis. Am Ende landet alles vor Arbeitsgerichten und manche Betroffene dürfen sich über finanzielle Trostpflaster freuen. Aber es ändert sich nichts.

Was wir für die Zukunft lernen könnten


Als juristischer Nachklapp der Ereignisse in Bornheim bleiben jetzt noch rund 150 bis 200 Einzelverfahren um ausstehenden Lohn. Die FAU prüft mit Anwalt Harald Klinke außerdem, ob der Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen kriminell handelte. Er hatte gemeinsam mit Andreas Willems (Adwin Consulting GmbH) per Video zunächst auch deutsche Erntehelfer*innen angeworben und ihnen einen Stundenlohn von 10 Euro in Aussicht gestellt. Seine massenhafte Anwerbung aus Rumänien – trotz Pleite – wirkt wie Betrug, die Unterbringung mindestens sittenwidrig.

Es bleiben zudem – kurz skizziert – folgende Lehren:

Erstens: In Deutschland existiert eine Schattenarmee, die wesentliche Teile der Produktion stemmt. Arbeiter*innen aus Osteuropa sind anzutreffen in den Bereichen Landwirtschaft, Fleisch-Industrie, Schiffbau (Meyer-Werft), Reinigung, häusliche Pflege, Bau-Industrie. Die Arbeits- und Wohnbedingungen dieser Menschen – meist Werkverträge, Leiharbeit, Saisonarbeit – sind weitgehend unbeachtet und unbekannt. Der industrielle Rassismus besteht vor allem in systematischer Ungleichbehandlung, Ausbeutung, Rechtsnihilismus und Vertuschung.

Zweitens: Wir dürften uns nicht durch liberale Multi-Kulti-PR täuschen lassen, die für Ausbeuter*innen wie den Schweine-Baron Clemens Tönnies und viele andere inzwischen zum guten Ton gehört. Der industrielle Rassismus hat nichts gegen Ausländer*innen, solange sie brav den Platz einnehmen, der für sie vorgesehen ist. Für die Masse sieht er einen Platz ganz unten in der Verwertungskette vor.

Drittens: Diese industrielle Schattenarmee und das verschämte Verschweigen ihrer Existenz – obwohl es eigentlich alle wissen (können) – hat ihre direkten Vorläufer in der Zwangsarbeit, die im 1. Weltkrieg begann und im 2. Weltkrieg perfektioniert wurde. Danach kamen die »Fremdarbeiter«, die zu »Gastarbeitern« wurden. Heute: Werkverträge, Leiharbeit, sachgrundlose Befristung. Das Verschweigen, Verdrängen, Ignorieren ist eine überlieferte Verhaltensweise.

Viertens: Die Grundlage des industriellen Rassismus ist die Zerstörung vormals intakter Regionen: de-industrialisierte, bankrotte, privatisierte und von Land-Grabbing betroffene EU-Regionen vor allem Bulgariens und Rumäniens. Viele Obdachlose und Bettler*innen in deutschen Städten dürften eine Vorgeschichte als Wanderarbeiter*innen haben, die vom System angesogen, ausgepresst und wieder ausgespuckt wurden. Da sie als EU-Staatsbürger*innen Freizügigkeit genießen, haben sie zwar einerseits ein Recht hier zu bleiben, genießen aber andererseits viel weniger Aufmerksamkeit und Sympathie als Geflüchtete.

Fünftens: Die Behörden greifen nicht ein. Sie sehen zu, auch wenn offensichtlich rechtswidriges Verhalten, Straftaten und sogar organisierte Kriminalität selbst für Laien schon erkennbar sind. Zudem sind wichtige Kontrollinstanzen systematisch unterversorgt mit Personal und Ressourcen. Die Folge sind Rechtsnihilismus, Straflosigkeit bis hin zu mafiösen Strukturen.

Sechstens: Die EU ist ein hoch aggressives Gebilde, kein fortschrittliches Projekt. Sie verschleiert ihren ausbeuterischen, rassistischen Charakter durch Methoden der Soft Power.

Und schließlich: Wo wohnen die Wanderarbeiter*innen? Der erste Schritt, um die Verhältnisse irgendwann verändern zu können, besteht im Sichtbarmachen – wie in Bornheim etwa durch die Lokalpresse geschehen. In Zukunft wären Eigenrecherche und Kartografierung vonnöten. Die Peripherie ist derzeit unerforscht: Ostwestfalen, Niederrhein, Bornheim und so weiter. Der Schritt muss dann sein: Kontaktaufnahme mit Hilfe von Muttersprachler*innen.

Es bleibt abzuwarten, ob der Bornheimer Spargelstreik nur ein heller Moment in der Corona-Krise war, der durch das unwahrscheinliche Zusammentreffen günstiger Faktoren möglich wurde. Wünschenswert wäre das Gegenteil: Eine neue Welle sozialer Kämpfe in dieser Richtung. Lernen wir Rumänisch!

Elmar Wigand

Elmar Wigand ist Pressesprecher der aktion ./. arbeitsunrecht.

Anmerkungen:
1) Shell betreibt in Godorf und Wesseling die größten Raffinerieanlagen Deutschlands, gebaut noch unter dem NS-Fliegergeneral Hermann Göring. Auch viele Rohre sind noch aus dem Jahr 1941. Am 30.5.2012 gab Shell bekannt, dass zuvor etwa eine Million Liter Kerosin durch eine defekte Leitung in den Boden geströmt waren. Seit 2015 warnt die Stadt Köln die Bewohner*innen der südlichen Stadtteile Rondorf, Immendorf, Hahnwald, Poll und Porz davor, das Grundwasser zu trinken oder zum Pflanzengießen zu verwenden. Es ist mit PFC verseucht und gilt als krebserregend. Ursache: unklar.
2) Fresno war ein Zentrum der kalifornischen Landwirtschaft. Die IWW setzte das Recht der freien öffentlichen Rede ab 1910 im fruchtbaren San-Joaquin-Tal durch, um Erntearbeiter*innen agitieren zu können. Matthew S. May: Hobo Orator Union. The Free Speech Fights of the Industrial Workers of the World, 1909-1916 (PDF) (Ph.D). University of Minnesota 2009, S. 51 ff.
3) Besonders gerne tragen diese Projekte das Wort »Fair« im Namen: Faire Mobilität, IG Werkfairträge, Fair im Betrieb / Work watch.
https://wirkommen.akweb.de/politik/verschweigen-verdraengen-ignorieren/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 10:45:30 Mi. 08.Juli 2020
ZitatRechtsstreit nach Pleite in Bornheim
Alter Porsche von Ritter sorgt für Streit vor Gericht

Der Prozess um den Verkauf eines Sportwagens gibt Einblicke in die Autogeschäfte eines Bornheimer Landwirtes – auch wenn dieser gar nicht am Verfahren beteiligt ist.


Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt gegen den Landwirt Claus Ritter wegen mutmaßlich illegalen ,,Fahrzeugfinanzierungsgeschäften". Ob es dabei auch um den folgenden Fall geht, ist unklar. Trotzdem wirft der Zivilprozess, der am Freitag am Landgericht Köln begann, ein Schlaglicht auf Ritters Machenschaften rund um teure Autos. In dem Prozess geht es nicht direkt um Ritter und dessen Bornheimer Erdbeer- und Spargelhof. Dieser steht seit März unter Insolvenzverwaltung.

Vielmehr beansprucht in dem Verfahren ein Unternehmen, das auf Leasing und Finanzierung von Luxusautos spezialisiert ist, das Eigentum an einem Porsche 964.

Die Situation bei Spargel Ritter

Der Bornheimer Spargel- und Erdbeerhof Ritter steht seit März dieses Jahres unter Insolvenzverwaltung. Mitte Mai demonstrierten überwiegend aus Rumänien stammende Saisonarbeiter gegen angeblich ausstehenden Lohn und schlechte Unterbringung. In Bonn marschierten sie zum rumänischen Konsulat. Aufs Feld nach Bornheim kam sogar die rumänische Arbeitsministerin. Daraufhin wurde die Ernte vorzeitig abgebrochen, Ritter bekam von Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen Hausverbot.

Indes ist Ritter nicht nur wegen mutmaßlich illegaler Finanzierung von Fahrzeug ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Nach Informationen von GA und WDR  ermittelt sie seit 2018 auch wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug.

2016 hatte ein Zahnarzt den Porsche gekauft


Diesen hat ein Zahnarzt aus dem Rheinland 2016 für eine halbe Million Euro von Ritter gekauft. Laut dem Anwalt des Unternehmens, dessen Vorstandschef auch bei der Verhandlung anwesend war, sei Ritter allerdings gar nicht dazu berechtigt gewesen, das Auto zu verkaufen.
(...)
Ritter soll bis zu 86 Oldtimer besessen haben

Der Fall mit dem Porsche sei so, ,,als ob der Mieter eine Wohnung verkauft und dann dem Eigentümer sagt: Pech gehabt", sagte der Anwalt des Finanzdienstleisters vor Gericht. Merkwürdig sei zudem, dass der Zahnarzt das Auto in bar bezahlt habe. Insgesamt werde momentan nach insgesamt einem Dutzend verschwundener Autos gesucht, die Ritter finanziert habe. Deren Wert belaufe sich auf etwa 15 Millionen Euro – ,,konservativ geschätzt". ,,In der Spitze" sei Rittter Besitzer von 86 Oldtimern gewesen.

Damit der Zahnarzt den Porsche 964 – nach GA-Informationen Baujahr 1993 und damit übrigens noch kein Oldtimer – behalten darf, soll er nun nach dem Willen des Finanzdienstleisters 600 000 Euro zahlen.
(...)
https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/voreifel-und-vorgebirge/spargel-ritter-rechtsstreit-um-porsche_aid-52016807
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 12:42:03 Do. 09.Juli 2020
ZitatÄrger auf den Feldern
Proteste von Saisonarbeitskräften in Ladenburg

Saisonarbeitskräfte haben am Montag in Ladenburg ihrem Ärger über zu wenig Lohn Luft gemacht. Einige sagen, dass sie am Monatsende gerade Mal 150 Euro in der Tasche haben.


Es sind harte Vorwürfe, die von einigen Erntehelfern an der Bergstraße kommen. Der Hegehof - einer der größten Obst und Gemüsehöfe an der Bergstraße, zahle zu wenig. Dieter Hege weist das entschlossen zurück. Er bezahle den Mindestlohn von 9,35 Euro - genau das, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Viele seiner Arbeiter seien damit zufrieden, sagte er dem SWR. Er sieht den Grund für den Streit in der aktuellen Situation.

Wer in dieser Saison aus Rumänien nach Deutschland kam, konnte das nur unter erschwerten Bedingungen. Üblicherweise würden Busfahrer die Erntehelfer bringen. Diese Fahrer würden als Vermittler eingesetzt, um den Arbeitern die Vorgehensweisen sowie die Bezahlungsmodalitäten zu erklären.

Vermittler für die Erntehelfer in der Kritik

In diesem Jahr kamen andere Erntehelfer per Flugzeug und auch die Vermittler waren andere. Diese fürchten nun den Zorn der Arbeiter. Eine Vermittlerin ist aus Angst mit ihrer Familie wieder unterwegs zurück nach Polen.

Die Arbeiter, die jetzt protestiert haben, sollen den regulären Stundenlohn bekommen haben. Wenn sie aber ihre Steuer-Identifikationsnummer nicht angegeben hatten, wurden sie in Steuerklasse 6 eingestuft, heißt es von Seiten des Hofes. Dann blieben ihnen 600 Euro im Monat. Davon wurden noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/ladenburg-aerger-um-erntehelfer-am-hegehof-100.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 10:13:23 Di. 21.Juli 2020
Zitat Spargel- und Erdbeerernte
"Arbeitgeber wetten darauf, dass die Menschen sich nicht wehren"

Zehntausende Saisonarbeiter ernten jedes Jahr in Deutschland Spargel und Erdbeeren. Die Gewerkschafterin Catalina Guia betreut solche Menschen - sie erzählt von Angst und unhaltbaren Zuständen.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/saisonarbeiter-in-der-spargel-und-erdbeerernte-arbeitgeber-wetten-darauf-dass-die-menschen-sich-nicht-wehren-a-b1f82efa-0189-4159-b031-0f99998adb64
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 20:31:30 So. 26.Juli 2020
ZitatAuf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Mamming in Bayern haben sich mindestens 174 Erntehelfer mit dem Coronavirus infiziert. Das berichtete der Sender Antenne Bayern unter Berufung auf die Behörden im Landkreis Dingolfing-Landau.

Demnach sei der gesamte Betrieb unter Quarantäne gestellt worden und werde nunmehr von einem Sicherheitsdienst überwacht. Laut Antenne Bayern dürfen 480 Mitarbeiter und die Betriebsleitung das Gelände nicht verlassen.
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-07/pandemie-coronavirus-infektion-erntehelfer-bayern-quarantaene

Die Coronakrise macht's möglich, man interniert einfach 480 Arbeitsmigranten. In bester deutscher Tradition.
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 17:07:13 Mi. 29.Juli 2020
Zitat27.7.20
Video: Serie: Erntehelfer in der Krise
Erntehelfer aus Osteuropa sind nicht mehr aus der deutschen Landwirtschaft wegzudenken - so wie die zwei rumänischen Geschwister Simi und Ancuta. Sie wollen zurück nach Rumänien, warten aber verzweifelt auf ihren Lohn.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/videos/Serie-Erntehelfer-in-der-Krise-1-100.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 19:33:20 Mi. 29.Juli 2020
Ich hab mir das Video gerade angesehen. Ein Dokument der Erbärmlichkeit der deutschen Gewerkschaftsbewegung. In dem Beitrag ist die ganze Zeit die Rede von "Gewerkschaftern", als es real um Mitarbeiter von "Faire Mobilität" ging.

Von der Webseite des Bundesministerium für Arbeit und Soziales
ZitatBei der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration wurde zum 21. Mai 2016 die "Gleichbehandlungsstelle EU-Arbeitnehmer" eingerichtet. Ziel der Stelle ist es, EU-Arbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer sowie ihre Familienangehörigen in ihren Rechten zu unterstützen, die ihnen im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zustehen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert bereits seit dem 1. August 2011 das Beratungs- und Informationsprojekt "Faire Mobilität - Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv". Die Projektumsetzung haben der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und dessen Partner übernommen. Das kostenlose Angebot richtet sich an Arbeitskräfte aus anderen europäischen Ländern und hilft ihnen dabei, gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Es findet irgendwie unter dem Dach des DGB statt und wird von der Bundesregtierung finanziert. Und wenn dan Extremausbeutung und Sklaverei aufgedeckt werden, reagiert man keineswegs mit gewerkschaftlichen Mitteln (Solidarität von Kollegen aus der Branche, Arbeitsniederlegungen, Demos, Blockaden), nein, man schlägt den juristischen Weg vor oder ruft gleich die Bullen. Gewerkschafter, die also nicht mehr auf den gewerkschaftlichen Kampf hoffen, sondern bestenfalls auf den Rechtsstaat.  Seufz.
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 20:05:25 Mi. 29.Juli 2020
Dass man da eher auf Behörden und Rechtskram setzt, ist nicht verwunderlich. Trotzdem bietet das Filmchen ganz interessante Einblicke, z.B. die aufgenommene Ansage des Chefs oder die eingeschüchterten Erntearbeiter, aber auch, dass es tatsächlich eine spontane Arbeitsniederlegung gab.
(Der herbeigerufene Zoll muss da schon länger dran seien, der kommt nicht mal so spontan auf Anruf der Faire-Mobilität-Leute. Die suchen übrigens gerade Leute: https://www.faire-mobilitaet.de/ueber-uns/++co++073548d4-cb0d-11ea-b61e-525400e5a74a )

Von gewerkschaftlichen Kämpfen ist man da, wie in anderen Bereichen auch, noch weit entfernt. Und Solidarität und Einheit zeigt der DGB ja auch immer nur dann, wenn er alle paar Jahre die Tarifverträge zur Leiharbeit unterzeichnet.

Wirkliche Überlegungen zu verschiedenen Kampfformen gibt es da wohl nicht, andererseits ist es ein wirklich schwieriger Bereich: Angst, Existenz, Mafiastrukturen, Abgeschiedenheit usw..

Für ein luschiges Mittagsmagazin war das jetzt nicht so schlecht. Scheint wohl eine Serie zu sein und das war erst der erste Teil.

Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 13:01:07 Mo. 10.August 2020
ZitatInsolventer Landwirt aus Bornheim
Claus Ritter sitzt nach der Anhörung vor Gericht in Zwangshaft

Weil er auf zahlreiche offene Fragen des Insolvenzverwalters keine ausreichenden Antworten gegeben hat, sitzt Claus Ritter derzeit in Zwangshaft. Direkt nach einem Termin am Mittwochnachmittag sei der Spargelbauer aus Bornheim von Justizbediensteten in eine Arrestzelle und anschließend per Gerichtsbeschluss in die Justizvollzugsanstalt Köln gebracht worden.
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/spargel-ritter-in-bornheim-claus-ritter-nach-gerichtstermin-in-zwangshaft_aid-52645541

Haha!
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 15:01:42 Mo. 10.August 2020
In Südengland hat wohl auch ein Streik auf einem Feld angefangen. Der Witz dabei ist unter anderem, dass einige Erntehelfer dabei sind, die vorher auch in Bornheim waren: https://twitter.com/BristolIWW

Oder: https://twitter.com/FAUGewerkschaft/status/1292789389693788161
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 13:10:05 Fr. 14.August 2020
ZitatVorwürfe gegen Gemüsehof in Bayern: 250-mal Corona, 6 Euro Stundenlohn

Gewerkschafter beschuldigen einen Gurkenbetrieb, rumänischen Erntehelfern nicht den Mindestlohn gezahlt zu haben. Ausweise habe er einbehalten.
https://taz.de/Vorwuerfe-gegen-Gemuesehof-in-Bayern/!5707029/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 20:34:25 Sa. 15.August 2020
Es hat riesige Dimemsionen und es ist seit Jahren so.
Migrantische Erntehelfer werden in Deutschland ausgebeutet.

ZitatBayern: Zwischen 2000 und 2500 Erntehelfer werden in den nächsten Wochen in das Hopfenanbaugebiet Hallertau kommen
https://www.merkur.de/bayern/coronavirus-bayern-erntehelfer-hopfen-ernte-landwirte-gastarbeiter-sorge-polen-pfaffenhofen-hallertau-zr-90023473.html

Wo das jetzt endlich ein Thema ist...
Wie verhalten wir uns dazu? Was können wir tun?
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 13:32:58 Mi. 26.August 2020
ZitatTod einer Saisonarbeiterin

Ein Landwirt beutete in Bayern Arbeiter aus. 2018 starb eine Ukrainerin, nachdem sie über Schmerzen geklagt hatte und nicht behandelt wurde.


Nein, es war kein faires Arbeitsverhältnis zwischen Marianna J. und Alois Wagner, dem Chef des bayerischen Gemüsehofs, auf dem sich Ende Juli 250 ErntehelferInnen mit dem Coronavirus angesteckt haben: Die Arbeiterin aus der Ukraine sprach kein Wort Deutsch und schon gar nicht das breite niederbayerische Idiom Wagners, sie kannte ihre Rechte nicht, nach wenigen Monaten wollte sie wieder zurück in ihre Heimat.

Das sind beste Bedingungen für Gurkenbauer Wagner, um osteuropäische Beschäftige auf seinem Großbetrieb in Mamming auszubeuten, ihnen weniger zu zahlen, als er müsste, sie einzuschüchtern, sie anzuschreien. J. kostete Wagners Rücksichtslosigkeit aber nicht nur Geld und Respekt: Sein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit von Beschäftigten kostete die Ukrainerin im Jahr 2018 möglicherweise sogar ihr Leben.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Lage der in normalen Jahren rund 300.000 Saisonarbeitskräfte etwa aus Rumänien, Polen oder Bulgarien in der deutschen Landwirtschaft.
(...)
Was sich aber Anfang Juli 2018 auf Wagners Hof ereignet hat, dürfte alle bisherigen Beschuldigungen übertreffen. ,,J. meldete Wagner über den Vorarbeiter mehrmals, dass es ihr schlecht ging, sie Schmerzen in der Brust und am Herzen hatte", sagte der taz ein Insider, der aus Angst vor Repressalien hier nicht genannt werden möchte. ,,Um sechs Uhr morgens musste sie trotz massiver Beschwerden auf das Feld zum Arbeiten."

Die KollegInnen hätten Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen. ,,Herr und Frau Wagner sagten immer, dass ein Krankenwagen 1.500 Euro kostet und die Saisonarbeiter das aus der eigenen Tasche zahlen müssen." Erst nach ein paar Stunden Arbeit habe Alois Wagner die erkrankte Ukrainerin von einem Mitarbeiter in die Unterkunft fahren lassen. ,,Sie starb auf der Fahrt, die nur wenige Minuten dauerte." Auf der Sterbeurkunde, die der taz vorliegt, ist 8.30 Uhr als Zeitpunkt des Todes angegeben. Marianna J. wurde nur 34 Jahre alt.
(...)
https://taz.de/Arbeitsbedingungen-fuer-Erntehelfer/!5704243/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 23:05:41 Mi. 16.Dezember 2020
Zitat15.12.20
Der Aufstand von Bornheim

(das Feature. 16.12.2020. 20:42 Min..)

Wir sehen sie manchmal aus dem Zug oder Autofenster auf den Feldern: Erntehelferinnen und -helfer. Viel mehr, als dass sie aus Osteuropa kommen, wissen wir nicht. Jennifer Stange über ein lukratives Geschäft, für nur eine Seite.
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-das-feature/audio-der-aufstand-von-bornheim-100.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 11:45:36 Do. 31.Dezember 2020
ZitatBei Spargel Ritter war die Insolvenz nur der Anfang

Spargel spielt auch bei einem der größten ,,Vorgebirgs-Krimis" des Jahres eine Rolle: Der bekannte Bornheimer Anbaubetrieb Spargel Ritter musste Insolvenz anmelden. Nach der Nachricht im Februar lief der Betrieb zunächst mit einem Insolvenzverwalter relativ normal weiter. Im Mai wurden dann Berichte von massiven Missständen in den Unterkünften der Erntehelfer laut. Der Betrieb verweigerte der Gewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union den Zugang. Mehrfach demonstrierten Gewerkschafter und Erntehelfer gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und fehlende Bezahlung. Das Generalkonsulat von Rumänien in Bonn wurde eingeschaltet, mehrere Dutzend Arbeiter klagten gegen den Betrieb.

Nach Ende der Ernte hatten am 25. Mai schließlich die letzten Helfer den Hof verlassen, um nach Rumänien zurückzukehren oder auf anderen Höfen zu arbeiten. Doch die Atempause war nur kurz: Ende des Monats wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Landwirt Claus Ritter ermittelt – wegen illegaler Geschäfte mit Fahrzeugen. Im August kam Ritter in Zwangshaft, weil er und seine Frau Sabine Ritter völlig unvorbereitet zu einer Anhörung am Bonner Insolvenzgericht erschienen waren.

(https://abload.de/img/w1900_h1266_x1796_y11twk7m.jpg) (https://abload.de/image.php?img=w1900_h1266_x1796_y11twk7m.jpg)
In den Streit zwischen Erntehelfern und Spargel Ritter schaltete sich die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru (am Mikro) ein.

Anfang Dezember erhielt er in der Justizvollzugsanstalt Köln dauerhaften Besuch von seiner Frau: Als Mitinhaberin des Betriebs hatte das Insolvenzgericht damals auch sie in Zwangshaft gesteckt.
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/so-war-das-jahr-2020-in-vorgebirge-und-voreifel_aid-55446653
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 17:15:02 Sa. 09.Januar 2021


Die Kämpfe der migrantischen Erntehelferinnen könnten grenzüberschreitend inspirierend wirken.

Spanien:
ZitatFrust, Wut und Kampfgeist – Fünf Tage Generalstreik in den Gemüseabpackhallen Almerías

Zum ersten Mal in der Geschichte des Sektors riefen die größten Gewerkschaften Spaniens UGT und CC.OO zum Generalstreik in den Obst- und Gemüseabpackhallen Almerías auf. Betroffen vom Streikaufruf waren 25.000 Arbeiter*innen – vor allem Frauen, vor allem Migrant*innen – in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen. Pro Tag verpacken diese Arbeiter*innen in großen sterilen Hallen im Akkord 12.000 Kilo Obst und Gemüse, das zu einem großen Teil in unseren Supermarktregalen landet. Die Arbeit ist monoton und schwer. ,,Viele, die über Jahre hinweg in der Branche tätig sind, leiden an chronischen Erkrankungen im Hals- und Wirbelsäulenbereich, einige von ihnen begleiten wir in ihrem langwierigen Kampf um Entschädigungen", erzählt der Gewerkschaftssprecher der SAT José Garcia Cuevas.

Die Arbeitsschichten können je nach Auftragslage zwischen vier bis zu 16 Stunden andauern. Die Arbeiter*innen müssen maximal flexibel sein. Fast niemand weiß genau im Vorhinein wie die Wochen- oder Monatsarbeitszeiten aussehen und wie viel sie am Schluss verdienen werden. Ana (53), spanische Abpackhallenarbeiterin und UGT Mitglied berichtet: ,,Die Zustände sind untragbar, obwohl wir ganz Europa Tag täglich mit frischem Gemüse versorgen haben wir kein Leben, wir können nicht planen, wann wir unsere Familien sehen und wie wir unsere Freizeit gestalten wollen." Die einzigen Lohnerhöhungen, die es in den vergangenen Jahren gab, richteten sich nach der Entwicklung des allgemeinen Mindestlohns in Spanien. Tariflöhne, wie sie landwirtschaftliche Sektoren in anderen spanischen Provinzen kennen, gibt es seit dem Auslaufen des letzten Tarifvertrags im Jahr 2018 nicht mehr. Noch prekärer erweist sich die Situation in den Gewächshäusern, wo der entsprechende Tarifvertrag 2015 auslief und in vielen Fällen nicht einmal der Mindestlohn ausbezahlt wird, in dem Lohnabrechnungen manipuliert werden.

(https://www.interbrigadas.org/wp-content/uploads/2021/01/DSC_6908-527x347.jpg)

Nur jede/r fünfte Beschäftigte verfügt über einen festen Arbeitsvertrag. Mindestens 80 % aller Beschäftigten leben in permanenter Furcht ihren Arbeitsplatz von heute auf morgen verlieren zu können und wechseln fast jedes Jahr von einem befristeten Beschäftigungsverhältnis ins Nächste. Der Arbeitsdruck in dem hochkompetitiven Sektor ist groß. Ana berichtet von regelmäßigen Schikanen am Arbeitsplatz. Toilettengänge werden kontrolliert. Vorarbeiter*innen brüllen und erniedrigen Angestellte. Auch sexualisierte und rassistische Kommentare gegenüber Arbeiter*innen sind an der traurigen Tagesordnung. José Garcia Cuevas von der SAT werden in regelmäßigen Abständen Audiomitschnitte von Arbeiter*innen zugespielt, die mit ihren Smartphones heimlich ihre Vorarbeiter*innen aufnehmen.

Nach zweijährigen erfolglosen Verhandlungen mit dem Unternehmerverband COEXPHAL entschlossen sich UGT und CC.OO die Beschäftigten des Sektors für den 23., 24., 26. und 28.12. zum Streik aufzurufen. Vertreter*innen der andalusischen Basisgewerkschaft SAT, die schon in der Vergangenheit die zögerliche und unternehmerfreundliche Haltung der großen Gewerkschaften kritisierten und auf öffentlichkeitswirksame Mobilisierungen setzen, rechneten mit Zugeständnissen von Seiten der UGT und CC.OO bevor es überhaupt zum Streik kommen würde, so wie es vormals im Jahr 2012 schon der Fall war.

Im Verlauf der aktuellen Verhandlungen schienen jedoch die Vorstellungen der Unternehmer*innen und die der verhandlungsführenden Gewerkschaften zu weit auseinander zu gehen. Die Arbeitgeber offerierten maximal einen Inflationsausgleich für eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren. Zusätzlich sollen die Arbeiter*innen unbezahlte Überstunden leisten, begründet mit Personalausfall durch Covid-19 Infektionen. Die Abpackhallen Arbeiterin Ana empfindet eben diese Forderung der Arbeitgeber als Frechheit: ,,Nicht nur, dass unsere Arbeitsbedingungen beschämend genug sind, jetzt sollen wir auch noch offiziell unbezahlte Überstunden leisten..., bei mir persönlich war das der Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Die im Gegenzug durch die Gewerkschaften aufgestellten Forderung von einer Lohnerhöhung von 2 % pro Jahr, die höhere Bezahlung von Überstunden (11 Euro für jede Stunde, die über der regulären Wochenarbeitszeit liegt), die Begrenzung der regulären Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden die Woche, die Festanstellung eines festen Prozentsatzes der Belegschaft und die Planbarkeit von Wochenarbeitszeiten wurden abgelehnt.

(https://www.interbrigadas.org/wp-content/uploads/2021/01/IMG-20201220-WA0004-768x369.jpg)

Der Stillstand am Verhandlungstisch gepaart mit der angestauten Wut der Arbeiter*innen führte letztendlich zum Streik. Auch die SAT und die anarchosyndikalistische CNT unterstützten trotz strategischer und inhaltlicher Differenzen den Streikaufruf der großen Gewerkschaften. Gleichzeitig wurden an allen fünf Tagen an den 30 größten Abpackhallen um Almería Streikposten errichtet. Insgesamt beteiligten sich zwischen 2000 und 3000 Personen am Streikgeschehen. Vertreter*innen aller Gewerkschaften beklagten illegale Versuche von Seiten der Unternehmerseite Arbeiter*innen den Gebrauch ihres Streikrechts zu unterbinden, in dem individuell Angestellte telefonisch unter Druck gesetzt und Streikbrecher*innen eingesetzt wurden. In Einzelfällen kam es sogar zu physischen Übergriffen. Ein Fall von einem Unternehmer, der eine Franco-Atemschutzmaske trug und einem Arbeiter die Kamera aus der Hand schlug erregte besonderes Aufsehen. Trotz der Einschüchterungsversuche konnte das Produktionsgeschehen an einigen Standorten gestört werden. Die mittelgroße Abpackhalle mit circa 300 Angestellten, in der Ana von der UGT arbeitet, wurde durch den Streik für fünf Tage komplett lahmgelegt. Dass sich dann die Unternehmer nach dem Streik erdreisten zu behaupten, der Streik habe keinen Einfluss auf das Produktionsgeschehen gehabt, bringt Ana zusätzlich in Rage.

(https://www.interbrigadas.org/wp-content/uploads/2021/01/IMG-20201223-WA0008-400x300.jpg)

Im Anschluss an den ersten Generalstreik des Obst- und Gemüsesektors in Almería, ziehen Vertreter*innen aller Gewerkschaften ein positives Fazit. Der symbolische und der öffentliche Druck auf die Unternehmer*innen sei groß. Die SAT, die im Vergleich eher auf direkte Konfrontation im Fall von Arbeitsrechtsverletzungen setzt, betont den Wert der Einheit aller Gewerkschaften bei den Streiks und fordert weitere Arbeitsniederlegungen sobald den Forderungen der Arbeiter*innen nicht nachgekommen wird. ,,Der Streik war ein magischer Moment, das Zusammenkommen mit meinen Kolleg*innen war ermutigend, es war mein erster Streik nach 15 Jahren Arbeit in der Abpackhalle", so Ana von der UGT.

Die Fronten am Verhandlungstisch sind weiterhin verhärtet. Dass die Arbeitgeber ihren Beschäftigten substantielle Zugeständnisse machen, erscheint unwahrscheinlich. Vor allem die SAT wird nicht müde zu betonen, dass auch ein Abschluss, die Unternehmerseite nicht daran hindern wird, tarifvertragliche Regelungen zu ignorieren, wie der weitverbreitete Lohnbetrug und die Ausstellung von falschen Arbeitsverträgen im Gewächshaussektor beweisen. Auch Ana ist nur vorsichtig zweckoptimistisch mit Blick auf die Zukunft: ,,Wir sind den Unternehmer*innen egal, auch der alte Tarifvertrag wurde nicht eingehalten, es wird getrickst und gelogen wo es nur geht, uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen weiter kämpfen."

(https://www.interbrigadas.org/wp-content/uploads/2021/01/IMG-20201228-WA0003-400x300.jpg)

Seit Jahren kritisieren Gewerkschaften, NGOs und Journalist*innen die prekären Arbeitsbedingungen in der südeuropäischen Landwirtschaft. Almería steht dabei immer wieder im Fokus. ,,Konsument*innen, die mächtigen Supermärkten und auch Zertifizierungsunternehmen wie Global Gap, Naturland, Demeter und co übernehmen keine Verantwortung für die Zustände am anderen Ende der Lieferkette. Supermärkte und Zertifizierer kontrollieren sporadisch vor Ort, jedoch sind die Kontrollen in den meisten Fällen befangen, sie finden selten auf neutralem Boden außerhalb des Unternehmens statt, Betroffene werden umgangen und in Konflikte involvierte Gewerkschaften werden nicht beachtet", so José Gracia Cuevas von der SAT. Zusammen mit anderen NGOs aus Nordeuropa wie dem Interbrigadas e.V. aus Berlin, dem Critical Cosumer Magazin aus Großbritannien und dem Europäischen Bürger*innen Forum aus der Schweiz versucht die SAT Supermärkte und Zertifizierer unter Druck zu setzten – mit leider nur bedingtem Erfolg: ,,Es müsste in den Abnehmerländern unserer Produkte einen viel größeren Aufschrei geben", so Cuevas weiter.

Die strukturellen Probleme wie Kettenbefristungen, Arbeitsbelastung, Arbeitsplatzunsicherheit, geringe Entlohnung etc., die in der Region bestehen, scheinen den genannten Akteuren vollkommen egal zu sein. Eine öffentliche Positionierung wäre wünschenswert, eine dauerhafte, ernste Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften vor Ort wäre sinnvoll, wenn es darum geht den ethisch nachhaltigen Zielen und der eigenen harmonischen Außendarstellung gerecht zu werden und nicht nur der Steigerung eigener Verkaufszahlen.

Boris Bojilov – Interbrigadas e.V.
https://www.interbrigadas.org/frust-wut-und-kampfgeist-fuenf-tage-generalstreik-in-den-gemueseabpackhallen-almerias/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 16:55:39 Fr. 15.Januar 2021
ZitatMagischer Moment Generalstreik
Abpacker im spanischen Almería wehren sich gewerkschaftlich organisiert gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen


Der Aufruf zum Streik ging an 25 000 Arbeiter*innen. Vor allem Migrant*innen sind in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen in den Obst- und Gemüse-Abpackhallen in Almería tätig. Pro Tag verpacken sie in großen sterilen Hallen im Akkord 12 000 Kilo Obst und Gemüse. Die Arbeit ist monoton und schwer. »Viele, die über Jahre hinweg in der Branche tätig sind, leiden an chronischen Erkrankungen im Hals- und Wirbelsäulenbereich, einige von ihnen begleiten wir in ihrem langwierigen Kampf um Entschädigungen«, sagt der Sprecher der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SAT, José Garcia Cuevas.

Die Arbeitsschichten gehen je nach Auftragslage von vier bis 16 Stunden. Fast niemand weiß vorab, wie die Wochen- oder Monatsarbeitszeiten aussehen und wie viel sie am Schluss verdienen werden.
(...)
Insgesamt beteiligten sich zwischen 2000 und 3000 Personen am Streik. Trotz massiver Einschüchterungsversuche seitens der Bosse konnte die Produktion an einigen Standorten gestört werden. Im Anschluss an den ersten Generalstreik des Obst- und Gemüsesektors in Almería ziehen Vertreter*innen aller Gewerkschaften ein positives Fazit. »Der Streik war ein magischer Moment, das Zusammenkommen mit meinen sonst schüchternen und verängstigten Kollegen war ermutigend, es war mein erster Streik nach 15 Jahren Arbeit in der Abpackhalle«, so fasst Ana von der UGT ihre Streikerfahrung zusammen. Mit Blick auf die Zukunft sagt Ana: »Wir sind den Unternehmen egal, auch der alte Tarifvertrag wurde nicht eingehalten. Es wird getrickst und gelogen, wo es nur geht. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen weiter kämpfen.« (...)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146792.spanien-magischer-moment-generalstreik.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 19:03:16 Mi. 20.Januar 2021
ZitatNach Tod einer Erntehelferin in Bayern
Ermittler*innen fragten nur Chefs

Andere Kolleg*innen der Frau seien nicht vernommen worden, so Bayerns Justizministerium. Ein SPD-Politiker fordert, unterlassene Hilfeleistung zu prüfen.


Die Ermittler*innen im Todesfall einer Erntehelferin eines bayerischen Gemüsehofs haben nur Vorgesetzte der Frau, keine einfachen Kolleg*innen befragt. ,,Im Rahmen der Ermittlungen wurden der Vorarbeiter, der Sohn des Betriebsinhabers und der Rettungsassistent, welcher mit der Reanimation der Erntehelferin auf dem Parkplatz des Klinikums befasst war, als Zeugen vernommen. Weitere Vernehmungen wurden nicht durchgeführt", teilte das Justizministerium in München nun auf Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn mit.

Sowohl der Vorarbeiter als auch der Sohn des Landwirts könnten ein Interesse daran haben, eine eventuell unterlassene Hilfeleistung für die Frau nach ihrem Herzinfarkt zu kaschieren. Der Vorarbeiter zum Beispiel wäre möglicherweise selbst verantwortlich, wenn er die Erntehelferin zu spät ins Krankenhaus gefahren hätte. Von Brunn nannte es ,,schockierend", dass die Behörden dennoch nicht weiter ermitteln. (...)
https://taz.de/Nach-Tod-einer-Erntehelferin-in-Bayern/!5737645/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 19:07:24 So. 24.Januar 2021
Die Bauern- und Winzerverbände beginnen zu trommeln: Auch dieses Jahr fordern sie die Ausweitung der versicherungsfreien, kurzfristigen Beschäftigung von 70 auf 115 Tage auszuweiten.
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 12:32:17 Fr. 12.Februar 2021
ZitatSpargel Ritter aus Bornheim
Claus Ritter aus Zwangshaft entlassen
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/claus-ritter-aus-zwangshaft-entlassen_aid-56180773
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 10:42:41 Di. 16.März 2021
Wenn wir wirklich an einer neuen(?) klassenkämpferischen Politik interessiert sind, müssen wir uns auch der Extremausbeutung auf den Feldern widmen.

https://www.fluter.de/arbeitsbedingungen-saisonarbeiter-corona
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 09:38:49 Sa. 03.April 2021
(https://pbs.twimg.com/card_img/1378007741940269062/XajHgBfs?format=jpg&name=small)

ZitatAusbeutung? Klöckner will Spargelstecher ohne Sozialversicherung schuften lassen

Berlin - Es hagelt Kritik: Das Kabinett hat beschlossen, dass viele Saisonarbeiter künftig ohne Sozialversicherung auskommen müssen. Alles nur für billigen Spargel?


Eine "wichtige Regelung" soll es sein, die uns während der Corona-Pandemie nicht vor leeren Gemüseregalen im Supermarkt stehen lässt: Julia Klöckner (48, CDU), Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung, will Saisonarbeiter künftig länger ohne Sozialversicherung arbeiten lassen.

So sei sicher, "dass die Bevölkerung auch dieses Jahr trotz Corona gut mit heimischen Produkten versorgt ist", bekräftigte sie in einem Statement.

Erst ab mehr als drei Monaten Arbeit sollen die Arbeiter eine Versicherung bekommen. Das Kabinett beschloss entsprechend, die Regelung von 70 Tagen auf 102 Tage auszuweiten.

Es geht um ausländische Arbeiter, die gerade vor allem zur Spargelernte nach Deutschland kommen.

Für die Bauern ist es besser, wenn diese länger in den Betrieben bleiben dürfen, ohne dass sie für ihre Beschäftigten jedoch Abgaben zahlen müssen.

Welche und ob der Arbeiter aus dem Ausland eine Krankenversicherung bekommt, hängt also von seinem Chef ab: Für diesen reicht es aus, wenn er dem Ministerium rückmeldet, wie seine Saisonarbeiter versichert sind. So soll die "notwendige Versorgung im Krankheitsfall" gewährleistet sein. Das bedeutet, dass die Saisonarbeiter womöglich selbst für ihre Kranken-, Pflege- Renten- und Arbeitslosenversicherung aufkommen müssen.

Nur Unfälle sind über den Arbeitgeber versichert.

Kleiner Shitstorm im Netz

Schon jetzt geriet das Landwirtschaftsministerium in einen kleinen Shitstorm, als es die Ergebnisse veröffentlichte.

Die PARTEI veröffentlichte ein Meme mit dem Titel "Blutspargel aus Niedersachsen - Sterben für den guten Geschmack".

Der Nutzer ELHOTZO schrieb, Deutsche würden ihren Spargel am liebsten mit einer "Prise ausgebeuteter Arbeitskräfte ohne Sozialversicherung" essen: "Traditionell, aber immer lecker."

Schuften - und dann zurück ins Heimatland


Eine andere Twitter-Nutzerin merkte sarkastisch an: "Das ist richtig geil, denn wenn die Erntehelfer später krank oder arbeitslos sind, dann sind es ja die Sozialsysteme der Heimatländer, die dafür aufkommen müssen." Das Landwirtschaftsministerium wehrte sich: Die Vorwürfe seien haltlos, die Bestimmungen würden nur vorübergehend gelten.

Erntearbeiter aus Polen und Rumänien kommen gerade vor allem wegen der Spargelernte, die in den letzten Tagen angefangen hat. Spargelpreise sollen dieses Jahr laut der Berliner Morgenpost zwischen 15 und 20 Euro je Kilogramm liegen.

Der Bundestag will nach Ostern über den Beschluss beraten.
https://www.tag24.de/nachrichten/politik/deutschland/innenpolitik/wirtschaftspolitik/ausbeutung-der-spargelstecher-corona-pandemie-julia-kloeckner-cdu-kritik-deutschland-politik-1905313
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 18:09:11 Do. 15.April 2021
ZitatBonn: Einigung im Lohnstreit der Arbeiter*innen aus dem Bornheimer ,,Spargel-Streik"

(https://bonn.fau.org/wp-content/uploads/sites/16/2020/06/Bild3mitPixel-300x169.jpg)

Wie die Gewerkschaft Freie Arbeiter*innen Union Bonn auf Nachfrage in Erfahrung bringen konnte, ist es in dem Streit um Lohnnachzahlungen für über hundert rumänische Saisonarbeiter*innen des insolventen Spargelgutes Ritter zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen. Die Einigung wurde zwischen der juristischen Vertretung der Saisonarbeiter*innen, den Anwälten Harald Klinke und Stefan Hübner sowie der Insolvenzverwaltung der Klaus und Sabine Ritter GbR, dem Rechtsanwaltsbüro Schulte-Beckhausen und Bühs, erzielt. Beide Parteien haben sich zu Stillschweigen über den Inhalt der Einigung verpflichtet. Da aber bereits im Juli 2020 Verhandlungen über Lohnnachzahlungen von im Bereich von 100.000 Euro geführt wurden, ist davon auszugehen, dass die endgültige Einigung nicht niedriger als der damalige Streitwert ausgefallen ist.

Die FAU Bonn zeigt sich zufrieden:

,,Die Saisonarbeiter*innen haben gezeigt, dass es sich lohnt für ihre Rechte zu kämpfen. Der unermüdliche Einsatz der Anwälte Harald Klinke und Stefan Hübner sowie das solidarische Miteinander der Arbeiter*innen, mit einer kämpferischen Basisgewerkschaft im Rücken, hat diesen Erfolg möglich gemacht. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Saisonarbeit ohne Krankenversicherung in der Corona Pandemie zeigt dieses Ergebnis, dass Saisonarbeiter*innen nicht einfach wie rechtlose Leibeigene behandelt werden können.", so Emilia Steinhausen, Aktivistin der FAU Bonn.

Im Mai kam es auf dem unter Insolvenzverwaltung stehenden Spargelhof Ritter in Bornheim zu einem spektakulären Streik von über 200 Saisonarbeiter*innen. Grund für den Streik waren neben den ausstehenden Löhnen menschenunwürdige Zustände in den Unterkünften der Arbeiter*innen. Durch den Streik und öffentlichen Druck konnte bereits im Mai eine Teilauszahlung der Löhne durchgesetzt werden. Im Juli 2020 wurden dann Verhandlungen über Lohnnachzahlungen in Höhe von circa 100.000 Euro für mehr als hundert Saisonarbeiter*innen eingeleitet. Statt eine große Zahl an Einzelprozessen vor dem Arbeitsgericht Bonn zu führen, wurde die Auseinandersetzung in ein Vergleichsverfahren überführt. Dieses ist nun abgeschlossen.

Die Klaus und Sabine Ritter GbR war im Zuge ihrer Insolvenz immer wieder Gegenstand von Skandalen. Dazu zählen unter anderem Lohnzurückhaltung, Sozialbetrug sowie schwere Arbeitsunfälle. Trotz des Erfolges in Bornheim ist die Lage vieler Saisonarbeiter*innen in Deutschland weiterhin prekär. Mangelnde Rechts- und Sprachkentnisse der Arbeiter*innen, sowie fehlende gewerkschaftliche Vertretung, werden oft von Unternehmer*innen ausgenutzt.
https://bonn.fau.org/bonn-einigung-im-lohnstreit-der-arbeiterinnen-aus-dem-bornheimer-spargel-streik/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 19:55:51 Sa. 24.April 2021
Zitat24.4.21
Soll der deutsche Spargel jetzt zu Fischstäbchen verarbeitet werden? Was die Änderung des Seefischereigesetzes damit zu tun hat, günstige Erntehelfer noch günstiger importieren zu können

Am 23. Februar 2021 wurde hier in dem Beitrag Bald werden sie wieder kommen sollen. Die Saisonarbeiter. Und erneut will man sie möglichst billig haben berichtet: »Die Grünen im Bundestag stemmen sich gegen Pläne von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die sozialversicherungsfreie Beschäftigung für Saisonarbeiter wie im vergangenen Jahr wieder auf 115 Tage auszuweiten.
(...)
https://aktuelle-sozialpolitik.de/2021/04/24/der-deutsche-spargel-und-das-seefischereigesetz/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Kuddel am 09:27:36 Mo. 26.April 2021
https://pbs.twimg.com/media/Ez4N6ccXIAIeLVj?format=jpg&name=small
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 12:04:10 Do. 29.April 2021
Zitat28.4.21
Video: Corona: Mangelhafte Schutzmaßnahmen für Erntehelfern?

Unzureichender Infektionsschutz, Unterbezahlung, restriktive Arbeitsbedingungen – so erlebten viele rumänische Erntehelfer den Erntesommer 2020. Und jetzt? Haben die Landwirte ein Jahr später ihre Lektion gelernt? Plusminus hat nachgefragt.
https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/videos/plusminus-erntehelfer-corona-video-100.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 12:33:58 Do. 06.Mai 2021
Zitat6.5.21
Sicherheitsdienst kontrolliert bei Thiermann jetzt rund um die Uhr

1011 getestete Mitarbeiter des Fruchthofs Thiermann im Kirchdorfer Ortsteil Scharringhausen(...)  Wie funktioniert da ,,zusammen leben und zusammen arbeiten" im Detail?
(...)
,,Männer und Frauen sind getrennt untergebracht. Das mussten wir aufgrund der sanitären Anlagen so regeln", erklärt Anke Meyer. Und: ,,Nein, die Ehepaare dürfen sich während ihres Aufenthaltes nicht sehen. So sind die Auflagen."
(...)
Bußgeldverfahren gegen einzelne Erntehelfer nach Verstoß gegen Quarantäne
(...)
Was passiert mit Erntehelfern, die sich wiederholt über Vorgaben hinweg setzen? ,,Sie werden zunächst angemahnt. Und wenn es gar nicht geht, wissen sie, dass sie Sanktionen erwarten. Das haben wir bereits vor den Infektionen kommuniziert, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass sich alle an die Auflagen halten. Als letzte Konsequenz bleibt, dass die Person abreisen müsste", erklärt Anke Meyer und ergänzt: Nein, das sei bisher noch nicht vorgekommen.
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/kirchdorf-ort120456/sicherheitsdienst-kontrolliert-auf-spargelhof-thiermann-jetzt-rund-um-die-uhr-90496490.html

Zitat6.5.21
(...)
Pfarrer Kossen kritisiert "zweierlei Maß"

Der katholische Sozialpfarrer und Menschenrechtler Peter Kossen hat angesichts des Massenaufbruchs auf dem Hof erneut deutliche Kritik an der Lebensmittelerzeugung in Deutschland geäußert. "Man kann den Eindruck haben, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird", sagte Kossen. Bei Menschen aus Ost- oder Südosteuropa gebe es weniger Sorgfalt. "Und das finde ich verwerflich", so der Sozialpfarrer. Kossen war bis zum vergangenen Jahr in Vechta in der Nähe von Diepholz tätig.
https://www.ndr.de/nachrichten/info/Neue-Faelle-auf-Spargelhof-Ausgangssperre-im-Kreis-Diepholz,corona7742.html

Arbeitsquarantäne und Wachpersonal, als Gegenleistung Bußgeldverfahren und schlechte Krankenversicherung, wenn überhaupt.
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: BGS am 21:40:50 Mi. 12.Mai 2021
Zitat
Nach Corona-Ausbruch auf Spargelhof: Raus nur noch zum Arbeiten

Auf einem Hof des Spargelbauern Thiermann sind 130 Beschäftigte infiziert. Nun sind alle 1.000 Mit­ar­bei­te­r*in­nen in Arbeitsquarantäne

... . Der Spargelhof gehört zu den größten Deutschlands und beschäftigt etwa 1.000 Mit­ar­bei­te­r*in­nen. 130 davon haben sich laut Gesundheitsamt Diepholz infiziert. ... .

Für alle Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Thiermann gilt eine sogenannte Arbeitsquarantäne. Das Haus darf nur noch für den Weg zur Arbeit verlassen werden. ,,Zusammen arbeiten und zusammen leben", nennt Meyer das Hygienekonzept.

Die Firmenzentrale ist weiträumig umzäunt und abgesperrt. In den Hallen wird an acht großen Fließbändern die Ernte geputzt und sortiert. Das berichtet Barbara F., die dort mit etwa 80 anderen arbeitet, der taz am Telefon. Sie spricht Polnisch und will ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen. ,,Für die Gesundheit der Ar­bei­te­r*in­nen interessiert man sich wenig", sagt sie. Pflichttests für alle Beschäftigten seien erst eingeführt worden, nachdem es mehreren Frauen schlecht ging und sie darum gebeten hätten,  ... .

Barbara F. glaubt, dass sich das Virus ausbreiten konnte, weil die Beschäftigten immer wieder in unterschiedlichen Abteilungen eingesetzt worden seien und es deshalb viele Kontakte gegeben habe. Für sie selbst könnte eine Infektion fatale Folgen haben, sagt sie. Wie mehrere ihrer Kol­le­g*in­nen habe sie keine Krankenversicherung.
... .
Inzwischen würden in den Hallen immer wieder Listen mit den Tageslöhnen ausgehängt. ,,Da stand ganz oft etwas um die 40 Euro pro Tag." ... .


Quelle: https://taz.de/Nach-Corona-Ausbruch-auf-Spargelhof/!5766037/ (https://taz.de/Nach-Corona-Ausbruch-auf-Spargelhof/!5766037/)

MfG

BGS
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 17:42:19 Di. 25.Mai 2021
Zitat25.5.21
Georgischer Ern­te­hel­fe­r flieht:
Pflücken wie die Weltmeister

Zum ersten Mal arbeiten Sai­son­ar­bei­te­r*in­nen aus Georgien auf deutschen Feldern. Doch es gibt Protest gegen die Arbeitsbedingungen.
(...)
Jemal Chachanize ist mutig. Der 30-Jährige berichtete in einem Video über die schwierigen Arbeitsbedingungen, filmte andere Arbeiter*innen, vor allem auch seine Landsleute, in Containern und auf dem Feld. Dann schickte er die Filme georgischen Medien. In dem Video beschweren sich die Arbeiter*innen, vor allem Frauen, dass sie doppelt so viel arbeiten müssten, um zu dem Geld zu kommen, das ihnen versprochen worden sei. Sie zeigen regennasse Wände, von Schlägen durchlöcherte Türen und zerstörte Decken ihrer Wohncontainer.
(...)
https://taz.de/Georgischer-Erntehelfer-flieht/!5774251/
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 13:23:47 Di. 06.Juli 2021
ZDFinfo-Doku über Erntehelfer im zweiten Corona-Jahr

Die Landwirte in Deutschland sind auf Erntehelfer aus Osteuropa angewiesen. Jedes Jahr kommen bis zu 300.000 Saisonarbeitskräfte aus Rumänien und Polen – vor allem, um Spargel zu stechen. Die Corona-Pandemie hat dieses System im vergangenen Jahr auf die Probe gestellt: Die Unterkünfte für die Arbeitskräfte mussten erweitert, Quarantäne-Regeln befolgt und regelmäßige Tests durchgeführt werden. Was hat die Branche mit Blick auf die zweite Spargelernte unter Corona-Bedingungen aus der Krise gelernt? Die Dokumentation "Erntehelfer – Unsichtbar und ausgebeutet" gibt am Donnerstag, 8. Juli 2021, 20.15 Uhr, in ZDFinfo Einblick in dieses System der Saisonarbeit. Der Film von Johannes Bünger und Vivien Pieper steht bereits in der ZDFmediathek zur Verfügung.

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/erntehelfer--unsichtbar-und-ausgebeutet-100.html
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: Fritz Linow am 23:33:12 Mi. 18.August 2021
Zwar von 2018, aber trotzdem:
Zitat
Wer pflückt die finnischen Beeren?

Wie die Landwirte in Deutschland setzen auch finnische Beeren-Betriebe auf externe Erntehelfer.  90 Prozent der wilden finnischen Beeren würden von Ausländern gepflückt, so ein Unternehmer zu Svenska Yle. Die, die in den Wald gehen, um die Gaben der Natur einzusammeln, sind zuvor vor allem aus Thailand zum Arbeiten angereist.
(...)
Vergangenes Jahr wurde in Finnland ein Beeren- Unternehmer verurteilt, weil er seine thailändischen Erntehelfer unter sklavenartigen Bedingungen hielt. Dies hatten auch die thailändischen Behörden mitbekommen und deshalb 2018 deutlich weniger Arbeitskräfte für Finnland genehmigt. Sie rieten sogar von Finnland ab. Außerdem kritisierten sie grundsätzlich das finnische Erntehelfer-Modell, berichtet ein Mitarbeiter des Ministeriums gegenüber Svenska Yle. In Finnland ist es üblich, dass die Arbeitskräfte mit Touristenvisum einreisen. Sie sind nicht angestellt wie beispielsweise in Schweden, sondern pflücken auf eigenes Risiko und müssen oft noch die Kosten für den Flug an ihre Vermittler zurückbezahlen. Unternehmer der Brache verweisen auf den Preisdruck durch billige Früchte aus Osteuropa oder Kanada.
(...)
https://polarkreisportal.de/wer-pflueckt-die-finnischen-beeren
Titel: Re: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 20:36:41 Di. 24.August 2021
Osteuropäische Arbeitskräfte als Motor für unsere Wirtschaft
Ein Erdbeerhof im Südwesten Frankreichs: Claudia hilft hier bei der Ernte, 44 Stunden in der Woche. Sie ist eine von gut 500.000 Saisonarbeiter:innen aus Rumänien und Bulgarien, die jedes Jahr in Westeuropa ackern. Ohne sie wären die Bauern aufgeschmissen. Arbeitskräfte aus Osteuropa schließen die Lücken auf den Arbeitsmärkten. Doch was bedeutet das für ihre Heimatländer?


https://www.arte.tv/de/videos/098418-000-A/die-lueckenschliesser/
Titel: Aw: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 13:56:20 Mo. 06.Februar 2023
ZitatSaisonarbeit
Zahnschmerzen, Lohndumping und Kakerlaken

In wenigen Wochen kommen wieder Zehntausende Erntehelfer aus Osteuropa nach Deutschland.


Etwa 135 000 Saisonarbeiter kamen zuletzt jährlich nach Deutschland, fast alle aus Osteuropa.
...
"Das sind teils unhaltbare Zustände in den Unterkünften und auf den Feldern."
...
Nur etwa ein Prozent der Betriebe wurde überhaupt überprüft...
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/saisonarbeit-erntehelfer-arbeitsbedingungen-1.5744742?utm_source=Twitter&utm_medium=twitterbot&utm_campaign=1.5744742
Titel: Aw: Erntehelfer
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 18:24:48 Mo. 10.April 2023
Die Erntesaison startet erneut ohne vollen Krankenversicherungsschutz für Erntearbeiter*innen.

Zur Erinnerung: In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel 2021 versprochen: "Für Saisonbeschäftigte sorgen wir für den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag."

Februar 2022: Man prüfe die Umsetzung "derzeit" auf Fachebene gemeinsam mit dem Bundesarbeitsministerium. Nach mehr als 1 Jahr dauert diese Prüfung offenbar noch immer an. Warum sind die nicht voll krankenversichert, obwohl es seit 2022 eine Meldepflicht über den Versicherungsstatus gibt?
Titel: Aw: Erntehelfer
Beitrag von: Nikita am 20:53:20 Mi. 03.Mai 2023
Es soll um eine Millionensumme gehen
Ehemaliger Bornheimer Spargelbauer Claus Ritter angeklagt

Bornheim/Bonn · Der bekannte ehemalige Bornheimer Landwirt Claus Ritter muss sich bald vor dem Bonner Landgericht verantworten. Das wird ihm vorgeworfen.

Von Leif Kubik
Die Bonner Staatsanwaltschaft hat gegen den ehemaligen Bornheimer Spargelbauern Claus Ritter unter anderem Anklage wegen Bankrotts erhoben. Das bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Jonas Stallkamp, dem General-Anzeiger am Mittwoch auf Nachfrage.
...
Angeklagt sind auch Ritters Ehefrau, mit der der Landwirt den Betrieb gemeinsam führte, sowie ein weiteres Familienmitglied, das wegen Beihilfe zu den Taten angeklagt ist. Auf 1,7 Millionen Euro beziffert die Staatsanwaltschaft die Summe, die die Familie durch den Bankrott erlangt haben soll.

Weitere 1,3 Millionen Euro soll wiederum Claus Ritter durch Betrug erlangt haben. Unter Bankrott versteht man eine Straftat im Zusammenhang mit einer Insolvenz. Sie liegt dann vor, wenn eine Person eine Überschuldung vorsätzlich herbeiführt oder rechtswidrig die Insolvenzmasse verringert, also Werte beiseiteschafft.
...

https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/bornheim-spargelbauer-claus-ritter-angeklagt_aid-89644321
Titel: Aw: Erntehelfer
Beitrag von: Nikita am 23:39:27 Do. 19.Oktober 2023
Kann man da schon von Clankriminalität sprechen?

Spargelbauer Claus Ritter, Ehefrau Sabine Ritter und vermutlich die Tochter Angela Ritter stehen ab Montag in Bonn vor Gericht. Es wurde mit hoher krimineller Energie den Beschäftigten ihr Lohn vorenthalten und Millionenbeträge beiseite geschafft. Claus Ritter und Sabine Ritter waren lt. Berichten bereits in Zwangshaft. Sind also unbelehrbar geblieben. Die Tochter soll mit ihrem Partner nach der Schließung einfach auf ihren Namen das "Geschäftsmodell" fortgeführt haben.
Claus Ritter wird nachgesagt, viel Geld in seine Oldtimersammlung versenkt zu haben.

Die FAU hatte sich in der Sache stark engagiert und mitgeholfen, dass die Mitarbeiter einen Teil ihres Lohn zurückerhalten haben.

https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/spargelbauer-claus-ritter-ab-montag-vor-gericht_aid-99810933

Ehemaliger Spargelbauer Claus Ritter ab Montag vor Gericht


Bornheim · Der ehemalige Bornheimer Spargelbauer soll mit seiner Familie rund 1,7 Millionen Euro beiseite geschafft haben. Das ist aber nur einer von vielen Anklagepunkten.

Von Leif Kubik
Bankrott, veruntreuende Unterschlagung, Vorenthalten von Arbeitsentgelt, besonders schwerer Betrug und falsche Versicherung an Eides statt: Die Liste der Vorwürfe, die die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Spargelbauern Claus Ritter und zwei Familienmitglieder erhebt, ist nicht gerade kurz. Ab Montag wird nun vor der 11. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht gegen den 63-jährigen und seine Frau Sabine verhandelt. Seiner Tochter wird Beihilfe vorgeworfen. Dem Ehepaar werden 66 (Claus Ritter) beziehungsweise 61 Straftaten vorgeworfen, die es zwischen Juni 2018 und dem 15. Juli 2020 begangen haben soll. Auf stolze 1,7 Millionen Euro beziffert die Staatsanwaltschaft die Summe, die die Familie durch den Bankrott erlangt haben könnte. Dazu kommen weitere rund 1,3 Millionen, die Claus Ritter sich durch Betrug verschafft haben soll.
...
Titel: Aw: Erntehelfer
Beitrag von: Nikita am 11:04:29 Di. 24.Oktober 2023
Am ersten Prozesstag hat sich der kriminelle Spargelbauer-Clan Familie Ritter weitgehend geständig gezeigt.
Die Ausbeuterfamilie musste teilweise bereits in Zwangshaft. Ehefrau Sabine Ritter soll eine traumatische Zeit dort erlebt haben.

https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/bornheimer-spargelbauer-vor-gericht-was-ist-passiert_aid-100046025
Titel: Claus Ritter muss für drei Jahre in Haft
Beitrag von: Nikita am 11:33:39 Di. 28.November 2023
Hoffen wir, dass das Geld bei den richtigen Leuten ankommt. Dass Frau Sabine Ritter und  die Tochter Angela Ritter nicht ins Gefängnis gehen trotz hoher krimineller Energie,  ist unfassbar.

Gerichtsverfahren gegen Bornheimer Spargelbauer

Claus Ritter muss für drei Jahre in Haft

Bornheim/Bonn · Der als Bornheimer Spargelkönig bekannt gewordene Unternehmer Claus Ritter muss für drei Jahre in Haft. Das hat das Bonner Landgericht am Montag entschieden. Auch seine Frau erhielt eine Strafe. Gegen beide hatte es eine Reihe von Anschuldigungen gegeben.

Die Strafe der Frau wurde zur Bewährung ausgesetzt. Claus Ritter wurde zusätzlich wegen Betrugs und falscher Versicherung an Eides statt verurteilt. Gemeinsam müssen die Eheleute rund 1,68 Millionen Euro zurückzahlen. Der als Spargelkönig bekannt gewordene Ehemann muss zusätzlich 1,3 Millionen Euro alleine zahlen.

Beide Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft verzichteten auf Rechtsmittel, damit ist das Urteil rechtskräftig. Das Verfahren gegen die zunächst mitangeklagte Tochter wurde gegen Zahlung von 5000 Euro eingestellt.
...
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/spargelbauer-aus-bornheim-claus-ritter-muss-fuer-drei-jahre-in-haft-v1_aid-102265981