Neuerungen im Arbeitsrecht

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 18:29:54 Sa. 17.Mai 2008

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ManOfConstantSorrow

Kündigung im Schnelldurchlauf

Kündigungsschutzklagen können seit dem 1. April schneller zum Abschluss gebracht werden. Der Bundestag hat das Verfahren vor den Arbeitsgerichten wesentlich gestrafft. Vor allem gibt es jetzt die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht am Arbeitsort zu klagen. Umgekehrt beschneidet der Gesetzgeber wesentliche Rechte in den Klageverfahren vor den Sozialgerichten.


Sowohl die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund haben die Veränderungen in arbeitsgerichtlichen Verfahren (ArbGG) grundsätzlich begrüßt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht gibt es folgende Veränderungen: Arbeitsrechtliche Klagen können nun auch bei Arbeitsgerichten eingereicht werden, in deren Bezirken ein Arbeitnehmer zwar nicht wohnt, aber gewöhnlich arbeitet. Gerade für Berufspendler, Leiharbeiter und Außendienstmitarbeiter erleichtert diese Regelung den Rechtsschutz erheblich. Die bisherige Praxis hatte große Mühe, den sogenannten Gerichtsstand des Erfüllungsorts exakt zu ermitteln. Die Verfahren an den Gerichten selbst sollen zudem durch die Reform des Arbeitsgerichtsprozesses gestrafft werden. Vor allem die zu lange Dauer der Prozesse sorgte in vielen Fällen für Rechtsunsicherheit auf beiden Seiten, sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern.

Um hier Abhilfe zu schaffen, wird die Stellung des Vorsitzenden Richters deshalb zukünftig zulasten der ehrenamtlichen Richter merklich gestärkt. Der Vorsitzende Richter kann nunmehr eine Berufung oder eine Beschwerde ohne Rücksprache mit seiner Kammer zurückweisen. Ebenso entscheidet er allein über formelle Prozessfragen, wie über Einsprüche gegen Versäumnisurteile oder in Kostenentscheidungen. Damit sinkt der Einfluss von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern auf den Prozess.

Die oft verkürzt als Laienrichter bezeichneten ehrenamtlichen Richter werden nach dem ArbGG aus den Reihen der Interessenverbände rekrutiert. Insbesondere die Gewerkschaftsseite sah in der Expertenanhörung vor dem Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestages im Februar die ehrenamtlichen Richter aus der praktisch bedeutsamen Frage der Berufung gegen erstinstanzliche Urteile herausgedrängt.

Eine wichtige Neuerung für die Praxis ergibt sich im Kündigungsschutzverfahren. Bei einer verspätet drei Wochen nach Kündigung eingereichten Klage auf Kündigungsschutz werden künftig Klage und Zulassung des eingebrachten Rechtsmittels grundsätzlich verbunden. Praktisch häufige Verzögerungen über langwierige Prozesse darüber, ob eine verspätete Klage als unverschuldet doch noch zuzulassen ist oder nicht, werden künftig vermieden.

Zu Änderungen kommt es auch im Sozialrecht. Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger werden es zukünftig schwerer haben, ihr Recht zu bekommen. Der Bundestag will durch Einschränkungen im Rechtsschutz die durch die Hartz-IV-Gesetze ausgelöste Klagewelle in den Griff bekommen. Breite Kritik äußerten insbesondere die Sozialverbände, aber auch die Linke und die Grünen an den neuen Vorschriften im Sozialrecht.

Insbesondere die Rechte der Klägerseite werden in dem Gesetz mittels neuer Ausschlussregelungen stark beschnitten. Die Gerichte dürften verspäteten Vortrag künftig wie in Zivilverfahren zurückweisen. Gleichzeitig verkürzt das Sozialgerichtsgesetz die Berufung gegen Urteile der ersten Instanz, indem die Streitwertgrenzen von 500 Euro auf 750 Euro angehoben werden. Das Bundesjustizministerium will mit dem überarbeiteten Sozialgerichtsgesetz den Gerichten eine bessere Handhabe geben, um mit der Flut neuer Hartz-IV-Klagen fertigzuwerden. Gleichzeitig sind es die auch von Gerichten schon mehrfach beklagten Fehler und Ungenauigkeiten der Hartz-Gesetze, die 2006 fast zu einer Verdopplung der Streitsachen vor den Sozialgerichten im Vergleich zum Vorjahr geführt haben. Der Bundestag hatte die weitergehende Forderung des Bundesrates nach einer Zusammenlegung der Sozialgerichte mit den Verwaltungsgerichten dagegen abgelehnt.

Während die Bilanz beim Arbeitsgerichtsprozess sowohl für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber Positives bietet, fällt das Urteil der Betroffenen über die Reform des Sozialgerichtsverfahrens deutlich negativ aus. Die Sozialgerichte dürfen sich jetzt stärker vor sozialgerichtlichen Streitigkeiten abschotten.

Dafür gibt ihnen das Gesetz etliche Beschränkungen des Klageweges in die Hand. Eines der wichtigsten Instrumente ist die Auswahl geeigneter Musterverfahren. Wird eine behördliche Maßnahme von mehr als zwanzig Klägern angegriffen, darf das Gericht ein oder mehrere dieser Klagen als Musterverfahren absondern und über diese isoliert verhandeln. Über die übrigen Verfahren wird dann nur noch im Wege des Beschlusses entschieden. Die Kläger in sozialgerichtlichen Verfahren werden noch weiter beschränkt, in dem verspätete Vorträge zurückgewiesen werden können. Eine solche sonst nur für Zivilverfahren übliche Vorgehensweise zugunsten der Behörde anzuwenden ist in Verwaltungsprozessen ungewöhnlich.

Viele Sozialklagen werden von nicht anwaltlich vertretenen Klägern erhoben, die in Rechtsfragen ungeübt sind. Allerdings lässt wohl auch die Qualität der Arbeit der Sozialbehörden zu wünschen übrig. Allein in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Berlin gehen fast die Hälfte aller ALG-II-Verfahren zumindest teilweise erfolgreich für die Kläger aus. Neu ist ebenfalls die Möglichkeit der Sozialgerichte, schlecht abgefasste Klagen nach einer Fristsetzung sogar ganz zurückzuweisen. Aber auch die Rechtsmittel gegen Urteile der Sozialbehörden werden beschränkt. Die Streitwertgrenze ist um 50 Prozent erhöht worden. Was wie eine verschleppte inflationsbedingte Anpassung klingt, bedeutet, dass ,,viele Streitsachen, die bislang aus diesen Rechtsgebieten wie Hartz IV und Sozialhilfe kommen, nicht mehr berufungsfähig sein" werden, wie Professor Rainer Schlegel von der Universität Gießen während der Anhörung im Bundestag ausführte. Denn die meisten Bewilligungsbescheide werden nur für sechs Monate erteilt, so dass die konkrete Streitsumme häufig darunter liegen wird.

Neben diesen grundsätzlichen Änderungen enthalten die rund 700 Seiten Gesetzentwurf noch weitere Neuerungen. So werden den Landessozialgerichten neue Zuständigkeiten zur Entscheidung übergeordneter Rechtsfragen zugewiesen, und während laufender Verfahren ergehende Bescheide werden grundsätzlich nicht mehr zum Verfahren hinzugezogen.

http://www.handelsblatt.com/News/Recht-Steuern/Meldungen/_pv/doc_page/1/_p/204878/_t/ft/_b/1418152/default.aspx/kuendigung-im-schnelldurchlauf.html
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