Immer mehr Bundeswehrsoldaten nach Auslandseinsätzen traumatisiert

Begonnen von Kater, 09:52:00 Fr. 07.Juli 2006

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Kater

ZitatOffenbar immer mehr Soldaten nach Auslandseinsätzen traumatisiert
Freitag 7. Juli 2006, 09:08 Uhr

Osnabrück (AP) Die Bundeswehr hat einem Zeitungsbericht zufolge wachsende Probleme mit traumatisierten Soldaten. Wie die «Neue Osnabrücker Zeitung» am Freitag berichtete, stieg die Zahl der posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) in den vergangenen zehn Jahren auf 1.547. Vor allem von der Afghanistan-Mission ISAF kehrten mehr Soldaten mit PTBS zurück als von Balkan-Einsätzen. Nach Informationen der Zeitung stieg die Zahl von 30 Fällen 2003 im vergangenen Jahr auf 86 Fälle.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, forderte dem Bericht zufolge, dass die Wehrmedizin künftig ein Hauptaugenmerk auf die Behandlung von PTBS richten müsse. «Den Soldaten muss nicht nur der bestmögliche Schutz vor körperlichen Verletzungen gewährt werden, sondern auch vor seelischen Erkrankungen», wurde der SPD-Politiker zitiert. Robbe wies aber darauf hin, dass die Bundeswehrsoldaten mit der verschlechterten Sicherheitslage im Norden Afghanistans äußerst professionell umgingen. Davon habe er sich vor Ort überzeugen können. Die Einsatzsoldaten in Afghanistan seien aber wegen der permanenten Bedrohung durch Selbstmordanschläge und Terrorattacken «mit einem Problemfeld neuer Qualität konfrontiert, auf das verstärkt reagiert werden muss», sagte der Wehrbeauftragte demnach.

Die PTBS-Erscheinungsbilder reichen von einfachen Stressreaktionen wie etwa Schreckmomenten und Verunsicherung bis hin zu massiven Belastungsreaktionen wie Panik und völliger Hilflosigkeit. Dem Bericht zufolge schätzen Experten, dass die Dunkelziffer noch weit höher liegen dürfte, weil die Hemmschwelle, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, hoch sei.

http://de.news.yahoo.com/07072006/12/offenbar-soldaten-auslandseinsaetzen-traumatisiert.html

Kater

ZitatImmer mehr Bundeswehrsoldaten traumatisiert
Auslandseinsätze: Viele Rückkehrer werden die Bilder und den Geruch des Krieges nicht mehr los. Im der Wandsbeker Bundeswehrklinik nutzen die Ärzte US-Erfahrungen aus dem Vietnam-Krieg.
Von Sandra Pabst

Hamburg -
Bevor Soldaten das erste Mal auf der schwarzen Ledercouch von Dr. Karl-Heinz Biesold Platz nehmen, haben sie häufig eine Odyssee hinter sich. Denn niemand versteht, warum sie den Geruch von gegrilltem Fleisch nicht mehr ertragen oder bei jedem Hubschraubergeräusch zusammenzucken und in Deckung gehen. Sie sind verzweifelt, weil sie wegen Nichtigkeiten ausrasten und anfangen, Frau oder Kinder zu schlagen.

Weil immer mehr Bundeswehrsoldaten nach Auslandseinsätzen unter psychischen Problemen leiden, hat jetzt der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Reinhold Robbe, einen besseren Schutz der Soldaten vor seelischen Erkrankungen gefordert. Oberstarzt Dr. Karl-Heinz Biesold kennt dieses Problem genau. Der 56jährige ist Leiter der Abteilung Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im Hamburger Bundeswehrkrankenhaus und therapiert seit zehn Jahren Soldaten, die unter "posttraumatischen Belastungsstörungen" (PTBS) leiden. "Die Soldaten werden die Bilder nicht los, die sie bei einem Einsatz erlebt haben", berichtet Biesold. Viele leiden unter Angstgefühlen, Herzschlag, Pulsrasen und steigendem Blutdruck. "Es können Depressionen auftauchen bis hin zum Suizid", so der Facharzt.

Dabei gilt: Je schwieriger die Auslandseinsätze verlaufen, um so häufiger treten psychische Erkrankungen auf. 1992 hatte die Bundeswehr ihren ersten Auslandsaufenthalt in Kambodscha. Es folgten Somalia, Bosnien, Kosovo und Afghanistan. Nach offiziellen Angaben der Bundeswehr wurden in den vergangenen zehn Jahren 1547 Fälle registriert. Davon hätten 640 Soldaten posttraumatische Störungen aufgewiesen.

Im Zeitraum 2003 bis 2005 waren es 200 Fälle bei heimkehrenden Soldaten der von der Nato geführten internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf). Die Zahl der an PTBS-erkrankten Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, stieg von 30 im Jahr 2003 auf 86 im vergangenen Jahr. Bei der seit 1996 in Bosnien bestehenden Friedensmission Sfor beziehungsweise Eufor sollen bislang 118 Fälle aufgetreten sein. Experten gehen jedoch davon aus, daß die Dunkelziffer weitaus höher liegen dürfte, da die Hemmschwelle, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, hoch sei.

Um die erkrankten Soldaten kümmern sich inzwischen in allen acht Bundeswehrkrankenhäusern Psychologen und Psychiater. Das Hamburger Krankenhaus ist das einzige mit dem Schwerpunkt "Psychotraumatologie". Biesolds Patienten kommen aus ganz Deutschland. Von den 1000 stationär behandelten Patienten leidet dabei ein Großteil an Einsatzstreßerkrankungen und posttraumatischen Störungen.

Bei der Behandlung der Patienten können die Ärzte auf Erfahrungen ihrer amerikanischen Kollegen zurückgreifen. Nach dem Vietnamkrieg tauchte der Begriff der "posttraumatischen Störung" das erste Mal in den USA auf. Von den drei Millionen US-Soldaten litten etwa 500 000 an schweren psychischen Schäden. "Es gab amerikanische Soldaten, die nach Ende des Vietnamkriegs jahrelang in Wäldern lebten", erzählt Biesold. Die Soldaten hatten die Bedrohung durch den Vietkong nicht verarbeitet und konnten sich nicht mehr in Häusern aufhalten.

Die Behandlung der traumatisierten Soldaten erfolgt in drei Schritten. Zuerst müssen sie sich erholen, damit sie nicht mehr von den Panikattacken überrollt werden. Dann erfolgt die Traumabearbeitung. In der dritten Phase werden die Soldaten wieder in ihren beruflichen und familiären Alltag intergriert. Mehr als die Hälfte der Soldaten kehrt schließlich in den Bundeswehrdienst zurück, wenn auch nicht alle wieder in einem Auslandskommando eingesetzt werden.

erschienen am 8. Juli 2006

http://www.abendblatt.de/daten/2006/07/08/583649.html

Kater

Beitrag im Magazin Panorama vom 31.08.2006

ZitatTraumatisierte Soldaten – Die Risiken deutscher Auslandseinsätze

Kabul in Afghanistan vor drei Jahren. Ein Terrorist sprengt einen vollbesetzten Bus der Bundeswehr in die Luft. Wenige Meter entfernt: Der Soldat Martin Jäger. Er beobachtet den Anschlag. Eine Szene, die sein ganzes Leben verändern wird. Der zerstörte Bus, die Splitter, die Blutlachen - das sind die Bilder, die ihn seitdem nicht mehr loslassen. Martin Jäger muss mit ansehen, wie vier seiner Kameraden sterben.

Zurück in Deutschland erkennt seine Familie ihn kaum wieder. Er schottet sich ab, wird aggressiv und beginnt zu trinken. Erst Monate später wird klar: Martin Jäger leidet unter PTBS, einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Er ist einer von über hundert Soldaten jährlich, die traumatisiert aus dem Einsatz zurückkehren - und die Zahlen steigen. Doch die öffentliche Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr klammert dieses Thema bisher weitgehend aus. Panorama über die Risiken von Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Die Risiken deutscher Auslandseinsätze
PDF zum Download:
http://www.ndrtv.de/panorama/data/panorama_traumatisierte_soldaten.pdf

http://www.ndrtv.de/panorama/archiv/2006/0831/traumasoldaten.html

Kater

ARD-exclusiv: Das Erste | Mittwoch, 15.11.06 | 21:45 Uhr
BR (Stern.)  | Länge: 30 Minuten  

ZitatGezeichnet für's Leben
Deutsche Soldaten nach Auslandseinsätzen

Film von Andrea Mocellin und Udo Rappenberg

Erstmals werden Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen mit Verletzten und Toten konfrontiert. Bei den meisten hinterlässt dies tiefe Spuren in der Seele. Die Folge sind wiederkehrende Horrorvisionen, Aggressionen oder sogar totale Gefühlsstarre. Die Bundeswehr bietet traumatisierten Soldaten psychologische Hilfe an, damit sie nach dem Einsatz auch innerlich zu ihren Familien zurückfinden können.
Andrea Mocellin und Udo Rappenberg waren dabei, als Bundeswehrsoldaten für ihren nächsten Auslandseinsatz vorbereitet wurden. Sie haben deutsche Soldaten mit der Kamera auf gefährlichen Patrouillen in Afghanistan begleitet und den dort tätigen Truppenpsychologen Fragen zu ihrer Arbeit gestellt.
Außerdem sprechen Überlebende des Anschlags auf einen Bundeswehr-Bus im Juni 2003, bei dem in der afghanischen Hauptstadt vier Soldaten getötet und 29 verletzt wurden, über ihre entsetzlichen Erlebnisse und Kriegstraumata und wie schwer es ist, in ein normales Leben zurückzufinden.
http://programm.daserste.de/detail1.asp?id=X000336024&sdatlo=15.11.06&sender=1&dpointer=29&anzahl=42&ziel=29

Kater

ZitatGezeichnet fürs Leben
Deutsche Soldaten nach Auslandseinsätzen

Reportage von Andrea Mocellin und Udo Rappenberg

Wiederholung im Bayerischen Fernsehen:

Sonntag, 26. November 2006,  22.15 Uhr
Die Sendung wird am Montagvormittag um 11.15 Uhr wiederholt.

Kater

ZitatTraumatisierte Heimkehrer
Viele Soldaten der Bundeswehr werden mit Auslandseinsätzen nicht fertig
Von Werner Nording

Die Station für Neurologie und Psychiatrie des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg ist voll belegt. Seitdem sich die Bundeswehr in Somalia, im Kosovo oder in Afghanistan engagiert, ist die Zahl der Patienten sprunghaft angestiegen. Immer mehr Soldaten verkraften den Hass, die Gewalt, die Minenfelder und Schießereien nicht, die sie bei Auslandseinsätzen erleben.

Patienten, denen die anderen acht Bundeswehrkrankenhäuser bundesweit nicht mehr helfen können, kommen nach Hamburg. Hier hat die Bundeswehr den Schwerpunkt Psychotraumatologie eingerichtet.

Von außen betrachtet ist die Trauma-Station eingerichtet wie eine Kaserne: Ein langer kahler Gang, auf der rechten Seite Vierbettzimmer mit Stahlspinden, in denen die Patienten ihre persönlichen Sachen lassen können, auf der rechten Seite ein großer Innenhof mit Rasen und Bänken. Seit mehr als zehn Jahren behandelt die Bundeswehr hier Soldatinnen und Soldaten aus ganz Deutschland, die mit den Langzeitfolgen ihrer Auslandseinsätze nicht fertig werden, sagt Oberstarzt Dr. Karl-Heinz Biesold, der Leiter der Hamburger Militärpsychiatrie.

"Die ersten Patienten, aber wirklich nur einzelne kriegten wir schon nach Kambodscha, das ist 92/93 gewesen, dann die nächsten nach Somalia und in größerem Umfang dann mit dem Balkan-Einsatz insbesondere nach dem doch sehr kriegsnahen Einsatz 1999 im Kosovo, wo die Soldaten zum ersten Mal mit unmittelbaren Kriegsfolgen konfrontiert waren, mit den Auswirkungen von Gräuel und Zerstörung."

Mehr als 100.000 Soldaten haben sich seit 1992 an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt. 1500 von ihnen sind mit so starken seelischen Verletzungen zurückgekommen, dass viele noch heute im Hamburger Trauma-Zentrum behandelt werden müssen. Zum Beispiel Soldaten, die im Juni 1999 ihren Dienst auf einem Marktplatz in Prizren tun. Die Albaner feiern den Abzug der Serben aus dem Kosovo. Plötzlich nähert sich aus einer Seitenstraße ein gelber Lada. Einer der beiden Insassen schießt aus einer Kalaschnikow wild um sich, der andere droht mit Handgranaten aus dem Wagenfenster. Als die beiden Angreifer auf Warnschüsse nicht reagieren, nehmen die Bundeswehrsoldaten sie unter Feuer. Die beiden Serben sterben im Kugelhagel.

Hätten die Bundeswehrsoldaten nicht geschossen, wäre ihr eigenes Leben und das Leben vieler Menschen auf dem Marktplatz in Gefahr gewesen. Dennoch - einer der beiden Soldaten hat die Situation bis heute nicht verkraftet. Er macht sich Vorwürfe, ob er zu Recht geschossen hat, sagt Karl-Heinz Biesold.

"Und diese Soldaten mussten in diesem Fall töten, und der Mensch hat eine natürliche Tötungshemmung, und wenn man jemanden getötet hat, wird das nicht ohne Probleme verarbeitet, und das ist die Situation für die Soldaten gewesen."

Vier Jahre hat es gedauert, bis sich der Soldat in Behandlung begeben hat. Zig Mal hat er seitdem die Situation so qualvoll durchlebt, als wäre er noch immer in akuter Lebensgefahr. Der Bundeswehr-Psychologe Klaus Barre hat herausgefunden, dass im Augenblick der Traumatisierung die Information quasi im Gehirn des jungen Mannes steckengeblieben ist. Es war etwas geschehen, von dem er selbst lange nichts wusste. Erst viel später konnte er sich mit Hilfe der Therapie daran erinnern.

"Dass in dem Augenblick, wo er ansetzte zu schießen, also den Finger am Auslöser krumm machte, lief der Kopf eines neunjährigen kosovarischen Mädchens durch sein Zielfernrohr und für einen Moment hat er geglaubt, er hätte sie erschossen . Und selbst die Tatsache, dass er es nicht hat, hat er nicht mehr voll zur Kenntnis genommen und es hat ihn praktisch immer beschäftigt.

Die Augen schließen die Gedanken wie Wolken am Himmel ziehen lassen, die rechte Hand zur Faust ballen, spüren Sie die Spannung in Ihrer Hand, Spannung lösen."

Um den Alltag der Soldaten im Hamburger Bundeswehrkrankenhaus etwas erträglicher zu machen, gibt es ein breites Angebot an Wellness-Veranstaltungen. So bietet die Physiotherapeuten Helke Burmeister täglich eine meditative Entspannungsübung an.

"Muskelrelaxation nach Jacobsen ist ein Entspannungsverfahren und hat vielfältige Methoden, letztendlich schon Entspannung und vegetative Beruhigung, wobei es eine sehr langfristige Maßnahme ist, mehr eine Anleitung zum Selbsttraining, die hier dann nach dem Aufenthalt fortgeführt werden sollte, um dann langfristig auch im Alltag umgesetzt zu werden."

Der Tagesablauf im Hamburger Bundeswehrkrankenhaus ist streng organisiert, sagt dieser 39-jährige Berufssoldat. Der gelernte Lackierer ist seit 20 Jahren bei der Truppe.

"6.30 wird geweckt, 7.30 ist Frühstück, von da aus geht es dann meist in irgendwelche Behandlungen, 10.30 Tschigong, 11.30 Mittagessen, 14.00 Kaffeetrinken, zwischendurch immer mal wieder Therapien und Beratungen, gegen 17.30 ist dann Abendbrot, ab 22.30 Zimmerlautstärke und ab 23 Uhr Licht aus letztendlich. Fernsehen gucken und Computer und Telefon nur zu bestimmten Zeiten, ist kein Urlaub hier, ist ruhig und entspannend, der Alltagsstress ist nicht hier, aber es ist kein Urlaub."

100 Soldaten werden jährlich auf der Trauma-Station in Hamburg behandelt, sagt die Psychotherapeutin Nina Schadt. Da seit einigen Jahren auch Frauen zu Einsätzen ins Ausland geschickt werden, hat die Zahl der weiblichen Patienten erheblich zugenommen. Häufig sind es sexuelle Übergriffe, mit denen die Soldatinnen nicht fertig werden.

"Es werden immer mehr, es wird immer komplizierter und es hat mittlerweile auch mit vielen Frauen zu tun, es bietet sich manchmal auch an, als weibliche Therapeutin was zu machen."

Nicht selten kommt es vor, dass schlimme Erfahrungen, die die Soldatinnen schon als kleine Mädchen machen, mussten durch extreme seelische Belastungen wieder aufbrechen.

"Ein Beispiel ist eine sehr junge Patientin, die von einem Verwandten zweiten Grades mehrfach missbraucht worden ist über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren, dieses Ereignis war verdrängt und durch ein Einsatztrauma, in dem es zu einer lebensbedrohlichen Situation kam, ist dieses alte Ereignis wieder aufgebrochen im Sinne von Bildern, die sich aufdrängen, Alpträumen, ein ständiges Bedrohungsgefühl, depressive Symptome, Schlafstörungen, Appetitverlust, Gewichtsverlust eine depressive Symptome mit traumaassoziierten Symptomen."

Die Mediziner sprechen von posttraumatischen Belastungsstörungen. Selten kommen die Patientinnen und Patienten aus eigenem Antrieb, zumeist sind es die Lebenspartner, die von den Betroffenen verlangen, zum Arzt zu gehen. Oft haben die Patienten dann schon einiges hinter sich: Jahrelange Schlaflosigkeit, Schwermut, Nervenschwäche, Ehekrisen, sozialen Abstieg oder Vereinsamung, sagt Oberstarzt Biesold.

"Es ist aber auch nicht selten, dass es erst verarbeitet erscheint und dann in einer Ruhephase oder vielleicht mit der Rückkehr aus dem Einsatz erst die Probleme auftauchen und die Symptome des Nichtwiederloswerdens der Bilder, dass man überwältigt wird, obwohl man wieder zu Hause in Sicherheit ist von diesen Angstgefühlen und den Stresssymptomen so als wäre man immer noch in der Gefahrensituation."

So ist es auch diesem 52-jährigen Feldjäger aus Niedersachsen gegangen, der seine Erfahrungen aus dem Auslandseinsatz kaum verarbeiten kann.

"Ich war fast neun Monate in Bosnien, nur eine Woche Urlaub zwischendurch und für mich gab es die Problematik, die Einsatzwelt und die Welt hier, das konnte ich nicht trennen, ich hab Monate gebraucht, um zu wissen, dass ich eigentlich wieder hier bin, das geht jetzt noch weiter, dass man auf der Autobahn mal rechts fährt, dass man Angst hat, dass man eingekesselt wird, wenn ich zum Einkaufen geh, bin ich morgens der Erste, ich mag nicht in der Schlange stehen, dann krieg ich sofort Herzrasen und denke, ich komm da nicht wieder raus, das ist die Symptomatik."

Dabei hat es eine ganze Zeit gedauert, bis er selbst überhaupt gemerkt hatte, dass sich irgendetwas in ihm verändert hatte.

"Ich bin zurückgekommen 2001, ich hab ein Jahr von diesen posttraumatischen Belastungen gar nichts gemerkt, man zieht sich einfach nur zurück, man merkt das selbst nicht, sitzt also nur noch zu Hause, zappt am Fernseher rum, hat zu nichts mehr Lust, Rasen wächst, ist mir völlig egal, kein Rasenmäher, das hat ungefähr ein Jahr gedauert, bis ich das selber erkannt hab, meine Frau hat es schon vorher erkannt, aber die hat mir nichts gesagt."

Der Vater von zwei erwachsenen Kindern musste mehrere lebensbedrohliche Situationen durchstehen: Er wurde von Serben und Albanern eingekesselt, plötzlich tauchten aus dem Dunkel bewaffnete Kombattanten auf, einen Hubschrauberabsturz überlebte er nur knapp. Es hilft ihm, mit dem Therapeuten das Erlebte aufzuarbeiten.

"Da durchlebe ich die ganzen Situationen, die für mich einmal lebensbedrohlich waren, die spiel ich mit ihm nach, vom Kopf her, und dabei entstehen die ganzen Symptome, die man damals mal gehabt hat, Herzrasen, Kopfschmerzen, Angst, Schweißausbrüche, und das durchleben wir alles noch mal, und dadurch sind wir vielleicht irgendwann mal in der Lage, das sauber abzulegen , dass man auf die Erfahrungswerte, die man damals gewonnen hat, zurückgreifen kann, aber ohne dass man vor der Situation Angst hat."

Zwei- bis dreimal in der Woche haben die Patienten eine psychotherapeutische Sitzung. Dabei geht der Bundeswehr-Psychologe Klaus Barre auf die konkreten Situationen ein, mit denen die Betroffenen allein nicht fertig werden.

Therapeut: "Jetzt würd ich erst mal wissen, wie ist es Ihnen nach dem Gespräch ergangen."
Soldat: "Nach dem Gespräch hab ich mich ein bisschen niedergeschlagen gefühlt und ich hab sehr schlecht geschlafen."
Therapeut: "Wenn sie jetzt gesagt haben, Sie haben sich ein bisschen niedergeschlagen gefühlt und haben schlecht geschlafen, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen oder durchs Herz, gab es da irgendetwas, was besonders einprägsam war?"
Soldat: "Ja die Bilder von meinem Anschlag."

Der 28-jährige Zeitsoldat aus Hessen war im Februar dieses Jahres in Kundus in Afghanistan in einen Anschlag geraten. Direkt neben seinem Patrouillenfahrzeug explodierte eine Fahrradbombe, die zwei Kinder und einen Erwachsenen in den Tod riss. Er selbst hatte Glück und kam mit dem Leben davon. Die Splitterverletzungen und das geplatzte Trommelfell ließen sich behandeln, doch die schrecklichen Bilder der zerfetzten Toten kann er nicht vergessen.

"Ja das sind eben Bilder von Kindern, die da tot vor mir gelegen haben und die man im ersten Moment, wo das passiert ist, gar nicht wahrgenommen hat, der Körper baut ja eine Schutzfunktion auf, das kriegt man erst hinterher mit, wie man das verarbeiten kann, oder, ich finde keine Erklärung dafür, sagen wir mal so."

Mit einem Schlag hat sich das Leben des gelernten Malers verändert. Discos, Jahrmärkte oder überhaupt Menschenansammlungen kann er nicht mehr ertragen. Seine Freundin hat ihn verlassen, er kann sich über nichts mehr freuen.

"Am normalen Leben kann man teilhaben, aber man kann es nicht mehr genießen. Verschiedene Sachen gehen einem durch den Kopf, das sind Bilder, die man nicht verdrängen kann, die immer wieder kommen, dadurch tickt man dann nicht mehr so, wie man vorher tickt, das macht sich auf die eigene Umwelt bemerkbar, man selber grübelt nach, wie kann ich mein Leben besser genießen, wie kann ich es besser gestalten, wie soll ich die Zeit weiter nutzen."

In seiner Behandlung wendet der Psychotherapeut Klaus Barre eine Therapiemethode an, die Ende der 80er Jahre in den USA entwickelt wurde. Der Therapeut sitzt seinem Patienten gegenüber, hält seine Finger in Höhe der Augen des Soldaten und beginnt dann die Finger hin und herzubewegen, so dass der Mann seine Augen hin und herbewegt in einer horizontalen Linie. 50 bis 60 Mal macht er das, dann fordert er den Patienten auf tief Luft zu holen.

"Jetzt erzählen sie mir bitte alles, was jetzt in Ihnen vorgeht, Gedanken, Gefühle, mögliche Körperempfindungen, und wenn er das getan hat, dann sag ich ihm okay, dann gehen Sie bitte weiter oder bleiben Sie dabei, heb die Finger wieder und leite wieder Augenbewegungen, und so fährt der Verarbeitungszug von Station zu Station, lädt Belastendes aus und Konstruktives, Entlastendes ein. Bis schließlich der Zug am Ziel angekommen ist und der Patient sagt, wenn ich jetzt an das Ereignis denke, dann kann ich sagen, ich weiß, dass es geschehen ist, aber es belastet mich nicht mehr."

Zum Angebot des Bundeswehrkrankenhauses gehört auch Ergotherapie. Das soll den Patienten helfen, sich von ihren düsteren Gedanken abzulenken. Sie können töpfern, Korbarbeiten machen oder Holz und Speckstein bearbeiten. Dieser Patient klebt gerade ein grellbuntes marmoriertes Aquarellbild auf einen Pappdeckel.

"Eine Rezeptsammelmappe, Kochrezepte, ist für mich selbst."

Die Ergotherapeutin Ivonne Wegner arbeitet seit zehn Jahren am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg. Ihre Patienten kommen aus allen Teilen Deutschlands, aus Bayern, Hessen, Sachsen oder Nordrhein-Westfalen. Drei bis viermal pro Woche können sie an den Kursen teilnehmen.

"Wir arbeiten hauptsächlich handwerklich kreativ mit den Patienten und versuchen, ihnen einen Ausbruch aus ihren Problemen zu geben, die sie auf Station haben, so eine kleine Rückzugsmöglichkeit zu haben, Entspannung zu finden über ihre Arbeit, dass sie von der Therapie drüben, die sehr anstrengend ist und belastend, ein bisschen zurückkommen können in die Ruhe und die Ablenkung, ja."

Körperliche Verletzungen kann jeder sehen, seelische Verletzungen sind schwerer zu erkennen, gerade bei schwierigen Auslandseinsätzen wurden die psychischen Belastungen oft ignoriert, das musste die Bundeswehr erst langsam lernen. Lange wurde das Thema tabuisiert, gibt Oberstarzt Biesold offen zu.

"Wir müssen in der Truppe sicher mehr Unterrichtung und Aufklärung machen, als das ein Chirurg tun muss, das ist selbstverständlich, wenn ich verletzt bin, dass ich zum Chirurgen gehe, so sind wir auch eingebunden in Unterrichtsblöcke, auch bei Medizinern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man nicht nur auf körperliche Erkrankungen, sondern auch auf seelische Erkrankungen achten muss, wie im zivilen Bereich auch. Psychiatrie ist ein Randgebiet der Medizin und hat auch was mit Stigmatisierung und Tabuisierung zu tun 35 und da gibt es Nachholbedarf."

Mittlerweile gibt es in der Bundeswehr sogar erste Selbsthilfegruppen, die oft von Militärpfarrern gegründet worden sind. Zum Beispiel in München die Gruppe "Skarabäus" oder in Regensburg die Vereinigung "Farus". Ein großes Problem besteht darin, dass sich nach neusten Studien der amerikanischen Streitkräfte nur ein Viertel der traumatisierten Soldaten tatsächlich in Behandlung begeben.

"Wir wissen von den Untersuchungen der Amerikaner zum Beispiel, dass nur 25 Prozent der psychiatrisch Behandlungsbedürftigen Irak-Veteranen tatsächlich auch in Behandlung gehen, drei Viertel gehen nicht zum Arzt und suchen um fachgerechte Hilfe nach, das wär ja bei körperlichen Verletzungen undenkbar, bei Schussverletzungen gehen 100 Prozent der Verletzten zum Arzt."

Da die Bundeswehr bei den eigenen Auslandseinsätzen von einer ähnlich hohen Dunkelziffer ausgeht, bereitet das Bundesverteidigungsministerium derzeit eine Kampagne vor, um den Betroffenen anonym zu helfen.

"Wir arbeiten auch daran, ob wir so genannte niederschwellige Angebote machen können, ein Beispiel wäre einen Internet-Zugang zu schaffen oder ein anonymes Telefon, wo sich Leute hinwenden können, wo man mit ihnen darüber redet und sie überzeugt, sich in Behandlung zu begeben."

Der Grund, warum viele Soldaten ihre Einsatztraumata verschweigen, ist, dass sie in ihrer Einheit Laufbahnnachteile befürchten. Biesold kennt das Problem.

"Theoretisch heißt es, es soll keinen Nachteil in der Laufbahn geben, es soll keine Hinderung sein, aber dennoch wissen wir, dass Vorgesetzte und Kameraden sehr misstrauisch sind und sehr genau darauf achten, wenn jemand mal in der Psychiatrie behandelt worden ist, wie weit man mit dem noch zusammenarbeiten kann."

Mittlerweile hat die Bundeswehr erkannt, dass sie die seelischen Verletzungen ihrer Soldaten bei Auslandseinsätzen nicht länger auf die leichte Schulter nehmen darf. Deshalb wird das Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg weiter als Schwerpunktkrankenhaus ausgebaut. Die Zahl der Fachärzte und Psychotherapeuten wird deutlich erhöht. Mit Beginn des nächsten Jahres wird die Bundeswehr zudem bundesweit 15 Fachsanitätszentren einrichten, die psychiatrische Behandlungen durchführen können. Biesold gibt einen Überblick über die geplanten Zentren.

"Das wird in Leipzig sein, Kiel, Rostock, Wilhelmshaven, Seedorf bei Bremen, Munster, Bonn, in Kempten in Fritzlar, Augustdorf, Idar-Oberstein, Erfurt, Hammelburg, Kümmersbrück, das liegt bei Amberg, wo jetzt auch noch ein Bundeswehr-Krankenhaus ist, Sigmaringen und München."

Für die Soldaten bedeutet das, dass sie nicht mehr unbedingt ins Bundeswehrkrankenhaus nach Hamburg kommen müssen, sondern auch ambulant in der Nähe ihres Wohnortes behandelt werden können. Dort sei es auch leichter, sich mit anderen Kameraden auszutauschen, die unter den gleichen Symptomen leiden würden. Der Feldjäger aus Niedersachsen würde das begrüßen. Er hat lange gebraucht, sich seine Probleme offen einzugestehen.

"Man ist ja doch irgendwo ein Mann und die große Problematik in der Bundeswehr ist eigentlich zu sagen, ich bin jetzt nicht schwach, sondern das ist eine Krankheit und da müssen wir jetzt langsam mal mit umgehen können, weil man kann sich nicht immer verstecken, das ist halt noch so eine Macho-Gesellschaft, was hat er denn jetzt, das ist die große Problematik, über die Hürde bin ich gesprungen, das ist mir jetzt egal."

Die Auslandseinsätze haben sein Leben entscheidend verändert. Ob er jemals wieder voll arbeitsfähig wird, kann der 52-jährige Soldat heute noch nicht sagen. Immer wenn er glaubt, jetzt hat er es geschafft, kommt ein Rückfall. Doch die Hoffnung will er nicht aufgeben.

"Mir ist das völlig egal wie lange das dauert. Ich möchte einfach noch mal so sein wie früher, hätte was, es gibt auch gute Tage, an denen hält man sich jetzt fest. Aber einfach mal wieder alltagstauglich mit kleinen Macken, da kann ich mit leben."

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/568112/

Kater

ZitatAuslandseinsätze - Deutschlands vergessene Soldaten
64 deutsche Soldaten starben bisher bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, bei Unfällen, Minenexplosionen oder Sprengstoffattentaten. Über 9000 wurden verletzt, manche sehr schwer. Häufig kehren Soldaten traumatisiert aus dem Einsatz zurück, viele kämpfen einsam weiter.
Von Peter Müller



Tino Käßner verlor im November 2005 bei einem Selbstmordanschlag in Afghanistan seinen rechten Unterschenkel - Foto: Quirin Leppert
Manchmal reicht eine Bewegung, ein Duft oder ein Geräusch, und der Krieg bricht wieder aus.

So geübt, wie er früher seine Waffe zusammenschraubte, befestigt Tino Käßner nun die Prothese an seinem Oberschenkel. Dann steht er auf und holt Fotos. Das erste Bild zeigt, wie er auf einem Rennrad für die Paralympics trainiert. "2008 in Peking, spätestens vier Jahre später in London", will er an den Spielen teilnehmen.

Andere Bilder zeigen seine Hochzeit. Der gelernte Gas-Wasser-Installateur ist kein Mann großer Worte. Daher muss sie schon etwas sehr Besonderes gewesen sein, die Trauung wenige Monate nachdem er bei einem Angriff in Afghanistan seinen Unterschenkel verloren hatte. "Als wir Walzer tanzten, das war ein bewegender Moment." Dann rutscht ein Zeitungsausschnitt dazwischen. Darauf ist der zerstörte Geländewagen der Bundeswehr zu sehen, den Tino Käßner gefahren hat.

Stephan Müller schlendert mit seiner Freundin über den Christkindlmarkt in Augsburg, als er merkt, dass er nach seiner Rückkehr aus Afghanistan dem süßen Frieden in der Heimat nicht gewachsen ist. An einem Stand, an dem Maronen geröstet werden, fängt der hochgewachsene Schwabe am ganzen Körper zu schwitzen an. "Für mich roch das wie verbranntes Menschenfleisch."

Auch Frank Dornseifs Krieg geht weiter. Hört er Lärm, bricht er in Schweiß aus. Dann denkt er, Blut fließe wieder über sein Gesicht. Nachts versucht er meist vergeblich zu schlafen und streift unruhig durch sein Haus, eine umgebaute, in freundlichen Farben gehaltene Scheune im Hessischen Bergland. Tagsüber schluckt er Psychopharmaka, um ruhig zu werden.

Drei Menschen, die eines gemeinsam haben - sie zogen in einen Krieg, aus dem sie nicht unversehrt zurückkehrten. Ein Anschlag, ein bestimmtes Datum, eine bestimmte Stunde veränderten ihr Leben für immer. Die Bilder ausgebrannter Autos oder Hubschrauber, die in fernen Ländern abstürzen, kennt jeder aus dem Fernsehen - diese drei Männer saßen drin.

64 Soldaten der Bundeswehr sind im Auslandseinsatz bislang ums Leben gekommen, manche durch gewöhnliche Unfälle, andere durch Minenexplosionen oder Sprengstoffattentate. Viele, über 9000 Soldaten, wurden verletzt, manche nur leicht, einige schwer. Immer häufiger kehren Soldaten traumatisiert aus dem Einsatz zurück. Inzwischen gibt es auch einen Fachausdruck für die seelischen Kollateralschäden, die die Soldaten von den Kriegen und Krisen mit in die Heimat bringen - Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Der 14. November 2005 ist ein gewöhnlicher Tag in Kabul. Die Lageeinschätzung der Militärs am Morgen lautete wie immer "nicht stabil und nicht ruhig". Kurz nach dem Mittagessen bricht Oberfeldwebel Tino Käßner mit Oberstleutnant Armin Franz und Hauptfeldwebel Stefan Deuschl zu seiner letzten Fahrt in Afghanistan auf.

Franz muss zu einem Treffen mit afghanischen Polizisten, eine Routinesache. Ihr Weg führt vom Camp Warehouse, dem Nato-Lager im Osten Kabuls, das so groß ist wie eine deutsche Kleinstadt, über die Verbindungsstraße nach Kabul. Käßner steuert den Wolf, einen Geländewagen der Bundeswehr, über die "Route Violett", wie die Straße bei Militärs heißt. Der aus Chemnitz stammende Feldjäger ist für Personenschutz zuständig. Daher fährt er eine der wenigen gepanzerten Versionen des Wolf. Sonst werden damit Generäle kutschiert.

In die afghanische Hauptstadt sind es nur wenige Kilometer. Die Sonne scheint, es ist kalt. Weiß gestrichene Betonpfeiler trennen die beiden Fahrbahnen. Der Staub pudert die Dächer der Militärlager, die an einfache Hütten grenzen. Manchmal winken Kinder. Etwa zehn Minuten ist der schwere Wagen der Deutschen unterwegs, als Käßner ein weißer Toyota auf der Gegenfahrbahn auffällt.

Auf einmal ändert der seine Richtung und hält auf die Deutschen zu. Der Toyota erwischt den Wolf am Heck, der Wagen der Deutschen gerät ins Schlingern und prallt gegen einen der Betonpfeiler. Ein Airbag geht auf, Käßner schaut Franz an, der hinten rechts sitzt: Was war das denn, fragen sie sich. Noch vermuten sie nichts Böses. Immer wieder kommt es zu solchen Unfällen. Oft, so hat man ihnen gesagt, wollen die Afghanen so nur Schadenersatz herausschlagen. Käßner ist schon zum dritten Mal in Afghanistan, brenzlige Situationen ist er als Personenschützer gewohnt. Die Deutschen steigen aus.

Darauf hat der Mann in dem Corolla nur gewartet. Erneut hält er auf die Deutschen zu. Denen wird jetzt erst klar, dass sie es mit einem Selbstmordattentäter zu tun haben. Aber es ist zu spät. Diesmal sprengt der Mann sich und seinen Wagen in die Luft. Zwölf Kilo Sprengstoff explodieren zwei Meter von den Deutschen entfernt. Armin Franz wird frontal getroffen, der 44-Jährige ist sofort tot. Stefan Deuschl verliert beide Beine, vom Corolla bleibt ein Haufen Schrott. Tino Käßner steht im Schatten des gepanzerten Wolf, das ist sein Glück.

Unter den Ersten, die im Camp Warehouse von dem Attentat erfahren, ist Stephan Müller. Wenn es irgendwo in Afghanistan zu einem Anschlag kommt, dann wird er an den blonden Mittdreißiger aus Bayrisch-Schwaben gemeldet. Die Berichte der Patrouillen von den Straßen, die Kabelnachrichten der Militärgeheimdienste, die Aufzeichnungen der elektronischen Aufklä- rungsdrohnen - sie alle landen bei dem deutschen Hauptfeldwebel. Wie gefährlich Afghanistan auch Jahre nach der Vertreibung der Taliban noch immer ist - nirgends wird das deutlicher als auf Müllers Schreibtisch.

Das Fahrzeugwrack des Corolla raucht, als britische Sanitäter Tino Käßner packen und ins nahe gelegene Camp der Amerikaner transportieren, direkt auf den OP-Tisch. Später schaut ein deutscher Oberfeldwebel rein. "Alles wird gut", sagt der. Mehr bekommt Tino Käßner nicht mehr mit. Die Ärzte versetzen ihn in ein künstliches Koma, noch am Tag darauf wird er ausgeflogen. Fünf Tage später, an einem Samstag, wacht er in Koblenz im Bundeswehrkrankenhaus auf. Seine Verlobte Antje, die heute seine Ehefrau ist, steht am Bett. Sie hat Tino klarzumachen, was er noch nicht ahnt: Sein rechter Unterschenkel musste amputiert werden. Einen Freund, der ihn besucht, entlässt Käßner mit den Worten: "Trainier schon mal schön. Kommendes Jahr gehen wir wieder radfahren."

Vielleicht redet er sich diese Tage ein wenig schön, jetzt, da er über ein Jahr später in seiner gemütlichen Wohnung im Oberbayerischen sitzt. Der Duft von Aufbackpizza zieht durch die Stube, vom Erker fällt der Blick auf eine verwinkelte Gasse. Der 32-Jährige mit dem Igelhaarschnitt und offenem Gesicht hat seinen Unterschenkel verloren, aber sonst Glück gehabt. Freunde haben ihm geholfen, auch seine Frau hat zu ihm gestanden. Die Pension wurde schnell bewilligt.

Das ist nicht immer so. Seit er aus Kabul zurück ist, machen übereifrige Beamte Frank Dornseif das Leben schwer. Zwei Jahre nachdem er in Afghanistan fast gestorben wäre, hatte er immer noch nicht die Bescheinigung in der Hand, dass es sich dabei um einen sogenannten Einsatzunfall gehandelt hatte. In den USA hätte er einen Orden bekommen, in Deutschland kämpfte er um die Höhe seiner Rente. Doch auch wenn die Abzahlung für den Umbau der Scheune drückt, geht es Frank Dornseif nicht nur ums Geld. Er will einen Schlussstrich unter das Kapitel Bundeswehr ziehen und ein neues Leben beginnen.

Wenn er nicht zittert, seine Hände nicht knetet, sich nicht an seinen Knien festhält, wirkt der gelernte Bäcker wie ein gemütlicher Familienvater. Vom Kopf sprießt graues Stoppelhaar, vom Kinn ein kleiner Bart, auf der Nase sitzt eine rahmenlose Brille. Dialekt aus dem nordhessischen Bergland breitet sich aus. Doch der passt nicht zu den Erinnerungen aus Kabul.

"Bosnien ist zum Üben, wer was kann, geht nach Afghanistan", mit diesem Spruch und vielen Befürchtungen gewappnet, hatte sich Frank Dornseif nach Kabul aufgemacht. Der Hauptfeldwebel ist Logistiker, kein Kampfsoldat. Er war froh, als er die vier Monate hinter sich hatte.

Als er mit seinen Kameraden zum Flughafen fährt, rammt ein mit Sprengstoff beladener Lada den Bus. Vier Soldaten sterben bei dem Anschlag, einem der folgenschwersten auf die Bundeswehr bislang. Frank Dornseif saß weit hinten, zum Gang hin. Durch diesen Zufall überlebte er.

Die Explosion zersplitterte seine Sonnenbrille und rammte die Teile überall in sein Gesicht. Das Trommelfell im linken Ohr ist zerfetzt. Seitdem hört er schlecht und kann Geräusche nicht mehr orten.

Seitdem kämpft er. Gegen Atemnot, gegen Schweißausbrüche, gegen Schlafstörungen und gegen die Bürokratie. Die Monate nach dem Juni 2003 teilt er in solche, in denen er in Therapie, beim Dermatologen oder in Krankenhäusern war, und in solche, in denen er gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter versuchte, an sein früheres Familienleben anzuknüpfen. An einem Tag konnte er "Bäume ausreißen", am Tag darauf fiel er ins Nichts. "Ich bin nicht gestorben in Kabul, aber alles andere ging kaputt", sagt er irgendwann trocken. Der Krieg lässt Frank Dornseif nicht mehr los.

Früher hieß das Leiden, das Frank Dornseif zur Verzweiflung und aus seinem Beruf trieb, Kriegszittern. Im Ersten Weltkrieg war das ein Massenphänomen. Heute sprechen die Ärzte vom Posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS). Vereinfacht gesagt reagieren Menschen damit auf Erfahrungen, denen sie nicht gewachsen sind. PTBS ist die normale Reaktion auf unnormale Ereignisse. Wie viele deutsche Soldaten daran leiden, ist unklar. 1550 Soldaten wurden nach Auslandseinsätzen wegen psychischer Störungen behandelt, 640 von ihnen wegen PTBS. In den letzten Jahren hat sich die Zahl verdreifacht. So weit die Zahlen aus dem Verteidigungsministerium.

Doch die Dunkelziffer ist hoch. "Die Leute, die wir haben, sind nur die Spitze des Eisbergs", sagt Oberstarzt Karl-Heinz Biesold. Der Leitende Arzt der Abteilung Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie am Hamburger Bundeswehrkrankenhaus war unter den Ersten, die PTBS auf den Behandlungsplan in der Armee setzten. Mitte der 90er-Jahre war das, die ersten Soldaten kehrten gerade von den Einsätzen auf dem Balkan zurück. Minenopfer und Massengräber, damit hatten sich deutsche Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg nicht auseinandersetzen müssen.

Doch Sorge um die Karriere, Scham vor den Kameraden und auch Angst, sich selbst eingestehen zu müssen, dass man Hilfe braucht - all das steht dem Gang zum Psychologen im Weg. Biesold zitiert amerikanische Studien, nach denen 15 bis 17 Prozent der eingesetzten Soldaten schwere psychische Schäden davontragen, und Statistiken, die belegen, dass ein Viertel aller amerikanischen Obdachlosen Vietnamveteranen sind. "Soldaten üben einen männlichen Beruf aus, sie sehen sich selbst als stark, als Helden", sagt Biesold. "Einer, den nachts Albträume plagen, der fällt aus diesem Bild."

Irgendwann war Stephan Müller das alles egal. Er suchte Hilfe und fand sie bei Biesold. Er hatte kein Bein verloren, kam körperlich unversehrt aus Afghanistan zurück. Und doch schien es eine Zeit lang so, als hätte Stephan Müller den Einsatz weniger unbeschadet überstanden als Tino Käßner.

Wie der Personenschützer ist auch Stephan Müller kein gewöhnlicher Soldat, lassen sich auch seine Probleme nach der Rückkehr aus Afghanistan nicht auf das Gros der Truppe übertragen. Stephan Müller erfuhr von jedem Anschlag im ganzen Land. Für vier Monate - so lange dauert gewöhnlich ein Einsatz im Ausland - stand er von früh bis spät mitten in einem Krieg, den die deutsche Öffentlichkeit längst als eine erweiterte Form der Entwicklungshilfe abgebucht hat. Er stand im Zentrum eines Konfliktes, von dessen täglichen Scharmützeln die gewöhnlichen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan nur sehr selten etwas mitbekommen.

Nach seiner Rückkehr war er gereizt, schlug im Schlaf um sich. Bilder bedrängen ihn, böse Träume. Einmal, als er in Afghanistan beinahe mit einem Hubschrauber abstürzte, hatte er in Todesangst einen Abschiedsbrief für seine Freundin in den Lauf seiner Pistole gestopft. Umschlossen von Metall, würde das Papier nicht verbrennen. Wenn er dagegen davon träumt, findet und findet er keinen sicheren Platz für seine letzten Worte. Und schreckt auf. "Es ist schwierig, sich einzugestehen: Dem warst du nicht gewachsen", sagt er heute offen.

Nachts rechnete Stephan Müller nach, wie viele Verletzte in seinen Armen gestorben sind. In der Therapie lernte er zu zählen, wie viele nur durch seine Hilfe überlebt haben. Wie verschüttete Bergleute nach dem Grubenunglück erneut in den Stollen einfahren, sollen traumatisierte Soldaten wieder fit für den Einsatz gemacht werden.

Bei Frank Dornseif hat das nicht funktioniert. Er ist aus der Bundeswehr ausgeschieden. Stephan Müller hingegen fliegt im kommenden Frühjahr wieder in den Einsatz nach Afghanistan und plant für die Zeit danach: Mit seiner Freundin will er Südamerika erkunden.

Tino Käßner will Profi-Radfahrer werden - Zukunftsplanung und Vergangenheitsbewältigung in einem. Gegen böse Erinnerungen, an den weißen Corolla, an die Augen des Afghanen, der seinen Wagen als Waffe gegen ihn nutzte, gegen all das hat er ein probates Mittel: "Wenn ich auf dem Rennrad sitze, ist mein Kopf frei."

http://www.welt.de/data/2006/12/17/1148634.html

ZitatHeute sind über 9000 deutsche Soldaten im Ausland stationiert
Chronik
1992 Mit Sanitätssoldaten beteiligt sich die Bundeswehr vom 22. Mai 1992 bis 12. November 1993 erstmals an einer UN-Mission. Am 14. Oktober 1993 kommt mit Alexander Arndt der erste Bundeswehrsoldat auf einem Auslandseinsatz ums Leben.

1994 Am 12. Juni entscheidet das Bundesverfassungsgericht: Die Bundeswehr darf sich an Einsätzen außerhalb des Nato-Gebietes ("Out Of Area") beteiligen, der Bundestag muss jedoch zustimmen.

1999 Die Bundeswehr nimmt am Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien teil. Danach rücken auch deutsche Soldaten in das Kosovo ein.

2001 Deutschland entsendet Soldaten nach Afghanistan.

2004 Das Einsatzversorgungsgesetz regelt erstmals die Fürsorge für Verletzte und Hinterbliebene.

http://www.welt.de/data/2006/12/17/1148636.html

ZitatAuf einsamem Posten
Am 31. Januar 2000 verstirbt der Hauptgefreite André Udo Horn im Kosovo. Die Todesursache ist bis heute nicht geklärt. Schicksal als Todesursache will sein Vater nicht gelten lassen.
Von Peter Müller



Trauert um seinen Sohn: Udo Horn
Udo Horn hat seinen Sohn überlebt, doch André ist noch immer jeden Tag bei ihm.

In seinem Haus in Neupetershain, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Cottbus, ist es dunkel. Im Videorekorder liegt eine Kassette. Sie zeigt Magazinberichte, die sich kurz nach Andrés Tod mit den Vorfällen im Kosovo beschäftigen. Von ,,unglaublicher Schlamperei bei der Bundeswehr" ist die Rede. Politiker setzen sich ins Bild, und fordern Aufklärung. Der Verteidigungsausschuss tagt. Antworten findet er keine.

Noch heute wartet Udo Horn auf Klarheit: Woran ist André gestorben?

Lediglich Andrés letzten Tag, diesen 31. Januar 2000, konnte er einigermaßen zuverlässig rekonstruieren. Auch das ist Horn erst gelungen, als wichtige Zeugen aus der Bundeswehr ausgeschieden waren und endlich offen mit ihm sprechen wollten. ,,Davor haben die am ganzen Leib gezittert, als ich sie zu André befragte", sagt Udo Horn.

Am 31. Januar 2000, da stand die Bundeswehr schon ein gutes halbes Jahr im Kosovo. Der Nato-Luftkrieg gegen Jugoslawien 1999 war der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg. Danach, im Juni, rückte die Bundeswehr mit ihren Panzern über schwer zugängliche Passstraßen in das Kosovo ein.

Am Vormittag des 31. Januar 2000 hatte sich der 23-jährige Hauptgefreite André Horn auf der Krankenstation im Camp in Prizren gemeldet. Wenige Tage zuvor hatte er an seine Eltern noch einen Brief geschrieben. In kindlicher Schrift beruhigte er sie auf buntem Briefpapier die Heimat. ,,Es geht mir gut, ich habe nur ein wenig Husten." Jetzt fühlt er sich schlecht, kommt ins Feldlazarett. Die Ärzte vermuten eine Magen-Darm-Grippe und verordnen Bettruhe, Paracetamol, Tee und Zwieback.

Doch später, der genaue Zeitpunkt ist lange umstritten, bricht André zusammen. Lange behauptete die Bundeswehr, das sei erst nach 15 Uhr gewesen. Udo Horns Beweise widerlegen dies. Er sagt, der Zusammenbruch seines Sohnes erfolgte gegen Mittag. Der Zeitpunkt ist entscheidend, denn spätestens ab da musste den Ärzten klar gewesen sein, dass André nicht an einer gewöhnlichen Grippe litt. Heute bestätigen Sanitäter, die damals dabei waren und jetzt nicht mehr bei der Bundeswehr sind, den frühen Zeitpunkt.

Am Abend des gleichen Tages, gegen halb zwölf, erhielt Udo Horn einen Anruf aus dem Kosovo. Seinem Sohn gehe es nicht gut, er werde am kommenden Tag ausgeflogen, hieß es. Zu diesem Zeitpunkt, so stellte sich später heraus, war André bereits tot.

Doch woran ist er gestorben? Meningokokken werden genannt, also gefährliche Bakterien, die zu einer Hirnhautentzündung führen können. Der Erreger kommt im Kosovo vor. Eine Impfung dagegen kostet vierzig Euro, doch bei der Bundeswehr war sie nicht Bestandteil der Einsatzvorbereitung. Blutvergiftung infolge Hirnhautentzündung - so weit war Udo Horn Ende 2001. Das war der Stand der Geschichte, als die Fernsehmagazine noch berichteten. Ein Behandlungsfehler bei der Bundeswehr also.

Ein Gutachten aber, das Horn später erstreitet, findet keinen Hinweis auf Meningokokken. Der Vater sucht weiter nach der Todesursache. Er schaltet Abgeordnete ein, schreibt an Minister und den Bundeskanzler. Er stellt Strafanzeige. Er bekommt ehrlich gemeinte Unterstützung, zumindest in den ersten Jahren. Später, das ist den Antworten nur unschwer zu entnehmen, gilt Horn als Querulant, als einer, der sich endlich damit abfinden soll, dass der Fall Andrés ungelöst bleiben wird. Auch sein Anwalt lässt ihn irgendwann fallen, meint, nichts mehr erstreiten zu können. Udo Horn holt weiter Gutachten ein, sammelt Zeitungsmeldungen, die von radioaktiver Munition berichten, die die Nato im Luftkrieg über dem Kosovo verschossen habe. André Horn hatte viel mit Panzern zu tun, die verseucht gewesen sein könnten – erklärt das seinen frühen Tod?

Mittlerweile füllt Udo Horns Korrespondenz ganze Ordner. Seine Frau Roswita möchte, dass er mit seinen Nachforschungen aufhört. Unterm Dach des kleinen Hauses ist Andrés Zimmer noch so eingerichtet, wie er es verlassen hat, als sie ihn frühmorgens vor vielen Jahren zur Kaserne brachten. Doch Roswita Horn will nicht mehr hinaufgehen. Udo Horn dagegen beantragt, die Leiche seines Sohnes exhumieren lassen, um festzustellen, ob sich Überreste von Uran 238 finden. ,,Ich will wissen, woran mein Sohn gestorben ist", sagt er. ,,Das bin ich meinem Jungen schuldig."

http://www.welt.de/data/2006/12/16/1148649.html

Kater

Die komplette Dokumentation "Angriff auf die Seele - Kampfeinsätze der Bundeswehr" sehen Sie am Mittwoch, den 24. Januar 2007, um 0:20 Uhr im ZDF

ZitatAngriff auf die Seele - Bundeswehrsoldaten im Kampfeinsatz

Jeder Tag, jede Minute, jede Sekunde im Ausland ist für Soldaten der Bundeswehr ein Moment der Bedrohung für Leib - und die Seele. Während die Nachricht über Tote und Verletzte die Menschen in Deutschland noch mit Sorge erfüllt, nimmt von Soldaten mit psychischen Schäden kaum jemand Notiz. Über 200.000 Soldaten waren für die Bundeswehr bereits im Ausland - nicht wenige sind nur scheinbar gesund in die Heimat zurückgekehrt.

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,4337683,00.html

Regenwurm

ZitatAngriff auf die Seele - Bundeswehrsoldaten im Kampfeinsatz


@Kater, das sicherste Mittel gegen sowas ist kein Soldat zu werden -
oder falls man schon Soldat ist, einen Auslandseinsatz zu verweigern.


Rüstungsexport ist Behilfe zum Massenmord!

In diesen Tagen wird der Weltöffentlichkeit das Scheitern der Militärs vor Augen geführt. Einmal mehr offenbart sich:

Aggression und Menschenrechtsverletzungen sind nicht mit neuerlicher Aggression und weiteren Menschenrechtsverletzungen zu beseitigen!

Gewalt ist nicht mit Gegengewalt zu besiegen!

Ganz im Gegenteil: Terror führt zu Gegenterror, der seinerseits wieder zu Gegenterror führt!
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

Kater

ZitatBei seelischem Schmerz stumpft der Körper ab

Hamburg. AP/baz. Traumatisierte Soldaten reagieren einer Studie zufolge ungewöhnlich schwach auf physischen Schmerz. Ihr Körper stumpft auf Grund des seelischen Schmerzes ab und ist weniger empfindlich, wie das Magazin «Geo» unter Berufung auf eine Untersuchung des Instituts für Neurowissenschaften in Utrecht berichtet.

Die Versuchspersonen waren demnach Kriegsveteranen mit posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS), die an UN-Missionen im Libanon, in Bosnien und Kambodscha teilgenommen hatten. Für den Versuch mussten die Probanden zunächst ihre Handfläche auf eine Platte legen. Diese wurde innerhalb einer Minute von 40 auf 48 Grad Celsius aufgeheizt. Dabei sollten die Versuchspersonen auf einer Skala von Null (kein Schmerz) bis 100 (schlimmster Schmerz) das Ausmass ihrer Empfindung bewerten. Anschliessend beobachteten die Forscher mittels Kernspintomographie die Gehirnaktivität der Probanden bei verschiedenen Wärmereizen.

Die Veteranen mit PTBS schätzten die Impulse laut dem Bericht durchweg als weniger schmerzhaft ein als Personen aus einer Kontrollgruppe gleichaltriger gesunder Soldaten. Auch Kernspinaufnahmen zeigten bei den traumatisierten Veteranen eine deutlich veränderte Aktivität - unter anderem eine verringerte Erregung im Bereich des rechten Mandelkerns. In diesem Hirnareal des limbischen Systems werden auch Emotionen verarbeitet.

http://www.baz.ch/news/index.cfm?ObjectID=C580C4BB-1422-0CEF-70ADACFD4CBBED2A

Kater

ZitatKrieg in der Seele

Von Philip Eppelsheim, Geismar

Der alte Frank starb am 7. Juni 2003 in einem Bus in Kabul. Der Frank, den seine Frau liebte, der die Straßenfeste in dem kleinen idyllischen Ort Geismar im nordhessischen Ederbergland organisierte, der gerne Freunde in seinen Partykeller mit dem kleinen Tresen, den Tennispokalen, der Dartscheibe und den Andenken an seine Bosnien-Einsätze einlud. Der neue Frank hat keine Freunde mehr, er feiert nicht mehr, meidet Menschen, hat Angst, die Kontrolle zu verlieren im Kampf mit seinem Krieg, den er in sein Haus zu seiner Familie gebracht hat und der ihn immer wieder überfällt.

Wenn die Schlaftabletten im Morgengrauen endlich ihre Wirkung zeigen, dann tauchen Bilder von Granaten- und Raketeneinschlägen auf, wehrlos rutscht er auf allen vieren, versucht zu fliehen, in der Hand eine Waffe, die nicht schießt. Von jenem Morgen aber vor dreieinhalb Jahren in Kabul träumt der Siebenunddreißigjährige nicht. Von jenem Morgen, an dem der alte Frank starb und den neuen Frank zurückließ. Einen, der sagt: ,,Wäre ich doch nicht aus Afghanistan wiedergekommen."

weiter:

http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~EFA082D59B65948FBBE3C467B48B1FA12~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Kater

ZitatDas Erste | Donnerstag, 03.05.07 | 23:45 Uhr

Sie finden keinen Frieden
NDR (Stern.)  | Länge: 45 Minuten  
 
Deutsche Soldaten nach dem Auslandseinsatz  
Film von Gesine Enwaldt und Achim Gutzeit  

Sein Leben ist ein Drahtseilakt. Die Flash-backs kommen unerwartet und erwischen ihn eiskalt. Es reicht ein Geräusch oder ein Geruch und er stürzt ab in diese unkontrollierbare zitternde Panik. Dann ist alles wieder da: die Explosion, das Blut und die Schreie der verletzten Soldaten. Peter Hämmerle leidet unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom. Er führte den Konvoi, der am 7. Juni 2003 auf dem Weg zum Flughafen im afghanischen Kabul von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt wurde. Seine Psyche kann bis heute das Erlebte nicht verarbeiten.

Über 9.000 Deutsche sind weltweit ständig im Einsatz, als Friedensstifter und Friedensbewahrer. Sie erleben Kriege oder deren Folgen. Die meisten finden sich wieder ein in der Welt zu Hause, aber immer mehr erleiden Schaden an der Seele. Die Zahl der psychisch Verletzten wächst stetig.

Im Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg - in der Abteilung VI für Neurologie und Psychiatrie - kümmern sich hoch spezialisierte Fachärzte um die Soldaten und ihre psychischen Verletzungen. Rolf Winter ist zum vierten Mal hier in Behandlung. Er ist schwer traumatisiert. In speziellen Traumatherapien versucht er immer wieder, das Erlebte loszuwerden. Mehrere Monate hat es gedauert, bis er verstanden hat, dass er in zwei Welten lebte, dass er den Krieg mit seiner Bedrohung mit nach Hause genommen hat. "Das Geschehene wird nicht mehr als passiert, als vergangen registriert", erklärt der Hamburger Bundeswehrpsychiater Karl-Heinz Biesold das Phänomen "das Gehirn reagiert beim Trauma immer noch so, als sei die Gefahr noch nicht vorbei."

Die zahlreichen Reservisten, deren Traumatisierung, wie so oft, erst Jahre nach dem Einsatz ausbricht, sind auf sich allein gestellt. Die Bundeswehr, unter deren Fahne sie ihr Leben riskierten, fühlt sich dann nicht mehr zuständig.

Vor drei Jahren gründeten eine Handvoll Soldaten den Verein Skarabäus.

Sie kämpfen für ein offenes Gesprächsklima, denn viele verdrängen oder verleugnen ihre Probleme, weil sie sich schämen. In der Welt der Soldaten gilt nach wie vor das Ideal starker Männlichkeit und Schwäche, Verzweiflung oder Tränen passen nicht in dieses Bild.

Der Film dokumentiert das Schicksal traumatisierter Soldaten. Er beleuchtet die Rolle der Bundeswehr, ihre Anstrengungen, in Trainingslagern die Soldaten auf das Unvorstellbare vorzubereiten, und ihre Versuche, psychisch Verletzte zu therapieren. Er zeigt, mit welcher arglosen Abenteuerlust die Freiwilligen in die Krisengebiete zogen und wie sich ihr Leben durch den Krieg verändert hat.  

http://programm.daserste.de/detail1.asp?heute=03.05.07&id=X000422712&sdatlo=03.05.07&sender=1&dpointer=33&anzahl=42&ziel=33

Kater

ZitatSKARABÄUS unterstützt ehemalige Soldatinnen und Soldaten bei Konflikten nach Einsatzstress.
 
Vertraulich. Ehrenamtlich. Unbürokratisch.

http://www.soldatenstress.info/1852778.htm

Kater

ZitatWISSENSCHAFTSRAT - Traumahelfer der Bundeswehr sind überfordert

Der Bundeswehr fehlt es an Fachleuten zur Erforschung und Behandlung von Kriegstraumata - das besagt SPIEGEL-Informationen zufolge ein Gutachten des Wissenschaftsrats. Die Arbeit der Bundeswehr-Experten entspreche nicht dem Stand der Forschung.

Hamburg - Eigentlich soll das 2003 in Berlin gegründete Institut für Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr sich seit Mai auch um die Behandlung von Soldaten kümmern, die an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.

Solche Störungen erleiden Menschen, die Extremsituationen miterleben mussten, im Falle von Soldaten etwa den Tod eines Kameraden oder Situationen, in denen das eigenen Leben bedroht war.

Auslandseinsätze wie der in Afghanistan sorgen dafür, dass solche Fälle auch unter Bundeswehrsoldaten immer wieder auftreten. Doch die eigens bestellten Fachleute für diesen Bereich können dem Wissenschaftsrat zufolge ihre Arbeit nicht richtig erledigen. In Schlüsselbereichen fehlten dem Institut Experten.

Dabei sei die Arbeit des Instituts an und für sich "zwingend geboten", heißt es in dem Bericht, den der Wissenschaftsrat für die Bundesregierung angefertigt hat. Doch die erwartete Forschungsleistung werden "deutlich unterschritten" und entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft.

Ebenso kritisch bewerten die Gutachter den mehrfachen Wechsel der Institutsleitung. Seit seiner Gründung im Jahr 2003 hatte das Institut vier Direktoren. Auch die Rekrutierung des übrigen wissenschaftlichen Personals sei "mit den Anforderungen an ein wissenschaftliches Arbeiten nicht vereinbar". Mit anderen Forschungseinrichtungen können die Bundeswehr-Wissenschaftler nicht auf Augenhöhe kooperieren. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb eine grundlegende Neuordnung oder die Schließung der Einrichtung.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,632958,00.html

Wilddieb Stuelpner

Die körperlich und seelisch Verletzten, die Todesopfer und das medizinische Betreuungspersonal für Bundeswehrsoldaten kann man sich alles ersparen, wenn man allein nur die Pfeiffe Bundesminister Jung nach Afghanistan zur Verteidigung deutscher Großmachtsawahninteressen hinschickt und die Bundeswehr wieder Richtung Heimat abzieht.

Soll doch Jung die Taliban und die Al Khaida mit seinem CDU-Glauben missionieren. So haben es vor ihm auch schon katholische Missionare bei Indianern, bei asiatischen, afrikanischen, süd-, mittel- und nordamerikanischen, australischen und Völkern des Pazifiks gemacht.

Warum faselt denn Jung nicht mit dem alten Slogan "Schwerter zu Pflugscharen", wenn er denn Friedensabsichten ehrlich verfolgt. Das kann man weltweit anwenden und nicht nur die damalige DDR-Regierung damit belästigen.

Warum hat die bundesdeutsche CDU/CSU diesen Slogan nicht gegen ihre eigene Rüstungsindustrie und den im Westen stationierten Allierten propagandareich angewendet?

Da hat dieser Haufen schön die große Schnauze gehalten, weil CDU-/CSU-Parteibonzen in den Aufsichtsräten und Vorstandsetagen der Rüstungskonzerne saßen und immer heute noch dort hocken.

Warum ist von der Leistungselite kein einziger und dessen Nachwuchs ganz vorn an der Front, wo die Kugeln um die Ohren pfeiffen, wo es lebensgefährlich zu geht?

Man benutzt wieder das Volk als Kanonenfutter für bundesdeutsche Wirtschafts- und Machtinteressen und da ist das Leben eines Otto Normalbürgers keinen Pfifferling wert.

Ein Beispiel:

Ich erinnere an den verlogenen Richard von Weizäcker, Gesellschafter der Chemiefabrik Boehringer ist, die im Vietnamkrieg die Ausgangsstoffe für das Kampfmittel Agent Orange zulieferte. Damit hat dieser Drecksack Millionen verdient. Aber er strotzt vor christlicher Nächstenliebe.

Quelle: http://geisteswelt.blogsome.com/2007/08/09/profitierte-richard-von-weizsacker-vom-vietnamkrieg/

http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13510230&top=SPIEGEL

http://www.k9s.de/gangstermania/wz-a-4-h.htm

Laut einem Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel von 1991 lieferte Boehringer 1967 eine Menge von 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge an das in Neuseeland ansässige Unternehmen Dow Watkins, einem Tochterunternehmen von Dow Chemical. Die Chemikalie diente zur Herstellung des im Vietnamkrieg in großem Umfang eingesetzten Herbizids Agent Orange.

Danach war er von 1962 bis 1966 Mitglied der Geschäftsführung des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim in Ingelheim am Rhein
Auch wenn der Deal ein Jahr nach dem Ausscheiden von Weizsäckers aus dem Vorstand abgewickelt wurde, erfolgte schon vorher im Jahre 1964, als sich die ersten US-Reservoirs des in großem Umfang eingesetzten Herbizids "Agent Orange" dem Ende zuneigten, die Lieferung des Know-hows zur Herstellung der Ausgangssubstanz der Trichlorphenolatlauge.

Weiter scheint der Einsatz von Chemikalien gegen Menschen in der Familie von Weizsäcker Tradition zu haben: Sein Vater, Ernst von Weizsäcker, war Staatssekretär in Rippendrops Reichsaußenministerium, das wiederum an der Wansee-Konferenz beteiligt war, wo die Ermordung der Juden Europas beschlossen wurde. Der Bericht der Wansee-Konferenz war Ernst von Weizsäcker bekannt und ist mit dessen Unterschrift versehen.

Sein Sohn Richard, der spätere Bundespräsident, wird seinen Vater damit rechtfertigen, dass er Schlimmeres habe verhindert. Schlimmeres als Auschwitz – gibt es das?


Kater

ZitatPhoenix, So, 28.06.09, 23.30 Uhr

PTBS - Unsichtbar verwundet

Posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS, gab es schon immer, aber unsere Gesellschaft und die Bundeswehrsoldaten haben das Problem verdrängt. Im Ersten Weltkrieg sprach man von Kriegszitterern und betrachtete sie meistens als Feiglinge. Erst im Vietnamkrieg erkannten die Amerikaner das wirkliche Problem und gaben der Krankheit ihren Namen.

In den europäischen Nato-Partnerländern geht man davon aus, dass 20 Prozent der Soldaten aus Auslandseinsätzen mit einem Trauma wiederkehren. Viele verarbeiten dieses Trauma in den ersten Wochen nach ihrer Heimkehr. Für die anderen heißt die Diagnose: PTBS. Klaus Wothe, ein Psychologe der Bundeswehr, vermutet: "Wenn sich der Auftrag der Bundeswehr in Richtung Kampfauftrag und tatsächlicher kriegerischer Auseinandersetzungen ändert, dann müssen wir damit rechnen, dass sich die Zahl der Fälle erhöht."

Die Bundeswehr versucht, präventiv aufzutreten und den Soldaten die Gefahren bewusstzumachen. In der Ausbildung, die den Einsatz vorbereitet, üben die Soldaten Ernstfallszenarien. Dafür wurden in Deutschland beispielsweise eigens ein afghanisches Dorf nachgebaut und Statisten engagiert. In Seminaren erklären Sozialberater den Soldaten, wie sie vor der Abreise ihr Testament schreiben sollen. Realistisch geschminkte Statisten simulieren schlimmste Verletzungsbilder. Dabei werden einige schon blass.

Reicht die Ausbildung aus? Kann man sich überhaupt auf den Ernstfall vorbereiten? Wie geht die Bundeswehr tatsächlich mit dem Problem um? Und wie geht sie mit ihren psychisch verletzten Soldaten um?

In der Dokumentation kommen Soldaten vor dem Einsatz und während der Übungen zu Wort, Soldaten, die aus dem Einsatz wiederkehren, Soldaten, die schwer verletzt wurden, Soldaten, die in Afghanistan oder im Kosovo ein psychisches Trauma erlitten, sowie Psychologen und Psychiater. Zuständige Generäle waren leider nicht zum Interview zu bewegen.

Film von Piet Eekman

http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/ptbs_unsichtbar_verwundet/244506?datum=2009-06-28

Kater

ZitatImmer mehr Bundeswehr-Soldaten leiden unter traumatischen Erfahrungen

Berlin (AP) Immer mehr Bundeswehr-Soldaten leiden nach Einsätzen in Afghanistan unter ihren traumatischen Erfahrungen. Dieses Jahr sei eine Zunahme der sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) um 30 Prozent zu verzeichnen, meldete die «Süddeutsche Zeitung» am Donnerstag unter Berufung auf die FDP-Politikerin Elke Hoff. Insgesamt sei 2008 bei 245 Soldaten nach der Verwicklung in Kampfhandlungen PTBS festgestellt worden; 226 davon waren in Afghanistan eingesetzt. Im ersten Halbjahr 2009 seien es bereits 163 Fälle gewesen.

Hoff beruft sich auf Zahlen des Bundesverteidigungsministeriums. Die Zunahme wird mit den verstärkten Kampfhandlungen im deutschen Einsatzgebiet in der Region Kundus in Verbindung gebracht.

Für die Behandlung der traumatisierten Soldaten sei die Bundeswehr offenbar nicht ausreichend gerüstet, meldete das Blatt weiter. Laut einem aktuellen Expertenbericht sei derzeit nur die Hälfte der insgesamt 40 Facharztstellen für Psychiatrie im Sanitätsdienst besetzt. Für 4.500 Soldaten im Afghanistan-Einsatz stehe nur ein Psychiater zur Verfügung.

http://de.news.yahoo.com/1/20090924/tde-immer-mehr-bundeswehr-soldaten-leide-808bb34.html

Kater

ZitatBundeswehr - Zahl der traumatisierten Soldaten fast verdoppelt

Der Einsatz in Afghanistan belastet deutsche Soldaten psychisch immer mehr: Die Zahl der traumatisierten Bundeswehr-Angehörigen hat sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Bei der US-Armee muss jeder vierte Einsatz wegen Rücken- oder Sehnenschmerzen der Kämpfer abgebrochen werden.

Hamburg/London - Die Zahl der im Auslandseinsatz traumatisierten deutschen Soldaten hat sich nach Angaben der Bundeswehr im vergangenen Jahr fast verdoppelt. "Wir hatten insgesamt 466 Fälle im Jahr 2009, 418 davon in Afghanistan", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Freitag. "Im Jahr 2008 hatten wir 245 Soldaten, die wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlungen waren."

Als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnen Fachleute eine psychische Störung, die bei Menschen nach extremen Erfahrungen auftritt. Zu den Symptomen gehören wiederkehrende Erinnerungen an das Trauma (sogenannte Flashbacks), Albträume, Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen und Gefühle von Teilnahmslosigkeit.

Das Verteidigungsministerium sieht mehrere Ursachen für die gestiegenen Behandlungszahlungen, darunter Feuergefechte mit feindlichen Kämpfern. "Natürlich verlaufen die Einsätze inzwischen nicht ohne eine gewisse Robustheit", sagte der Ministeriumssprecher. Zudem gebe es aber auch eine gestiegene Bereitschaft unter den Soldaten, offen mit dem Thema umzugehen und sich in psychische Betreuung zu begeben. Eine Traumatisierung während des Einsatzes in Afghanistan etwa sei nicht mehr mit einem Stigma behaftet. Man habe im vergangenen Jahr viel Aufklärungsarbeit geleistet.

Kritik vom Wehrbeauftragten

Auf Druck aus der Truppe hatte der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung im Februar 2009 vor dem Bundestag die Einrichtung eines Forschungs- und Kompetenzzentrums für Posttraumatische Belastungsstörungen angekündigt. Auch eine Telefon-Hotline soll Soldaten unter Wahrung ihrer Anonymität inzwischen Hilfe bieten. Jung sagte damals, seelische Verwundungen dürften von Soldaten und Öffentlichkeit nicht mehr als Schwäche empfunden werden.

Aus dem Verteidigungsministerium hieß es am Freitag, dass dieses Zentrum im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin "für eine anwendungsorientierte Forschung und Beratung" bereits im Mai 2009 seine Arbeit aufgenommen habe. Die Soldaten sollten aber weiterhin dezentral im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin sowie in Koblenz und Hamburg therapiert werden. "Die Behandlung wollen wir in der Fläche haben", sagte der Ministeriumssprecher.

Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Reinhold Robbe (SPD), kritisierte die Pläne: "Was hier in Berlin geschaffen wurde, ist eine angeflanschte Abteilung beim Arbeitsmedizinischen Institut, das jetzt schon unterbesetzt ist und Probleme hat, seine eigenen Aufgaben wahrzunehmen." Benötigt werde vielmehr "ein selbstständiges Institut für die Prophylaxe, Behandlung und Nachsorge sowie insbesondere für die Erforschung von Posttraumatischen Belastungsstörungen und Posttraumatischen Verhaltensauffälligkeiten", sagte Robbe dem Online-Nachrichtenportal news.de.

In der Pflicht sieht er die Führung des Sanitätsdiensts der Bundeswehr. Sie habe vieles schöngeredet und "so getan, als wenn man mit den bestehenden Instrumenten klarkommen würde. Das ist für mich nicht akzeptabel", sagte Robbe.

Rücken- und Sehnenprobleme machen US-Soldaten Ärger

Die US-Armee kämpft im Irak und in Afghanistan mit ähnlichen Problemen: Bei neun Prozent der Soldaten, die vorzeitig in die Heimat geschickt werden müssen, sind neurologische Probleme der Grund, bei weiteren zehn Prozent sind es die psychischen Folgen des Einsatzes.

Wie es in einer Studie im britischen Fachblatt "The Lancet" weiter heißt, geht jeder vierte abgebrochene Kampfeinsatz auf das Konto gewöhnlicher Rückenprobleme und Sehnenentzündungen. Damit dezimieren die Muskel- oder Gelenkbeschwerden die Truppe stärker als im Kampf erlittene Verwundungen, die nur für 14 Prozent aller abgebrochenen Einsätze verantwortlich waren.

Für die Studie im Auftrag der US-Streitkräfte und des amerikanischen John P. Murtha Institute hatten Forscher die Daten von 34.000 Soldaten ausgewertet, die von 2004 bis 2007 aus gesundheitlichen Gründen heimgebracht wurden.

In vorangegangenen Konflikten wie dem Zweiten Weltkrieg, dem Vietnamkrieg und dem Koreakrieg lagen Lungenentzündungen und Infektionskrankheiten noch an erster Stelle, gefolgt von Kampfverletzungen. Der Hauptautor der Studie, Steven Cohen von der Johns Hopkins School of Medicine, sieht nun Handlungsbedarf bei den Verantwortlichen. Wer bei der Infanterie eingesetzt werde, der leide notgedrungen an Überbelastungen, Rückenschmerzen etwa seien der Normalfall. "Die Militärärzte sind nicht auf die Behandlungen der Probleme vorbereitet, die am häufigsten auftreten", sagte Cohen.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,673497,00.html

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