Deutsche und Österreicher in der französischen Résistance

Begonnen von Kater, 18:43:19 Mi. 18.Januar 2006

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Kater

ZitatARTE - Mittwoch, 18. Januar 2006 um 20:40
VPS : 20.40
Wiederholungen :
21.01.2006 um 15:15  
 
Frankreichs fremde Patrioten
Dokumentation, Deutschland 2005, SWR, Erstausstrahlung
Regie: Wolfgang Schoen, Frank Gutermuth

Während des Zweiten Weltkrieges kämpften in der französischen Résistance auch eine Reihe von deutschen Gegnern des nationalsozialistischen Regimes. Einige von ihnen erzählen in der Dokumentation von den damaligen Aktionen. Sie schildern aber auch die Zeit nach dem Krieg, als sie in der Bundesrepublik bei vielen Deutschen als Verräter galten, während sie in der DDR als Antifaschisten geehrt wurden. ARTE zeigt diese Sendung innerhalb eines Programmschwerpunktes anlässlich des Tags der deutsch-französischen Freundschaft am 22. Januar.
 
Rund 3.000 Deutsche kämpften während der Zeit des Dritten Reiches in der französischen Résistance. Die meisten von ihnen waren Verfolgte der Nationalsozialisten: Kommunisten, Juden und andere Regimegegner, die aus Deutschland fliehen mussten. Patriot zu sein, hieß für sie auf Seiten der Alliierten gegen die Nazis zu kämpfen. Heute leben nur noch wenige dieser "aufrechten Patrioten", wie der französische Philosoph Jean-Paul Sartre sie nannte. Zu ihnen gehören auch Peter Gingold und seine Familie sowie Kurt Hälker und Henriette Dreifuss. Sie erzählen von den Erlebnissen, die sie dazu bewogen haben, sich der Résistance anzuschließen und gegen die deutschen Besatzer, die immerhin ihre Landsleute waren, zu kämpfen. Sie schildern die konkreten Aktionen, die Verfolgung, die Haftbedingungen und die Folter in den Gestapo-Gefängnissen, aber auch ihre Rolle beim Aufstand zur Befreiung von Paris.

Nach dem Krieg wird ihnen das Leben schwer gemacht, vielen Deutschen gelten sie als Verräter. Einige sitzen wegen ihrer politischen Überzeugung auch in der Bundesrepublik wieder im Gefängnis oder erhalten als Kommunisten Berufsverbot. Ganz andere Erfahrungen macht Kurt Hälker, der nach dem Krieg in der DDR lebt und dort als Antifaschist geehrt wird. Erst in den 90er Jahren ändert sich das Bild der Résistancekämpfer in der Bundesrepublik. 2004 wird einer der Protagonisten, Peter Gingold, mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet. Damit ehrt die Internationale Liga für Menschenrechte Personen, die sich um die Verteidigung der Menschenrechte besonders verdient gemacht haben - eine späte Würdigung für Peter Gingold und, indirekt, auch für die anderen, die mit ihm in der Résistance kämpften.

Résistance-Kämpfern wie Peter Gingold wird auf Grund der Renten-Gesetze nach wie vor ihre Dienst-Zeit in der Résistance nicht für die Rentenansprüche angerechnet. Ehemaligen, mittlerweile betagten SS-Angehörigen aber, beispielsweise in Lettland, überweist die Bundesrepublik regelmäßig eine kleine Pensionszahlung.

http://www.arte-tv.com/de/woche/244,broadcastingNum=499757,day=5,week=3,year=2006.html

Kater

ZitatErinnerungen an die französische Résistance: "Wir waren immer die Vaterlandsverräter"

Die Düsseldorferin Henny Dreifuss kämpfte während des Zweiten Weltkrieges in der französischen Résistance gegen die Nazis. Ein Porträt.
Düsseldorf. Limoges, Zentralfrankreich, 1942. Henny Dreifuss, 18 Jahre alt, stand vor einer Entscheidung: ,,Es ging darum: Wartest du, bis du eines Tages abgeholt wirst, oder wehrst Du Dich", erinnert sich die heute 82-jährige Düsseldorferin an eine Jugendzeit, die aus heutiger Sicht unfassbar erscheint. Dreifuss lebte damals als deutsche Jüdin im französischen Exil. Im Januar 1943 legte sie ihre alte Identität ab und schloss sich als ,,Marguerite Barbe" der französischen Résistance an.

Im Alter von neun Jahren war Henny Dreifuss 1933 mit ihren Eltern Eugen und Rosa und ihrem Bruder Bernhard (damals 12) aus Mannheim nach Frankreich geflohen – auch aus politischen Gründen, da die Eltern aktive Sozialdemokraten waren.
 
Doch als die deutsche Wehrmacht im Sommer 1940 Frankreich besetzt, ist Hennys Familie aufs Neue bedroht: Im März 1943 wird Bernhard verhaftet, im Dezember 1943 Eugen und Rosa Dreifuss. Hennys Eltern werden in Auschwitz, der Bruder in Maidanek ermordet.
Jüdische Kinder werden bei Nacht deportiert
Darüber wird Henny Dreifuss erst nach dem Krieg Gewissheit erlangen: 1939 muss sie sich von der Familie trennen und findet in Limoges in einem Kinderheim Arbeit. Auch dort holen sie die Schrecken der Nazi-Herrschaft ein: Jüdische Kinder zum Beispiel werden bei Nacht abgeholt.
 
 ,,Wir haben die Züge gesehen, in denen Gefangene ins Reich deportiert wurden", erinnert sich Dreifuss noch 60 Jahre später voller Erschütterung. ,,Wir dachten, sie würden zur Zwangsarbeit gebraucht. Was tatsächlich geschah, konnten wir uns nicht vorstellen."
In der ständigen Angst, selbst verhaftet zu werden, entschließt sich Henny Dreifuss 1942 zum Widerstand: ,,Ich wollte einfach nicht mehr onmächtig sein." Im Heim arbeiten politisch aktive Emigrantinnen aus ganz Europa. Über ihre Kontakte ebnen sie Henny Dreifuss den Weg in die Résistance.

Henny schließt sich 1943 der ,,Travail Allemande" (TA, deutsche Arbeit), dem Zweig der Exildeutschen in der Résistance, an. Wie sie später erfährt, hat ihre falschen Papiere der Grafiker Hanns Kralik angefertigt.
 
 Der Kommunist, 1945 erster Düsseldorfer Kulturdezernent nach dem Krieg, wird Henny bis zu seinem Tod 1971 freundschaftlich verbunden bleiben. Doch zunächst erhält die knapp 19-Jährige in Lyon eine Anstellung bei der Wehrmacht. Ihr Auftrag: Kontakt zu Soldaten aufnehmen, Kriegskritiker finden, mit deren Hilfe in der Truppe Widerstand schüren.
Die TA-Aktivistinnen gehen dabei meist zu zweit und mit großer Vorsicht vor. Das Wichtigste ist die Wahrung der Tarn-Identität. ,,Mein eigentliches Ich musste ich tief in mir begraben", erzählt Dreifuss. Eine Halskette mit einem Kreuz dient der Jüdin als Gedächtnisstütze: ,,Das erinnerte mich daran: Ich bin Marguerite Barbe, französische Christin."

Immer in Angst vor der Gestapo
Dennoch ist die Angst vor der Gestapo ihr ständiger Begleiter. ,,Ich wollte nicht viel über Kontaktleute und Auftrageber wissen", so Dreifuss, ,,ich wusste ja nicht: Würde ich der Folter widerstehen und schweigen können?" Manche ihrer Kolleginnen werden enttarnt und ermordet. Dreifuss' Tarnung aber hält.

,,Die wichtigste Frage war immer: ,Haben Sie bald Urlaub?'", beschreibt sie ihre Methode. Überzeugte Nazis hätten darauf mit Durchhalteparolen reagiert. ,,Aber viele haben dann losgelegt, sie wollten heim, zur Familie, hätten den Krieg satt." Nur bei diesen Zweiflern ließ sich gefahrlos Überzeugungsarbeit ansetzen, wenige ließen sich gar zu Desertion und aktivem Widerstand überreden.

Bis zum September 1944 arbeitet Dreifuss so für die TA. Dann wird Frankreich von alliierten Truppen befreit. ,,Das war ein Moment zwischen Freude über die Befreiung und Ungewissheit: Was ist aus der Familie, aus den Freunden geworden?"
 
Von ihrer Familie, muss sie bald erfahren, lebt nur noch die Großmutter, die bis Kriegsende in der Obhut französischer Nonnen vor den Nazis verborgen war. Sie reist zu Verwandten nach Chicago aus. Nur Henny kehrt als einzige aus ihrer Famlilie im Juni 1945 nach Deutschland zurück.
,,Meine Eltern haben mich so erzogen: Wenn Hitler weg ist, gehen wir zurück", sagt Dreifuss. Über mehrere Stationen kommt sie, inzwischen in der KPD aktiv, Anfang der 1950er Jahre nach Düsseldorf.
 
 Hier lernt sie ihren späteren Mann kennen, der als jüdischer Emigrant die Kriegszeit in England verbracht hat. Der Neuanfang ist für die ehemaligen Widerständler nicht leicht: ,,Das Schlimmste war, dass angeblich niemand ein Nazi gewesen war. Niemand wollte von den Verbrechen gewusst haben."
Gerade von konservativer Seite schlägt ihr viel Gegenwind entgegen. ,,Wir waren immer die Vaterlandsverräter, und für manche sind wir es vielleicht heute noch." Doch Dreifuss – ,,ich war immer eine Rebellische" – engagiert sich weiterhin politisch, unter anderem in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und in der Friedensbewegung.

,,Ich bin über all dem Atheistin geworden"
,,Ich war von Anfang an bei den Ostermärschen dabei", erzählt die nach wie vor resolute Dame. Ihren jüdischen Glauben hingegen hat sie abgelegt: ,,Ich bin über all dem Atheistin geworden."

Heute spricht Dreifuss als Zeitzeugin oft mit Schülern oder anderen historisch Interessierten. Der Neonazismus macht ihr Sorgen. ,,Dagegen muss man aufklären", sagt sie, ,,auch wenn es mich sehr aufwühlt, über damals zu sprechen."
 
In Frankreich hat sie noch Freunde und, über die französische Witwe ihres Bruders, Verwandte. Sie besucht das Land regelmäßig. Hat sie je daran gedacht, nach Frankreich zurückzukehren? Die Düsseldorferin schüttelt den Kopf: ,,Nie! Hier bin ich zu Hause, hier gehöre ich hin."

http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=130587

Kater

ZitatIch habe das nie als Heldentum empfunden    

Irma Schwager, österreichische Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus und im Jetzt, im Interview mit Claudia Dietl

"Die Welt wird unmenschlich, ungeeignet für menschliche Bedürfnisse, welche die Bedürfnisse von Sterblichen sind, wenn sie in eine Bewegung gerissen wird, in der es keinerlei Bestand mehr gibt." Hannah Arendt

Sie ist im fünfundachzigsten Lebenjahr: Irma Schwager, Mitfrau der kommunistischen Partei und Engagierte in der Frauenbewegung. Wenn sie spricht, wird man mitgerissen von ihrer Überzeugung, dass wir dann leben, wenn wir politisch Handelnde sind, dass wir uns einmischen müssen, weil jede/r von uns Verantwortung dafür trägt, wie es um die Zivilgesellschaft steht.

Irma Schwager: "Ich hab acht Jahrzehnte vom letzten Jahrhundert erlebt, das hat seine Vorteile, denn bei Vielem, was ich heute erzählt bekomme oder lese, weiß ich, dass das eigentlich anders ausschaut. Es gibt Widersprüche. Außerdem - das, was man in den Büchern liest, beinhaltet nicht die ganze Realität des Lebens, wie auch!

In einer Studie von Wolfgang Bauer kann man jedoch nachlesen, dass in 80% der Strafgerichtsverfahren im Nationalsozialismus Kommunisten betroffen waren. Bei der Festsitzung im Parlament anlässlich des Gedenktags der Befreiung Österreichs war die kommunistische Partei allerdings nicht eingeladen, obwohl sie, vertreten durch ihren Vorsitzenden, Mitunterzeichner der "Geburtsurkunde" der Republik ist, also eine der Gründungsparteien. Abgesehen davon, dass ich das kleinkariert finde - es ist geschichtsfälschend. Das wäre ein Beispiel dafür, dass das, was 60 Jahre später gesagt wird, nicht unbedingt der ganzen Realität entspricht.

Volksstimmen: Wo kommen Sie her?

Ich bin in Wien geboren und komme aus einer jüdischen Familie. Meine Eltern hatten ein Lebensmittelgeschäft, damals nannte man das eine Greisslerei. Ich bin zur Hauptschule gegangen und habe danach im Geschäft meiner Eltern mitgeholfen, so wie meine drei Brüder auch. 1938, beim Einmarsch der Deutschen hier, ist alles anders geworden. Es war furchtbar. Meine Mutter hat trotzdem bleiben wollen, sie hat sich einfach nicht vorstellen können, woanders noch einmal von vorne anzufangen. Dafür waren außerdem beträchtliche finanzielle Mittel notwendig. So wie heute die Grenzen für Flüchtlinge geschlossen sind, war das auch damals. Man konnte nicht einfach irgendwo einreisen. Für England z. B. musste einem jemand eine sogenannte "permit" schicken, sonst durfte man nicht dorthin.

In der ersten Nacht nach dem Einmarsch sind schon Gruppen von SA"s durch die Straßen marschiert und haben gegrölt - "Deutschland erwache, Juda verrecke, ein Volk, ein Reich, ein Führer". Während die Massen jubelten, hat man die Juden zum Straßenwaschen geholt, Andersdenkende verfolgt und verhaftet Man war wie vogelfrei, konnte sich an niemanden um Schutz oder Hilfe wenden.

Volksstimmen: Wie alt waren Sie zu dieser Zeit?

Ich war 18 Jahre alt, und ich war so empört, so verzweifelt. Ich erinnere mich an einen schockierenden Zwischenfall gleich in den ersten Tagen, ich war mit dem Fahrrad unterwegs im 2. Bezirk, da stand eine Menschenmenge, die den Leuten beim Straßenwaschen zugesehen hat, und ein SA-Mann hat mich vom Rad heruntergerissen und mir auch einen Kübel in die Hand gedrückt. Und ich, ich war darüber so empört, dass ich ihn angeschüttet habe und mich aufs Rad gesetzt und weggefahren bin. Das hat nur keine Folgen gehabt, weil es in diesen ersten Tagen passiert ist, wenig später wäre das nicht mehr möglich gewesen, ich wäre im KZ gelandet.

Meine Eltern? Meine Eltern waren - wie soll ich sagen - sie waren unpolitische Menschen, sie sind weiter ihrem Tagewerk nachgegangen, und sie haben geglaubt, wenn man brav ist und sich ruhig verhält, nicht auffällt, dass man dann durchkommt. Sie hatten Angst, ich war empört, ich habe das nicht ausgehalten, das alles war so demütigend, unsagbar. Die Eltern waren froh, dass ich mich dann um eine Stelle als Haushaltshilfe in England beworben habe und so zu einem Visum gekommen bin und aus Österreich weg konnte. Allerdings musste ich unterschreiben, nicht mehr zurückzukommen. Meine Eltern sind ebenso wie meine zwei Brüder im Holocaust umgekommen.

Volksstimmen: Sie sind nach England emigriert?

Nein. In Brüssel habe ich die Reise unterbrochen, um meinen Freund, der illegal über die Grenze gekommen war und inzwischen in Brüssel gelebt hat, noch einmal zu sehen. Eine Gruppe von Emigranten hat mich zum Bleiben überredet. Im Rückblick glaube ich, dass diese Entscheidung auch deshalb gut war, weil man als Flüchtling in solchen Arbeitsverhältnissen der Willkür, der sexuellen Belästigung extrem ausgeliefert war. Ich war 18, also sehr jung, und in Brüssel hatte ich Freunde, mit denen ich abends über diese Zustände reden konnte und die mir eine große Stütze waren.

Volksstimmen: Belgien wurde 1940 von der Deutschen Armee überfallen...

Ja, im Mai. Ich bin mit dem großen Flüchtlingsstrom nach Südfrankreich gelangt, dort bin ich dann interniert worden. Im Lager hatte ich erstmals Kontakt zu organisierten Kommunistinnen und Kommunisten, zuerst, weil mir ihre Solidarität so gefallen hat und die Menschen so freundschaftlich waren. Langsam habe ich über diesen Kontakt erkannt, dass es eine Möglichkeit gibt, sich zu wehren. So bekam ich Anschluß an den organisierten Widerstand. Die Widerstandsbewegung in Frankreich war sehr breit, Bürgerliche, Katholiken, Kommunisten, Gaullisten " eine große Bewegung. Ein katholischer Pfarrer, der für die Resistance Francaise aktiv war, hat uns geholfen, aus dem Lager herauszukommen, und gemeinsam mit meinem Mann Zalel bin ich illegal über die Grenze in den besetzten Teil Frankreichs gegangen, um etwas gegen die faschistische Besetzung und den Krieg tun zu können - so kamen wir nach Paris. Für uns Österreicher gab es in der Resistance eine spezielle Arbeit - es ging um die Herstellung eines Kontakts zu deutschen Besatzungssoldaten - die sogenannte "travail allemande".

Volksstimmen: Was sollte das bewirken?

Es ging um Aufklärung, um Überzeugung. Diese jungen Soldaten waren indoktriniert von der Nazipropaganda, es gab ja keine demokratischen Zeitungen, ausländisches Radio zu hören war streng verboten. Damals gab es den "Völkischen Beobachter" und andere gleich geschaltete Blätter, es hieß, die Parlamente seien Quatschbuden, es braucht eine neue Ordnung in Europa. Die Nazipropaganda mobilisierte mit einer maßlosen Hetzkampagne gegen die "bolschewistische Gefahr" und die "jüdische....". Das glaubten ja auch viele.

Wir haben Flugblätter und eine kleine illegale Zeitung herausgegeben, den "Soldaten im Westen". Sie ist überall verteilt worden, in Kinos, an Bäumen angeheftet. Wir Mädchen hatten die Aufgabe, einen persönlichen Kontakt zu den Soldaten herzustellen, man nannte das die "Mädelarbeit".

Volksstimmen: Was genau war das?

Organisiert wurde das über Funktionäre der kommunistischen Partei. Man hat mich eingeschult, genau instruiert. Nicht beim ersten Treffen schon Flugblätter herzugeben, geduldig zuhören, nicht die eigene politische Überzeugung kundtun. Zuerst dachte ich, das sei übertrieben, aber es hat sich herausgestellt, dass das notwendig war, man muss erst lernen, auf provokative Reden nicht zu reagieren, nicht zu widersprechen. Ich erinnere mich - der erste Soldat, den ich angesprochen habe, ist davongelaufen, er glaubte, ich sei eine Provokateurin, weil ich seine Naziargumente zu wiederlegen versuchte, genauso gut aber hätte er mich wegen meiner Reden auch hochgehen lassen können. Wenn es gelungen ist, eine Vertrauensebene herzustellen, konnte man in diesen Gesprächen viel erfahren, privates, aktuelles über die Situation der Soldaten in den Kasernen. Wir mussten einzeln arbeiten, kein Soldat hätte irgendetwas im Beisein anderer erzählt, alle hatten furchtbare Angst vor Denunziation.

Volksstimmen: Wie kam man denn an die Soldaten heran?

Ja. Das hat mich ständig - bis zum Schluss Überwindung gekostet, wir haben das so gemacht, dass wir uns angeboten haben - beim Einkaufen als Übersetzerinnen z.B , und diese jungen Soldaten waren meist ganz glücklich, eine Französin kennen zu lernen - wir hatten falsche Pässe und gaben uns als Elsässerinnen aus. Mit den Soldaten getroffen haben wir uns tagsüber, in den Parks, in den Kaffeehäusern, niemals nachts, und so ist uns auch nichts passiert.

Die Gespräche haben, wenn man geduldig genug war, letztendlich viel Nachdenklichkeit unter den Soldaten ausgelöst. So konnten dann die Flugblätter verteilt und Überzeugungsarbeit geleistet werden. Anfangs war es noch schwieriger, zu stark war damals der Mythos der Unbesiegbarkeit der deutschen Armee, aber nach Stalingrad war er weitgehend zerstört, und unter den Soldaten hat sich eine Friedenssehnsucht entwickelt.

In einem bestimmten Stadium der Bekanntschaft war es dann auch möglich, über die verheerenden Folgen des Krieges und die Existenz der Konzentrationslager zu sprechen, Dass Juden vergast werden, war schwierig zu glauben, selbst für mich, als ich über das Radio - BBC - zum ersten Mal davon erfahren habe. Es war derartig unvorstellbar, dass ich es zuerst für Propaganda der Alliierten hielt. Von den Deportationen allerdings wussten wir, wussten alle, und auch davon, dass diese Menschen nicht zurückgekehrt sind, und die Existenz der KZ war bekannt, Dachau gab es schon vor Kriegsbeginn.

Die "travail allemand", diese Soldatenarbeit war nicht ungefährlich. Von den 8 Frauen, mit denen ich gemeinsam gearbeitet habe, sind vier verhaftet worden, eine von uns, die Trude Blaukopf, ist hingerichtet worden, verhaftet durch die Gestapo, die ein Soldat zum Rendezvous mitgebracht hatte. Die drei anderen, Gerti Schindel, Lisa Gavritsch und Wilma Steindling, sind nach Ausschwitz und Ravensbrück gekommen und haben überlebt. Man hat geglaubt, wir seien eine riesige Organisation in Paris, weil überall unsere Flugblätter aufgetaucht sind - Tatsache ist, wir waren gerade zwei Handvoll!

Was auch niemals erwähnt wird: eine Gruppe von uns Österreichern hat sich 1943 gemeldet als sogenannte Fremdarbeiter, um zurückzukehren und in Österreich Widerstand zu leisten - darunter war auch Gerti Schindel. Ich hatte mich ebenfalls dazu gemeldet, wir wollten, dass dieser Krieg endlich aufhört. Kurz vor meiner Abreise aber sind in Wien alle (bis auf einen) denunziert und verhaftet worden, die in der Organisation tätig waren. Ich musste warten, und als es dann möglich gewesen wäre, war ich bereits im 5. Monat schwanger, es ging nicht mehr. Mein Kind habe ich in einer Art Stiftung für ledige Mütter im Norden Frankreichs bekommen, wo auch Prostituierte hingeschickt wurden, um eine Abtreibung zu verhindern. Nach der Befreiung Frankreichs bin ich nach Paris zurückgekehrt und von dort nach Brüssel, hauptsächlich um dort Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Österreich eine eigene Nation und wir keine Deutschen sind - gemeinsam mit vielen, ganz unterschiedlichen Emigranten aus Österreich - 1944 war das. Diese Arbeit war ziemlich erfolgreich, wir hatten ja ein Ziel vor Augen - die Beendigung des Kriegs, des Faschismus und die Wiedererstehung eines unabhängigen Österreich. Es waren große Erfolgserlebnisse, wenn man Leute überzeugen konnte!

Voksstimmen: Welche Identität hatten sie damals?

Das war die Zeit, als wir die falschen Papiere in Belgien nicht mehr brauchten, als Frankreich und Belgien schon befreit waren.

Volksstimmen: Sie waren als Frau im organisierten Widerstand tätig...

Ich lese manchmal, dass Frauen nur Zuarbeit im Widerstand geleistet haben, das stimmt keinesfalls für mich. Diese Überzeugungsarbeit war eine hochqualifizierte. Aber - als Heldentat empfand ich sie nicht, sie war so wichtig wie das Essen, so selbstverständlich.

"Am deutschen Wesen soll die Welt genesen", hat es ja geheißen, so war das. Ich habe also meine Arbeit nicht als Heldentum gesehen, es war eine Notwendigkeit, um den Krieg und den Faschismus zu stoppen. Die Arbeit in Belgien war dagegen schon "legale" Widerstandsarbeit, kulturelle Arbeit, überparteilich, und ein gemeinsames Anliegen vieler.

Volksstimmen: Sie leben heute in Wien und engagieren sich...

Ja. Nach der Befreiung Österreichs war es weiter notwendig Widerstand zu leisten, gegen die Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Kultur - und ist es bis heute noch, auch wenn das natürlich nicht mehr unter lebensbedrohenden Verhältnissen und legal geschieht.

Meine Erfahrung im Verlaufe dieser langen Zeit, nach dem Krieg bis zum heutigen Tag, als ich vor allem in der Frauen- und Friedensbewegung aktiv war, ist, dass man nicht aufgeben darf, auch dann nicht, wenn es noch so aussichtslos erscheint. Es hat beispielsweise Jahrzehnte gedauert, bis in Österreich die Fristenlösung im Kampf gegen den Paragraph 144, der Generationen von Frauen ins Unglück gestürzt hat, durchgesetzt werden konnte. Ebenso das Ehe- und Familienrecht, das aus dem Jahr 1811 stammte, und dessen Reform erst Mitte der 70er Jahre gelungen ist. Die ganze Geschichte zeigt, dass alle Fortschritte nur erreicht werden konnten durch einen beharrlichen Widerstand gegen Unrecht, gegen veraltete Strukturen und Vorurteile.

Marie Curie, die bedeutende Wissenschaftlerin, sagte: "Wenn eine Sache richtig ist, muss man sie durchführen, und gebe es auch hunderttausend Gründe, uns daran zu hindern." Wir dürfen nicht aufhören, uns zu bemühen, für die Zusammenarbeit zu wirken, für gemeinsame Interessen - auch wenn Meinungsverschiedenheiten noch so schwierig zu überwinden sind, denn durchsetzen kann sich nur eine starke Bewegung.

Volksstimmen: Welche Möglichkeiten sehen Sie, gegen aktuelle neofaschistische Strömungen Widerstand zu leisten, etwa angesichts von Ereignissen wie dem Aufmarsch der NPD in Dresden vor einigen Wochen? Was ist Ihrer Meinung nach heute - im Jahr 2005 - zu tun?

Von herausragender Bedeutung ist die Information über den "Charakter" des Nationalsozialismus und die Vermittlung von der Wahrheit entsprechende Erfahrungen aus dieser Zeit - hier hätten die Schulen viele Möglichkeiten. Je mehr junge Menschen darüber wissen, desto weniger werden sie Opfer der Demagogie werden. Faschismus und Krieg sind keine Naturereignisse. Sie haben ihre Ursachen und Förderer, und die sollte man kennen, dann kann und wird man auch dagegen kämpfen.

http://volksstimmen.at/news/article.php?story=20050508181749575

Kater

Phoenix: Deutsche in der Résistance

Sa, 16.06.07, 20.15 Uhr

Fr, 22.06.07, 18.30 Uhr

Sa, 23.06.07, 14.00 Uhr

ZitatFrankreichs fremde Patrioten
Deutsche in der Résistance
Rund 3.000 Deutsche kämpften in der französischen Résistance - eine Tatsache, die kaum bekannt ist. Die meisten waren Verfolgte des NS-Regimes.

http://www.phoenix.de/frankreichs_fremde_patrioten/2007/06/16/0/134843.1.htm

Kater

BR-Alpha, Wiederholung, heute, Montag, den 25.01., 23:30 Uhr:

Frankreichs fremde Patrioten - Deutsche in der Résistance

  • Chefduzen Spendenbutton