Hamburg 18.2.: „Die Gängelung der Arbeitslosen – vom Faschismus bis heute!“

Begonnen von admin, 18:05:12 Mi. 12.Februar 2025

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admin

,,Die Gängelung der Arbeitslosen – vom Faschismus bis heute!"

,,Niemand saß zu Recht in einem KZ." – Frank Nonnenmacher,
Mitgründer des Verbands für das Erinnern an die verleugneten Opfer des NS "VEVON"


Am 8. Mai 2025 feiern wir den 80. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Weltkrieg in Deutschland. Im Bewusstsein der geschichtlichen Kontinuität, welche sich bspw. in der Drangsalierung von Obdachlosen, der stetigen Verschlechterung der Sozialhilfe oder der systematischen Dämonisierung von Geflüchteten und Arbeitslosen ausdrückt, braucht es gerade jetzt, nach den US-Wahlen, dem zunehmenden Erstarken der rechten Parteien und den bevorstehenden Wahlen in Hamburg und auf Bundesebene eine tiefere Beschäftigung mit den uneingelösten Konsequenzen aus dem Faschismus und Ableitungen für unser heutiges Handeln.

Denn während wir heute bereits in der Schule über die rassistische, politische, religiöse oder sexuelle Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen zur Zeit des deutschen Faschismus lernen, bleibt die Aufklärung über die Menschen, welche als ,,Asoziale" und ,,Berufsverbrecher" in die Konzentrationslager kamen, anderweitig verfolgt oder ermordet wurden, bis heute eine geschichtliche Lücke. Über 70.000 Leute, vornehmlich Wohnungslose, Prostituierte, Sozialhilfeempfänger*innen und jene, welchen aufgrund von Eigentumsdelikten eine genetisch-veranlagte Straffälligkeit unterstellt wurde, waren nach heutigem Stand von dieser Brandmarkung betroffen.

Diese Brandmarkung erfolgte auch auf der Grundlage der Verwertbarkeit der Menschen für die nationalsozialistische Gesellschaft (Volkskörper) und die Wirtschaft. Wer als nicht verwertbar deklariert wurde, galt als schädlich für den Volkskörper und hatte genannte Konsequenzen zu fürchten. Der deutsche Faschismus ging hierbei Hand in Hand mit der deutschen Wirtschaft.

Nach der Befreiung vom deutschen Faschismus wurden die Stigmatisierung und Ausgrenzung der aus sozialen Gründen verfolgten Menschen ungeachtet der neugefassten Gleichheit aller Menschen (Art. 1 GG, Erklärung der Menschenrechte) wieder aufgenommen.

Erst auf Initiative Nonnenmachers und anderer Aktiver beschloss der Bundestag 2020 die bis dahin verleugneten Opfer des deutschen Faschismus, die sog. Asozialen (schwarzer Winkel) und die sog. Berufsverbrecher (grüner Winkel) als Verfolgte des NS anzuerkennen. Eine Entschädigung erhielten die Betroffenen und Angehörigen bis heute nicht.

Und auch weiterhin finden sich in heutigen politischen Diskussionen Argumente wieder, welche die Verwertbarkeit des einzelnen Menschen für Wirtschaft und Gesellschaft in den Vordergrund stellen und hierüber z.B. Sanktionen beim Bürgergeld oder Arbeitszwang für Asylsuchende begründen möchten.

Diese Lehren und Auswirkungen aus der deutschen Geschichte auf heutige gesellschaftliche Diskussionen und Gesetzgebungen möchten wir genauer beleuchten und diskutieren. Denn diese wirken auch, z.B. über Ausweitungen von Sanktionen, direkt in unseren Arbeitsalltag in der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialbehörde.

Als ver.di Betriebsgruppen der Agentur für Arbeit Hamburg, des Jobcenters team.arbeit,hamburg und der Sozialbehörde laden wir aus diesem Grund zu unserer Podiumsdiskussion am 18.02.2025 um 18 Uhr im Gewerkschaftshaus, Raum St. Georg, ein.

[Auf dem Podium könnt ihr auch den Admin dieses Forums finden.]

Tiefrot

Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
Verbietet die BILD und schaltet die asozialen Medien ab !


Tiefrot

Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
Verbietet die BILD und schaltet die asozialen Medien ab !

BGS

"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

admin

Ich will mich an einen Rückblick wagen.

Wie BGS sagte, es ging um ein wichtiges Thema. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, denn die Situation der Erwerbslosen und der praktische Widerstand gegen ihre Demütigung, sind schwierigere Themen als man denkt. Innerhalb der chefduzen Community und auch im Kreis der Erwerbslosenaktivisten gibt es so unterschiedliche Vorstellungen, daß es meist eher zu Streit als zu produktiven Diskussionen geführt hat.

Diese Veranstaltung wurde von Verdi organisiert. Beworben wurde sie hauptsächlich bei den Beschäftigten der Arbeitsagentur und den Jobcentern Hamburgs. Es waren rund 40 Leute gekommen, meist Arbeitsvermittler, aber auch andere Mitarbeiter der Behörde.

Man hatte sich Historiker als Referenten geholt und für den aktuellen Blick auf die Situation der Betroffenen wurden Vertreter von "Sanktionsfrei" https://sanktionsfrei.de/, der "Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen" https://www.erwerbslos.de/ueber-uns und chefduzen eingeladen.

Ich hatte mich nicht aufgedrängt. Die Einladung kam aus heiterem Himmel. Es freut mich, daß wir wahrgenommen und als relevant erachtet werden.

(Fortsetzung folgt.)

Onkel Tom

Zitat von: admin am 12:04:58 Mi. 19.Februar 2025Ich hatte mich nicht aufgedrängt. Die Einladung kam aus heiterem Himmel. Es freut mich, daß wir wahrgenommen und als relevant erachtet werden.

Ich fand es im Gegensatz zu ehemaligen Infoveranstaltungen des Fachbereich 9,
die für ihre Gewerkschaftsmitglieder aus dem Bereich JC/AfA und der Erwerbslosenindustrie
zuständig sind, besser als zuvor.

Erst mal alle Achtung, das der Mut aufgebracht wurde, Geschichtsuntericht im Bezug wie
zur NS-Zeit Arbeitslose vom Reichsarbeitsamt an die Faschos verpfiffen und denunziert
wurden und darauf in sogenannte "Fürsorgeanstalten" oder gleich ins KZ überführt wurden,
ab zu halten.

Da kann man mal sehen, wie damals schon "Amtliche" Papiere eines Menschen das Leben
zerstören konnte und diese Gefahr meiner Meinung nach bis heute noch nicht gebannt ist.

Früher wurden Arbeitslose vom Reichsarbeitsamt danach selektiert, ob und wie es mit dem
Verhältnis zu Arbeit bei den Erwerbslosen ausschaut und die Grenze zwischen "In Ruhe lassen"
und "Verhaften und einknasten, sowie Zwangssterilisation" war wohl ziemlich gering, das sehr
viele Arbeitslose zu NS-Opfern wurden..

Naja, danach wurde ja auch mit den Gästen darüber ausgetauscht, wie sie das so empfinden
und wie man es heute so mit dem Job im JC so läuft..

Darauf erfolgten Beschwerden der JC-Mitarbeiter_innen, wie zehrend ihr Job sei und das
schlimmste sei, das von Erwerbslosen JC-Mitarbeiter als ihr Feindsbild angesehen werden.


Es dauerte also nicht all zu lang, das mir klar wurde, das es sich um die jedes Jahr
widerholende Veranstaltung handelt, wo verdi die JC-Mitarbeiter einläd, um denen auf den
Zahn zu fühlen, wie es denen so im Job geht und ob anbei was getan werden könnte, die
Zustände im JC verbessern zu können.

Gähn, JC-Mitarbeiter natürlich voll auf "Wir tragen keine Schuld", die Arbeitsbedingungen
sind es, die die Arbeit schwer machen und Hilfsbereitschaft, was das Beste für den
Erwerbslosen sei, kaum oder garnicht zum Tragen kommt. Es sind also alles die Vorgaben von
oben schuld, Basta.

Um die Frage, wie könnte man das Verhältnis zwischen Elo und SB verbessern, konnte ich das
wie 2012 nicht lassen, aus der Perspektive eines Elo-Wunsch ein zu werfen.

Die Selektion der Arbeitslosen von der NS-Zeit konnte ich gut mit der Beurteilungspraxis
von heute vergleichen und so sprach ich das an. Anbei musste ich ganz flott umdenken, so
zu sprechen, das jeder JC-Mitarbeiter anhand seines Berufes sofort versteht, was ich meine.

Weiter war mir ja auch schon 2012 bekannt, wenn man mit fundierter Kritik kommt, die dem
Elo zu Gute kommen könnte, das Wort abgerissen wird. (Mikro-Kidnapping..)

Fazit: Ich kritisierte die Beurteilungspraxis im Sinne des § 61 SGB II durch Maßnahmenträger,
hier die Aktivierungsmaßnahmen nach § 16 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB III fabriziert
werden und diese von JC-Mitarbeiter für bare Münze genommen werden und darauf entscheiden,
wie es mit dem Elo weiter gehen könnte. Kritik darin, nur nach Aktenlage zu handeln.

Anbei habe ich auch dargelegt, das die Maßnahmenträger anbei viel Mist machen, damit es
dabei bleibt "Wir machen alles richtig und wenn was nicht funktioniert, ist es grundsätzlich
der Teilnehmer einer Aktivierungsmaßnahme schuld."

Diese Materie der "Schuldverschiebungen" ist komplex und habe noch darum bitten können, die
Beurteilungen nicht so ernst zu nehmen, da sie nicht unbedingt die Wahrheit wieder spiegeln.

Leider habe ich mich bei meinen Einwand etwas verhaspelt aber die Gäste schnallten es und ja,
wie auch 2012 erblickten mich giftige Blicke a la "Was fällt dem denn ein, unsere Arbeit zu
kritisieren ??" Uff, wieder ein Mal, Sowas wollen die nicht hören..


Deine Erwähnungen zu "Fabienne & Inge Hannemann" haben die SBs bestimmt noch mit zu Bett
genommen um darüber nach zu denken und mein "Frechdacsbiss" stellt die Tür dar, nach "Ermessen"
das Verhältnis zum Erwerbslosen zu verbessern, in dem sie die Beurteilungen ignorieren.

Nun ja, ich han da etwas Pfeffer bei getragen und hätte diesem aufgebrachten Old-Verdianer
noch gerne eine Antwort gegeben, der ja H4 mit dem Grundgesetz Artikel 1 verteidigte.
Doch dann hätte ich auch mein Mitgliedsausweis zücken müssen, um nicht raus geschmissen zu
werden.

Im gesammten, fand ich es töffte, das diese alljähliche Versammlung mit ganz neuen Gesichtern
besetzt waren, wo ich glaube "das könnte was werden.

Bei der von 2012 ging das in einer "Selbstmitleitsrunde" über und was man denn "von Oben" so
fordern könnte. Wo ich immer mit dem Kopf schütteln muss, das der Elo, also ihre "Werkstücke"
bei solchen Sitzungen nur eine Randbemerkung ist.

Von daher fand ich es super, wie Du erzähltest, wie die Erwerbslosen anhand ihrer Situation
mit dem Jobcenter psychich drauf gehen.. Im Job müssen sie sone Dinger ignorieren oder
verdrängen, da sie sonst selber drauf gehen könnten, so wie eine ehemalige SB berichtete,
das sie an ihrem Job erkrankt ist.

Mit der hätte ich mich gern noch unterhalten aber hatte ja schon den Stempel eines unerwünschten
"Fremdling" weg.

Hüstel.. Der aus Berlin der neben dir saß, wusste wohl nicht, das das Projekt "Auf Recht bestehen"
in Hamburg schon seit 2009 "tot" ist? Sein Vorschlag war also nichts wert, da die Elos von verdi-HH
eh vernachlässigt werden.

Deine Erzählung, wie es früher (70-80ziger) mit der Erwerbslosigkeit war,fand ich auch cool, den
SBs in Erinnerung zu rufen, früher war es freizügiger.

Das lockerte die Stimmung wieder etwas auf und da wurde gar gelacht.
Villeicht aus den Gedanken heraus "Schön wärs, wenn wir das zulassen könnten" ?

Sone Versammlungen sollten in Folge statt finden ! 1x pro Jahr mit insgesammt 2..3h
reichen meines Erachtens nicht aus, daran zu tüffteln, wie man was verbessern oder
abschaffen könnte.

Ich hoffe, das der neue Veranstalter das besser handhaben wird, wie der ehemalige
Fachbereich 9. Zu solchen Sitzungen sollten sich Elos und SBs auch mal austauschen
können. Das wurde in der Vergangenheit tunlichst vermieden.
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Zitat von: Onkel Tom am 17:33:29 Mi. 19.Februar 2025das schlimmste sei, das von Erwerbslosen JC-Mitarbeiter als ihr Feindsbild angesehen werden.
Dann sollten sie doch mal darüber nachdenken, warum das so ist.

Wenn man Leuten, die eh schon kaum was haben dieses Wenige auch noch wegnimmt und ihnen damit buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzieht (egal ob mit einer Sanktion oder einer "vorläufigen Leistungseinstellung") bzw. sie permanent damit bedroht, dann kann man wohl nicht ernsthaft erwarten dass das mit Freundschaft belohnt wird.
Sanktionen sind objektiv nichts Anderes als staatlich legitimierte Mordversuche (und bist du nicht willig, so lass ich dich verrecken).
Dass man von den betroffenen Personen als Feindbild angesehen wird, ist dann nur folgerichtig.
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

Erika

Anmerkung:
,,Das Bündnis ,,AufRecht bestehen" hat sich 2014 mit dem Ziel gegründet, die Rechte der Leistungsberechtigten in den Jobcentern durchzusetzen. Es handelt sich dabei um eine offene Gruppe, die sich nach Bedarf trifft, um Kampagnen zu planen und zu unterstützen. Aktueller Anlass ist eine Kampagne gegen die Aufrechnung von darlehensweise erbrachten Mietkautionen und Genossenschaftsanteilen. Träger des Bündnisses sind: Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), IG Metall-Arbeitskreis ,,ARBEITSLOS – NICHT WEHRLOS" Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover, Duisburger Initiative ,,AufRecht bestehen!", Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG PLESA), Bundeserwerbslosenausschuss ver.di, Erwerbslosenforum Deutschland, Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V. (FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Regionalverbund der Erwerbsloseninitiativen Weser Ems e.V., Tacheles e.V. Wuppertal, Widerspruch e.V. Bielefeld, die Nationale Armutskonferenz (nak) sowie viele örtliche Bündnisse und Initiativen."

admin

Hier erstmal eine Richtigstellung. Onkel Tom vermutete, "das es sich um die jedes Jahr widerholende Veranstaltung handelt, wo verdi die JC-Mitarbeiter einläd, um denen auf den Zahn zu fühlen, wie es denen so im Job geht...", doch es war eine von der Gewerkschaftsbasis entwickelte Initiative. Die Verdi Betriebsgruppe BA/ JC wollte was zum 80 Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und dem aktuellen Rechtsruck machen. Daraus hat sich der Arbeitskreis antira entwickelt. Und weil durch den Rechtsruck eine Verschärfung der Sozialgesetzgebung zu erwarten ist kamen sie auf die Idee das alles miteinander zu verbinden.

Ich muß schon sagen, daß ich das Thema ,,Die Gängelung der Arbeitslosen – vom Faschismus bis heute!" total mutig für dieses Klientel fand. In Kiel hat vor vielen Jahren eine Erwerbslosenini von Verdi eine Plakatwand vor dem Jobcenter gemietet und darauf geschrieben: "Wer glaubt, daß ein Arbeitsvermittler Arbeit vermittelt, glaubt auch, daß ein Zitronenfalter Zitronen faltet." Es gab daraufhin Sachbearbeiter/Arbeitsvermittler, die damit gedroht haben, aus der Gewerkschaft auszutreten, weil sie sich beleidigt fühlten. Der jetztige Titel der Veranstaltung war schon eine andere Nummer und hätte für Konflikte sorgen können, doch er brachte rund 40 interessierte Kolleg:innen aus Arbeitsagentur und Jobcenter auf dieses Treffen.

Es gibt ja sogar Linke, die keine NS Vergleiche mit heutigen Verhältnissen zulassen wollen, weil sie es für eine "Relativierung der Verbrechen des NS Staats" halten. Das Gegenteil ist jedoch richtig. Die Strukturen des NS Machtapparats blieben zu großen Teilen in Staat, Wirtschaft und Bewußtsein Nachkriegsdeutschlands bestehen. Es gibt eine Kontinuität in Ideologie und in politischer Praxis.  In Institutionen wie den Arbeitsämtern blieb oftmals das alte (Führungs-)Personal in Amt und Würden.

Die Veranstaltung fand im geschichtsträchtigen Gewerkschaftshaus Besenbinderhof statt. Neben der Eingangstür befindet sich eine Bronzetafel mit folgender Aufschrift:
ZitatAm 2. Mai 1933 stürmten SA, SS und NSDAP-Mitglieder das Hamburger Gewerkschaftshaus und verhafteten die Vorstandsmitglieder des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). In ganz Deutschland wurden Gewerkschafter verhaftet, verhört, gefoltert und zu Tode geprügelt. Für viele Gewerkschafter begann an diesen Tagen ein langer Leidensweg, der durch Gefängnisse und Konzentrationslager führte.

Die Veranstaltung im St.Georg Saal begann mit zwei beeindruckenden Vorträgen zu dem Thema der verleugneten Opfer des deutschen Faschismus, die sog. Asozialen (schwarzer Winkel) und die sog. Berufsverbrecher (grüner Winkel). Frauke Steinhäuser Beschrieb die geschichtliche Rolle Hamburgs bei der Ausgrenzung und Vernichtung "Arbeitscheuer und Asozialer" und bei Liane Lieske wurde es persönlich, sie erzählte vom Schicksal ihrer Großmutter. https://www.die-verleugneten.de/eure-geschichten/wider-das-verleugnen/

Es war hammerhart. Es ist so klar, daß Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen. Das muß man den verpeilten Kids beipulen, die den Tiktok Faschismus irgendwie cool finden.

Es wurde auch darauf hingewiesen, daß die Stadt Hamburg ihre Archive zu dem Thema "Arbeit" vor der Öffentlichkeit verschlossen hält. Diese Info war verbunden mit dem Wunsch, daß Leute aus dem Publikum versuchen mögen, einen öffentlichen Druck gegen diese Politik des Senats aufzubauen.

Eine niederschmetternde Info zu dem Umgang mit NS Opfern war, daß die Träger des Grünen und Schwarzen Kreuzes erst im Jahr 2020 als Opfer des Naziregimes anerkannt wurden. Ihnen wurde das Recht auf Entschädigung erst zugestanden, als fast alle von ihnen bereits tot waren.

(Fortsetzung folgt.)


Onkel Tom

Zitat von: admin am 18:23:13 Do. 20.Februar 2025Daraus hat sich der Arbeitskreis antira entwickelt.
Ah, okay. Das wusste ich nicht und habe diese Veranstaltung für anders "organisiert" gehalten.

Ich denke nicht, das mein Einwurf ein Fehler war, weil ich damalige "Büroarbeit" mit der heutigen
verglich und da um Nachsehen bat die 61er-Beurteilungen zu ignorieren.

Zitat von: admin am 18:23:13 Do. 20.Februar 2025Es gibt ja sogar Linke, die keine NS Vergleiche mit heutigen Verhältnissen zulassen wollen, weil sie es für eine "Relativierung der Verbrechen des NS Staats" halten. Das Gegenteil ist jedoch richtig.
Ähnlicher Gedanke kniff mir anbei auch im Nacken a la Tom rückt mit was raus, "was nicht
sein kann, was nicht seien darf.." Das, was ich vorbrachte, ist belegbar also kein Spinnkram
oder so.. Innerliche Nevosität und die Stimmung "Das wollen wir hier nicht hören !" brachte
ein, mich zu verhaspeln.

Danke für den Link  ;D
Lass Dich nicht verhartzen !

admin

Die Veranstaltung war in mehrere thematische Blöcke geteilt. Zwischendurch gab es Pausen, die zu Gesprächen am Rande genutzt wurden.

Ich habe die Gunst der Stunde genutzt, um mit Gesine Holtmann von "Sanktionsfrei" zu quatschen, die auf dem Podium neben mir saß. Ich habe ihr gesagt, daß ich zu ihrem Projekt gemischte Gefühle habe. Ich finde es großartig, wie es ihnen gelingt, vielen Menschen aus verzweifelten Situationen herauszuhelfen, ähnlich wie das Projekt "Freiheitsfonds", das Leute aus dem Knast "freikauft", die wg. Schwarzfahrens eingefahren sind.

Mein Unwohlsein in der Sache kommt von meinen Problemen, die ich grundsätzlich mit Charityprojekten habe. Sie hatte aber gute Argumente, wies auf ihre politische Arbeit hin und darauf, daß sie bereits die 1 Millionen Euro Marke bei der Hilfe geknackt hätten. Der Moderator des Abends hat ein wenig mitgehört und vorgeschlagen, wir sollten das Thema in die öffentliche Debatte nehmen. Das ist leider nicht passiert, denn es kamen noch so viele Themen, zu denen man jeweils ganze Veranstaltungen hätte machen können. Im Grunde wurden an diesem Abend viele Diskussionen nur angeschnitten.

Es ging zunächst darum, in wie weit der Rechtsruck bei der Arbeit in unseren Projekten spürbar geworden ist. Ich meinte, daß es bei uns nicht zu einer neuen Situation geführt hat. Wir hatten schon immer mit Rechten zu tun, einerseits mit organisierten Rechten, andererseits mit Leuten in unserer Community, die, egal ob sie in prekären Jobs oder erwerbslos sind, rechte Sprüche einfach nachquatschen. Rechte sind politisch aktiv unter Menschen, die soziale abgehängt sind. Sie vermauerten z.B. nachts den Eingang eines Jobcenters mit Ytong-Steinen und ernteten in der CD Community viel Applaus. Ihnen mußte man erst sagen, daß es Faschos waren und einigen schien es egal zu sein. Wir werden von den Rechten beobachtet und einiges schauen sie sich auch bei uns ab. Ein paar Jahre lang gab es Anfragen an uns, ob wir nicht zusammenarbeiten wollten, links und rechts gemeinsam gegen das System. Sie haben aber so deutliche Abfuhren gekriegt, daß sie damit aufgehört haben. Sie machen aber auch Beratungsarbeit und soziale Arbeit irgendwo in der Pampa, wo keine Linken aktiv sind. Das ist etwas, worüber wir uns Gedanken machen müssen.

Rainer Timmermann von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen widersprach mir teilweise, bzw. ergänzte es, weil ich allein die Blick auf die Menschen ganz unten hatte, während das Hauptproblem aus der gesellschaftlichen Mitte kommt. Es sei soziologisch nachgewiesen, daß die Mittelschicht mit ihren Ängsten vor einem Sozialen Abstieg, das größte Potential für einen Rechtsruck darstellt, während Politik und Medien in Dauerschlaufe behaupten, die Mittelschicht sei das Rückgrat unserer Demokratie und das Bollwerk gegen jeglichen Extremismus. Die AfD bemüht sich deshalb am intensivsten um dieses Klientel. Weltweit ist die bürgerliche Mitte dabei, gesellschaftliche Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit zu opfern, um ihren eigenen Status zu sichern.

admin

Mein Bericht über die Veranstaltung ist sehr subjektiv.

Deshalb ein paar persönliche Gedanken und Erfahrungen dazu am Rande:

Es dreht sich alles um ein superwichtiges Thema, das gleichzeitig vermintes Gelände ist. Es gab vielleicht einmal eine Erwerbslosenbewegung. 1982 gab es den ersten Arbeitslosenkongress in Frankfurt. Mir gefielen Mitte der 80er die Jobberinitiativen sehr, mit ihrem Blick nicht nur auf Sozial- und Arbeitsämter, sondern auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge und ihre radikalen Aktionen.

Für radikale Aktionen war man eher in Frankreich zu haben. Mit militanten und phantasievollen Aktionen, wie der Besetzung der Pariser Handelsbörse, von Banken und Parteizentralen zwangen sie die Regierung zu offiziellen Verhandlungen mit VertreterInnen der Erwerbslosen.

Als es mit Hartz IV losging, ging es in Deutschland nochmal rund. Noch im Vorfeld der Umsetzung der Hartz-Gesetze kamen auf einer Demonstration in Berlin im November 2003 100.000 Teilnehmer:innen zusammen. Auch ohne Unterstützung der Gewerkschaftsspitze war dies die bisher größte Mobilisierung von Betroffenen. Im Osten Deutschlands ging es mit Montagsdemos los. Mit wenigen Personen begann die erste Montags-Kundgebung im Juli 2004 in Magdeburg, die sich innerhalb kürzester Zeit auf dem Höhepunkt mit 200.000 Menschen in rund 200 Städten summierte.

Seit dem ging es den Bach runter. Die Erwerbslosenaktivisten rieben sich darin auf, den unzähligen Betroffenen individuell zu helfen. Für viele wurde das zum Lebensinhalt. Sie waren oftmals nicht mehr in der Lage, diese Arbeit kritisch zu hinterfragen oder nach neuen Strategien oder Bündnissen zu suchen. Meine Versuche, daran zu kratzen und nach neuen Ansätzen und Kampfformen zu suchen, sind krachend gescheitert. Innerhalb der chefduzen-Strukturen wie auch im weiteren Umfeld empfand man die Zweifel an dieser Form der Erwerbslosenarbeit als persönlichen Affront. Es hagelte Beleidigungen und einer verließ mit knallenden Türen in inneren chefduzenkreis.

Ich weiß nicht, was es da zu verteidigen gab. Es gibt keine Erwerbslosenbewegung mehr. Hatte man mal zehntausende auf die Straßen gebracht, kriegt man heute selten mehr als ein Dutzend mobilisiert.

Ich möchte die Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Gröpelingen ausdrücklich ausnehmen. Auch die ALSO und Tacheles haben auch noch gesellschaftliche Zusammenhänge im Sinn, möglicherweise auch noch einige der Gruppen, die hier Erika aufgelistet hat, aber da kenne ich mich nicht so aus. Also kurz, die Erwerbslosenbewegung ist tot und ihre verbleibenden Aktivisten sind nicht bereit darüber zu diskutieren.

counselor

Die Montagsdemo gibt es schon noch bundesweit. Es ist ein harter Kern von Aktiven aus Arbeitern, Rentnern und Erwerbslosen übrig geblieben. Das Themenspektrum wurde erweitert auf alle gesellschaftlichen Probleme und man will eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Allerdings bringt man keine 200000 Menschen mehr auf die Straße.

Ich bin gespannt, wie sich der Widerstand gegen die wahrscheinlich kommende ultrareaktionäre CDU Regierung entwickelt, wenn diese die vom Kapital geforderten Angriffe auf den Lebensstandard der Leute durchführt. Ein Kollege von mir war der Meinung, dass die meisten Menschen noch keine Ahnung davon haben, was da auf sie zukommt.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Zitat von: admin am 16:35:35 Fr. 21.Februar 2025Es dreht sich alles um ein superwichtiges Thema, das gleichzeitig vermintes Gelände ist.
Besser konntest Du das nicht ausdrücken. Und wie.. Bei meinen Einwurf bewegte ich mich auch auf diesem Feld,
wo ich ganz pingelig drauf achten musste, die Empfindlichkeit dieses Feldes nicht zu überreizen.
Eine falsche Artikullation und es hätte mir auch ein Verfahren wegen Beleidigung einhandeln können.

Zitat von: admin am 16:35:35 Fr. 21.Februar 2025Als es mit Hartz IV losging, ging es in Deutschland nochmal rund. Noch im Vorfeld der Umsetzung der Hartz-Gesetze kamen auf einer Demonstration in Berlin im November 2003 100.000 Teilnehmer:innen zusammen. Auch ohne Unterstützung der Gewerkschaftsspitze war dies die bisher größte Mobilisierung von Betroffenen. Im Osten Deutschlands ging es mit Montagsdemos los. Mit wenigen Personen begann die erste Montags-Kundgebung im Juli 2004 in Magdeburg, die sich innerhalb kürzester Zeit auf dem Höhepunkt mit 200.000 Menschen in rund 200 Städten summierte.
Ja, es gab dazu 2006 und 2009 oder 2010 eine bundesweit aufgerufene Demo in Berlin.
2006 war ich auch dabei und schmunzel, was ich da erlebte.. 2010 konnte ich nicht hin und oh Schock.
Über den Video-Cannel ging eine Sequenz rum, das jemand einen "kräftigen" Böller warf, dieser auf einer
Seite eine Autos prallte und zu Boden flog. Der Bumm schmiss ein RoboCop, der ungefähr 1,5 Meter entfernt
war zu Boden.. Diese Aktion fand ich Oberscheiße, weil war vielmehr als ein Kanonenschlag. Die Druckwelle
beendete das Video mit Verpixelungssörungen und ein akustichen Burps.
Das wurde medial leider ausgeschlachtet und danach gab es keine Großdemos (100.000+) gegen H4 nicht mehr.

Dafür mache ich jetzt nicht den Böllerwerfer verantwortlich, sondern den Zeitgeist 2005-2010,der dazu
"fordert und fertig machte" die aller Energie beraubte. Ein Thema für sich, andere Menschen über der
emotionellen Ebene fertig zu machen..

2010 war im Anti-H4-Kampf noch voll Power. Danach klang es langsam aber sicher bergab. Es wurde für
mich immer schwerer, genügend Erwerbslose zusammen zu bekommen. 2013 wurde es dann soweit, das ich
den Schlüssel (Hauptverantwortung) der ELSE abgab.

Zitat von: admin am 16:35:35 Fr. 21.Februar 2025Für viele wurde das zum Lebensinhalt. Sie waren oftmals nicht mehr in der Lage, diese Arbeit kritisch zu hinterfragen oder nach neuen Strategien oder Bündnissen zu suchen. Meine Versuche, daran zu kratzen und nach neuen Ansätzen und Kampfformen zu suchen, sind krachend gescheitert.
Nun ja, als Beteiligter kann ich mich gut daran erinnern und wir hatten uns ja long im Auto darüber
unterhalten..  Heute ist das "Unglück, im Aktivismus versehentlich das Fettnäfchien um zu schmeißen"
längst verdaut und verziehen und finde, das deine Vorstellungen dazu heute was wert werden können,
zumal der Druck im H4-Kessel auch weiter steigt.. Sooo ganz fertig sind die Elos nu auch nicht, das
denen mal der Kragen platzen könnte..  ;)

Zitat von: admin am 16:35:35 Fr. 21.Februar 2025Also kurz, die Erwerbslosenbewegung ist tot und ihre verbleibenden Aktivisten sind nicht bereit darüber zu diskutieren.
Den Eindruck habe ich auch aber deswegen wäre da Diskussion schon ok.
Was da so alles "muss" statt "können und wollen" zu erledigen wäre, gleicht meinem Bauchgefühl nach einen
Berg zu verschieben. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt  ;)

Zu Erikas Anmerkungen bin ich etwas irritiert. Dieser Kampfslogen "Auf Recht bestehen" ist schon älter wie
2014 und tauchte in meinen Ohren schon im Jahre 2007 via Elo-Rat-Gruppe von Verdi-HH auf. Dazu gab es echt
coole Postkarten-Flyer, Erwerbslose zu Widerstand zu ermutigen. Daran fand ich auch Beteiligung aber das
mit dem "Elo-Rat" ist ja auch so um die 2010 "ein geschlafen".

Ich halte es aber für möglich, das sich "Auf Recht bestehen" 2014 "neu formiert" hat und wenn ja, ist
diese neue Gruppierung/Bündnis nicht von mir gemeint, die tot sei.

Nach 2010 haben meiner Erkenntnis nach nur noch die Modemos weiter gemacht, was Anti-H4-Demos betrifft.
Meines Erachtens auch ein "können und wollen" aber das reicht m.E. leider nicht.

Habe gerade ein Aufkleber von der FAU von 2005 in Gedanken vor der Nase. Ein Foto, wo dunkle Gestalten
Mobilar ins Feuer werfen und drunter stand: "Am Ende sind es die Erwerbslosen." Ich fand den Sticker
sehr passend und heute könnte man diesen auch als Zeitlos empfinden..
Um das in rot eingefärbten mache ich mir (auch) viel Gedanken.
Lass Dich nicht verhartzen !

admin

Ich vergaß zu erzählen, daß im historischen Programmblock das Zitat ,,Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft." von Gerhard Schröder verlesen wurde und die Brücke zur heutigen Zeit geschlagen wurde von der Zwangsarbeit zum Arbeitszwang. Im Laufe des Abends fielen noch weitere Zitate, jedoch von Christian Lindner, und auch die durchweg anschlußfähig an die NS Ideologie waren.

Ich verlor noch ein paar Worte über chefduzen, das kein reines Internetprojekt ist, sondern auch mit realen Treffen und Aktivismus verbunden ist. Ich berichtete davon, daß es bei unseren Treffen immer wieder Leute gab, die nach längerer Zeit der Jobcenterbetreuung psychisch immer weiter vor die Hunde gingen. Einer, der sehr engagiert war und Aktionen voranbrachte, kam irgendwann nur noch irgendwie über den Tag und man kriegt ihn nicht nicht einmal mehr zum Flugblattverteilen. Ich habe auch berichtet, daß ich mir wünsche, daß Forderungen und Kämpfe sich nicht nur um eigene Interesse drehen sollten, sondern man Solidarität mit anderen zeigen soll. Es sollten Erwerbslose zu Arbeitskämpfen in ihrer Region gehen und Solidarität zeigen, vielleicht mit einem selbstgemalten Pappschild. Umgekehrt sollten die Arbeitenden bei ihren Kämpfen für die Interessen der Erwerbslosen eintreten. Dabei geht es nicht allein um Solidarität. Die schlimmen Lebensbedingungen der Erwerbslosen gibt es auch deshalb, weil man damit Menschen ist prekäre Jobs zwingen möchte. Die Lohndruckerei und massive Ausweitung des prekären Arbeitsmarktes geht Hand in Hand mit der Schikanierung der Erwerbslosen. Um gegen diese Politik vorzugehen, braucht es mehr Druck als ihn Erwerbslose allein erzeugen können. Es gab viel Zustimmung aus dem Publikum.

Ich beschrieb auch, wie wir oft damit konfrontiert sind, daß Erwerbslose, die sich dem Jobcenter und den Sachbearbeitern ausgeliefert sehen, weil ihr Alltag und Leben von den Entscheidungen des Behördenmitarbeiters abhängig ist, mit Angst, Verzeiflung und Wut reagieren. Die Sachbearbeiter haben die Bedingungen, wie die viel zu niedrigen Bedarfsätze nicht zu verantworten. Ich habe davon berichtet, wie ich vor vielen Jahren einen Versuch unternahm, von einem Klassenstandpunkt ausgehend, die Behördenmmitarbeiter als potentielle Mitstreiter zu gewinnen, zumindest als solche anzusprechen. Es gab das Beispiel aus Frankreich der Sachbearbeiterin namens Fabienne, die sich weigerte, sind an der Maßregelung und Erniedrigung von Erwerbslosen zu beiteiligen und ihre Kollegen:innen aufrief, es ihr gleichzutun. Sie stellte klar, daß sie ihren Arbeitsvertrag unterschrieben habe, weil er die Vermittlung von Arbeit vorsah und nicht die Gängelung von Erwerbslosen. Ich sehe die Behördenmitarbeiter als Lohnabhängige, die den Job auch nur tun um ihre Brötchen zu verdienen. Aber die eingeschüchterten und seelisch verletzten Erwerbslosen wollten nichts davon wissen. Ich fand niemanden (!), der bereit war, mein Flugblatt gemeinsam mit mir zu verteilen.

Das Publikum ächzte ein wenig und kannte das Gefühl nur zu gut, als "Feind" wahrgenommen zu werden. Ich bedankte mich dafür, daß nach all den Jahren auf dieser Veranstaltung sich beide Seiten des Schreibtischs trafen, um gemeinsam über die Situation zu sprechen. Eine Personalrätin bedankte sich dafür, daß ich von einem "Klassenstandpunkt sprach, ein Begriff, der heutzutage viel zu wenig benutzt werde. Sie fühlten sich auch unwohl in der Rolle, die sie in ihrem Job zu spielen hätten.

Ich entdeckte im Raum einen Behördenmitarbeiter, der vor Jahren bei chefduzen-Straßenaktivitäten aktiv war und dazu fällt mir auch ein, daß wir im chefduzen-Umfeld einen haben, der beim Jobcenter gerade seine Ausbildung zu einem Fallmanager abgeschlossen hat. Das sollten Erwerbslose einfach kapieren, daß man sich nicht abgrenzen, sondern eine Ausweitung solidarischer Kämpfe anstreben sollte. Politische Arbeit heißt, mit Menschen zu reden, um ihr Denken und Handeln zu verändern.

Während die renitente französche Kollegin "Fabienne" bewundert wurde, kam die hamburger Kollegin Inge Hannemann weniger gut davon. Man warf ihr vor, daß sie ihren Kampf gegen die Ungerechtigkeiten der Behörde und gegen die unwürdige Behandlung von Erwerbslosen als Soloprojekt durchgezogen hat, ohne vernetzung und ohne Zusammenarbeit mit den Personalratstrukturen.

Ich kenne Inge Hannemann nicht persönlich und kenne weder die Details, noch die Hintergründe der Auseinandersetzungen. Ich habe alles nur in den Medien verfolgt und habe einen großen Respekt vor ihr und ihrer Arbeit. Sie wurde von der Behörde unter Druck gesetzt, fertigegemacht und bezahlte mit ihrer Gesundheit. Sicherlich ist es besser, einen solchen Kampf in guter Vernetzung zu führen.

Vielleicht war es ein Fehler, vielleicht hat es mit ihrer Persönlichkeit zu tun, vielleicht hatte sie Gründe, um die Personalratsstrukturen einen Bogen zu machen, doch bei allem, was kritisierbar sein mag, hat sie eine mutige und wichtige Arbeit geleistet. Deshalb hat mich die barsche Ablehnung ihrer Person und Aktivitäten geärgert.

Onkel Tom meldete sich zu Wort und berichtete von aktuellen Fällen in Hamburg, mit denen er sich beschäftigt, in denen Erwerbslose eine unwürdige Behandlung erfuhren. Er redete sich in Rage und nannte viele Paragraphen. Es begann eine Unruhe und ein Rücken auf den Stühlen. Ein Teil des Publikums fühlte sich persönlich angegriffen und sah wieder das alte Feindbild entstehen.

Zum Teil war es wohl auch dem Lampenfieber zuzuschreiben, daß dieser Beitrag so ausufernd und emotional wurde. Ich fand aber, er hat Fehler bei der Herangehensweise gemacht. Ich bin mir sicher, es gab nicht Eine oder Einen im Raum, der Erwerbslosen etwas böses wollte.

Man hätte sie als Mitstreiter für einen menschlicheren Umgang ansprechen können, in etwa, in dem man sagt, "Wir haben hier ein paar echte Probleme, in denen Erwerbslose unwürdig behandelt werden. Habt ihr Ideen, wie man damit umgehen kann, wie das abzustellen ist?" Ich gehe davon aus, daß da einige Leute positiv reagiert, Vorschläge gemacht, vielleicht sich dieser Fälle selbst angenommen hätten. Vielleicht ist mein Denken hier zu positiv, aber ich finde, es wäre einen Versuch wert.

Und hier kommen wir an einen spannenden Punkt. Ich will es mal ganz kurz machen. Viele Behördenmitarbeiter kommen mit ihrem Job nicht klar. Der Betreuungsschlüssel ist unmöglich, der Arbeitsdruck ist enorm. Und sie fragen sich, was sie da überhaupt tun. Es war spannend zu hören, welche Gedanken sie sich machten, wie sehr sie litten. Es gab alles, von einer, die nach langer Krankschreibung und Therapien wieder zurück an die Arbeit geht und nicht weiß ob es der richtige Weg ist, eine andere berichtete, daß sie aus gesundheitlichen/psychischen Gründen nicht mehr kann und nun auf der anderen Seite des Schreibtisch steht. Eine erzählte, wie sie psychisch angeschlagenen Erwerbslosen versucht zu helfen, mit einfachen selbst gewünschten Jobs bei wenigen in eine Integration und Gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Daß sie das mit Herzblut machte, war mehr als deutlich.

Ich sagte dann aber noch etwas, was wohl sehr gemischt aufgenommen worden ist. Ich erinnerte mich daran, wie es in den 70er und 80ern für einige zum Lebensstil gehörte und man versuchte sich mit möglichst wenig Arbeit und Kohle vom Sozial oder Arbeitsamt ein Schönes hippieskes Leben zu machen. Man nannte sie "Aussteiger" oder "Lebenskünstler" und so mancher Normalo blickte neidisch auf diesen Lebensstil. Es gab Lacher, einzelne Klatschten, ich glaube, anderen paßte es nicht so.

Aber das Thema Arbeit, was wir warum und wie machen, ob wir Bullshit Jobs machen oder schlimmen Scheiß produzieren, all das muß diskutiert werden.

Diese Diskussion im Besenbinderhof war ein Beginn für viele wichtige Debatten. Ich hoffe, sie werden weitergeführt.

admin

So, liebe Leute,

dieser Thread ist viel länger geworden als geplant.
Ich würde gern ein paar abschließende Worte finden. Ich sprach von einem "verminten Gelände", wenn es um die Diskussion über die Erwerbslosenarbeit geht. Diese Diskussionsveranstaltung im hamburger Gewerkschaftsaus überschritt Gräben und ermöglichte Debatten, wie ich sie nicht erwartet habe. Erwerbslosenaktivisten sind Verdi nicht unbedingt zugetan und dafür gibt es gute Gründe. Die Gewerkschaftsführung hat damals Hartz IV und heute das Bürgergeld mitgetragen und nicht den Widerstand dagegen organisiert, den man von einer Gewerkschaft erwarten sollte.

Die hamburger Verdi Betriebsgruppen BA/JC zeigte jedoch sich offen und engagiert. Sie hatten mit der Veranstaltung gleich mehrere wichtige Themen auf dem Zettel. Man möchte eine Gegenbewegung gegen den Rechtsruck stärken, beschäftigt sich mit der Situation der Erwerbslosen, hat dazu neben chefduzen andere Stimmen aus der praktischen Erbwerbslosenarbeit aufs Podium geholt und sich mit der Situation der Beschäftigten in den Behörden zur Erwerbslosenverwaltung beschäftigt. Es sind so viele Themen hochgekommen, zu denen man jeweils eigene Veranstaltungen organisieren könnte. Ich fand es besonders spannend, wie stark die Unzufriedenheit und die gesundheitlichen Probleme des Beschäftigten waren. Was bei Asterix "das Haus, das Verrückte macht" genannt wird, greift nicht nur die Psyche derjenigen an, die dort Sozialleistungen beantragen, sondern auch derjenigen, die da arbeiten.

Es gab so viele Momente dieses Abends, die in meinem Kopf hängengeblieben sind. Eine Mitarbeiterin, deren Gesundheit auch angegriffen war, sagte, sie hätte sich zumindest immer bemüht, Sanktionen gegen Erwerbslose abzuwehren. Eine andere sagte, daß die Gewerkschaft in ihrem Alltag die Rettung sei, weil man dort über den Druck und das persönliche Unwohlsein reden kann.

Letztendlich sollten wir uns die Abschaffung vom "Haus, das Verrückte macht" wünschen, bzw. dafür kämpfen, das es ersetzt werden sollte durch eine Institution, die Erwerbslosen hilft, statt sie zu erniedrigen und die ihren Mitarbeitern angenehme Arbeitsbedingungen bietet.

Jetzt noch etwas, was gar nicht zu dieser Veranstaltung gehört, aber zeigt, daß Erwerbslosenarbeit über Beratungsarbeit hinausgehen kann: Mir hat bei der Kampagne der Bremer Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Gröpelingen eine Forderung besonders gefallen: Erwerbslose fordern, nicht in die Leiharbeit vermittelt zu werden.

Mögen diese Diskussionen und Kämpfe weitergehen!

(Und ein Dankeschön an die Betriebsgruppen BA/JC für die Veranstaltung und die Einladung!)

Onkel Tom

In vielen Dingen richtig, was Du in den letzten zwei Beiträgen geschrieben hast, jedoch
was deine Hoffnungen im Bezug "Beziehungsentschärfung" zwichen Elo und JC-SB betrifft,
liegst Du etwas (voll) daneben..

Zu Fabienne war das ok, was Du schreibselt aber bei Inge Hannemann fehlt dir da was.
Sie musste derbe ihren Kopf dafür her halten, sich von der Stadt ein abschreckendes
Example über sich ergehen lassen, was allen anderen Beschäftigten im JC deutlich
machen sollte "Wer petzt, dem reißt die Stadt mächtig den Popo auf."

Du hast ja selber mitbekommen, das Fabienne nicht so tragisch aufgefasst wurde.
Sie hatte ja gleich zum Start von Verschärfungen in Frankreich gesagt, das mache ich
so nicht mit, Arbeitslose zu ärgern, damit sie einen neuen Job für sich suchen.

Bei Inge sah das jedoch anders aus. Sie wird heute noch von SBs verteufelt, weil sie
nicht sagte, das sie das nicht mehr mit machte, sondern wie eine Nestbeschmutzerin
darüber erzählte, was genau in dem JC schief lief.
Und das hast Du doch auch bestimmt an der Stimmung bemerkt, das die SBs nicht gut auf
Inge Hannemann zu sprechen sind oder ?

Und es sind nicht die Elos, die sich abkapseln, sondern die JC-Mitarbeiter, wo wir
es im Jahre 2008 auch mal versuchten, Elos und SBs auf die freundliche Tour an einem
Tisch zu bekommen. Es wurde von SB-Seite abgelehnt.

Und wenn ich in Rage gerate, schaut es deftiger aus. Mein Problem war, meine Kritik
artikullativ korrekt auf den Punkt zu bringen und eine Dame, die an der Eingangstür
rum schwirrte ergriff ja ständig Abbruchversuche zu meiner Kritik. Das galt für mich
zu verhindern.

Ich bereue mein Einwurf nicht, war nur nicht halt so flutschig und setze da bitte nicht so
viel Hoffnungen, das da mal Solidarität zwischen SBs und Elos aufbaubar wären.
Du wirst anbei über viele SBs entäuscht sein, denn sie haben sich zu den Elos abgekapselt.
Kannst den Organisatoren ja mal gerne auf runde Tische von Elos zu SBs ansprechen und
ich wette mit dir, dazu eine Absage zu bekommen.
Begründen wird man dir die Absage selbstverständlich unehrlich.

Die Vorspeisen im Bezug NS-Geschichte fand ich außergewöhnlich aber war sehr passend, um SBs
zum denken an zu regen, doch die Reaktion war seine Tätigkeiten zu verteidigen und schoben
das Deaster auf die Erwerbslosen und "die da oben" ab. Un das war noch vor meinem Einwurf
deutlich. Der Satz "Elos sehen in uns nur ein Feindbild" löste mein Einwurf aus.

Die Schuld auf andere ab zu schieben, hat in allen Bereichen, wo es um SGB-Gedöns geht, Masche.
Zuletzt bleibt sie beim Elo hängen, weil da das schwächste Kettenglied zu finden ist.
Lass Dich nicht verhartzen !

admin

Auf den Bericht über die Veranstaltung und unsere Diskussion wurde im LabourNet hingewiesen: https://www.labournet.de/?p=128270

Die historischen Wurzeln von BA/JC im Nationalsozialismus und der Umgang mit "Asozialen" und "Berufsverbrechern" sind dort schon länger Thema.

Kuddel

Das paßt auch hierher:

ZitatIm Job-Center ist ein Fünftel des Personals krank

Die Gewerkschaft Verdi hatte zu einer Großkundgebung im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen eingeladen. Es gehe darum, den Druck auf die Arbeitgeber-Seite zu erhöhen. Auf der Bühne erzählten Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst, wie ihr Arbeitsalltag aussieht. Besonders eindrücklich schilderte es ein Mitarbeiter des Jobcenters Nürnberg: Wegen der hohen Arbeitsbelastung seien mittlerweile 20 Prozent aller Kollegen langzeiterkrankt - ein Muster, das sich so auch in anderen Job-Centern in ganz Deutschland wiederfände.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/12-000-streikende-bei-grosskundgebung-in-nuernberg,UfKNKrM

Ich halte die Unzufriedenheit der Mitarbeiter für einen Ansatz, Unruhe in die Behörde zu bringen. Daß Bündnisse zwischen verzweifelten und wütendenden Erwerblsosen und genervten, gestreßten und kränkelnden Arbeitsvermittlern nicht leicht ist, ist mir bewußt.

Es werden die Arbeitsvermittler deshalb krank, weil sie spüren, daß sie etwas machen, was sie gar nicht wollen. Einige kündigen deshalb freiwillig und suchen sich etwas anderes. Diese Unzufriedenheit sollten wir nicht ignorieren.

Wie kann man sich austauschen? Die verdi-Betriebsgruppen in Hamburg schienen eine positive Ausnahme zu sein.



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