Einsatz von Leiharbeitern spaltet die Belegschaften

Begonnen von TagX, 18:11:23 So. 21.Januar 2007

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TagX

ZitatVerdrängungseffekte
Der zunehmende Einsatz von Leiharbeitern spaltet die Belegschaften und schwächt die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften. BMW in Leipzig als Vorreiter
Daniel Behruzi

Das Leipziger BMW-Werk ist eine der modernsten Automobilfabriken Europas. Doch nicht nur architektonisch ist das »bauliche Gesamtkunstwerk der Londoner Architektin Zaha Hadid«, so die BMW-Eigenwerbung, Vorreiter. Auch beim Einsatz von Leiharbeitern ist Leipzig vielbeachtetes Vorbild der Branche.

Einkommensunterschiede
Rund 1000 der 3400 Beschäftigten, die täglich bis zu 650 Modelle der BMW 3er-Reihe in Leipzig montieren, sind nicht bei dem bayerischen Autobauer angestellt, sondern werden von externen Zeitarbeitsfirmen ins Werk »verliehen«. Hinzu kommen etwa 1100 Beschäftigte externer Dienstleister, die auf dem Werksgelände für BMW tätig sind. Diese sorgen für die Logistik von Putzlappen bis Filter ebenso wie für die Fertigung von Autoteilen – und liefern diese direkt ans Band. Selbst die Achsenmontage wird nicht von BMW-Arbeitern durchgeführt, sondern von Thyssen-Krupp. Die Folge: In ein und demselben Werk existieren völlig unterschiedliche Lohnstandards. Beispielsweise werden die Beschäftigten von Schenker, die für die produktionsnahe Logistik verantwortlich sind, nach ver.di-Tarif bezahlt – und dieser liegt deutlich unter den Einkommen der Stammbelegschaft. Noch schlechter ergeht es den Zeitarbeitern, die nicht nur weniger verdienen, sondern zudem nicht wissen, wie lange sie überhaupt im Betrieb tätig sind. Dabei arbeiten einige von ihnen schon seit drei Jahren in Leipzig. Auf bis zu 50 Prozent beziffert der Betriebsratsvorsitzende Jens Köhler die Einkommensunterschiede zwischen Stammbeschäftigten und Zeitarbeitern – bei gleicher Tätigkeit. Grundsätzlich hat der Betriebsratschef gegen den Einsatz von Leiharbeitern nichts einzuwenden – »aber nicht in diesem Ausmaß und nur zu einem vernünftigen Entgelt«, betont er gegenüber jW. Deshalb setze sich die Beschäftigtenvertretung auch für eine Umwandlung von Leiharbeitsverhältnissen in Festanstellungen ein. »Für uns als neuen Betriebsrat mit einer noch unerfahrenen Belegschaft ist das aber alles andere als leicht«, sagt Köhler. In jedem Fall werde die Frage der Zeitarbeit für den Betriebsrat in diesem Jahr das »Kernthema« sein. Dies gilt offenbar auch für die Unternehmer – nicht nur bei BMW in Leipzig. Beschäftigte berichten, wie sich Funktionäre diverser Unternehmerverbände im Werk die Klinke in die Hand geben, um sich über die dortigen Strategien zu informieren.

Und tatsächlich ist der Autobauer in der sächsischen Metropole längst kein Einzelfall mehr. Schätzungen zufolge sind etwa eine halbe Million Menschen auf den Gehaltslisten der Zeitarbeitsfirmen. 35 Prozent von ihnen gehen mit weniger als 2000 Euro brutto nach Hause. Und nur jeder fünfte verdient mehr als 3500 Euro. Dabei sind zwei Drittel Facharbeiter. Besonders gravierend ist das Problem in Ostdeutschland und im Dienstleistungsbereich. Der IG-Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen gibt an, daß mindestens jeder fünfte Beschäftigte in den Metall- und Elektrobetrieben der Region bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt ist.

Sieben Euro Stundenlohn
Die Spaltung zwischen Stamm- und Leiharbeitern hat für die Gewerkschaft gravierende Folgen: In manchen Betrieben dürfte es künftig schwierig sein, per Streik ökonomischen Druck zu erzeugen, da für einen Großteil der Belegschaften andere Tarifverträge gelten und die Beschäftigten deshalb trotz Ausstand weiterarbeiten müßten.

Auch wenn die Problematik in den Gewerkschaften langsam begriffen wird – sie selbst haben sich einen Großteil dieser Entwicklung zuzuschreiben. Denn im Jahr 2003 haben die DGB-Gewerkschaften Tarifverträge mit den Hauptverbänden der Zeitarbeitsbranche geschlossen, deren Mindeststundenlöhne bei kaum mehr als sieben Euro liegen. Diese Vereinbarungen führen dazu, daß ein unter Schröder verabschiedetes Gesetz, das eine im Grundsatz gleiche Bezahlungen von Zeitarbeitern und Stammkräften vorsieht, nicht zur Anwendung kommt. Selbst der IG-Metall-Bezirksleiter Nordrhein-Westfalens, Detlef Wetzel, der nicht gerade als ein revolutionärer Vertreter seiner Zunft gilt, erklärte kürzlich in der Berliner Zeitung, der eingeschlagene Weg sei »nicht hinreichend erfolgreich« gewesen und müsse korrigiert werden. Im Interesse der Durchsetzungsfähigkeit von Gewerkschaften ist zu hoffen, daß dies möglichst bald passiert und dem Grundsatz »ein Betrieb – eine Belegschaft« wieder Geltung verschafft wird.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/01-22/025.php
Grüße


Sozialismus!

Paul Brömmel

:D  "...auf den Gehaltslisten der Zeitarbeitsfirmen. 35 Prozent von ihnen gehen mit weniger als 2000 Euro brutto nach Hause. Und nur jeder fünfte verdient mehr als 3500 Euro.     :D   ?(

alfred

Vielleicht denkt die "Junge Welt" noch in D-Mark (oder am Ende noch in Ost-Mark)???

In meiner Niederlassung gehen wohl 50% mit unter 1000 Euro brutto nach Hause (wenn sie den eins haben...)...
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

alfred

Paul, Paul, Paul - das war eben mein 100er Beitrag!!!

...ein hyperventilierender Ekelalfred ist außer sich!
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

Siegessicherer

ZitatOriginal von alfred
In meiner Niederlassung gehen wohl 50% mit unter 1000 Euro brutto nach Hause (wenn sie den eins haben...)...

Aber weniger als 2000 Euronen sinds schon bei dieser Abzockerei.

alfred

Ja, aber eben deutlich mehr als 35 Prozent...
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

Kleine308

Sollte man sich doch nicht wundern, die festangestellten MA haben Angst um Ihre Stellen, weil die ZAs ja soooo billig sind- für die Firmen.

Und als ZA wird einem ja oft vorgegaugelt, daß eine Übernahmeoption möglich ist...wer´s glaubt!

Tolle Idee übrigens um zukünftige Streiks der "normalen Belegschaft" zu verhindern...oder sehe ich das falsch?!

ManOfConstantSorrow

ZitatOriginal von Kleine308
Tolle Idee übrigens um zukünftige Streiks der "normalen Belegschaft" zu verhindern...oder sehe ich das falsch?!

Wurde bereits gemacht!

Obwohl: Ein Leiharbeiter hat das Recht den Einsatz als Streikbrecher zu verweigern! Das kann man notfalls vor dem Arbeitsgericht einklagen.

Geklappt hat es teilweise trotzdem, weil viele so eingeschüchtert, bzw. bescheuert sind, daß sie alles tun, was ihr Chef sagt.

-Weil Leiharbeiter sich oftmals in keinster Weise mit einer Stammbelegschaft verbunden fühlt, man wird ja sowieso bald woanders eingesetzt.

-Weil bei Streikbrechereinsetzen ein Sonderzuschlag als Judaslohn gezahlt wurde.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Paul Brömmel


Richard Gier

Zitat...Schätzungen zufolge sind etwa eine halbe Million Menschen auf den Gehaltslisten der Zeitarbeitsfirmen. 35 Prozent von ihnen gehen mit weniger als 2000 Euro brutto nach Hause. Und nur jeder fünfte verdient mehr als 3500 Euro.

So schlecht, wie hier immer behauptet wird, verdient man also doch nicht als Leiharbeiter:

35% zwar etwas weniger als 2.000 Euro brutto, aber
45% zwischen 2.000 und 3.500 Euro brutto und
20% sogar über 3.500 Euro brutto.

 ?(
Möchte mal wissen, wer diese "Schätzungen" herausgegeben hat. Etwa Prof. Sinn?

Paul Brömmel

:D
naja,wenn die Zahlen nicht völlig frei erfunden sind,beruhen sie auf der eigenartigen "Nettolohn2-Berechnung vieler ZAF,wie man sie auch in Stellenanzeigen findet:
"Nettolohn" = Nettolohn (so 800 - 1100 € mit Überstunden )
+ VMA + Fahrkostenerstattung + Unterkunftskostenerstatttung + ...
 :D
So kommt ein Elektriker oder sonstiger Handwerker auf Fernmontage schon mal locker auf 2500 oder 3000 € und kann trotzdem kaum davon leben !  :D

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