Erfahrungen mit klage beim sozialgericht

Begonnen von backup, 12:54:17 So. 05.Dezember 2004

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backup

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guapa



Anmeldungsdatum: 14.10.2004
Beiträge: 4
Wohnort: karlsruhe
 Verfasst am: 14.11.04 um 19:51    Titel: Erfahrungen mit klage beim sozialgericht  

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Ich habe widerspruch eingelegt gegen einen minderungsbescheit wegen verspäteter meldung nach ablauf eines befristeten vertrages. Der einspruch wurde abgelehnt trotz das ich mich auf ein das urteil berufen habe-->http://www.carmilo.de/index.php?showtopic=1202&st=0&#entry3084. Nun kann ich eine klage beim sozialgericht einreichen und bin mir aber unsicher ob das sinn macht. Hat da jemand erfahrungen mit gemacht? Muss ich die kosten selbst tragen? Wahrscheinlich muss ich dann prozesskostenbeihilfe beantragen, oder? Wäre schön wenn mir jemand ein paar Tips geben könnte  danke euch schon mal im voraus
 
 
 
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joachimkuehnel



Anmeldungsdatum: 18.10.2004
Beiträge: 51
Wohnort: Riesa (Sachsen)
 Verfasst am: 14.11.04 um 20:56    Titel: Re: Erfahrungen mit klage beim sozialgericht  

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guapa hat folgendes geschrieben::
Ich habe widerspruch eingelegt gegen einen minderungsbescheit wegen verspäteter meldung nach ablauf eines befristeten vertrages. Der einspruch wurde abgelehnt trotz das ich mich auf ein das urteil berufen habe-->http://www.carmilo.de/index.php?showtopic=1202&st=0&#entry3084. Nun kann ich eine klage beim sozialgericht einreichen und bin mir aber unsicher ob das sinn macht. Hat da jemand erfahrungen mit gemacht? Muss ich die kosten selbst tragen? Wahrscheinlich muss ich dann prozesskostenbeihilfe beantragen, oder? Wäre schön wenn mir jemand ein paar Tips geben könnte  danke euch schon mal im voraus


Nach einem Widerspruch kann man unter Fristeinhaltung von einem Monat Klage beim Gericht einlegen, das in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchablehnungsbescheids benannt wurde. Vorerst ist in der ersten Instanz kein anwaltlicher Rechtsbeistand gefordert, weil meist ohne mündliche Vorladung daß Gericht sein Urteil anhand der vorliegenden Aktenlage fällt. Erst in der zweiten Instanz wird ein Fachanwalt für Sozialrecht nötig. Aber ungeachtet dessen, ist schon bereits in erster Instanz ein solcher Fachanwalt anzuraten. Es gibt so viele Verfahrens- und Rechtsvorschriften zu beachten, wo wir als Erwerbslose und AN einfach überfordert sind. Es ist von Vorteil eine Rechtsschutzversicherung in Arbeits- und Sozialrechtsangelegenheiten abzuschließen, mindestens 3 Monate vor Eintritt des Streitfalls. Als Mitglied einer Gewerkschaft ist man mit dem dritten Monatsbeitrag automatisch im gewerkschaftlichen Rechtsschutz.

Mach Dir keine Illusionen, daß ein AN oder Erwerbsloser je Recht erhält. Schau Dir an, ob je in den deutschen Parlamenten vom Bundestag bis hinunter zur Gemeinde je ein Arbeiter und Angestellter Deine Interessen vertritt. Keiner aus Deiner sozialen Klasse ist weit und breit als gewählter Interessenvertreter zu sehen. So sieht es auch bei den Beamtenfurzern in den Behörden aus. Das sind Büttel des Kapitals. Da machen Juristen keine Ausnahme. Wie Georg Büchner im Hessischen Landboten 1834 diese Leuteschinder anprangerte, so gilt seine Losung "Friede den Hütten, Krieg den Palästen!" heute noch. Viel hat sich seitdem nicht geändert an dieser Klassengesellschaft.

Lobbyisten aus den Wirtschafts- und Bankkapital schmieren die Politiker und deren Beamtenbüttel in Behörden und Gerichten. Richter und Anwälte kann man getrost als Aasgeier bezeichnen, die sich am Elend der Hilfebedürftigen auch noch gesundstoßen, indem sie das Dreifache des Streitwerts als Verfahrens-, Richter- und Anwaltsgebühren verlangen, Verfahren bis zum Einsetzen von Verjährungen verschleppen, so für jede Sitzung immer wieder neu abkassieren und am Ende Dir dennoch Deinen Rechtsanspruch vorenthalten. Da hilft auch kein gewerkschaftlicher Rechtsbeistand der DGB Rechtsschutz GmbH. Gewerkschaften lassen schnell erwerbslose Mitglieder fallen, wenn diese keine positiven Zukunftaussichten für das eigene Arbeitsleben vorweisen können.

Du kannst durchaus vom Richter gesprochenes Recht erwarten, niemals aber soziale Gerechtigkeit in dieser Ausbeutergesellschaft.

Für Sozialrechtsverfahren hat das Bundesjustizminsteriumin einem Gesetzesentwurf vorgeschlagen, eine Abschreckungsgebühr von 75 € und generellen Anwaltszwang ab 2005 zu verlangen, unabhängig von den Erfolgsaussichten vom Klagenden. Das sagt doch wohl alles.

Das bundesdeutsche Rechtswesen unterläuft vorsätzlch das Recht auf Arbeit. Die Willi-Brandt-Regierung unterzeichnete und erkannte die Menschenrechtsdeklaration der UNO 1973 an, wo die BRD gemeinsam mit der DDR als neue UN-Mitglieder aufgenommen wurden. Hast Du je erlebt, daß die BRD danach dieses Menschenrecht in nationale Gesetze verankert wurde? Gibt es ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch über alle Branchen und Regionen hinweg? Nein. Stattdessen ein löchriges, zersplittertes Tarifsystem, wo die meisten AG ungestraft den AG-Verbänden entfliehen können. Also verletzt die BRD fortgesetzt elementare Menschenrechte, aber zeigt zugleich mit ausgestrecktem Arm immer auf andere Staaten. Sie hat genug Dreck vor der eigenen Tür zu kehren und müßte sehr kleinlaut sein. Auch die Sozialcharta der EU ist nicht als nationales Recht umgewandelt worden.

Aus diesen Gründen existiert auch das Föderalprinzip in der BRD. Gesprochenes und gesetzliches Recht eines Bundesland wird nicht im benachbarten Bundesland dem Grundsatzcharakter nach gleichfalls angewandt und durchgesetzt, sondern muß wieder teuer vom Erwerbslosen und AN erstritten werden. Jedes mal klingelt die Gerichtskasse. So hält man gleichfalls an ihrem Recht interessierte Erwerbslose und AN ab, Ihr Recht auch einzufordern. Auf Dauer spart sich so das Unternehmerpack durch Scheindemokratie und Scheinrecht Millionen an gerichtlich erstrittenen Forderungen.

Es geht sogar so weit, daß die Bundesregierung einfach Gesetze des Bundesarbeits-, Bundessozial-, Bundesverwaltungs-, Bundesverfassungsgerichts und Bundesfinanzhofs durch Nichtanwendungsgesetze widerruft, aushebelt und diese auch nicht veröffentlicht. Was nicht bekannt ist, muß nicht angewendet werden. So einfach die Logik von Ausbeutern.

In der DDR dagegen waren selbst die Urteile der Kreis-. Bezirksgerichte und des Obersten Gerichts für jedermann zugänglich und gleichwertig anzuwenden. Man konnte sich auch auf Urteile eines Kreisgerichts berufen, wenn es Grundsatzcharakter trug. Dann mußte man sein Recht nicht bis zum Obersten Gericht durchboxen, sondern ein Urteil vorm Kreisgericht im sächsischen Pirna war auch anzuwenden vorm Kreisgericht auf Rügen. Mach das mal mit einem gefällten Urteil im tiefsten Bayern, das auf Friesland zu übertragen wäre. Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf. So sieht die vielgepriesene Freiheit und Demoratie in Wahrheit aus. Sie zählt nur als Geld, das sich zwischen Daumen und Zeigefinger wiederfinden läßt. Bundesdeutschen Recht ist Recht von Kapitalisten.
 
 
 
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joachimkuehnel



Anmeldungsdatum: 18.10.2004
Beiträge: 51
Wohnort: Riesa (Sachsen)
 Verfasst am: 14.11.04 um 21:10    Titel: Re: Erfahrungen mit klage beim sozialgericht  

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joachimkuehnel hat folgendes geschrieben::
Es geht sogar so weit, daß die Bundesregierung einfach Gesetze des Bundesarbeits-, Bundessozial-, Bundesverwaltungs-, Bundesverfassungsgerichts und Bundesfinanzhofs durch Nichtanwendungsgesetze widerruft, aushebelt und diese auch nicht veröffentlicht. Was nicht bekannt ist, muß nicht angewendet werden. So einfach die Logik von Ausbeutern.


Beispiel 1

MDR, Sendung Umschau: Rechtsverdrehung - Wie Behörden höchstrichterliche Urteile unterlaufen

Beispiel 2

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - Enteignungs-Prozess wird neu aufgerollt
 
 
 
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guapa



Anmeldungsdatum: 14.10.2004
Beiträge: 4
Wohnort: karlsruhe
 Verfasst am: 14.11.04 um 21:45    Titel: dank dir...  

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Danke schön für deienn umfangreichen text. Sollte ich nun trotzdem auf alle klagen? Ich habe leider keine rechtsschutzversicherung  was ich schwer bereue. Macht es denn dann überhaupt sinn nochmals einspruch zu erheben?
 
 
 
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flipper



Anmeldungsdatum: 14.02.2004
Beiträge: 47

 Verfasst am: 15.11.04 um 12:49    Titel:    

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mach dich schlau und leg widerspruch ein.

rechtschutzversicherungen nützen gar nix, 1000 ausschlussklauseln im kleingedruckten und meist 150,- euro selbstbeteilligungen.

dgb-rechtssekretäre haben keinen bock auf soviel arbeit (10000e fälle) und wiegeln meist ab (rechtsschutz nur für das arbeitsverhältnis)

nur vertrauenswürdige rechtsanwälte mit referenzen und empfehlungen nehmen, die anderen zocken euch für nutzlose vergleiche ab (1600€ kosten!), vorsicht, das endet schnell im privatkonkurs!

mieterverein ist ok. mitglied werden!
 
 
 
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mousekiller



Anmeldungsdatum: 22.03.2004
Beiträge: 150
Wohnort: ein Haus
 Verfasst am: 15.11.04 um 13:17    Titel:    

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Wenn du das Geld nicht zur Verfügung hast: zum Amtsgericht gehen und Beratungshilfeschein beantragen (Du brauchst deine Einkommensbescheide und deine Mietausgaben). Dieser wird zwar nur in Höhe von 20 Euro ausgestellt, jedoch kannst du damit jeden Anwalt aufsuchen und eine Erstberatung bekommen.
Bekommst du keinen, gehe so zu einem Rechtsanwalt und beantrage über ihn Prozesskostenbeihilfe.
 

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Es gibt kein Versuchen! Tue es einfach...
 
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omen



Anmeldungsdatum: 22.10.2004
Beiträge: 13

 Verfasst am: 15.11.04 um 14:35    Titel: ÖRA  

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falls du kein einkommen hast, gibt´s in größeren städten wie z.b. hamburg die sog. öffentliche rechtsauskunft (ÖRA). kostet 10.- € pauschal. wie ich das verstanden habe, bekommst du prozeßkostenhilfe ! ! !

geh´oder fahr da erstmal hin, falls es weit weg ist. du mußt mit stundenlanger wartezeit rechen, deshalb nimm´ dir viel zu lesen + proviant mit.

es lohnt sich, wenn du dich zuerstmal von einem fachanwalt beraten läßt. die richter/innen und anwält/innen sind ehrenamtlich dort und kommen direkt aus der praxis.

probieren lohnt sich immer, aber es gibt keine aussicht auf erfolg. tue das nur wenn du dir den nervenstreß leisten kannst.

meine klage von 09/01 auf erhöhung meines uhg während meiner umschulung wurde letztendlich im sommer 04 als unbegründet abgewiesen. 3 jahre lang habe ich gekämpft, bis ich irgendwann über den urteilsspruch auch noch froh war.

in meinem fall war es eine "neue" sache... hätte ich einen fähigen anwalt gehabt, wär´s vielleicht sogar etwas geworden. ich hatte eben irgendwann KEINE nerven mehr... nach mehrfachen schickanösen behauptungen des aa habe ich innerlich abgeschlossen. das sozialgericht läßt sich gerne durch das aa hinhalten.

das aa schindet zeit und sitzt manches sehr gerne aus. im schlimmsten fall bis zu dem zeitpunkt, zu dem es selbst wenn auch nur indirekt zur gefragten rechtsprechung "beitragen" kann...

also, reine prinzipien-, nerven- und zeitfrage, wenn du mich fragst...

gruß
omen
 
 
 
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Frank



Anmeldungsdatum: 21.03.2004
Beiträge: 19

 Verfasst am: 17.11.04 um 11:09    Titel:    

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hallo joachim

fand dein statement schon ganz interessant. und im großen ud ganzen spiegelt es die realität wieder. aber dass das mamon/kapital seither die welt regiert ist auch nix neues.

was wären denn deine alternativen, um den staat insoweit zu modernisieren
damit in einer demokratie jeder sein recht bekommt?

ich denke solange die kleinen leute sich nicht organisieren, wird sich auch nix
verändern. auch solche protestthreads in diesem forum nicht, man(n) muß es auf die straße tragen, alles andere ist zwecklos.
 
 
 
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joachimkuehnel



Anmeldungsdatum: 18.10.2004
Beiträge: 51
Wohnort: Riesa (Sachsen)
 Verfasst am: 17.11.04 um 14:19    Titel:    

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Frank hat folgendes geschrieben::
hallo joachim

fand dein statement schon ganz interessant. und im großen ud ganzen spiegelt es die realität wieder. aber dass das mamon/kapital seither die welt regiert ist auch nix neues.

was wären denn deine alternativen, um den staat insoweit zu modernisieren
damit in einer demokratie jeder sein recht bekommt?

ich denke solange die kleinen leute sich nicht organisieren, wird sich auch nix
verändern. auch solche protestthreads in diesem forum nicht, man(n) muß es auf die straße tragen, alles andere ist zwecklos.


Richtig! Es gibt real 8 Mio. Erwerbslose von tatsächlich 36 Mio. Bürgern im erwerbsfähigem Alter, also ca. 22,2% Anteil, von Arbeitslosigkeit bedrohte AN und eine Vielzahl von geschröpften Rentnern. Gesamtbevölkerung: 80 Mio. Die müßte man für die Straße und Wahlen mobilisieren. Aber der deutsche Michel duckt sich leider weg. Offensichtlich muß es vielen noch viel dreckiger gehen, bis die Masse aufwacht.

Die einzige Alternative ist der Sozialismus mit einer Demokratie von unten und keiner aufgepfropften Scheindemokratie und Scheinfreiheit großkotziger bürgerlicher Prägung wie wir sie hier in diesem Land vorfinden.

Jeder Protest hilft ein bißchen weiter. Leute, die diese Postings lesen, beginnen über sich und die Gesellschaft nachzudenken. Sie informieren und orientieren sich, schlagen Fachliteratur nach. Es wachsen daraus soziale Forderungen an diese Gesellschaft und der Wille, die Verhältnisse mitzugestalten. Steter Tropfen höhlt den Stein. Das ist doch schon ein Anfang.

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