Regelsatzerhöhung von Behinderten finanziert?

Begonnen von MizuNoOto, 20:20:01 Mi. 15.Dezember 2010

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MizuNoOto

Folgendes habe ich gerade bei Tacheles gepostet (weil das Forum etwas größer ist und es da auch solche Statistikwühler wie Herrn Z. gibt). Sobald der Beitrag freigeschaltet ist, reiche ich noch den link nach:


Ich habe mal nachgerechnet. Den Kosten der Regelsatzerhöhung um 5 Euro stehen Einsparungen von mindestens 60% dieser Kosten durch Einführung der Regelbedarfsstufe 3 gegenüber. Man könnte platt sagen: Die HartzIV Erhöhung wird durch Einsparungen bei Behinderten finanziert.
Ganz so stimmt das natürlich nicht. 60 Prozent sind keine Hundert. Die Einsparungen des Bundes sind nicht die der Kommunen. Und bestimmt stimmt meine Rechnung nicht, denn erstens sind die Zahlen nicht gut und zweitens habe ich bestimmt Fehler gemacht, weil ich mich im SGB XII nicht auskenne. Aber der Sache sollte man nachgehen!
Also, wenn jemand was beitragen kann... nutzen wir unsere Schwarmintelligenz. Die Sache könnte ein toller Propagandaerfolg gegen die Regierung werden und das geplante Gesetz vollständig desavouieren (daran haperts nämlich gerade noch; in den Mainstreammedien wird nur die Erhöhung der Regelsätze, nicht aber die geplanten Verschärfungen disskutiert).



Die Regelbedarfsstufe 3 gilt künftig für Erwachsene, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen leben, und sich an den Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung nicht beteiligen. 1)

Es gab 2007 laut Destatis2) 224 018 Empfänger/-innen von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen. Von denen waren nur 8809 unter 18 Jahren alt3). Geht man wie von einigen Sozialverbänden vermutet davon aus, dass die neue Regelbedarfsstufe auch für die Erwachsenen in Einrichtungen gilt, erhalten künftig, legt man die Daten von 2007 zu Grunde, 224 018 – 8 809 = 215 209 Erwachsene in Einrichtungen die Regelbedarfsstufe 3.
Die Höhe der Einsparungen durch Einführung der neuen Regelbedarfsstufe hängt davon ab, welche Regelbedarfsstufe die Erwachsenen in Heimen bisher erhielten, also ob sie alleinstehen (Regelbedarfstufe 1) oder eine Lebensgemeinschaft (=nichteheliche Lebensgemeinschaft?) bilden (Regelbedarfstufe 2). Daten dazu liegen mir nicht vor. Allerdings kann man vermuten, dass die Zahl der Personen, die eine Lebensgemeinschaft bilden, bei Sozialhilfeempfängern in Einrichtungen nicht höher ist als bei Sozialhilfeempfängern außerhalb von Einrichtungen.

Außerhalb von Einrichtungen erhielten 88 459 Personen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Von den 88 459 leben 2044 in der Ehe oder einer ehelichen Gemeinschaft.4) 5) Das sind 2,3 Prozent.

Man kann also davon ausgehen, dass 97,7 Prozent aller erwachsenen Empfänger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt INNERHALB von Einrichtungen bisher Regelbedarfsstufe 1 erhielten. 97,7% von 215 209 sind ungefähr 210 259. Diese 210 259 erhalten de lege ferenda monatlich 68 Euro weniger6). Im Jahr sind das 816 Euro weniger. 816 Euro x 210 259 = 171 571 344 Euro.
Die Einsparungen bei den 4950 Erwachsenen innerhalb von Einrichtungen, die bisher Regelbedarfsstufe 2 erhielten (die 2,3%) betragen jährlich 2 197 714  Euro (37 Euro pro Monat und Person).

Insgesamt werden durch Einführung der Regelbedarfsstufe drei allein bei den 224 018 Sozialhilfeempfängern in Einrichtungen jährlich 173 769 058 Euro gekürzt.

Das sind mehr sind schon 59,4% der durch die Regelsatzerhöhung auf fünf Euro verursachten Mehrkosten von 292 Millionen jährlich7). Die 88 459 Empfänger  laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen sind dabei noch unberücksichtigt.
Unberücksichtigt sind aber auch noch 'Einnahmen der Sozialhilfe'. Die müsste man noch gegenrechnen.

1)
http://www2.markus-kurth.de/uploads/2010_11_19_antworten_bure_regelbedarfsstufe_3.pdf

2) https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?cmspath=struktur,Warenkorb.csp&action=basketadd&id=1023714

3) unter 2) verlinkte Destatispublikation, B1.2. Zahl der 0-3jährigen, 3-7jährigen... 15-18jährigen addieren und von der Gesamtzahl der Leistungsempfänger in Heimen abziehen.

4) destatis, B 3.1. Summe von 1 579 Ehepaaren ohne Kind(er), 258 mit Kind(ern), 161 nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kind(er) und 46 mit Kind(ern)

5) Ob destatis mit der ehelichen Gemeinschaft alle Formen der Lebensgemeinschaft meint, und ob es im SGB XII überhaupt Konstruktionen wie die in § 7 Abs. 3a SGB II gibt weiß ich nicht, spielt quantitativ aber auch keine Rolle.

6) siehe 1)

7) Daten vom BMAS. Habe nur Sekundärquellen
http://www.bankingportal24.de/finanzredaktion/675/hartz-iv-erhoehung-kostet-1-mrd-euro/

http://www.ludwig-erhard-stiftung.de/files/klartext1010.pdf (pdf-Seite 2)



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