Umzug wegen Arbeitslosengeld II

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 23:50:08 Mi. 04.Mai 2005

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Wilddieb Stuelpner

MDR, Sendung "hier ab vier", Rubrik "Rat und Tat": Umzug wegen Arbeitslosengeld II

Sendung vom 04.05.2005

Wer Arbeitslosengeld II bekommt, erhält in der Regel auch einen Zuschuss für die Kosten der Unterkunft. Nun werden unangemessen große Wohnungen nicht auf Dauer bezuschusst. Hierfür endet am 1. Juli die Übergangsfrist. Und nun werden erste Zahlen veröffentlicht, wie viele Arbeitslosengeld II Empfänger sich womöglich eine neue Bleibe suchen müssen.

Die Tage von Wolfgang und Rosemarie Goldmann aus Löbau sind gezählt - zumindest als Mieter ihrer Wohnung. Das Ehepaar wohnt in einem sanierten Plattenbau: 72 Quadratmeter, Warmmiete 480 Euro. Eine ganz normale Wohnung eben - doch das Landratsamt sieht das anders: Die Wohnung der Goldmanns sei zu groß und zu teuer.

Die Goldmanns sind nicht die einzigen, die in den letzten Tagen Post vom Landratsamt bekommen haben. Rund 3000 Hartz-IV-Empfänger, so hat die Behörde ermittelt, liegen mit ihren Wohnungs-kosten über dem neu festgesetzten Höchst-Betrag. Für den Landkreis Löbau-Zittau heißt die neue Richtlinie: Eine Wohnung für zwei Personen darf maximal 60 Quadratmeter haben und höchstens 370 Euro Miete kosten.

Nur dumm, dass es solche Wohnungen in Löbau kaum gibt. Wohnungssuche paradox: Die Goldmanns wollen umziehen, aber sie finden nichts Kleineres.
Ihr Problem haben sie auch dem Landratsamt geschildert, seit einem Monat warten sie auf Antwort.

Wie den Goldmanns geht es vielen Hartz-IV-Empfängern im Landkreis Löbau-Zittau. Das Landratsamt kann sich schon einmal auf einen Papierkrieg einstellen.

zuletzt aktualisiert: 04. Mai 2005 | 12:43

Wilddieb Stuelpner

MDR, Sendung "Ein Fall für Escher": Wie hoch dürfen die Kosten der Unterkunft gemäß Hartz IV sein, berücksichtigt man behinderte Menschen?

Achtung - ziemlich weit nach unten scrollen auf der Escher-Internetseite!!!

Was angemessene Kosten der Unterkunft (KdU) sind, darüber herrscht immer noch große Unklarheit. Denn KdU ist bisher immer noch ein "unbestimmter Rechtsbegriff". Es gibt keinerlei gesetzliche Maßgaben, nur Richtwerte.

Trotzdem bekamen am 01. Juli viele Hartz IV-Empfänger Post von der Behörde. Mitgeteilt wurde ihnen, dass nach den Festlegungen des Gesetzgebers die ARGEN/Kommunen/Agenturen ab jetzt nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft übernehmen. Lebte man bisher in einer "zu großen" Wohnung, muss man nun entweder die Mehrkosten einer "zu großen" Wohnung selbst tragen oder in eine entsprechend kleinere Wohnung umziehen. Darüber hinaus ist jedoch auch ungeklärt, wie es für die Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaften aussieht, in denen behinderte Menschen leben und zum Teil rund um die Uhr von ihren Angehörigen betreut und gepflegt werden.

Größe der Wohnung:

Es gibt KdU-Richtlinien, wo eindeutig festgelegt ist, dass hier nicht pauschal nach der Größe bzw. nach dem Preis zu entscheiden ist, sondern die individuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Dabei müssen z.B. Behinderungen, Entfernungen zur Schule oder zur Werkstatt für Behinderte, Kosten eines etwaigen Umzuges in Relation zur Dauer der voraussichtlichen Hilfebedürftigkeit, das allgemeine soziale Umfeld u.s.w. u.s.f. beachtet werden.

MDR, Sendung "Ein Fall für Escher": Die KdU-Richtlinien unterstützen keine pauschalen Preise

Sendung vom 07. Juli 2005

Wenn das behinderte Kind schon volljährig ist und ausziehen würde/müsste, stünden ihm gegebenenfalls auch 45 m² zu (sie bildet dann eine eigene Bedarfsgemeinschaft). Die Eltern hätten Anspruch auf annähernd 60 m² - insgesamt also 105 m². Es gibt Kommunen, die sich daran halten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Kosten für die eine Wohnung nicht höher liegen als die für 2 Wohnungen.

Die Angemessenheit der Unterkunftskosten kann sich auch nicht auf einen starren Beurteilungspunkt beziehen, z.B. dem Tag der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II. Aspekte der Vergangenheit und der Zukunft können maßgebende Kriterien für eine andere als allein im gegenwärtigen Zeitpunkt abzugebende Beurteilung sein. So können etwa Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt mit Umständen in der Vergangenheit einzelner Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft begründet sein (Drogenabhängigkeit, Freiheitsentzug, Obdachlosigkeit) oder absehbare Änderungen (Schwangerschaft, Ablauf eines Freiheitsentzuges) müssen in der Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden.

Es ist stets eine Gesamtschau erforderlich, in dessen Mittelpunkt eine Prognose stehen muss, ob die Entscheidung über die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft Auswirkungen auf die Chancen zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit hat. So ist denkbar, Leistungen für die Unterkunft in einer Mietwohnung zu gewähren, um eine räumliche Entfernung zu einem für eine Eingliederung in Erwerbstätigkeit ungünstigen Umfeld zu gewährleisten.

Orientierungspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses ist der örtliche Mietspiegel, ersatzweise der Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde. Auch andere empirische Erkenntnisse, statistische Belege oder gesetzgeberische Anhaltspunkte (Tabellen in Gesetzen und Verordnungen) können als Beurteilungshilfe herangezogen werden. Es ist davon auszugehen, dass es für die Angemessenheit von Unterkunftskosten keinen fixen Grenzbetrag gibt, sondern eine Mietpreisspanne maßgebend ist, die unterhalb der Durchschnittspreise örtlicher Mieten liegt.

zuletzt aktualisiert: 06. Juli 2005 | 18:03

Michael Baczko. Fachanwalt für Sozialrecht aus Erlangen, verwies zur generellen Umzugsfrage für Alg-II-Bezieher auf ein kürzlich ergangenes, richtungsweisendes Urteil eines Sozialgerichts aus Nordrhein-Westfalen. Leider ging er nicht auf Einzelheiten ein und nannte weder Gericht noch Aktenzeichen. Und Escher hat diesen Querverweis auch nicht auf seiner Internetseite hinterlegt.

Er bezeichnete die Entscheidungsfindung zur Angemessenheit von Wohnraum als ein einziges vom Bundeswirtschaftsministerium verursachtes Rechtschaos. Zur Angemessenheit gibt es außer dem Richtwerten aus der Sozialhilfe, die ins Alg II hinübergerettet wurden, keinerlei detaillierten, fallbezogenen Arbeits- und Entscheidungshilfen. Meist geben die Sozialarbeiter ehemalige Sozialämter anhand der örtlichen Mietspiegel die Mietkosten und Wohnungsgrößen vor und der Sachbearbeiter in der Arbeitsagentur muß im Fließbandbetrieb die Rechtsentscheidung per Bescheid dem Deliquenten Arbeitsloser zuspielen. Von einer Einzelfallprüfung kann überhaupt keine Rede sein.

Nur über Widerspruchsverfahren und Sozialklage hofft man die Willkürmaßnahmen zu reparieren. Der eigentliche Übeltäter ist der weltfremde und praxisferne Superminister mitsamt seinem Ministerialstab.

Spätlese

Zitat:
Nur dumm, dass es solche Wohnungen in .(irgendwo). kaum gibt. Wohnungssuche paradox: Die .(xyz´s). wollen umziehen, aber sie finden nichts Kleineres.

Allgemein mal eine Anmerkung zu Hartz-konformen Wohnraum:
Auf Grund von Anzeigen und Plakatierungen an Miethäusern hatte ich mir auch schon sogenannte Hartz-konforme Sozialwohnungen angeschaut.
Resultate:
1. Was sicher viele schon gesehen haben: Wohnung und Umfeld stimmt nicht, da will "man" freiwillig nicht hin.
2. Ganz neue Masche wohl: Halbwegs ordentliche Häuser in denen sich teilweise sanierte bzw. akzeptable Wohnungen befinden - da bekommt man nichts, weil oftmals Firmen diese Wohnung als Mitarbeiterwohnung eben für reisende Mitarbeiter (Monteure und Außendienstler z. B.) anmieten. In einem Hochhaus sah ich unten an 4 Briefkästen nebst Wohnungsnummer den Firmennamen einer Versicherungsgruppe aus dem Ausland.
So sparen sich diese Firmen durch die kostengünstige Anmietung wohl die sonst fälligen hohen Hotelkosten für die Mitarbeiter und einen Teil derer Reisekosten, indem man diese gleich tageweise da einquartiert.
Alle von mir getätigten Aussagen/Antworten/Kommentare entsprechen lediglich meiner persönlichen Meinung und stellen keinerlei Rechtsberatung dar.

  • Chefduzen Spendenbutton