no future

Begonnen von Dr.Mabuse, 19:33:21 Di. 04.Februar 2003

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Dr.Mabuse

Vor ein  paar Jahren veröffentlichte die britische Presse, daß die überfüllten und mit Personal unterbesetzten Krankenhäuser Patienten nicht aufnahmen, die über 60 waren. Diese Meldung wurde durch eidesstattlicher Erklärungen einiger Ärzte bestätigt.

Krankenhäuser als Reperaturbetriebe für Arbeitskraft. Wer nicht mehr zum Bruttosozialprodukt beiträgt verliert sein Recht auf Gesundheit. (Es sei denn, man ist reich.)

Wenn nicht ein Wunder geschieht und Personal des Gesundheitswesens gemeinsam mit Patienten diese Entwicklung stoppt, sind die Britischen Verhältnisse unsere Zukunft.

Hatte nicht ATTAC mal eine Kampagne zum Gesundheitswesen geplant? Was ist eigentlich daraus geworden :?:


Ein Freund hat mich gerade aus einem Krankenhaus in Salzgitter angerufen. Mit HIV im Endstadium wird er die Klinik vielleicht nichtmehr lebendig verlassen. Er ist voll auf dem Horror. Mit der Krankheit und der Medikamentation ist er besser Informiert, als die Ärzte. Er sagte, man hat es ja schon in Fernsehen mitbekommen, welche Folgen die Einsparungen im Gesundheitswesen haben, jetzt ist er live dabei.

Die Putze huscht mit einem einzigen Lappen schnell durchs Zimmer. Seit einer Woche noch nichteinmal mehr täglich. Er muß nach jedem Medikament einzeln fragen, sonst bekommt er selbst die Sachen nicht, die ausdrücklich auf dem Behandlungsplan stehen, es wird sonst einfach vergessen oder es fehlt dem Personal die Zeit die Pillen auf´s Zimmer zu bringen.

Das ist erst der Anfang der Einsparungen im Gesunheitswesen! Ich bin bedient!!!

KK

Ich war vor 1 1/2 Jahren in der Chirurgie der Uniklinik. Hatte mir die Schulter gebrochen. Anfänglich glaubte man daran, die Knochen würden korrekt liegenbleiben und zusammenwachsen. Ich bekam eine Art High-tech-Dreieckstuch um den Arm stillzuhalten. Der Bruch ging trotzdem weiter auseinander und mußte geschraubt werden. Danach bekam ich eine ganz einfache Armaufhängung, das Hightech-Tuch war verschwunden. Ich wollte eins der alten Art, weil der Arm im Schlaf immer herausrutschte. "zu teuer" wurde mir gesagt. Da ist die Schraube wieder herausgerissen und ich mußte erneut operiert werden. Die Station war heillos überfüllt. 3Betten standen auf den Flur. Für ein paar Tage wurden 2 Patienten auch noch ins TV-Zimmer gelegt. Eine Oma schrie Tag und Nacht wie am Spieß bis sie nach einigen Tagen starb. Auf dieser überbelegten Station mit wirklich harten Fällen hatte nachts nur eine Schwester Dienst.
Als ich das 2. Mal operiert werden sollte hatte man vergessen mir die "Scheißegalspritze" zu geben. Deshalb hörte ich wie im OP-Saal jemand sagte, "hier kommt der Oberschenkel". Ich: "Nein, es geht um meine Schulter." "Ah-ja. Jetzt hab ich die richtige Akte."
Das war kein Joke. Ich war dabei. Das und die ganzen Begleitumstände waren die reinste Hölle.

Ein Extrakapitel war noch, wie ich darum kämpfen mußte, daß ich ausreichend Krankengymnastik verschrieben bekam. Dem Arzt reichten ursprünglich 75% Bewegungsfähigkeit des Arms. Ich hab alles am Ende durchgekriegt und bin wieder O.K..

ZitatOriginal von ich

Ein Freund hat mich gerade aus einem Krankenhaus in Salzgitter angerufen. Mit HIV im Endstadium wird er die Klinik vielleicht nichtmehr lebendig verlassen.

Mein Kumpel wurde derweil in ein Hospiez-Zimmer verlegt (mit Sofa und CD-Player) um nicht in der fiesen Krankenzimmeratmosphäre sterben zu müssen. Wider Erwarten gings mit dem Sterben nicht so schnell und die Krankenkasse macht Druck, weil das alles zu teuer wird. Nun soll er ein verstellbares Krankenbett nachhause kriegen um dort kostengünstiger abzuleben.

Mein Kumpel wurde tatsächlich nachhause verlegt, obwohl er voll pflegebdürftig war. Er wurde von Freunden versorgt. Noch bevor er den Antrag auf professionelle Pflege durchgekriegt hat, ist er gestern verstorben.

Die Klinik in Salzgitter war eine GmbH, also privatisiert. Heute lese ich in der KN:

ZitatKurieren Private bald das Städtische Krankenhaus?


Ein Stapel im Büro von Sozialdezernent Adolf-Martin Möller ist wieder ins Gespräch gekommen: Anfragen von Unternehmen, die sich für ein Beteiligung am Städtischen Krankenhaus interessieren - denn die Diskussion um die Zukunft des Hauses beginnt von vorn. Die mögliche Rechtsformänderung des jetzigen Quasi-Amtes enthält wieder die Möglichkeit, eine Krankenhauskette als Hauptgesellschafter einer "Städtisches Krankenhaus GmbH" ins Boot zu holen - letzter Stand war, dass die Stadt fünf Jahre alleiniger Gesellschafter der GmbH werde. Die Diskussion ist wieder angefacht worden, weil die Ratsfraktionen sich mit den Hintergründen und vor allem den Kosten erneut befassen wollen.

Würde die Stadt aus dem Krankenhaus - jetzt als Regiebetrieb fast ein städtisches Amt - eine GmbH machen, kämen Kosten von etwa 7,5 Millionen Euro auf sie zu. Gerüchte im Rathaus wollen gar von "zehn bis zwölf Millionen Euro" wissen. Das hat den einen oder anderen Neuling in der Ratsversammlung möglicherweise etwas überrascht, "obwohl wir", so der Sozialdezernent, "die Kosten, zu deren Höhe ich nichts sage, immer kommuniziert haben. Mir ist wichtig, dass wir eine Entscheidung zur Rechtsformänderung mit breiter Mehrheit fällen können".

Die Helios Kliniken GmbH (Fulda) würde sich grundsätzlich für das "Städtische" interessieren, "wenn da ein Verfahren beginnt", sagt etwa Helios' Marketing-Chef Johann Peter Prinz, und ähnlich äußert man sich bei der Asclepios Kliniken GmbH (Berlin).

Karl-Heinz Pliete von ver.di warnt vor einer Privatisierung: "Ein privater Betreiber würde das Krankenhaus nur übernehmen, wenn er Gewinne erwartet - warum kann die nicht auch die Stadt Kiel einstecken?" Dagegen sieht Fritz Beske, Chef des Kieler "Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung" in einer Privatisierung eher Vorteile: "Die Krankenhäuser sind auf Investitionen angewiesen", sagt er, und dazu seien nicht nur Kommunen wie Kiel kaum in der Lage. "In Deutschland gibt es eine Welle von Privatisierungen, auch durch ausländische Krankenhausketten." Arbeitsverdichtungen oder gar Nachteile für die Patienten seien da kaum zu befürchten. "Allerdings würde ein privater Betreiber wohl Zuschläge streichen", räumt Beske ein.

In der Kooperationsvereinbarung zwischen CDU- und Grünen-Ratsfraktion steht der optimistische Passus: "... die Ratsversammlung entscheidet zügig über die Umwandlung des Städtischen Krankenhauses in eine GmbH". Das verzögert sich jetzt, und die gesundheitspolitischen Sprecher der Ratsfraktionen behandeln das Thema wie eine heiße Kartoffel: "Man sollte den Ball flach halten", sagt Rainer Paternak (Grüne), und sein CDU-Kollege Klaus Kramer erklärt: "Wir haben schon immer erklärt, dass das Städtische Krankenhaus wirtschaftlich geführt werden muss." Weiteres werde man sehen.

In der Krankenhausverwaltung sieht man die Verzögerung mit Missvergnügen - Petra Sieblist, stellvertretende Krankenhausdirektorin, erklärt: "Jetzt ist vieles von unseren Vorbereitungen hinfällig", dennoch hofft sie, dass es bald zu einer Entscheidung pro GmbH komme - spätestens zu Anfang 2004.


Aus den Kieler Nachrichten vom 17.07.2003

ZitatNoch bevor er den Antrag auf professionelle Pflege durchgekriegt hat, ist er gestern verstorben.

Das Drama sollte damit nicht beendet sein. Die Beerdigung mußte vorerst abgesagt werden weil die Sozialämter von Braunschweig und Salzgitter sich darüber stritten, wer nun für die Bezahlung zuständig sein soll, der Sterbeort, oder der Wohnort. Die Beerdigung auf dem Friedhof, wo sein ein paar Jahre zuvor verstorbener Freund liegt sei auch nicht möglich, da er in einem anderen Stadteil liegt. (Übrigens, das Sozi stoppte sofort die Mietzahlung, obwohl der Hausstand noch nicht aufgelöst werden konnte.)

Dies gehört nun nicht unbedingt in die Rubrik "Kliniken", zeigt aber wie würdelos Menschen behandelt werden (selbst über ihren Tod hinaus), wenn sie zu den ärmeren in dieser Gesellschaft gehören.

ManOfConstantSorrow

aus rf-news 0.7.05

ZitatGestern erfuhr ich von einem Fall einer betagten Person, die unter Demenz litt und in einem hiesigen, inzwischen privatisierten Krankhaus behandelt werden musste. Der Krankenhausaufenthalt hatte nichts mit der Demenz-Erkrankung zu tun. Aufgrund der Demenz-Erkrankung wäre eine "Eins-zu-Eins"-Betreuung rund um die Uhr durch Fachpersonal notwendig gewesen.

Diese notwendige Maßnahme wurde nicht durchgeführt. Um Kosten zu sparen, wurde die betagte Person schlicht und einfach "fixiert", also so gefesselt, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Mir wurde bestätigt, dass dies kein Einzelfall ist.

Zur Verdeutlichung: Etwa zwei Millionen Pflegebedürftige erhalten Gelder über die Pflegeversicherung. Je nach Intensität der Pflege kostet ein Platz in einem einfachen Alten- und Pflegeheim zwischen 1.400 und 3.500 Euro monatlich. Die derzeitigen Pflegesätze betragen 1.023 (Pflegestufe I) und 1.432 Euro (Pflegestufe III). Fachleute sprechen von einer "kalkulierten Unterversorgung" in der Pflege. Die Differenz zwischen den Pflegesätzen und den tatsächlichen Kosten muss über die Rente, für das Alter eventuell angesparte Rücklagen, Familienangehörige oder "Sozialhilfe" ausgeglichen werden.

Alten- und Pflegeheime: Die Zahl von altersverwirrten Bewohnern nimmt deutlich zu. Weiter nimmt die Zahl der alten Menschen zu, die als Patienten in Krankenhäusern immer früher entlassen werden. Die Krankenhäuser rechnen mit "diagnosebezogenen Fallpauschalen" (DRG) ab, die auf statistischen Normwerten basieren. Um die Budgets der Krankenhäuser nicht zu belasten, wird nach Norm-Liegezeit "zügig", für betagte, pflegebedürftige Menschen, die in der Regel nicht den statistischen Normen entsprechen, viel zu schnell entlassen.

Die notwendige Nach-Versorgung wird auf die Heime abgewälzt. In etwa 9.000 Altenheimen leben 600.000 Betagte. Gesetzlich vorgegeben ist, dass 50 Prozent des Heimpersonals qualifiziertes Fachpersonal sein muss. Diese Quote wird oft unterschritten. Notwendige Fachkräfte werden häufig nicht eingestellt, statt dessen werden Vollzeitstellen von Pflegefachkräften abgebaut. Man kann von einer chronischen, geplanten Personalknappheit sprechen mit der Folge, dass die Pflege auf rein körperliche "Grundversorgung" reduziert wird.

Und auch die ist nicht mehr gewährleistet: Wundliegen, Verkrampfungen, Infektionen sind die Folgen. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) stellte für das Jahr 2003 fest: Jede fünfte Magensonde bei Heimbewohnerlinnen ist nicht nötig, sondern eine pflegerationierende Maßnahme bei Menschen nach Schlaganfall oder mit Demenz. Schlucktraining und unterstütztes Essen wären vielfach ohne Magensonde möglich. Das aber, so der MDK, wird "eher selten beobachtet".

 
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

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