Streik der Psychotherapeuten in Ausbildung

Begonnen von Kuddel, 14:30:04 Fr. 09.Dezember 2011

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Kuddel

ZitatStreik
Ausbeutung statt Ausbildung

Trotz Diplom schlechte Bezahlung: Am Donnerstag gehen in Wiesbaden angehende Psychotherapeuten auf die Barrikaden.


Sie nennen sich Psychotherapeuten in Ausbeutung. An den psychiatrischen Kliniken leisten sie die gleiche Arbeit wie approbierte Psychotherapeuten. Sie haben Psychologie-Diplome. Doch sie verdienen entweder gar nichts oder gerade genug für die Fahrtkosten. Jetzt gehen die Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) auf die Barrikaden. In ganz Deutschland werden in dieser Woche Kliniken bestreikt, am heutigen Donnerstag sind in neun deutschen Städten Demonstrationen angekündigt. In Wiesbaden ziehen die PiAs um 14 Uhr vom Hauptbahnhof zu einer Kundgebung vor dem Sozialministerium. Sie fordern angemessene Bezahlung und eine Reform des Psychotherapeutengesetzes.

Privatleben eingestellt

In diesem Gesetz ist unter anderem festgelegt, dass angehende Psychotherapeuten ein Pflichtjahr in einer psychiatrischen Klinik absolvieren müssen – und dass die Kliniken entscheiden dürfen, ob sie dafür bezahlen. Die Klinik, in der Antje Fischer arbeitet, hat sich entschieden zu bezahlen, so wie viele Kliniken im Rhein-Main-Gebiet. Aber die meisten kommen mit dem Gehalt – meist wenige hundert Euro – nicht aus. ,,Ich habe gerade erfahren, dass meine Nebenkosten erhöht werden. Jetzt reicht mein Gehalt nicht mal mehr für die Miete", sagt die 27-Jährige, die ihr Psychologie-Diplom an der Frankfurter Goethe-Uni gemacht hat. ,,Mein Leben sieht im Moment so aus, dass ich meinen Job in der Klinik habe, dann einen Nebenjob, von dem ich eigentlich lebe und am Wochenende haben wir Theoriekurse", erzählt Antje Fischer. ,,Mein Privatleben habe ich mit Beginn der Ausbildung quasi eingestellt."

Die dreijährige Fachausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten bieten in Frankfurt beispielsweise zwei Institute an. Das ,,Ausbildungsprogramm psychologische Psychotherapie" in Bockenheim, das dem Uni-Institut für Klinische Psychologie angegliedert ist und die privat organisierte ,,Gesellschaft für Ausbildung in Psychotherapie" im Westend. Zu der Ausbildung gehört das einjährige Klinik-Pflichtjahr dazu, ähnlich dem früheren Programm ,,Arzt im Praktikum". Das wurde 2004 nach langen Protesten abgeschafft.

Ähnliche Ziele haben die PiAs. Unzufriedenheit mit den Bedingungen gebe es schon lange, berichtet Lara Aror aus Gießen, Mitorganisatorin der heutigen Demo. Dass nach zwölf Jahren eine Protestbewegung durchs Land rollt, führt sie auf die anstehende Novellierung des Gesetzes zurück. ,,Bisher wurde über viele wichtige Themen verhandelt, aber die Situation der PiAs fiel hinten runter." Das ändert sich jetzt. Für ihre Aktionen bekommen die angehenden Psychotherapeuten Unterstützung von allen Berufsverbänden.

Nicht so begeistert sind viele Klinikleitungen. Lara Aror weist zwar darauf hin, dass ihre Gruppe keinen Streik organisiert, doch weil sie gut vernetzt ist, weiß sie von PiAs aus dem Rhein-Main-Gebiet, die Streiks geplant hatten, aber nach Drohungen durch die Arbeitgeber einen Rückzieher machten. Gestreikt wird wohl nur am Frankfurter Markus-Krankenhaus, an der Uniklinik, der Klinik Hohe Mark und in Walluf. Auch Antje Fischer heißt eigentlich anders, will aber aus Angst vor Ärger mit der Klinik nicht mit richtigem Namen in der Zeitung stehen.

Gründe für den Protest kann Aror viele aufzählen. ,,Es ist feine Ironie, dass wir Burnout-Patienten behandeln und viele von uns selber darauf zusteuern." Die Ausbildungssituation sei vielerorts schlecht. Betroffene würden alleingelassen, ausgebeutet statt ausgebildet. Und über allem schwebe die psychische Belastung enormer Verschuldung. ,,Viele haben Bafög-Schulden, nehmen Kredite auf, um die 12000 bis 60000 Euro für die Ausbildung zu bezahlen. Und später verschulden sie sich dann nochmals in der Größenordnung, weil sie eine Kassenzulassung kaufen müssen."
http://www.fr-online.de/campus/streik-ausbeutung-statt-ausbildung,4491992,11278512.html

counselor

Der Psychologe, den ich im Frühjahr in der Klinik hatte, hat mir auch erzählt, daß er bei abgeschlossenem Psychologiestudium nochmal ca. 30TSD Euro in seine psychotherapeutische Ausbildung stecken muß und faktisch für 1 EURO/Stunde an der Klinik arbeitet wie ein fertiger Psychotherapeut.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

der große Zampano

Leider stellt sich immer wieder heraus, dass die Menschen, welche wir am nötigsten brauchen. Sprich, welche die "Macht" bzw. "Einsicht" haben uns vor der "totalen Ökonomisierung" und der "totalen Herrschaft des ImmerMehrWissens" zu bewahren nur mit dem nötigsten abgespeist werden.

Die Psychotherapeuten sind hier nicht das einzige Beispiel.

Der Bogen spannt sich über den gesamten Bogen der Geisteswissenschaften und auch die "nutzlosen" (neoliberale Weltsicht) weiteren Wissenschaften.

Philosophen,
Psychologen,
Musikwissenschaftler,
Philologen,
Soziologen,
etc.
etc.
etc.

Meine Auswahl soll keineswegs repräsentativ sein bzw. jemanden bevorzugen.

Wenn ich nicht einer Zeitungsente aufgesessen bin will man im Mutterland des Neoliberalismus sämtliche Förderung für geisteswissenschaftlichen Studiengänge einstellen. Dies würde den Offenbahrungseid der letzten metaphysischen und moralischen Reste vor der totalen Zweckgemeinschaft bedeuten.

Was ist mit denen die keine Zwecke mehr erfüllen ??
Was wird mit diesen Hilfebedürftigen, wenn keine moralische Instanz (z.B. Geisteswissenschaften) für sie kämpft ??

Das einzige was zur Zeit gedeiht sind die Wissenschaften, welche den "Knallharten"  Verdienst versprechen.
Z.B. bestimmte Sparten der Medizin. (z.B. die Gerontologie - die Wissenschaft vom Altern)

Der psychisch Kranke fordert zu viel Zeit. Da stimmt der Kosten - Nutzen Faktor nicht.
Da es sich hier um einen Symptombereich handelt, welcher, meiner Meinung nach, nur bedingt medikamentös behandelt werden kann.

Die Seele muss gesunden. Das benötigt Zeit.


Völlig anders dagegen sieht die Situation auf den "Intensivstationen" der Altersheime oder der betreffenden Krankenhausabteilungen aus. Hier wird trotz oder gerade wegen des "Komas und der 500 Schläuche im Körper" konsumiert was das Zeug hält und bis der betreffenden Person buchstäblich der Atem wegbleibt.


Alles was anders ist, alles was nicht mehr problemlos den "goldenen Kälbern" huldigen kann auch wenn es durch diese "goldenen Kälber" krank geworden ist hat keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft.


Eine kleine allgemeine Betrachtung zu unserem Gesundheitssystem.
Angelehnt an die Ausführungen Philippe Aries (die Geschichte des Todes im Abendland) und Reimer Gronemeyer (Sterben in Deutschland).

Bitte seht meinen Zynismus bzw. Sarkasmus nicht als Beleidigung, sondern als Methode des aufrüttelns.

Ich habe mich im Rahmen meiner Magisterarbeit mit großen Teilen unseres abendländischen Verständnisses zum Thema Gesundheitssystem etc. auseinandergesetzt.

Trotzdem bin ich immer wieder erschüttert wie sich Mensche untereinander behandeln.
Besonders perfide finde ich, dass Diejenigen, welche den "Patienten" die Moral predigen und sie letztendlich auch in das "Leben der Gemeinschaft zurückführen " sollen  (fertige Therapeuten bzw. Vorgesetzte) hier wieder einmal die Schere am heftigsten an das soziale Verständnis und die soziale Grundlage unseres Zusammenlegens legen.

Kuddel


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