Die Entfesselung fesselnder Alternativen

Begonnen von Klassenkampf, 18:45:47 Mi. 28.Dezember 2005

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Klassenkampf

Folgender Artikel verschwindet im Gestrüpp neuer Nachrichten aus dem Nahen und Mittleren Osten:

ZitatStreit um Fußfessel für Islamisten

Der Vorschlag von Niedersachsens Innenminister Schünemann, radikalen Islamisten elektronische Fußfesseln zu verpassen, hat eine Debatte über den Umgang mit Hasspredigern ausgelöst. Die Reaktionen reichen vom Populismusvorwurf bis zur uneingeschrämkten Zustimmung.


Berlin - Der Koalitionspartner in der niedersächsischen Landesregierung, die FDP, ist wenig begeistert von dem Vorschlag des Innenministers. Fraktionschef Philipp Rösler bezeichnete das Vorhaben Uwe Schünemanns als populistisch, rechtsstaatlich bedenklich und zur Bekämpfung des Terrorismus ungeeignet. Sein Parteikollege, Umweltminister Hans-Heinrich Sander, sprach von einem Vorschlag für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, der die Zustimmung der FDP nicht finden werde.

Der bayrische Innenminister Günther Beckstein sprach dagegen von einem geeigneten Mittel, den Überwachungs- und Kontrollaufwand zu verringern. Bei gewaltbereiten Islamisten, die man nicht abschieben könne, sei die Fußfessel praktikabel, sagte er der "Welt". Baden-Württembergs Regierung prüft den Vorschlag.

In anderen Ländern findet sich kaum Zuspruch...

Bereits der SAT1-Text befaßt sich mit dieser Forderung. Die Frage welche an den Leser gestellt wird lautet dort: Fußfessel - sinnvoll oder nicht?
Diese Fragestellung offenbart das Dilemma. Es kann sich nicht um den Sinn der Handlung, sondern um deren moralische Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem Würdebegriff handeln.
Diese Fragestellung ist kein Dilemma des SAT1-Text', sondern das Dilemma dieser Gesellschaft: Sie nimmt Vorschläge auf, urteilt nur noch über Nutzen oder den Unnutz, Moral und Werte aber werden ausgegrenzt - die Gesellschaft ein Gemeinwesen ohne Wertvorstellung.

Alleine die Forderung danach impliziert, daß dieses Land ein Sammelbecken diversester Radikaler sei. Eine Gefahr, der man daher möglichst effektiv, und wenn nötig rigide, begegnen müsse. Der Vorschlagmachende muß regelrecht darauf achten, als "harter Hund" zu wirken, nur so ist ihm die Ernsthaftigkeit seines zweifelhaften Schaffens sicher. Je härter er wirkt, desto mehr kann er den fadenscheinigen Grund seines Handelns (der Tatbestand also, daß dieses Land nicht voller radikaler Moslems ist) kaschieren.

Was ist aber mit der Moral? Was damit, einem Menschen - gleich welcher Herkunft, gleich seines Verlangens, gleich seiner vielleicht radikalen Forderung - in seiner Initimität zu beschränken, ihm direkt am Körper ein elektronisches Kontrollgerät anzubringen?
Kriminalität ist zu ahnden, kein Zweifel - doch auch dem Kriminellen ist Recht und Würde entgegenzubringen. Kein Verbrechen, egal welcher Art, berechtigt die Richtenden dazu, die persönliche Würde des Täters anzutasten.

Diese Forderung mag heiße Luft eines mittelprächtigen Politikers sein, aufgegriffen von allen möglichen politradikalen Subjekten dieses Landes, doch es offenbart den Geist des Fordernden und der Zustimmenden.
Eine Wertediskussion wäre alleine deshalb angebracht: Nicht "sinnvoll oder nicht", sondern "moralisch oder nicht" - verzichten wir darauf, und folgen diesem Populismus in die aufgestellte Falle, so haben wir bereits resigniert.
Oder um es mit Thomas Jefferson zu sagen: "Diejenigen, die ihre Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgeben, werden am Ende keines von beiden haben - und verdienen es auch nicht."

Nach außen gerne im Schein der Menschenwürde wandelnd, läßt sich diese Gesellschaft im Ausland feiern. Innerhalb der Grenzen allerdings, legt der Einzelne äußersten Pragmatismus an den Tag, im täglichen Umgang mit Moral, Gesellschaftswerten und der Würde.
Weicht diese Einstellung nicht, radikalisiert sich der Selbstwert nicht, achtet man nicht penibel auf die Einhaltung, so ist dem Abbau nichts entgegenzusetzen; sondern der Einzelne wird zum Helfershelfer einer Gesellschaft auf moralischen Rückzug.

Quelle
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Regenwurm

bei heise gefunden
Die elektronische Fußfessel ist bei Politikern sehr beliebt, gilt sie doch als Allheilmittel im Kampf etwa gegen Schulschwänzer und radikale Islamisten. Nun sorgt ein Bericht der Netzeitung von gestrigen Mittwoch für eine fesselnde Diskussion: Danach hat der hessische Justizminister Christean Wagner (CDU) auf der CeBIT über den Einsatz der Fußfessel zur Disziplinierung von Langzeitarbeitslosen räsoniert. Als Hilfe zur Selbsthilfe soll die elektronische Überwachung den Tagesablauf unter Kontrolle bringen

kein gag:

Die elektronische Fußfessel in Hessen ist bald fünf Jahre im Einsatz. Zur CeBIT ließ das hessische Justizministerium eine positive Bilanz verbreiten. Demnach wirke sich die elektronische Fußfessel günstig auf die "Sozialprognose" aus und diene der "Vermeidung künftiger Straffälligkeiten", da mit ihr eine "regelmäßige, straffreie und sinnvolle Lebensführung" trainiert werden könne.

mehr dazu:
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

Carsten König

ZitatDie Überwachung wird an Privatfirmen vergeben, die gut daran verdienen. Insgesamt hat das britische Innenministerium für die elektronische Überwachung in den letzten vier Jahren fast 350 Millionen Euro ausgegeben. Für jeden elektronisch Überwachten zahlt der Staat 2.500 Euro (nach dem Innenministerium 2.000 Euro) , die realen Kosten der Firmen schätzt die Napo auf 900 Euro. Das wäre also ein gutes Geschäft. Seit 1999 sind bereits mehr als 200.000 Menschen elektronisch überwacht worden. 5 Prozent mussten nach einer Statistik während der Überwachung wegen der Verletzung der Auflagen wieder ins Gefängnis zurück. Harry Fletcher von der Gewerkschaft kritisiert, dass elektronische Überwachung zu einem Millionengeschäft geworden ist. Der Profit sei groß, aber die Ergebnisse würden deutlich machen, dass diese Technik das Geld nicht wert ist.

Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19968/1.html

Das sind Maßnahmen, die eines Terrorstaates "würdig" sind...

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