Kampfformen

Begonnen von Kuddel, 14:44:14 Fr. 22.Januar 2010

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ManOfConstantSorrow

Es ist doch zum Mäusemelken!

Es passieren immer wieder aufregende Dinge. Im Rahmen der Querdenker gab es inspirierende Protestformen, als Demos in Berlin verboten wurden, fanden sich dutzende, die neue Demos anmeldeten. Als die Behörden nichts erlaubten, gingen die Leute in Form von "Spaziergängen" auf die Straße.

So eine Haltung würde ich mir bei Linken wünschen. Da ist man jedoch staatstragend und gesetzestreu.

Jetzt bei den Bauernprotesten ist es nicht besser. Wieder regen sich Linke über Gesetzesbrüche und über Respektlosigkeit gegen Politiker und Polizei auf. Ja, es ist noch immer so, die deutschen Linken würden erst eine Bahnsteigkarte lösen, bevor sie den Bahnhof stürmen.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

counselor

Während der Coronazeit gab es hier in Nürnberg auch halblegale Aktionen autonomer Kräfte, zB einen "Spaziergang" zum revolutionären. Mai. Aber auch der Nürnberger Ableger der Seebrücke war sehr kreativ im Umgehen von Veranstaltungsverboten.

Die Nürnberger Montagsdemo hat sich ihren Kundgebungsplatz vor Lorenzkirche gegen ein Veranstaltungsverbot vor der Kirche durch Verhandlungen mit dem Ordnungsamt erkämpft.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Zitat von: counselor am 21:42:12 Fr. 05.Januar 2024Die Nürnberger Montagsdemo hat sich ihren Kundgebungsplatz vor Lorenzkirche gegen ein Veranstaltungsverbot vor der Kirche durch Verhandlungen mit dem Ordnungsamt erkämpft.

Interessant. Und wie (auf welchen Rechtsgrundlagen) habt ihr das geschafft ?
In Corona-Hysterie-Zeiten war ein "versammeln erlaubt" ja wie ein "Lottogewinn".
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Gibt es keine Linken mehr?

Was sich angesichts der Bauernproteste zeigt, ist ein Offenbarungseid.

Klimakids wünschen sich, daß der Staat gegen die Bauern genauso zuschlägt, wie gegen die Klimabewegung.

Massenhaft ehemaliger Linker solidarisieren sich mit der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie und diesem Staat und speziell mit Robert Habeck.

Anonymous Germany lobt BKA und Verfassungsschutz.

Es wird sogar das beschissene Streikrecht verteidigt und Bauern und Truckern gesagt, sie dürften nicht politisch streiken.

Wenn Menschen jenseits der bestehenden Regeln und Gesetze kämpfen, werden Linke noch panischer als die Vertreter des Staates.

krapotke

Zitat von: Kuddel am 20:16:25 Sa. 06.Januar 2024Gibt es keine Linken mehr?

Was sich angesichts der Bauernproteste zeigt, ist ein Offenbarungseid.

Klimakids wünschen sich, daß der Staat gegen die Bauern genauso zuschlägt, wie gegen die Klimabewegung.

Massenhaft ehemaliger Linker solidarisieren sich mit der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie und diesem Staat und speziell mit Robert Habeck.

Anonymous Germany lobt BKA und Verfassungsschutz.

Es wird sogar das beschissene Streikrecht verteidigt und Bauern und Truckern gesagt, sie dürften nicht politisch streiken.

Wenn Menschen jenseits der bestehenden Regeln und Gesetze kämpfen, werden Linke noch panischer als die Vertreter des Staates.

Kann es sein, dass hier auch ein Stückweit einfach Neid im Spiel ist?

Ohne Frage wäre ein schwarzer Block in der Situation um Habeck's Fähre anders angegangen worden, als hier die Landwirte. Die Diskrepanz zwischen der behördlichen Einschätzung, hier könne möglicherweise Landfriedensbruch vorliegen und z.B. dem Rondenbargverfahren anlässlich G20, ist ja ziemlich offensichtlich.

Unabhängig von der inhaltlichen Positionierung der Linken zu den Bauernprotesten denke ich, dass die reine Feststellung, dass hier Menschen mit Arsch in der Hose ganz gewaltig auf die Kacke hauen und damit bei Polizei, Presse und Bevölkerung durchkommen, so manche Linke, die Polizeikessel und Wasserwerfer kennen, furchtbar wütend macht. Die Wut richtet sich nun aber gegen die Bauern, die das vorleben, was man selbst gerne täte - es aber nicht hinkriegt.

Hilfreicher wäre es zu reflektieren, warum die einen solche Aktionen offen durchführen können. Ohne Vermummung aber mit Kennzeichen und dabei noch konkrete Erfolge erzielen. Während man selbst beständig vor Mauern rennt und gefühlt nichts erreicht.

Nur so ein Gedanke von der Seitenlinie.
,,Das habe ich getan" sagt mein Gedächtnis. "Das kann ich nicht getan haben" sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach.        Friedrich Nietzsche

counselor

ZitatHilfreicher wäre es zu reflektieren, warum die einen solche Aktionen offen durchführen können

Die Bauern sind Eigentümer von Produktionsmitteln und daher eine Macht. Großagrarier gehören zur herrschenden Klasse und der Bauernverband, unter dessen Führung die Proteste stehen, ist die Standesvertretung der Großagrarier. Die Proteste wenden sich nicht gegen das kapitalistische System, sondern bewegen sich innerhalb diesen Systems.

Das sind aus meiner Sicht die Gründe dafür, warum die Bauern solche Aktionen offen durchführen dürfen.

Anders sähe es aus, wenn die Klein- und Mittelbauern selbstständige gesellschaftsverändernde Kämpfe gemeinsam mit der Arbeiterklasse führen würden. Dann würden sich die CSU-Granden und der Freie Wähler Sumpf sicher nicht solidarisch mit den Bauern erklären.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Natürlich bin ich neidisch.
Proteste, bei denen die Herrschenden Muffensausen kriegen. Chapeau!

Jetzt sieht man, daß die antikapitalistischen Sprüche vieler Linker einfach nur heiße Luft sind. Wären sie ernstgemeint, würde es darum gehen, die Normalität samt ihrer wirtschaftlichen Abläufe zum Stillstand zu bringen. Die herrschende Ordnung ist zum Einsturz zu bringen und mitsamt seinem Staat zu überwinden, um eine neue Gesellschaft aufzubauen zu können. Eine Gesellschaft, die den Bedürfnissen der Menschen folgt unter Respekt vor der Natur und nicht auf Profitmaximierung ausgerichtet ist.

Sorry, es ist doch doch eine Lachnummer, wie jetzt "Linke" nach der Einhaltung von Gesetzen krähen und die herrschende Ordnung, deren Politiker und Ordnungshüter verteidigen.

Es war ja schon zu Coronazeiten so, als zehntausende, ja hunderttausende, auf der Straße waren, weil sie mit ihren Lebensbedingungen im Lockdown, mit der Informationspolitik des Staates und dessen Anti-Pandemiemaßnahmen nicht klarkamen und sie in Frage stellten, standen "Linke" und "Antifa" am Rand und brüllten die Unzufriedenen Menschen in die Arme der Faschisten.

Der Film "Der Laute Frühling" setzt sich mit der Frage auseinander, wie man eine Revolution macht, wie man eine Gesellschaft organisiert, wenn man alles selber machen muß und sich nicht auf die alten Strukturen verlassen kann oder will. Die erste Grundlage, um nicht bei einer Rebellion stehenzubleiben, wäre es, die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Dazu ist es notwendig, Bauern und Trucker auf seine Seite zu bekommen.

Bauern und Trucker haben ein besonderes Gewicht, eine besondere Macht, nicht (nur) weil sie über Produktionsmittel verfügen, sondern über LKW und Traktoren. Wenn die im Weg stehen, sind sie nicht so schnell abzuräumen wie Klimakleber.

Wir können uns nicht die Trucker und Bauern backen, wie wir sie uns wünschen, sondern wir müssen mit denen umgehen, die wir haben. Und wenn es dort am politischen Bewußtsein "hapert", es Rechtstendenzen gibt, dann sollten wir es nicht als naturgegeben hinnehmen, sondern als veränderbar. Eine Linke, die nicht in der Lage ist, ihre eigene Blase zu verlassen, wird keinen Beitrag zur Bewußtseinsänderung dieser Berufsgruppen leisten.

2016 gab es in Argentinien eine Welle wilder Truckerstreiks. Sie waren chaotisch. Sie hatten klare soziale oder ökonomische Forderungen, es gab aber auch Streikcamps, die forderten, das Militär möge die "unfähige" Regierung stürzen. Eine fiese rechte Forderung.

Linke fürchteten sich vor den ruppigen, schmuddeligen Truckern, die so weit entfernt von ihrer linken Lebenswelt sind. Es haben sich aber einige Linke getraut, sich zu den Streikcamps zu begeben. Sie hatten Trinkwasser und Lebensmittel mitgebracht und bekamen nicht auf die Fresse. Sie wurden willkommen geheißen. Die Linken berichteten begeistert, wie gut und produktiv die Diskussionen verliefen.

Eine solche Haltung wünsche ich mir.

counselor

ZitatDie Linken berichteten begeistert, wie gut und produktiv die Diskussionen verliefen.

Eine solche Haltung wünsche ich mir.

Ich bin dafür, mit den Bauern über einen gemeinsamen Kampf für höhere Erzeugerpreise auf Kosten der Handelskonzerne zu reden. Ich bin aber generell gegen Subventionen (egal ob es Subventionen an die Fabrikanten oder an die Bauern sind). Ich halte die Agrarsubventionen sogar für einen Hauptgrund, dass Klein- und Mittelbauern in Bedrängnis sind und ihre Höfe aufgeben müssen. Ich bin gegen rechte Umsturzphantasien zugunsten einer noch reaktionäreren Regierung aus AfD und CDU/CSU.

Kurz: Ich bin für einen gemeinsamen Kampf mit den Klein- und Mittelbauern, wenn die Ziele des Kampfs fortschrittlich sind.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Wo bleibt deine Fähigkeit zur Dialektik?

Gesellschaftliche Entwicklungen und Kämpfe sind stets voller Widersprüche. Wir dürfen nicht darauf warten, eine Situation aus dem Lehrbuch vorzufinden. Wir müssen reagieren, wenn gesellschaftlich Bruchstellen und Bewegung entstehen, wir müssen improvisieren und sollten nicht dogmatisch und verbohrt herangehen.

Die Dieselsubventionen sind nicht Ziel der Bauernproteste, sie waren nur der Auslöser, der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte.

Die Gelbwestenproteste begannen mit der Forderung, die Spritpreiserhöhung zurückzunehmen. Ich würde ja nicht gerade mit der Forderung nach niedrigeren Spritkosten auf die Straße gehen, aber man muß verstehen, daß es in ihrem Alltag ein Problem wurde, wenn sie sich die Fahrt zur Arbeit, zum Arzt, zu Kita kaum noch leisten können.

Traditionelle Linke, Gewerkschafter und Grüne in Frankreich reagierten auf die Gelbwesten mit ähnlicher Ablehnung, wie es jetzt die Bauern erfahren. Man nannte die Gelbwesten autogeile Spinner aus der Provinz. Die Kämpfe und Forderungen der Gelbwesten änderten sich im Laufe der Zeit.

Das erhoffe ich mir von den Bauernprotesten. Sie können eine andere Richtung annehmen. Sie können nach rechts umschlagen, sie können aber auch vernünftig und fortschrittlich sein, sich gegen Höfesterben und Landgrabbing, gegen Preisdiktate der Discounter und gegen die Chemische- und Gen-Industrie wenden.

Bauern sind auch in ihrer Blase und haben oftmals keine Ahnung, wie andere soziale Kämpfe in der Gesellschaft funktionieren. Sie kennen fast nur ihresgleichen. Ich finde, man kann zähneknirschend Forderungen hinnehmen, wie die Spritpreise der Gelbwesten oder die Dieselsubventionen, um erstmal einen Fuß in die Tür zu bekommen, um sich an den Protesten beteiligen zu können. Erst dadurch entstehen Kontakte und Vertrauen, die notwendig sind, um eine weitergehende Diskussion um andere Inhalte zu beginnen.

Wenn man sich durch die beiden Threads "Agrar - Sicheln statt hämmern!" und "Bauernproteste in Deutschland" durchscrollt, stellt man fest, daß Blockaden gegen Molkereien, Verteilzentren der Discouter und Misthaufen vor Aldi bereits praktiziert wurden, auch schon vor 20 Jahren. Diese Form des Kampfes ist also keine linke Spinnerei, sondern immer wieder Realität in der Welt der Bauern.

Deshalb finde ich die Versuche sich einzumischen von "Betriebskampf"...


oder der FAU...



...gut.

counselor

ZitatWir müssen reagieren, wenn gesellschaftlich Bruchstellen und Bewegung entstehen, wir müssen improvisieren und sollten nicht dogmatisch und verbohrt herangehen.

Wir sollten selbstverständlich zu den Protesten hingehen und mit den Bauern über einen gemeinsamen Kampf reden.

Der Agrardiesel ist eine Kompensation für geringe Erzeugerpreise bei steigenden Produktionskosten.

Einer solchen Kompensation bedarf es nicht, wenn die Erzeugerpreise die Produktionskosten inklusive den Lebenshaltungskosten des Landwirts decken. Es müssen also die Erzeugerpreise soweit steigen, dass ein kleiner Landwirt von seiner Hände Arbeit leben kann. Die entsprechenden Erhöhungen der Erzeugerpreise müssen zu Lasten der Gewinne der Handelskonzerne erkämpft werden, die die Erzeugerpreise diktieren. Außerdem ist mein Anliegen, dass die Verbraucherpreise sinken.

Mein Ansatz ist, mit den Bauern über einen solchen Kampf, der dann selbstständig geführt werden muss, zu diskutieren.

Einen Kampf zum Festhalten am Status Quo zu führen ist falsch.

Ein Festhalten am Status Quo, wie ihn die FAU und Du offensichtlich fordern, ist nicht vorwärts treibend, weil dadurch das politische Bewusstsein der Bauern nicht dialektisch höher entwickelt wird. Es kommt mir eher so vor, als ob ihr dem Bauernverband schwanzwedelnd hinterherlauft.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Zitat von: counselor am 15:56:01 So. 07.Januar 2024Ein Festhalten am Status Quo, wie ihn die FAU und Du offensichtlich fordern...

Das ist schon eine Unterstellung. Ich sehe es eher als strategischen Trick, um sich erstmal an den Protesten zu beteiligen und von den Bauern angenommen zu werden. Erst von da kann eine Debatte entstehen und dann muß es dringend weggehen von den Dieselpreisen und erst recht vom Status Quo.


Onkel Tom

Zitat von: counselor am 15:56:01 So. 07.Januar 2024weil dadurch das politische Bewusstsein der Bauern nicht dialektisch höher entwickelt wird.
Wiso sollte das ? Die Bauern wissen was sie wollen und kämpfen um Lösung,
nicht nach "Vorlesungen".
Da sehe ich in dem Satz, den Du von Kuddel zitiert hast, als die bessere Option.
Als Unterstützer_in kann man am besten zur Geburtshilfe dienlich sein..  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Zu der Diskussion der Kampfformen in dieser tollen Demomkratie gibt es einen guten Beitrag in der taz:

ZitatDeutschland, deine Protestkultur

Konfrontieren Bürger*innen ihre Vertreter*innen, gilt das schon als ,,Verrohung". Dabei ist Abschottung der politischen Klasse undemokratisch.


Einmal tief Luft holen. Was ist in der Nacht vom 4. Januar in Schlüttsiel passiert? Ein Pulk von rund 300 Menschen ist zu einer Fähre gegangen und hat Lärm gemacht. Laut Angaben der Polizei wollten etwa 25 Personen auf die Fähre gelangen, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck befand. So weit die Fakten.

Ob es zu Gewalt gekommen wäre, wenn die Demonstrierenden auf das Schiff gekommen wären, ist reine Vermutung, ja Unterstellung. Dass die Fähre vorsichtshalber wieder abgelegt hat – verständlich. Dass die deutsche Öffentlichkeit über diesen Fast-Vorfall in Schnappatmung gerät – bedenklich.

Die Aufregung über die ,,Gewalt", die gar nicht passiert ist und nur vermutlich passiert wäre, sagt viel über Deutschlands erbärmliche Protestkultur und ein defizitäres Verständnis von Demokratie aus. In anderen Ländern gehört es zum Standardrepertoire, Politiker*innen aufzusuchen, zu stören und gegebenenfalls deren Fortbewegung zu blockieren. Warum auch nicht?

Die meisten deutschen Regierungspolitiker*innen lassen sich diskret von ihren Chauffeur*innen in die Tiefgaragen des Bundestags bringen und fahren von da mit dem Fahrstuhl in den Plenarsaal. Will man im Regierungsviertel von einem Gebäude ins andere, gibt es praktischerweise unterirdische Gänge. Bloß kein Kontakt nach draußen! Ein feudaler König hätte es sich nicht besser erträumen können.

Abgeordnete und Minister*innen bekommen normale Menschen quasi nie zu Gesicht. Sie müssen sich buchstäblich nie mit der Lebensrealität der Bevölkerung konfrontieren. Das ist nicht nur symbolisch ein Problem: Leider zeugt ihre Politik oftmals von eben dieser Entfremdung. Natürlich sucht man da als Bürger*in die Konfrontation. Wer das allein schon als ,,Verrohung" oder ,,antidemokratisch" bezeichnet, sollte sich mal mit der Französischen Revolution beschäftigen, der Wiege der europäischen Demokratie. Der deutsche Hang zu Anstand und Gehorsam steht diesen Werten allzu oft entgegen.

Auf einem anderen Blatt steht, dass die Bauernproteste von Rechtsextremen unterwandert werden und dass eine sehr kritische, inhaltliche Auseinandersetzung damit geboten ist. Es gibt unter den Demonstrant*innen rechtsextreme Chatgruppen, die den Sturz der Regierung fordern.

Fairerweise muss man dazu sagen, dass die politische Zugehörigkeit der 25 Fähren-Blockierer*innen noch nicht sicher festgestellt wurde. Wenn sie sich als rechtsextrem erweisen, dann ist es aber egal, ob sie eine Fähre blockieren oder nur danebenstehen: Dann ist ihre Ideologie das zu bekämpfende Problem.

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder sagte über die jüngsten Vorfälle, er habe Verständnis für die Anliegen der Bauern, weise aber deren radikale Protestform zurück. Im Gegenteil, Herr Söder! Die Form als solche ist – bisher zumindest – völlig harmlos und Teil eines Standardrepertoires von zivilen Protesten. Die inhaltliche Ausrichtung hingegen sollte man streng unter die Lupe nehmen.

Aber auch im Herausstellen der rechtsextremen Strömungen der ,,Bauernproteste" wären zwei Dinge angebracht: Erstens, die verschiedenen Akteur*innen der Landwirtschaft auseinanderzuhalten und zwischen den unterschiedlichen Forderungen zu differenzieren. Nicht alle Landwirt*innen sind Teil der subventionierten Großindustrie, die eine mächtige Lobby auf Bundes- und EU-Ebene hat. Nicht alle protestierenden Landwirt*innen sind rechts und antiökologisch.

Zweitens reicht es nicht, sich über die rechte Vereinnahmung zu empören, sondern es muss auch gegengesteuert werden. Dazu gehört in erster Linie, die realen Probleme der Bäuer*innen ernst zu nehmen. Und da geht es nicht nur um die Kfz-Steuer. Viele Landwirt*innen leiden unter massivem Höfesterben und Landgrabbing. In Frankreich und in der Schweiz gehört die Landwirtschaft zu einer Berufssparte mit besonders hoher Suizidrate – in Deutschland werden diese Zahlen zwar nicht erfasst, doch ist die Problemlage sehr ähnlich. Auch über diese Form der Gewalt muss gesprochen werden.

Die frühere Aktivistin und Linkenpolitikerin Carola Rackete macht es deshalb richtig: In einem Video benennt sie die Probleme von Bäuer*innen, nimmt sie ernst, kritisiert die tatsächlichen Fehler der Bundesregierung, ohne zu pauschalisieren – und ruft gleichzeitig zu einer klaren Distanzierung von den rechten und rechtsextremen Kräften innerhalb der Proteste auf. So viel Komplexität muss sein.
https://taz.de/Demonstrationen/!5982136/

Kuddel

ZitatProduktion im VW-Werk in Emden steht still

Wegen versperrter Zufahrtswege ist die Produktion am Volkswagen-Werk im ostfriesischen Emden zum Erliegen gekommen. Die Beschäftigten könnten nicht zur Arbeit kommen, sagte eine VW-Sprecherin. Wie viele Beschäftigte genau von dem Ausfall betroffen waren, wurde zunächst nicht bekannt.

Von der außerplanmäßigen Stilllegung betroffen ist demnach die Produktion von Verbrennerfahrzeugen. Sie soll am Dienstag wieder aufgenommen werden. Die Wiederaufnahme der E-Auto-Produktion sei nach den Weihnachtsferien ohnehin erst wieder für kommende Woche geplant gewesen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-01/bauernproteste-landwirte-verkehr-blockaden-liveblog

Cooool!

Kuddel

Es bewahrheitet sich wieder Lenins Bemerkung, daß die deutschen Revolutionäre erst ein Bahnsteigticket lösen würden, bevor sie einen Bahnhof stürmen.

Dieses Herumwedeln einiger Linker mit Paragraphen und dem Grundgesetz geht mir mordsmäßig auf den Sack.

Wenn die Herrschaftsverhältnisse ins Wanken geraten, kann man sich mit all diesen Rechten und Paragraphen den Arsch abwischen. Das einzige, was letztendlich zählt, ist die Macht auf der Straße, die Macht an den Arbeitsplätzen und... darüber hat hier kaum einer gesprochen, die Macht der Waffen.

Es ist schon traurig, daß sich unpolitische, unerfahrene und rechte Kreise viel weiter vorgewagt haben, und mit ihren Protesten nicht (nur) in den Medien sein wollten, sondern ihre Macht beweisen.

Linke kriegen dann das Heulen und meinen, das dürften die nicht. Ja, sie würden all den überraschend schlagkräftig Protestierenden am liebsten die Bullen auf den Hals jagen. Als die Querdenkerdemos verboten wurden, gingen sei einfach ohne Erlaubnis auf die Straße, nannte es bestenfalls "Spaziergang". Und die Bauern fragen nun auch nicht nach Genehmigung, sie machen einfach den Laden dicht, den Hamburger Hafen, Warenlager von Amazon, Aldi und Lidl. Dürfen die das? Nö. Machen sie trotzdem.

Die Letzte Generation ist fassungslos. Sie wünschen sich, man würde mit den Bauern so umgehen, wie mit ihnen umgegangen worden ist. Sie sollten sich bedanken für diesen Politikworkshop, den sie von der wirklichen Welt bekommen haben. Sie konnten eine Menge lernen über die Rolle von Politikern und des Staates. Die Klimakleber hofften auf Politiker, die zuhören und ihre Forderungen umsetzen. Geht den Politikern am Arsch vorbei und der Staat hat kein Interesse daran, den Willen von Umweltschützern umzusetzen, der Staat kümmert sich um die Umsetzung der Interessen der Wirtschaft. Für den Umgang mit den Klimaklebern gibt es die Polizei, die Justiz und die BILD.

Die Bauern haben nun ihre Macht gezeigt. Die haben sich nicht nur mit dem Staat angelegt, sondern auch mit der Wirtschaft. Aber man kann sie mitsamt ihrer Traktoren nicht mal einfach wegtragen. Und wenn man ihnen jetzt blöd und mit Repression kommt, werden sie vielleicht noch viel wütender. Da überlegt sich die Bundesregierung schon zweimal, wie sie darauf reagiert...

Und viele der Letzen Generation haben nicht verstanden, daß Proteste in ihrer Form etwas aussagen sollten.

Wenn klassische Gemälde mit Kartoffelbrei eingeschmiert werden, kommt das ins Fernsehen, doch die Zuschauer fragen sich, was das soll. Wenn die Bauern Mist vor Aldi abkippen oder den Lokalregierungen (in Frankreich) eine Gülledusche verpassen, versteht es jeder.

Wenn Klimaaktivisten den Feierabendverkehr aufhalten, ärgern sich die Menschen, die auf dem Weg nach Haus sind und sind wütend auf die Blockierer. Wenn sie eine Autofabrik blockieren würden, bis die Bänder stoppen, würde sich die Arbeiter über die Pause freuen.

Klimaaktivisten sollten sich bemühen, Malocher auf ihre Seite zu bringen, statt sie wütend auf Umweltschützer und Umweltschutz zu machen. FFF haben gerade mit der Kampagne #WirFahrenZusammen Unterstützung für die Streiks im Nahverkehr organisert. Ein Schritt in die richtige Richtung!


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