Leihsklaven für Klage auf equal pay gesucht

Begonnen von Fritz Linow, 23:21:28 Di. 16.Mai 2017

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bernie von zoom

Es gibt einen TV Beitrag der Tagesschau, weiss nicht wann der lief, evtl. nur Tagesschau24 und damit in der Nische

https://www.tagesschau.de/multimedia/video/ts24/schwerpunkt/video-1128375.html

und diesen Textbeitrag mit verlinktem Hörfunkbeitrag

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eugh-leiharbeit-101.html

ZitatStand: 15.12.2022 16:36 Uhr

Leiharbeiter werden häufig schlechter bezahlt als ihre direkt in der Firma angestellten Kollegen. Das ist erlaubt - aber nur, wenn die Leiharbeiter dafür einen Ausgleich bekommen, urteilte nun der Europäische Gerichtshof.

Von Ann-Kathrin Jeske, SWR

Das Versprechen der EU ist groß: Leiharbeitnehmer sollen im Wesentlichen die gleichen Arbeitsbedingungen haben wie die Stammbelegschaft, so steht es im Gesetz. Doch die Praxis ist häufig eine andere.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun klargestellt, dass Leiharbeiter grundsätzlich den gleichen Schutz verdienen wie ihre regulär angestellten Kollegen. Wenn sie schlechter bezahlt werden, müssen sie dafür einen deutlichen Ausgleich bekommen.

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin,......

bernie von zoom

Die Anstalt reloaded?

Neues vom LabourNet Germany am Montag, 19. Dezember 2022

Liebe Freund:innen und Kolleg:innen,

...

a) Uns wichtigste Veröffentlichungen seit dem letzten Newsletter:

1. Politik » Arbeitsalltag und Arbeitsbedingungen » Leiharbeit und Sklavenhandel » Wiederstand gegen Sklavenhandel » Dossier: [Die Anstalt, Prof. Wolfgang Däubler und LabourNet Germany] Gesucht: LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn und gleiche Bedingungen auch in Deutschland

Die Anstalt - in der unsere Kampagne öffentlich begann - wird in ihrer Sendung am Dienstag, 20. Dezember den Erfolg (hoffentlich) feiern

Wir empfehlen auf jeden Fall (dürfen aber nicht Spoilern), die Sendung am Dienstag ab 22:15 zu schauen!

https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-gaeste-am-20-dezember-2022-100.html

In unserem Dossier zur Kampagne sind die Informationen aus und zu der ZDF-Sendung ,,Die Anstalt" vom 16. Mai 2017, in der die Kampagne zuerst bekannt wurde, ausführlich dokumentiert!
https://www.labournet.de/?p=116170

Zur Einstimmung empfehlen wir einen "alten" Artikel:

Der Traum vom Ende der Leiharbeit. Oder: Der unterlassene Kampf der deutschen Gewerkschaftsbewegung
Artikel von Mag Wompel vom Februar 2017, dessen Kurzfassung in ak – analyse und kritik – Nr. 624 vom 21.2.2017 erschienen ist. Er stellt die Bilanzierung der Kampagne gegen die Tarifrunde Leiharbeit 2016/17 dar
https://www.labournet.de/?p=112291

Onkel Tom

Danke für den Tipp  :D Werde mir die Anstalt heute genussvoll rein ziehen  ;) 
Lass Dich nicht verhartzen !

Fritz Linow

Von Sklavenhalterseite gibt es bisher nur wenig Einschätzungen, z.B.:

Zitat(...)
Experte: "Flächenbrand" wird ausbleiben

Nach Einschätzung von Dr. Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, hat die Entscheidung Auswirkungen auf die gesamte Zeitarbeitsbranche. "Die in der Praxis verbreiteten Tarifverträge, die für Zeitarbeitnehmer Anwendung finden, sehen die vom EuGH verlangten Ausgleichsvorteile nicht – zumindest nicht ausdrücklich – vor", so Bissels. "In diesem Zusammenhang dürfte es aber ausreichend sein, dass dem überlassenen Zeitarbeitnehmer an anderer Stelle im Tarifvertrag höhere Leistungen zugesagt werden, zum Beispiel mehr Tage Urlaub."
Der befürchtete "Flächenbrand", der zur Folge gehabt hätte, dass Verleiher uneingeschränkten Nachzahlungen ausgesetzt werden, dürfte nach Bissels' Einschätzung aber ausbleiben. "Der EuGH geht von einem konkret anzustellenden Vergleich zwischen dem für den überlassenen Zeitarbeitnehmer tariflich vorgesehenen Entgelt und der sonstigen wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Mitarbeiter des Kunden aus. Es kommt daher auf den Einzelfall an, ob der Zeitarbeitnehmer überhaupt Nachzahlungsansprüche gegen den Verleiher hat."
(...)
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/eugh-c311-21-ausnahme-equal-pay-tarifvertraege-leiharbeit-ausgleichsvorteile/

Umso bemerkenswerter ist es, dass bisher anscheinend überhaupt nichts von Seiten derjenigen kommt, die sich auf die Fahne geschrieben, die Leiharbeit abschaffen zu wollen. Weder beim DGB, Linkspartei, MLPD, DKP und anderen Grützkrücken habe ich bisher eine Stellungnahme oder Einschätzung gefunden. Anscheinend ist das ideologische Mantra von der Einheitsgewerkschaft größer als der tatsächliche Wille, konkrete Probleme der Leiharbeit anzugehen.
Dabei wäre es jetzt Aufgabe genau dieser "Kampfgemeinschaften", etwas offensivere Samen zu säen... stattdessen ein Schweigen im Walde.

dagobert

Bissels ... naja, der muss das ja schönreden.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Zitat von: Fritz Linow am 06:07:01 Mi. 21.Dezember 2022Weder beim DGB, Linkspartei, MLPD, DKP und anderen Grützkrücken habe ich bisher eine Stellungnahme oder Einschätzung gefunden. Anscheinend ist das ideologische Mantra von der Einheitsgewerkschaft größer als der tatsächliche Wille, konkrete Probleme der Leiharbeit anzugehen.

Naja, es handelt sich ja um ein längerfristigen Kampfsektor und inhaltlich
zum juristichem erscheint es als Hirnwurmknäuel, was "einfach und verständlich"
übersetzt werden muss.
Wird wohl noch was dauern, bis was brauchbares (Infoflugis) z.B. neue Leihkeule
bei raus kommt. Sowas muss ja dann auch richtig sitzen, um Glaubwürdigkeit nicht
zu verlieren.  ;)

Zitat von: dagobert am 12:22:58 Mi. 21.Dezember 2022Bissels ... naja, der muss das ja schönreden.

Oder bloß nicht anmerken lassen, das Disposessel heiß geworden ist und Ruhe
beim austüffteln neuer Schummelwege haben wollen.

Leiharbeiter_innen sollten auf jeden Fall darauf achten, das im Arbeitsvertrag
eine anerkannte Berufsbezeichnung statt "Gewerblicher Mitarbeiter" oder nur
"Hilfskraft" eingetragen ist.
Das dann angeblich Leiharbeiter_in "nicht überall einsetzbar sei" ist ein Bluff,
um "Mindestlohn" (unterste Lohngruppe) aufrecht zu erhalten.

Durch Bernies Afklärung ist mir klar, das sich doch nicht viel zur meiner
Leiharbeitszeit geändert hat.  ::)
Lass Dich nicht verhartzen !

Fritz Linow

ZitatNaja, es handelt sich ja um ein längerfristigen Kampfsektor und inhaltlich
zum juristichem erscheint es als Hirnwurmknäuel, was "einfach und verständlich"
übersetzt werden muss.(...)

Eine Politgruppe benötigt keinen Hirnwurmknäuel in juristischer Korrektheit und in einfacher Sprache. Sie kann sich auch ganz einfach zu diesem juristischen Urteil äußern und für die Leiharbeiter Stellung beziehen.

Jetzt, wo wirklich ein bemerkenswerter Schritt getan wurde, der auch Auswirkung auf die gesamte Industrie, auf die Organisierungsmöglichkeiten und Organisierungsnotwendigkeiten hat, kommt da nicht wirklich etwas.

Mir ist es egal, ob von denen etwas dazu gesagt wird, verbale Kraftmeierei und Realität aber scheinen zwei verschiedene Paar Schuhe zu sein.

Onkel Tom

Zitat von: Fritz Linow am 00:43:41 Do. 22.Dezember 2022Mir ist es egal, ob von denen etwas dazu gesagt wird, verbale Kraftmeierei und Realität aber scheinen zwei verschiedene Paar Schuhe zu sein.

Sehe ich auch so und bisherige CD-Aktivitäten dürften meiner Vermutung nach
nur wenig Updating nötig haben. CD ist ja bislang sehr Praxisnah.
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Soweit ich weiß, ist die Position der MLPD, dass Leiharbeiter im Entleihbetrieb fest eingestellt werden.

Auf die Gerichte und ihre halbgaren Urteile würde ich mich dabei nicht verlassen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Lass Dich nicht verhartzen !

BGS

Sehr interessant, besten Dank fürs Einstellen.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

dagobert

Auch bei labournet gefunden:
ZitatEs stellen sich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt diffizile Fragen, die nur richterlich geklärt werden können (damit geht dann natürlich ein großes Unsichertheitspotenzial einher), beispielsweise die Frage, wenn denn das Arbeitsentgelt als einer der wesentlichen Arbeitsbedingungen niedriger liegt, ob es dann ausreicht, wenn man an einer einzigen anderen wesentlichen Arbeitsbedingung zum Ausgleich herumschraubt, wie beispielsweise den Urlaubsanspruch um einen Urlaubstag zu verlängern (oder müssen es zwei + x Tage sein?). Oder müssen es zwei oder mehr andere wesentliche Arbeitsbedingungen sein, die da verändert werden müssen angesichts des Gewichts der Komponente Arbeitsentgelt? Fragen über Fragen, Juristen wird das freuen.
https://aktuelle-sozialpolitik.de/2022/12/18/eugh-zum-ausgleich-niedrigerer-arbeitsentgelte-in-der-leiharbeit/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Fritz Linow

Natürlich ist das alles juristisch schwierig und Rechtssprechung ist Klassenjustiz. Aber darauf kann man sich doch nicht ernsthaft zurückziehen und die Paragraphen abschlackern.

Die Tarifgemeinschaft des DGB unterschreibt alle paar Jahre Tarifverträge, die Equal Pay verhindern, was überhaupt erstmal ein erster Schritt wäre, um die Spaltung zu verringern. Macht sie aber nicht und man kann sich dann schon fragen, auf welcher Seite der DGB steht.

Wenn jetzt Stellungnahmen kommen, dass das alles nicht so einfach ist und man viele Faktoren berücksichtigen müsse, oder dass sogar ein niedriger Lohn um die 20 Prozent für die kommenden juristischen Auseinandersetzungen besser gewesen wäre, dann ist das nur ein trauriges Abbild einer durch und durch verkorksten Gewerkschaftsbewegung. Kann wech!

counselor

Naja, das Verschwinden der Gewerkschaften wäre ganz im Sinne der Arbeitgeber.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Ich halte es für ein Problem, daß die Gewerkschaften so scheiße sind wie sie sind, ein viel größeres Problem sehe ich darin, daß die Deutschen glauben, man braucht für alles ein Regelwerk, Institutionen, Gesetze, Formulare und einen Stempel drauf.

Immer meint man, man könne sich nicht wehren, weil es ja nicht erlaubt oder regelkonform ist.

In anderen Ländern ist es für Arbeiter völlig normal zu kämpfen, auch wenn die Gewerkschaften dagegen sind oder es nicht erlaubt ist. Es gibt auch Menschen, die in der Gewerkschaft sind, aber nicht das machen, was ihre Gewerkschaft sagt, sondern das, was sie für sinnvoll halten.

Die streikenden Arbeiter in Paris haben für diese Aktion (Erstürmung eines Luxuskaufhauses) von ihrer Gewerkschaft kein grünes Licht bekommen...

https://twitter.com/RiotPrime2022/status/1605931507335499776

...sie haben es einfach gemacht.

counselor

Mich interessiert dieses Urteil nicht wirklich.

Sobald ein Leiharbeiter den Betrieb betritt, ist der Betriebsrat zuständig und muss seiner Beschäftigung zustimmen. Wer Leiharbeit im Betrieb verhindern will, der muss also im Betriebsrat eine Mehrheit gegen die Beschäftigung von Leiharbeitern organisieren. Das ist -wegen der ganzen reformistischen Betriebsräte- nicht einfach. Gelingt es, dann ruft der Arbeitgeber in der Regel die Einigungsstelle an und man muss den ablehnenden Beschluss des Betriebsrats dort verteidigen und erhält dann einen Spruch der Einigungsstelle, den man dann ggfs vor Gericht anfechten kann.

Diesen Kampf gilt es zu führen!
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

karl.

Warten auf das BAG-Urteil

Die Expressredaktion hat für die neue Nummer 2/23 anscheinend eine Anfrage an den DGB gestellt bezüglich EuGH-Urteil.


Die Antwort des DGB ist dort eingestellt. U.a. heißt es in der Antwort:
 
"In der Umsetzung des EuGH-Urteils muss eine für die Tarifvertragsparteien handhabbare Lösung erfolgen, die den Abschluss rechtssicherer Tarifverträge in der Zukunft ermöglicht."

Zum gleichen Thema gibt es bei labournet ein Interview mit Prof W. Däubler.

Siehe unter:
https://www.labournet.de/politik/alltag/entlohnung/leiharbeitskampagne-2-0-klage-auf-inflationsausgleich/

Onkel Tom

Danke  ;)
Interesanntes interviev. Däubler hat es gut verständlich ohne §-Ping-Pong erklärt.

Ich dachte erst, das das EuGH-Urteil das "Abweichen" von Tarifverträgen zur Leiharbeit
stoppt, habe mich aber wohl irritierender Weise zu früh gefreut.

Naja, bei der Autobauer- und anderen großen Firmen kommen Leiharbeiter_innen demnach
auch in den Genuss von Urlaubsgeld etc., wenn sie mindestens 6 ? Monate im Entleihbetrieb
tätig sind. So habe ich das erst mal verstanden.

Klingt ja nach "Trostpflaster", wenn die "Tarifautonomie" bei IGZ und BAP erhalten bleiben
soll. Wie das "Verhandeln" zwischen Gewerkschaft und IGZ/BAP funzt und warum die
Leiharbeiter_innen bis auf "kreative (illegale) Streikformen" keinerlei Macht / Mitbestimmung
haben, ist mir klar.. Ach, mir schwirrte anbei der näxte (dicke) Schritt schon in der Birne rum,
das LANs genau so "Urabstimmen" können, was sich in der Lohntüte mit Sicherheit positiver
bemerkbar macht..

Naja, Beteiligung an Gewinnauschüttungen etc. ist ja auch schon mal ganz schmackhaft,
leider noch für wenige aber grünau, schauen, was das BAG nun daraus macht.. Daumendrück  ;D

Es wird da wohl noch reichlich zu tun sein, um aus dem gesäusel der Gewerkschft
"Gleiches Geld für gleiche Arbeit" reale Formen zu erkämpfen.

Ist schon verrückt, das nur durch außergewerkschaftlichen Aktionen etc. z.B. verdi
vorgemacht werden muss, wofür sie eigendlich da sind.

Also leeve Leiharbeiter_innen.. Macht mit, wie es Euer "guter Captain Däubler" wünscht.  :D
Lass Dich nicht verhartzen !


dagobert

Aus dem Artikel:
ZitatEin solcher Ausgleich ist nach Ansicht der obersten deutschen Arbeitsrichter der gesetzliche Anspruch auf die Fortzahlung von Entgelt in einsatzfreien Zeiten, der Leiharbeitnehmenden gesetzlich zusteht.
Auf welchem Planeten leben diese Richter eigentlich?
In der Praxis werden einsatzfreie Zeiten regelmäßig über die Zeitkonten abgerechnet - wo ist da der Ausgleich?

Als Konsequenz müssten Leiharbeiter jetzt regelmäßig Strafanzeige erstatten, wenn die Leihfirma sich am Zeitkonto bedient.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

bernie von zoom

Die Pressemitteilung des BAG dazu

https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/leiharbeit-gleiches-arbeitsentgelt-abweichung-durch-tarifvertrag/

ZitatDas BAG hat die Klage abgewiesen, erklärt die schlechtere Bezahlung für zulässig:


Von dem Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer für die Dauer einer Überlassung Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers haben (,,equal pay"), kann nach § 8 Abs. 2 AÜG* ein Tarifvertrag ,,nach unten" abweichen mit der Folge, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer nur die niedrigere tarifliche Vergütung zahlen muss. Ein entsprechendes Tarifwerk hat der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) mit der Gewerkschaft ver.di geschlossen. Dieses genügt den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG** (Leiharbeits-RL).

Die Klägerin war aufgrund eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin in Teilzeit beschäftigt. Sie war im Streitzeitraum Januar bis April 2017 hauptsächlich einem Unternehmen des Einzelhandels als Kommissioniererin überlassen und verdiente zuletzt 9,23 Euro brutto/Stunde. Sie hat behauptet, vergleichbare Stammarbeitnehmer erhielten einen Stundenlohn von 13,64 Euro brutto und mit ihrer Klage unter Berufung auf den Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF für den Zeitraum Januar bis April 2017 Differenzvergütung iHv. 1.296,72 Euro brutto verlangt. Sie hat gemeint, das auf ihr Leiharbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung findende Tarifwerk von iGZ und ver.di sei mit Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL und der dort verlangten Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer nicht vereinbar. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das Tarifwerk von iGZ und ver.di verstoße nicht gegen Unionsrecht, außerdem hat sie die Höhe der von der Klägerin behaupteten Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers mit Nichtwissen bestritten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Um unionsrechtliche Fragen zu klären, hatte der Senat zunächst mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 (- 5 AZR 143/19 (A) – BAGE 173, 251) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL verlangten, aber nicht näher definierten ,,Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern" ersucht. Diese hat der EuGH mit Urteil vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement]) beantwortet.

Nach Fortsetzung der Revisionsverhandlung hat der Senat heute die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten. Aufgrund des wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifwerks von iGZ und ver.di war die Beklagte nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF nur verpflichtet, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Dieses Tarifwerk genügt, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL. Trifft der Sachvortrag der Klägerin zur Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer zu, hat die Klägerin zwar einen Nachteil erlitten, weil sie eine geringere Vergütung erhalten hat, als sie erhalten hätte, wenn sie unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz von dem entleihenden Unternehmen eingestellt worden wäre. Eine solche Schlechterstellung lässt aber Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL ausdrücklich zu, sofern dies unter ,,Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer" erfolgt. Dazu müssen nach der Vorgabe des EuGH Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. Ein möglicher Ausgleichsvorteil kann nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl bei unbefristeten als auch befristeten Leiharbeitsverhältnissen die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten sein. Anders als in einigen anderen europäischen Ländern sind verleihfreie Zeiten nach deutschem Recht auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen stets möglich, etwa wenn – wie im Streitfall – der Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird oder der Entleiher sich vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehält. Das Tarifwerk von iGZ und ver.di gewährleistet die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Außerdem hat der deutsche Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG*** für den Bereich der Leiharbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 BGB, der an sich abdingbar ist, im Leiharbeitsverhältnis nicht abbedungen werden kann. Auch hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten darf. Zudem ist seit dem 1. April 2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 AZR 143/19 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 7. März 2019 – 5 Sa 230/18 –

*§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 AÜG lautet:

,,(1) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). ...

(2) Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. ..."

**Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG lautet:

,,Die Mitgliedstaaten können nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/leiharbeit-gleiches-arbeitsentgelt-abweichung-durch-tarifvertrag/Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern, welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können."

***§ 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG lautet:
,,Das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers (§ 615 Satz 1 BGB) kann nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden; § 615 Satz 2 BGB bleibt unberührt."




dagobert

Also Daumen drücken für alle weiteren Kläger.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Jo und auf einen "langen Atem" das durch zu stehen  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !


Onkel Tom

Das sich verdi dazu interessiert, erstaunt mich etwas.
Aber der Videostrip ist ja passend.
Und weiter auf ein neues, weil in der letzten Runde ein
"Nix, tote Hose !" heraus gekommen ist ?

Ein Schmunzeln darauf, das keine weiterführende
Kontaktadresse "beworben" werden darf aber geht ja doch  :D

Also Leiharbeiter_in, notiere Dir die Kontaktadresse und
melde Dich. Eventuell könnte es später nicht nur deinem
Portmonaie gut tun. Auch bei deinen Kollegen gäbe es Zucker.

Weitere Infos dazu hier..
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Es hat sich nicht der VERDI Vorstand geäußert, sondern die Betriebsgruppe bei Webhelp. Verdi hat 1,86 Millionen Mitglieder und einige sind eigenständig aktiv, ohne Vorgabe von ganz oben. Die Betriebsgruppe bei Webhelp ist mir schon öfter positiv aufgefallen. Scheint eine aufgeweckte und kämpferische Gruppe zu sein.

bernie von zoom

Der Kontakt für Klagewillige läuft über labournet:
 redaktion@labournet.de 
zum Nachlesen: https://www.labournet.de/?p=116170

ZitatDie Anstalt vom 13. Februar 2024 erneuert den Aufruf an LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn UND gleiche Arbeitsbedingungen, z.B. Urlaub New

    Die Anstalt vom 13. Februar 2024 – das Video der gesamten Sendung https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-13-februar-2024-100.html  (49 min, verfügbar bis 17.02.2026)
   
Die Anstalt vom 13.02.2024 zum Thema Leiharbeit/ Zeitarbeit – der Clip des Beitrags zu unserer Kampagne bei youtube
https://www.youtube.com/watch?v=XmQGcL1o9JI
 
 Die Anstalt – Der Faktencheck zur Sendung vom 13. Februar 2024 https://www.zdf.de/assets/faktencheck-zur-sendung-vom-13-februar-2024-100~original?cb=1707858904722 und darin: ,,... Hier 2017 unser Aufruf an die Leiharbeiter, gegen ihre Tarifverträge zu klagen, die dafür sorgen, dass sie im Schnitt zwischen 20 und 30% weniger verdient haben als die Stammbelegschaft. (...) ...das höchste europäische Gericht, der EuGH, hat klargestellt, dass deutsche Leiharbeiter nicht schlechter gestellt werden dürfen als regulär Beschäftigte. ... Wissen Sie, was das bedeutet hat für über 1 Million Leiharbeiter*innen in Deutschland? [,,Nichts" in ungefähr 10 Sprachen] Ein Richter am deutschen Bundesarbeitsgericht, der gern mal bei einem Arbeitgeberverband Vorträge hält und auch gern mal in ihrem Sinne urteilt, hat die Entscheidung vom EuGH de facto unterlaufen, vom Tisch gewischt. ... Hat gesagt: die Leiharbeiter kriegen zwar weniger Geld, aber das würde ja an anderer Stelle ausgeglichen!..." mit vielen Informationen und Links (alle in unserem Dossier verfügbar)

    Wichtig für die Kampagne 2.0:
        BAG: Nichts ändert sich in der Leiharbeit. Oder doch? Auch wenn ver.di entschieden hat, keine Verfassungsbeschwerde einzulegen – die Klagekampagne geht weiter
        Artikel von Wolfgang Däubler zum Urteil des BAG vom 23.10.2023

        SEHR WICHTIG: Für Zusendung gilt ab sofort die Adresse redaktion@labournet.de – ernst gemeinte Zuschriften werden an Prof. Däubler weitergereicht!


Onkel Tom

Zitat von: Kuddel am 14:53:33 Mi. 14.Februar 2024Die Betriebsgruppe bei Webhelp ist mir schon öfter positiv aufgefallen. Scheint eine aufgeweckte und kämpferische Gruppe zu sein.

Okay, das wusste ich nicht. Ich dachte erst, das verdi anbei das Interesse hegt
dem Däubler-Projekt nachteilig dazwischen fingern zu wollen..
Lass Dich nicht verhartzen !

bernie von zoom

Es gibt einen Tarifabschluss in der Leiharbeit, in der EG1 für Helfer gibt es ab (korrigiert) 1.10.24 14 €, in den meisten Branchen weiter deutlich unter Equal Pay.  Die meisten Leiharbeiter sind in der EG1 eingruppiert. Es gibt etwas Abstand zum Mindestlohn von 12,41, denn sonst könnte der ganze TV kassiert werden. 

Es werden also weiter Leiharbeiter gesucht die auf gleichen Lohn und gleiche Bedingungen (Urlaub, Überstundenregelung) klagen möchten.
Der Kontakt läuft über Labournet. redaktion@labournet.de
Wichtig: Es gibt einen Spendentopf zur Übernahme der Prozesskosten.
ZitatDie Anstalt vom 13. Februar 2024 erneuert den Aufruf an LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn UND gleiche Arbeitsbedingungen, z.B. Urlaub

Kampagne 2.0: Die Anstalt vom 13. Februar 2024 erneuert den Aufruf an LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn UND gleiche ArbeitsbedingungenSiehe im Dossier zur Kampagne Videos und Faktencheck der Anstalt vom 13. Februar 2024 und daraus wichtig für die Kampagne 2.0:

BAG: Nichts ändert sich in der Leiharbeit. Oder doch? Auch wenn ver.di entschieden hat, keine Verfassungsbeschwerde einzulegen – die Klagekampagne geht weiter. Artikel von Wolfgang Däubler zum Urteil des BAG vom 23.10.2023

SEHR WICHTIG: Für Zusendung gilt ab sofort die Adresse redaktion@labournet.de – ernst gemeinte Zuschriften werden an Prof. Däubler weitergereicht!

https://www.labournet.de/

Pressemitteilung DGB
ZitatTarifrunde Leiharbeit
Tarifabschluss: Mehr Geld für Leihbeschäftigte

Für die rund 700.000 Beschäftigten der Leiharbeitsbranche in Deutschland gibt es ab Oktober 2024 höhere Löhne. Darauf haben sich die DGB-Gewerkschaften und der Gesamtverband der Personaldienstleister e.V. (GVP) in der dritten mehrstündigen Verhandlungsrunde am Freitagmorgen in Berlin geeinigt.

Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied und Verhandlungsführer der Gewerkschaften: "Nach äußerst zähen Verhandlungen haben wir einen guten Abschluss erreicht, der den Beschäftigten in der Leiharbeitsbranche einen realen Lohnzuwachs bringt. In der Laufzeit von 18 Monaten werden die Tabellenentgelte in 2 Stufen um insgesamt 7,6 Prozent angehoben. Der Abstand zum gesetzlichen Mindestlohn konnte deutlich vergrößert werden. Dadurch erhöhen sich auch die Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld für Gewerkschaftsmitglieder."
https://www.dgb.de/presse/++co++4a76efac-d7ad-11ee-a10e-550e133ea2f2


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