Kiel 21.10.: Mieteraktivisten aus Dänemark und Deutschland tauschen sich aus

Begonnen von admin, 19:18:29 Di. 16.November 2021

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

admin

Aarhus – (k)ein Vorbild für Kiel ?

Aarhus wird in Kiel immer als Vorbild für erfolgreichen Stadtumbau dargestellt.

Dänemark ist scheinbar für alle Seiten ein Vorbild. Es gibt dort einerseits das verbreitete und gut funktionierende Modell des genossenschaftlichen Wohnens.

Andererseits fährt die rechte sozialdemokratische Regierung einen knallharten Kurs gegen das nicht auf Profit basierte Soziale Wohnen und erklärt ganze Wohnblöcke zu ,,Ghettos", wenn es einen bestimmten Prozentsatz ,,nicht westlicher Mieter/innen" gibt. Sie werden entmietet und die Häuser abgerissen, um Platz für Bauspekulanten zu schaffen.

Wir vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum haben 3 Aktivisten aus Kiels Partnerstadt eingeladen, die sich mit dem Wohnungsbau in Aarhus und den dortigen Mieterprotesten gut auskennen, sie werden uns einen Einblick in die wahren Verhältnisse in Aarhus geben.

Wird es in Kiel auch so weit kommen, daß Menschen aus ihren Quartieren vertrieben werden ? Ist es schon so weit ? Was können wir tun ? Kommt vorbei und diskutiert mit uns am

Sonntag, 21. November
16  Uhr in der Hansastr. 48 (Saal)

admin

Angesichts der Coronasituation und der bewußt knapp gehaltenen Werbung, kann man 20 Leute auf der Veranstaltung als Erfolg werten. Es waren durch die Bank bekannte Gesichter aus den Verschiedenen Initiativen, die sich um Stadtteilarbeit und Mieterfragen kümmern.

Interessant war das verbreitete Non-Profit System des genossenschaftlichen Wohnens. In Aarhus wohnen 27% der Menschen in Mietergenossenschaften. Die demokratischen Strukturen der Mieter in den Genossenschaften sind eine wichtige Grundlage dieses Systems und auch für Mieter in der Privatwirtschaft haben gute Voraussetzungen zu einer vernünftigen Klärung von Konflikten mit Vermietern. Dagegen gab es erschütternde Berichte über die knallharte und rassistische Politik der dänischen Sozialdemokratie, die die Interessen der Spekulanten auf Kosten der Migranten durchzusetzen versucht.  Insgesamt steht Dänemark vor Problemen, wie wir sie auch kennen: Die Mieten steigen und die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich nimmt zu.

Es gab eine Gegeneinladung an die kieler Mieteraktivisten zu einem Aarhusbesuch.

Nach der zweistündigen Veranstaltung setzten 11 Leute die Diskussion in einer Kneipe fort.

Fritz Linow

Zitat22.11.21
Mit seiner Politik im Umgang mit Migranten und Migrantinnen sorgt Dänemark europaweit für Schlagzeilen. Doppeltes Strafmaß bei Delikten, Unterricht in dänischer Kultur, Zwangsumsiedlungen in Problemvierteln. Während die einen im Getto-Plan die Lösung im Umgang mit Parallelgesellschaften sehen, stellt er für viele Bewohner und Bewohnerinnen das Leben schlagartig auf den Kopf. Mjølnerparken, Kopenhagen: 1.800 Menschen leben hier in Sozialwohnungen, die meisten mit Migrationsgeschichte. Das soll sich nun ändern, viele Bewohner werden per Gesetz umgesiedelt. "Dabei gibt es hier positive Entwicklungen. Die Kriminalität ist niedriger als im Landesdurchschnitt, und immer mehr junge Menschen haben eine Ausbildung", sagt Fatma Tounsi. Die 30-jährige Tunesierin kam mit zwölf Jahren als Geflüchtete nach Kopenhagen, inzwischen hat sie einen Abschluss als Biochemikerin. Zusammen mit der Gruppe ,,Almen Modstand" (gemeinnütziger Widerstand) klagt sie vor Gericht gegen die Behandlung der Bewohner und Bewohnerinnen. Steffen Boel Jørgensen ist Geschäftsführer der Bo-Vita, einer Wohnungsbaugesellschaft, die den Mjølnerparken verwaltet. Die 30-Prozent-Regel der Regierung, nach der nur 30 Prozent der Bewohner benachteiligter Bezirke eine "nichtwestliche" Herkunft haben dürfen, bezeichnet er als "schlechtes Gesetz". Er muss jetzt zwei Wohnblöcke verkaufen, damit Geld für Ersatzwohnungen da ist. Viele vermuten daher hinter dem Ghetto-Plan eine groß angelegte Privatisierungswelle von Immobilien. Doch es gibt auch Befürworterinnen und Befürworter: "Wir brauchen eine Durchmischung der Gesellschaft", sagt Halime Oguz von der Sozialistischen Volkspartei. ,,Ich bin für die Pläne der Regierung, denn ich habe erlebt, wie es ist, in einer Parallelgesellschaft aufzuwachsen". Sie kam als Sechsjährige aus einem kurdischen Dorf nach Dänemark, wurde als 17-Jährige zwangsverheiratet und setzt sich heute im Parlament für Frauenrechte ein.


https://www.youtube.com/watch?v=qjtgch82ub0

admin

Dänische Mieteraktivisten zu Besuch in Kiel.

Spaziergang durch Gaarden...






admin

Ein Jahr später:

Mieteraktivisten aus Kiel planen Besuch im dänischen Aarhus am 24.11.2022.

Aktuelle Bilder aus Aarhus:





Protest vor dem Stadtrat gegen die "Ghetto-Politik" im Stadtteil Gellerup.


admin

Die Stadt Kiel ist Wohnungsbaupolitisch eine Katastrophe. Fehlender Sozialer Wohnungsbau. Gentrifizierung und nerviger architektonischer Schnickschnack (ein künstlicher Kanal als Amüsiermeile). Aarhus ist unsere Partnerstadt in Dänemark. Die Kieler Stadtverwaltung reist regelmäßig in die Partnerstadt und beschreibt sie als leuchtendes Vorbild, dem man nacheifert.


Ein kritischer Kommentar in der Stadt

Das wollten wir genauer wissen. Uns interessiert der Blick von unten, die Sicht der betroffenen Mieter:innen auf die Wohnsituation. Vor einem Jahr hatten wir Mieteraktivisten aus Aarhus zu Besuch. Jetzt kamen wir ihrer Einladung zum Gegenbesuch in Dänemark nach. Zuerst steuerten wir auf den "Problemstadtteil" Gellerup zu. Die dänische Regierung sieht in Ansammlungen armer und migrantischer Menschen eine Bedrohung des spießig hyggen dänischen Way of Life. Die regierenden Sozialdemokraten folgen einer rassistischen Agenda und haben sich bei den Rechten bis Rechtsradikalen so manches abgeguckt. Sie haben ein Gesetz gegen Ghettobildung durchgesetzt: wenn ein gewisser Prozentsatz an Migranten, Erwerbslosen und Armen gemeinsam in einem Wohnblock lebt, geht man von Ghettobildung aus und wenn man innerhalb von 4 Jahren es nicht unter die vorgegebene Quote schafft, sprechen die Behörden von einem "harten Ghetto". Das bedeutet, es werden alle Mieter rausgeschmissen und der gesamte Wohnblock wird abgerissen, egal wie gut die Bausubstanz und die Wohnungen sein mögen. Es haben sich bereits verschiedene internationale Medien für diese rassistische Wohnungspolitik interessiert und selbst Aljazeera hat berichtet.


Gellerup - in the Ghetto

Wir staunten, was die Behörden als "Ghetto" betrachteten. Architektonisch mag die 60er Jahre Plattenbauweise Geschmackssache sein, doch die Häuser waren pico bello, die Grünflächen waren super gepflegt und auf den sauberen Gehwegen traute man sich noch nicht einmal eine Kippe fallen zu lassen. Wir waren eine Reisegruppe von 8 Leuten, auch ein paar lokale Linkspolitiker dabei. Wir wurden in einem Versammlungsraum in Gellerup empfangen von einer gemischten Schar an dänischen Mieteraktivisten. Einige stellten sich vor als Mitglieder der "Enhedslisten", so eine Art dänische Linkspartei. Andere legten Wert auf die Feststellung, daß sie nicht in dieser Partei organisiert seien. Ihr zentrales Problem sehen sie in dem Ghettogesetz der Regierung in Kopenhagen, mit dem in Gellerup 7 Wohnblöcke dem Erdboden gleichgemacht werden sollen, um investoren Raum für irgenwelche Schicki-Micki-Bauten zu schaffen. Der Bürgermeister von Aarhus, das große Vorbild von Kiels OB Ulf Kämpfer, hat es zu seiner vordersten Aufgabe gemacht, den billigen Wohnraum zu zerstören. Im Moment hält man noch den Abriß auf, indem man in jedem Wohnblock jemanden hat, der gegen die Entmietung klagt. Insgesamt ist es aber das Ziel, das Ghettogesetz selbst zu kippen und so die neoliberalen Planungen der Gemeinde von Aarhus zu Fall zu bringen. So gehörte zu unseren Gastgebern auch eine Abgeordnete der Kommune Aarhus und als solche hielt sie eine Rede in Genf vor den Vereinten Nationen um über die rassistische und diskriminierende Ghettopolitik zu berichten. Man hofft, die EU werde die Dänische Reigierung 2024 zwingen, dieses Gesetz zurückzunehmen, denn Dänemark gehört zu den Unterzeichnern einer bindenden Erklärung gegen Diskrimierung. Bis dahin will man versuchen, die Abrißplane mit allen Tricks aufzuhalten.


Protesttransparente (arg unscharf)

Es sei an dieser Stelle daran erinnert, daß in Dänemark das selbstverwaltete genossenschaftliche Wohnen sehr populär ist. Im dänischen Durchschnitt wohnt jeder 4. Däne in einer Non-Profit-genossenschaftlichen Wohnung, in Aarhus ist es sogar jeder 3..

Die Mieteraktivisten haben in einem Wohnblock eine 5 Zimmer Wohnung ein Gellerup-Museum eingerichtet. Eine durch und durch liebevolle Geschichte, ein Raum in stilechter 70er Jahre Möblierung. Eine Fotoausstellung über die unterschiedliche Einrichtung von Menschen aus verschiedenen Nationen. Schautafeln über die Geschichte und den Mieterwiderstand dieses Viertels.




Die dänische Entmietungspolitik wird nun sprachlich umgewidmet. Was vorher als "Anti-Ghetto-Politik" verkauft wurde, heißt nun "Politik gegen Parallelgesellschaften". Der Inhalt bleibt identisch. Es ist nur ein Fischen bei einer rechten Wählerschaft. Es hat nichts mit der realen Situation zu tun. Man hat das Leben des migrantisch geprägten Stadtteils soziologisch untersucht und festgestellt, daß die oftmals armen Menschen einander helfen und sich gegenseitig beibringen, wie man mit den Widrigkeiten der dänischen Gesellschaft klarkommt. Nach einiger Zeit in Gellerup bilden sich viele Bewohner weiter und steigen sozial auf und verlassen nach rund 4 Jahren das Vieltel. Eine Mieteraktivistin: "Gellerup ist wie ein Krankenhaus. Sie kommen krank an, sie werden gesund und ziehen weiter und schaffen Platz für neue Bewohner."



Der Internationale Bazar in Gellerup war ein echtes Erlebnis, mit nur wenigen Schritten kann man von Land zu Land und von Erdteil zu Erdteil wandern, irgendwelche exotische Snacks ordern, gelangt in einen internationalen Früchte- und Gemüsemarkt, Fisch und Fleisch, Schmuck und Klamotten, alles ist da zu finden. Die Preise sind ok und die Stimmung ist angenehm.



Am Abend ging es für uns weiter zu Dänemarks bekantesten Mieteranwalt Bjarne Overmark in dem 60.000 Einwohnerkaff Randers. Es war ein Erlebnis. Er stellte sich vor als jemand, der seit 50 Jahren in der linken Bewegung aktiv ist. Er vertritt als Mietrechtsawalt auch Mieter aus Gellerupp, doch er betonte, daß er sich gern in gesellschaftliche Auseinandersetzungen einmischt. Er vertrat auch streikende Arbeiter und war bei Fabrikbesetzungen dabei. Er erzähle von seiner Arbeit in der Tenants Union.



Das laßt sich als Mieterverband, aber auch als Mietergewerkschaft übersetzen. Er sagt, "Verband" träfe eher zu, doch wir hatten den Eindruck, daß diese Tenants Union weitaus politischer und kämpferischer ist, als die deutschen Mietervereine. Er schwärmte von den Zeiten in denen es eine massive Bewegung zu Wohnraumfragen in Dänemark gab. Von Jugendlichen angeführt gab es in der 70ern eine Massenbewegung, die zu dem Thema auf die Straße ging. Man unterstützte Hausbesetzungen und ließ sich nicht von der Staatsmacht einschüchtern. Allein in der Kleinstadt Randers kam es zu 400 Festnahmen. Er ließ nicht unerwähnt, daß auch er hinter Gitter gelandet ist. Als wir fragten, ob es noch andere Kampfformen, als Demos und Hausbesetzungen gab, wußte man uns zu beeindrucken: Mietstreik! Rund 10.000 Miter:innen verweigerten die Mietzahlung. Dieser Mieterkampf mit Hand und Fuß ging an der Linken in Deutschland weitgehend vorbei. Wir wissen wenig über unser nördliches Nachbarland.

Am nächsten Tag wurde es nochmal offizieller und fast ein wenig förmlich. Wir waren von der Kommune Aarhus eingeladen.



Einiges sieht da ähnlich aus:



Wir waren zu Gast bei der Initiative "Housing First".



Das Projekt folgt einem Konzept  gegen Obdachlosigkeit. Es erschien recht positiv und menschlicher als die deutsche Politik.  Es geht darum, Obdachlosen bedingungslos eigenen Wohnraum anzubieten. Alles weitere, wie psychische Probleme, Suchtprobleme, Verschuldung und anderes, seien erst danach anzugehen. Erst einmal sollten diese Menschen die Tür zu ihrer eigenen Wohnung schließen können und nicht in Massenunterkünften untergebracht werden. Einiges, was man in dem Bereich tat, erschien uns ein wenig wie Bullabü und der dänische Staat ließ eine recht stattliche Summe für dieses Projekt springen. Es erschien uns als eine skandinavische Haltung, soziale Spannungen und Kämpfe sozialarbeiterisch abzufedern und so für Ruhe zu sorgen.



Die Powerpoint Präsentation zeigt man wahrscheinlich auch, wenn unsere Politiker vorbeikommen. Man behandelte uns überaus freundlich und bewirtete uns reichlich. Wir haben einen Restaurantbesuch so eingespart.

Bei der Verabschiedung murmelten die Mieteraktivisten etwas von einem Gegenbesuch in Kiel im nächsten Jahr, diesmal auch mit Bjarne, dem Mieteranwalt. Schau'n wer ma...

Fritz Linow

Seit Anfang Dezember 22 gibt es eine neue Ghettoliste:

https://bl.dk/politik-og-analyser/temaer/her-er-listen-over-parallelsamfund/

Gerade wenn ein Bereich als "hartes Ghetto" definiert wird, haben die Immobilienschweine und Stadtentwickler freie Bahn. Aarhus-Gellerup gehört mal wieder auch dazu.


admin

Puh, zwei anstrengende Tage mit unseren dänischen Gästen erfolgreich gemeistert. 7 Aktivisten aus der dänischen Mieterbewegung waren zu Besuch in Kiel.

Wir wußten schon einiges von den unterschiedlichen Bedingungen in Dänemark und Deutschland. Wir konnten nachhaken, um es besser zu verstehen. Die Grundtendenz ist ähnlich: Profitinteressen setzen sich zunehmend gegen die Politik durch und dort wie hier haben wir mit üblen Rechtstendenzen zu kämpfen.

Dänemark hat eine vergleichbar gute Gesetzgebung für Mieter. Die Kultur des genossenschaftlichen Wohnens ist sehr verbreitet, 20% der Dänen leben in selbstverwalteten non-profit Wohnungen, in Aarhus sogar 25%. Es gibt institutionalisierte Schlichtungseinrichtungen für Konflikte zwischen Mietern und Vermietern und es gibt eine aktive Mietergewerkschaft.


Bjarne Overmark, Mieteranwalt und aktiv in der Mietergewerkschaft in Randers.

Randers ist mit 60.000 Einwohnern nicht gerade groß, doch 2000 haben sich dort in der Mietergewerkschaft organisiert. Sie haben sich mit einer eigenen Liste auch kommunal zur Wahl gestellt und hatten einige Zeit 3 Sitze im Stadtrat und konnten die Lokalpolitik kräftig aufmischen. Zur Zeit ist nur noch Bjarne dort im Parlament.

Wir wollten ihnen im Nieselregen auch etwas von Kiel zeigen und erzählen. Es ging los mit Matrosenaufstand/Revolution und dann gab es noch etwas zu den Hausbesetzungen in den 80ern. Korruption und Betrug bei der Bebauung am Germaniahafen vom windgen Gerhard Schmid, der auch Mobilcom und Freenet gegründet hat. An letzterem Unternehmen hat sich auch chefduzen eine blutige Nase geholt, doch wir hatten dabei noch für einigen Wirbel gesorgt. Weiteres über die aktuelle Wohnungsbaupolitik, bei der die Stadt sich eine Selbstverpflichtung auferlegt hat, bei Wohnungsneubau 30% als Sozialwohnungen auszulegen. In der Praxis finden die Bauherren stets irgendwelche Tricks, um diese Auflage zu umgehen.

Dann ging's mit Lukas zu Hempels, bzw. zum Anker, wie der Laden inzwischen heißt. Ein Projekt im Zusammenhang mit Obdachlosenarbeit. Eine Eckkneipe in der jeder willkommen ist, in der man für 30 Cent n Kaffee kriegt und mitgebrachten Alkohol konsumieren darf. Darin war Kiel Vorreiter. Andere Städte folgten.


Lukas erzählt vom Projekt und 5000 Wohnungslosen in Kiel.

Weiter ging es zur Veranstaltung im Anni Wadle Stadtteilladen. Die lokalen Inis stellten sich vor, Chefduzen, der Stadtteilladen, der seit "Li(e)ber Anders" (der Vorgängerladen) sich von einem Linken Treff mehr zu einem Stadtteilprojekt mit Blick auf die Soziale Situation ausrichten will. Das Wagenprojekt (Wohnen in Bauwagen und LKW) berichtete von seiner Odysse durch diverse vorrübergehende Stellplätze, ihre Öffentlichkeitsarbeit und die Probleme mit Stadt und Polizei. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum lieferte Zahlenmaterial zum Wohnen in Kiel und kündigte eine Kampagne mit dem Ziel "50% Sozialer Wohnungsbau" an und die Mieterinis berichteten darüber, daß es bei der Mieterorganisierung zum Thema Vonovia und LEG kurzfristig gute Moblilisierung gab, aber es schwer ist, die Mieter zu einer längerfristigen und kollektiven Zusammenarbeit zu bewegen. Sie wollen das Problem mit (u.a.) betrügerischen Nebenkosten für sich geklärt wissen und sind danach wieder weg.

Die Dänen erklärten noch einmal die schlimme Situation der Antighettopolitik der rechtsgerichteten Sozialdemokratischen Partei, die das Wort "Ghetto" durch "Parallelgesellschaft" ersetzt hat, aber mit ihrer rassistischen Wohnungspolitik weitermacht wie bisher. Ein gewisser Prozentsatz an "nicht-westlichen" Mietern genügt, um Gebäude zu entmieten und abzureißen. Und als "nicht-westlich" werden auch Menschen mit dänischem Paß gewertet, die fließend dänisch sprechen, selbst die in Dänemark geborene nächste Generation. Purer Rassismus.

Unter unseren Gästen war eine weitere Parlamentarierin, die für die Enhedslisten (dänische Linkspartei) Politik macht und über den Europäischen Gerichtshof die dänische Regierung diese rassistische Politik untersagen lassen will.

Bevor wir das Programm in einer Kneipe ausklingen lassen wollen, ging es noch zum berüchtigten Gartenprojekt am Steinmarderweg. Die Ecke galt eh im Problemstadtteil Gaarden als besonderer Hotspot. Berüchtigt wurde das Projekt durch die Lügenberichterstattung der KN. Doch nicht die Menschen dort waren das Problem, sondern die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen worden ist. An der Ecke konzentrierte sich extreme Armut und Ausbeutung. Ein Hells Angel machte den Slumlandlord. Meist Sinti/Roma aus Bulgarien und Rumänien wurden zu irren Mieten in ein Wohnhaus gesteckt, die Stadt sprach von 140 Bewohnern, ein Aktivist, der mit ihnen zu tun hatte, meinte, real seien es 240 gewesen. Die Menschen stapelten sich förmlich in den Räumen, die vor sich hinschimmelten. Arbeiterstrich. Lieferwagen sammelten da früh morgens Billigstarbeitskräfte ein für Arbeiten auf dem Bau oder der Ernte. Das Gartenprojekt nebenan bot ein Fünkchen Menschlichkeit. Pflanzen, Feuerstelle, Grafittywand, Aktivitäten, Parties, Konzerte, Workshops, Filme. Es kamen auch abends Trinker und Junkies und fanden einen Rückzugsort. Einige der Aktivisten zogen sich zurück. Ein Sprayer kümmerte sich weiter um die Menschen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen möchte und brachte ihnen täglich Selbstgekochtes. Das Projekt wurde im Begleitung einer widerlichen Berichterstattung von jetzt auf eben von der Stadt plattgemacht. Die Probleme der vetriebenen Menschen verschärften sich und verteilten sich weiter auf den Stadtteil.

Am folgenden Tag erhielten die Dänen ein Kontrastprogramm. Sie wären Gäste in den heiligen Hallen des Kieler Rathauses durch Björn von der Linkspartei.


Ein Ölgemälde von Kiel von sechszehnhunderthaumichtot.

Wir tagten erstmal im Ratsherrensaal.

Es wurde nochmal Wohnungspolitik diskutiert. Der Vorteil der mieterfreundlichen Gesetze bringt den Nachteil, daß sich Auseinandersetzungen institutionalisieren. Und die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Es bedarf eines ständigen Drucks und einer Organisierung. Die Mietergewerkschaft ist da hilfreich und wichtig. Ansonsten spielt aber das gesellschaftliche Klima mit dem Rechtsruck mit rein. Die Regierenden Parteien nutzen diese Stimmung um Privatisierungsprojekte voranzutreiben.



Es ging weiter über Gott und die Welt und natürlich über die aktuellen Schritte von Wagenknecht.


Das Rednerpult im Ratssaal wird inspiziert.

Dann kam Uli von der Rosa-Luxemburg-Stiftung vorbei. Er hat mal offiziell als Stadtführer gearbeitet. Er verarztete unsere Gäste mit einem Rundgang durchs Rathaus und durch Kiel auf dänischen Spuren. Kiel war lange Zeit unter dänischer Verwaltung. Wilde Geschichten um Adlige, Kriege, politische Heiraten und Morde, quer durch Skandivien, Rußland und Österreich. Eine Überdosis Geschichte.

Natürlich ging es auch zum Denkmal der kieler Matrosenaufstands, der sich zu einer Revolution entwickelt hat.



Uli versprach, wenn sie noch einmal nach Kiel kämen, hätte er für sie eine Stadtführung auf den Spuren der Revolution.

Die Dänen haben unerwarte Einblicke in die Stadt gekriegt, die sie nur flüchtig kannten. Sie waren ein wenig geschockt, wie stark und verbeitet echte Armut bei uns ist...

admin

Gedanken zur Stadtteilarbeit

Ich habe noch ein paar Bilder von dem Gartenprojekt zugeschickt gekriegt. Ein guter Anlaß für ein paar Überlegungen zur politischen Arbeit auf schwierigem Terrain.

Peter Kossen ist ein katholischer Pfarrer, der sich mit Extremausbeutung auseinandersetzt. Er prägte den Begriff "Wegwerfmenschen" für osteuropäische Arbeitskräfte in den Schlachthöfen, in Ernteeinsätzen oder auf Baustellen. Ich mußte an diesen Begriff denken, bei denen, die das kapitalistische System ausgespuckt hat, weil sie nicht mehr arbeitsfähig und unbrauchbar geworden sind. Menschenschrott, der Würde und des Schutzes beraubt, sich selbst überlassen... Suchtkrank und Obdachlos...



Das überfordert auch linke Aktivisten.

Es ist ja richtig, die extremen Probleme kann man nicht lösen. Es gibt natürlich auch den Gedanken, warum man unbezahlte Sozialarbeit machen sollte.




Und doch hat dieses Gartenprojekt sich am Ende als 1-Mann-Initiative den für die Geselschaft unsichtbaren Wegwerfmenschen gewidmet, den Leuten Hilfe und ein wenig Würde gegeben, indem er sie einfach ernst genommen und als Menschen gesehen hat.

Es ist nicht als Helfersyndrom abzutun. Ich sehe es als proletarische Selbsthilfe. Die einfachen Leute helfen sich gegenseitig, um in einer kalten, abweisenden Welt nicht unterzugehen.



Diese menschliche Hilfe verändert nicht die Gesamtsituation. Doch gehört sie zum Widerstand gegen die menschenverachtenden neoliberalen Verhältnisse. Es ist eine Hilfe im Überlebenskampf. Das darf man nicht ausblenden. Die "Ausstellung" am Zaun des geräumten Gartens ist ein Versuch einer Auseinandersetzung mit der Welt, die diese Zustände hervorbringt. Aufgehängt wurden die hetzerischen und unwahren Artikel der Lokalpresse.

  • Chefduzen Spendenbutton