Das Ende der Politik?

Begonnen von Carsten König, 13:56:34 Di. 27.Dezember 2005

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Carsten König

... mag man denken, wenn man sich betrachtet, mit welchen Themen sich Anbieter wie Spiegel.de herumschlagen...

ZitatBei den nächsten Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten kommt es möglicherweise zum Kampf der Titaninnen: Hillary Clinton versus Condoleezza Rice, weiß gegen schwarz, liberal gegen konservativ.

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,392361,00.html

Gender hin oder her, um die substantielle Ungerechtigkeit in dieser unseren Gesellschaft kümmern sich die Massenmedien nicht. Bezeichnend auch dies.

Klassenkampf

ZitatGender hin oder her, um die substantielle Ungerechtigkeit in dieser unseren Gesellschaft kümmern sich die Massenmedien nicht. Bezeichnend auch dies.

Das Geschlecht der beiden Kandidaten polarisiert. Dies wird, wenn der Wahlkampf in dieser Konstellation stattfindet, der zentrale Punkt der Wahlkampfshow 2008 sein.

Danach heißt es: Schwarz oder weiß. Rice wird zur neuen Ikone der schwarzen Bewegung, ihre Hautfarbe wird den Ausschlag geben, nicht der Inhalt oder Nicht-Inhalt ihrer Vorhaben. Der vollendete Schritt Malcolm X' oder Martin Luther Kings - eine grausige Vorstellung.

Zu guter letzt: Konservativ oder liberal. Was man in den USA als liberal versteht, ist in unseren Gefilden konservativ - einmal ganz abgesehen davon.
Der Weg der beschritten werden soll, ist die große Nebensächlichkeit in jedem Wahlkampf, in einem solchen aber in verschärfter Form.

Feministinnen werden ihre Freude haben, Rassisten allerdings nicht. Gewinnt Clinton wirft man den USA lauthals Rassismus vor (in bestimmten Alltagssituationen gar nicht zu unrecht), gewinnt Rice wird der Sieg als der ihrer Hautfarbe gewertet.

Neuer Wind in die US-Politik kommt in beiden Fällen nicht zustande: Clinton ersetzt dann Clinton oder Rice eben Bush - Blöße gibt sich eine liberale US-Regierung nicht: Ein Abzug aus dem Mittleren Osten findet auch dann nicht statt, lediglich behutsamer und mit mehr Bedacht auf die Weltgemeinschaft wird vorgegangen.

Aber: Vielleicht ist das in den Mittelpunkt rücken unglaublicher Nebensächlichkeiten wie Geschlecht und Hautfarbe die einzige Chance, mehr Amerikaner an die Wahlurnen zu holen. 60 Prozent Wahlbeteiligung, bei der Wahl des mächtigsten Mannes der Welt, legen es offen: Die USA legen wenig Wert auf ihre Demokratie, solange sie nicht als hehres Motiv für Interventionen genutzt werden kann.

Die Republikaner scheinen mit Rice der richtigen Schachzug (aus ihrer Sicht) anzuwenden: Schwarze Stimmen werden den Republikanern zufallen - nicht weil Rice ihre Brüder liebt, sondern weil sie Schwester ist: Blut ist dicker als Wasser, gerade in einem Land, indem die Hautfarbe derart polarisiert.
Zwar mag es den Schwarzen in ihren Ghettos nachher nicht besser gehen, aber sie können dann behaupten, daß man es sogar als Nachfahre eines Sklaven zu etwas bringen könne - die Vision, nicht der Nutzen daraus, ist dem US-amerikanischen Volk wichtig.

Oberflächlich, daß ist diese Anschauung des Wahlkampfes der stattfinden könnte. Aber sind wir das von den USA nicht gewöhnt?
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

ManOfConstantSorrow

Ach, das ist doch alles nix Neues!

Die Medien betreiben doch schon seit Jahren eine radikale Entpolitisierung.
Bei Ihnen geht es doch nie um den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit und deshalb auch nicht um die Interessenkonflike und ihre Vertreter.

Es gibt nur noch plumpeste Vulgärpsycholagiesierung. "Alphawolf" finden heutige Journalisten besonders chick, wenn sie von bestimmten Politikern reden. Bei Merkel ging in den Medien auch nie darum, wessen politische Interessen sie vertritt. Man ereiferte sich über ihren Hintergund als Ossi, als Protestantin, Kinderlos, daß sie ja eine Frau ist und ach, ihre Frisur und weh, ihr Schwitzfleck....



Aber:
ZitatDer vollendete Schritt Malcolm X' oder Martin Luther Kings - eine grausige Vorstellung.
Was sollte das denn? Die beiden bekämpften die Rassentrennung und Martin Luther King wurde erst dann ermordet, als er sich bemühte weiße Müllmänner zu einem Arbeitskampf zu organisieren.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

"In einem Zeitungsinterview parierte Angela Merkel gekonnt Fragen nach den Abseitsregeln und "Schalke 05". Auch einen Auftritt in der Kabine der deutschen Kicker wird sie sich nicht nehmen lassen."


"Die Frage nach dem aktuellen Bundesliga-Spitzenreiter fand die Regierungschefin fast beleidigend. "Na, jetzt hören sie aber auf! Das weiß ich schon."

"Merkel will Klinsmann kennen lernen"

Alle Zitate stammen aus dem Intellektuellenmagazin DER SPIEGEL

Wen soll man nur mehr hassen?
Diejenigen, die so einer hohlen Nuß die Stimme gegeben haben oder das hippe Public Relations Team, das ihr diesen Scheiß eingetrichtert hat?
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Carsten König

Der alte Goethe befand:

ZitatVernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.

Eine gelungene Vorwegnahme deutscher Politik

Carsten König

ZitatOriginal von ManOfConstantSorrow
"Merkel will Klinsmann kennen lernen"
 Intellektuellenmagazin DER SPIEGEL

Zitat"Lebhaft" kann sich Merkel noch an den Sieg der DDR bei der WM 1974 über die Bundesrepublik erinnern. Über deren WM-Sieg hat sich Merkel gefreut, aber nach eigenen Worten daran gestört, dass dabei von Deutschland die Rede war: "Das hat die Gefühle vieler im Osten verletzt".

DDR: Weltmeistervorrundenbesieger a la St. Pauli: Weltpokalsiegerbesieger???

Klassenkampf

Das Ende der Politik? Die Politik als Tarninstitution radikaler Wirtschaftsforderungen? Nicht erst seit Machiavelli wissen wir, daß Politik ein Schmierentheater ist. Einst als Selbstzweck, nun als Vermittler zwischen Kapital und Armut, natürlich den Verlockungen des ersteren unterlegen.

Doch wie dümmlich, wie abgedroschen, ja fast in peinlicher Hilflosigkeit sich Politik gebärdet, legt die Neujahrsansprache Merkels offen:

ZitatWeil Angela Merkel wohl selber das Gefühl hat, dass die Vorschläge, die die Regierung anbietet, wohl kaum Zuversicht und Optimismus auslösen können, versucht sie im Fußball-WM-Jahr den Ball an die Mitbürgerinnen und Mitbürger zurück zu spielen. Wie eine Motivationstrainerin redet sie auf uns ein und tut so, als ob es eigentlich nur an uns liege, das Land voran zu bringen. Motto: Jeder ist selbst seines Glückes Schmied!
 
,,Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend das Ziel setzen, im kommenden Jahr überall noch ein wenig mehr als bisher zu vollbringen?" ,,Ich möchte uns ganz einfach ermuntern herauszufinden, was in uns steckt!" ,,Ich bin überzeugt, wir werden überrascht sein!" ,,Sollte 2006 nicht das Jahr sein, in dem Sie versuchen, diese Idee in die Tat umzusetzen?" ,,Fangen wir einfach an!" ,,Im kommenden Jahr haben wir als Land alle gemeinsam eine große Chance!" ,,Wir können gemeinsam so viel erreichen!" ,,Jeder kann seinen Beitrag leisten! Überraschen wir uns damit, was möglich ist!" Wie ein Fußballtrainer einer gegen den Abstieg kämpfenden Mannschaft redet die Kanzlerin auf uns ein.
Nun ist Motivation wichtig, aber von einer Trainerin sollte man darüber hinaus erwarten, dass sie Fehler analysiert und konkrete Vorschläge macht, wie man das Spiel erfolgreicher gestalten will. Jeder Trainer weiß: Es bringt eine Mann- oder Frauschaft nur bedingt voran, wenn jeder nur für sich kämpft und jeder das letzte aus sich herausholt, wenn die Anlage des Spieles, das Spielsystem nicht stimmt.

Und was das Spielsystem anbetrifft, hat unsere Motivationstrainerin außer den bekannten Sprüchen nicht viel zu bieten. ,,Arbeit braucht Wachstum und Wachstum braucht Freiheit." Wie soll aber Wachstum entstehen? Freiheit für wen und von was?

,,Vielen (wird) bereits sehr viel abverlangt" meint die Kanzlerin. Hilft ihnen da der Hinweis auf die Freiheit? Und vor allem: Wer verlangt eigentlich vielen so viel ab? Ist einfach das Schicksal, das vielen viel abverlangt? Oder ist es nicht gerade auch die Politik, für die Frau Merkel steht?

,,Schritt für Schritt" sollen wir ,,voran gehen". ,,Viele kleine Schritte gehen, die aber in die richtige Richtung." Aber ist denn die Richtung der Schritte überhaupt richtig? Wohin führen die Schritte? Wo sind wir auf der eingeschlagenen Richtung vorangekommen?

Was sind das denn für Schritte, die die Bundesregierung gehen will?

* ,,Überall sparen". Doch was hat uns die Sparpolitik bisher gebracht - außer mehr Schulden?


* ,,Arbeitsvermittlung stärken". Doch was bringt eine stärkere Vermittlung, wenn keine zusätzlichen Arbeitsplätze da sind? Dass die Vermittlung allein nicht viel bringt, hat uns doch die gerade vorgelegte Studie über Hartz I bis III gezeigt, die die Bundesregierung selbst in Auftrag gegeben hat.


* ,,Arbeit, die rings um den Haushalt getan wird, steuerlich besser ...stellen". Liegt in der Beschäftigung von mehr Dienstmädchen wirklich die Zukunft der Arbeit?


* ,,Die Investitionsbedingungen für die Betriebe verbessern". Sind sie nicht schon dramatisch zu Lasten der Sozialausgaben verbessert worden, sind nicht schon genug Unternehmenssteuern gesenkt worden? Wo sind die Investitionen, wo ist das Wachstum geblieben?


* ,,Bürokratieabbau", ,,wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung", ,,eine Reform von Bund und Ländern", eine ,,echte" Reform (waren die bisherigen Reformen etwa unecht?) der Kranken- und Pflegeversicherung, ,,freier Welthandel" - die übliche Gebetsmühle eben.

Das war eigentlich schon alles, was uns die Kanzlerin als ihren ,,Beitrag", als den Beitrag der Regierungspolitik, ankündigt.

,,Sie hat gut reden, wird jetzt vielleicht der eine oder andere sagen. Ihr geht es gut, sie hat in diesem Jahr doch einiges von dem erreicht, was ihr wichtig war" sagt Angela Merkel mit entwaffnender Ehrlichkeit am Anfang ihrer Ansprache und fährt fort: ,,Aber mir? Wie soll es weitergehen nach dem Verlust meines Arbeitsplatzes? Wann finde ich endlich einen Ausbildungsplatz? Wie können wir die Pleite unseres Betriebes verhindern? Was wird aus mir und meiner Familie?"

Man soll von einer Neujahrsansprache ja nicht zu viel verlangen, aber hat Angela Merkel auch nur den Ansatz einer Antwort auf diese Fragen gegeben?

Im Fußball würde man auch eine neue Trainerin ziemlich rasch wieder entlassen, die immer nur die Vorschläge des erfolglosen, entlassenen Trainers wiederholt und deswegen – wie es so schön heißt – die Mannschaft nicht mehr erreicht. Da kann die neue Trainerin noch so sympathiegewinnend auftreten.

Hochnotpeinlich wirkt die öffentliche Freude über das Weltmeisterschaftsjahr 2006, vernebelt es doch den Blick auf die soziale Ungerechtigkeit in diesem Lande, und konzentriert das öffentliche Interesse auf ein Ereignis von zweifelhafter Wichtigkeit. Dennoch: Dazu paßt das Amt des Motivationstrainers.

Motivationstrainer? Ist dies das neue Primat der Politik? Weg von konkreten Planungen und Zielsetzungen, hin zur Motivation und Anleitung einer richtungslosen Herde, froh das sich einer ihrer erbarmt.

War Schröder ein Selbstdarsteller und ein Floskel- und Phrasenschmied höchster Güte, so ist Merkel seine Reinkarnation - es ist, als hätte sich nichts geändert. Nur eines: Die Politik ist nicht mehr dazu da, konkrete und gerechte Lösungen anzubieten, sondern die "Lösungsvorschläge" der Wirtschaft zu verwirklichen.

Die Masse verzichtet, im Hinblick auf das Wohl der Allgemeinheit, auf Fairness, Gleichbehandlung, Gerechtigkeit, Würde - ist das ein weiterer Schritt auf der Leiter menschlicher Gesellschaft? Selbstaufgabe zugunsten aller?
Die Zeichen der Zeit scheinen dies zu bestätigen, daran gewöhnen will man sich nicht.

Quelle
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

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