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Ämterstress - Fragen, Antworten und Erfahrungen => Infos + Urteile für Erwerbslose + Arbeitende => Thema gestartet von: Wernichtsweissmussallesgl am 14:00:03 Di. 05.November 2019

Titel: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 14:00:03 Di. 05.November 2019
Schalte grade durch den Videotext und da steht das das BVG festgestellt hat das Sanktionen von 60 % und 100% verfassungswidrig seien. Konkret ging es um einen Arbeitslosen, der mit 234,60 weniger im Monat auskommen musste, weil er beim Jobcenter ein Stellenangebot und "Probearbeit" abgelehnt hatte.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: tleary am 14:09:09 Di. 05.November 2019
Ja, war zu erwarten, daß das BVG das Sanktionsregime nicht komplett kippt. - Ich habe mir vorhin den Beitrag auf n-tv angesehen, und bei der Verlesung eigentlich nur "Bahnhof" verstanden, weil sich auf viele Paragrafen bezogen wurde, deren Inhalt ein Laie nicht kennt.

Die Frage ist halt, ob nicht mehrmals hintereinander 30 % Sanktionen ausgesprochen werden können. Aber ich glaube, die 30 % sind nun die Maximalsanktion. Laut BVG ist es also weiterhin legitim langsam ausgehungert zu werden vom Jobcenter. Wobei 30 % hält kein ELO lange bei der ohnehin vorhandenen Unterfinanzierung des Hartz-IV-Satzes durch.

Zur Streichung der Kosten für die Unterkunft habe ich im Urteil nichts gehört.

Naja, die nächsten Stunden wird sicherlich jemand, der sich besser auskennt, noch mehr dazu sagen können.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Kuddel am 14:13:50 Di. 05.November 2019
Die Entscheidung ist weder Fisch noch Fleisch.
Die Kommentare der Medien streuen nur Sand in die Augen.
Der Terror geht weiter, nur leicht abgeschwächt.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Tiefrot am 14:17:54 Di. 05.November 2019
Nägel mit Köpfen scheinen wohl sehr aus der Mode zu sein.
Behalten wir im Hinterkopf, das auch die Richter am BVerfG ein Parteibuch
in der Tasche haben, und so einer Parteiräson verpflichtet sind.

Dieses Urteil belegt das überdeutlich.  >:(
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 14:27:47 Di. 05.November 2019
Der Kommentar von Kuddel trifft es. Der Terror um die Existenz geht weiter.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 15:41:45 Di. 05.November 2019
Man sollte nicht vergessen wer diesen Sanktionsunsinn erfunden hat bis zur Obdachlosigkeit und Ableben.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 16:26:53 Di. 05.November 2019
ZitatSanktionen zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten bei Bezug von Arbeitslosengeld II teilweise verfassungswidrig

Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/bvg19-074.html
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 17:15:49 Di. 05.November 2019
Wenn das BVG eine 30%ige Sanktion für Menschenwürdig hält, kann sich jeder Vorstellen das Konservative Kreise die Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung usw. um 30% zu kürzen versuchen werden.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Troll am 17:42:50 Di. 05.November 2019
ExistenzMINIMUM, heißt imo KEINESFALLS WENIGER, keine 30%, keine 1‰, nichts, null, nada, niente.
Immer noch für die Politik schön schwammig gehalten, hätte man das nicht billiger auswürfeln können?
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 17:47:59 Di. 05.November 2019
Ohne Sanktion wäre das ganze ja ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Troll am 18:43:49 Di. 05.November 2019
Genau das wurde schon öfter aus Marktliberalen Mündern behauptet, die die der gesamten Gesellschaft gerne pauschal Faulheit vorwerfen sich aber wiederum nicht zu schade sind von diesen verachtenden Faulen zu schmarotzen, viele Faul ,viel schmarotz.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 18:56:04 Di. 05.November 2019
Da hast Du recht Troll
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 20:27:46 Di. 05.November 2019
Dass das BVerfG die Sanktionen komplett kassiert, habe ich auch nicht erwartet. Das Urteil ist aber dennoch ein Zugeständnis an die Proteste gegen H4. Eine sanktionslose Grundsicherung müssen wir uns politisch durch Weiterführung der Proteste gegen H4 erkämpfen.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 20:40:32 Di. 05.November 2019
Mal sehen was Hubertus Heil daraus macht. Warscheinlich lassen die sich irgendwelche andere Schikanen einfallen. Auf jeden Fall erwarte ich vom  Harzt4Amt  Zurückhaltung mit Erpressung und Nötigung.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: BGS am 21:22:17 Di. 05.November 2019
Für wie viele Jahre rückwirkend bekommen nun die Betroffenen von "Sanktionen von 60 % und 100%" eine Erstattung der einbehaltenen Gelder und werden die Geldentwertung + die Steigerung der Lebenshaltungskosten  geziemend berücksichtigt?

Und was ist z. B. mit den vielen obdachlos gemachten Menschen, den durch Sanktionen krank und einsam gemachten Leuten etc.?

MfG

BGS
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 22:41:40 Di. 05.November 2019
Ja, das frage ich mich auch. Obdachlos, ich glaube das kann sich keiner richtig vorstellen. Keinen Ort der Wärme, Sicherheit, Entspannen. Unglaublich. Ich war oft in Psychiatrischen Kliniken, da waren auch viele Obdachlose. Viele wurden ohne Hilfe wieder auf die Strasse gesetzt oder auf so eine Art Gnadenhof wie bei Tieren vermittelt mit 80 Euro Taschengeld wenn man Krank genug ist.  Ich hoffe die Sanktionierten haben alle Widerspruch eingelegt, um das Rückgängig zu machen.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Ziggy am 13:04:53 Mi. 06.November 2019
Hallo zusammen!

Ich stelle für mich fest, daß in diesem Land zunehmend "amerikanische" Denkmuster Einzug halten. Wer in Not gerät, ist selbst schuld und soll auch alleine sehen, wie er da wieder rauskommt. Gleichzeitig nimmt Empathie rapide ab. Die globale Erwärmung bezieht sich leider nur auf das Klima. Für den Menschen wird es dagegen immer kälter.

Der Kapitalismus zeigt sein wahres Gesicht.

Wenn ich die Leser-Kommentare auf Spiegel Online lese, wird mir speiübel.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: NachbarArsch am 14:09:59 Mi. 06.November 2019
Hier gabs nen Interview mit dem Kläger...
https://www.freie-radios.net/98178

Er gibt sich da recht optimistisch, obwohl er vorher im Interview nicht viel Gutes an unserem Rechtsystem findet.
Wäre mal interessant wie dieses Urteil jetzt eingeschätzt wird.

weitere Infos dazu auch:
https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2565/
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Onkel Tom am 21:01:19 Mi. 06.November 2019
Aus der Urteilsverkündung ist jedoch mehr bei rausgekommen, wie ich zunächst hoffte.

Anhand der Vorgeschichten bin ich davon ausgegangen, das künftig keine Vollsanktion
mehr verhängt werden dürfte und U25 und Ü25 gleichermaßen gestaffelt sanktionierar
sind..

Das auf ein sogenanntes Bestrafungsinstrumennt nicht verzichtet werden will, war
vorhersehbar.. Nach 15 Jahren wirschaftsprofitmaximirung durch H4 hat dieses Urteil nun
eingeleitet, das das JC Erwerbslose nicht mehr so einfach in die Obdachlosigkeit treiben
kann.. Im Prinzip wurde damit die schlimmsten Befürchtungen, die Erwerbslose kaputt
machen, gestoppt und das ab sofort..

Hauptsächlich ging es anbei um die Sanktionsparagrapen § 31.. SGB II in Verbindungen
mit Artikel aus dem Grundgesetz. Ich denke, das die Umfrage von Harrald Thomee im
wesentlichem dazu beigetragen hat, JC-Willkürlichkeiten per Gerichtsurteil ein zu dämmen.

Hubertus hat dazu heute vorgeschlagen, die Sanktionen ganz weg zu lassen, womit die
CDU nicht einverstanden ist.. Bis da Gesetzesänderungen verabschiedet werden, bleibt
es derzeitig so, das maximal 30% des Regelsatzes gekürzt werden darf..

Die Kosten der Unterkunft und KV-Beiträge wurden bislang durch Vollsanktion nicht mehr
bezahlt. Da eine 60% und 100% Sanktion mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, sind
die JCs nun daran gehalten, gegenwärtig laufende Sanktionen auf die 30% zu reduzieren.

In den Medien wurde immer gelabert, das Sanktionen gerade mal 3 % der ALG-II-Bezieher
betreffen.. Das glaube ich nicht, da z.B. in HH von 107000 Elos nun 15% auf Sanktions-
anpassung überprüft werden müssen.. Machen also satte 16050 Sanktionen aus, die
gegenwärtig laufen.. In Bremen und Berlin soll es ähnlich ausgeufert sein..

Kurz vor der Urteilsverkündung konnte die Blöd-Online ihr Schandmaul nicht halten und
musste noch mal richtig Erwerbslose diffamieren..

Hüstel.. Warum wird hier eigendlich noch Spiegel-Online gelesen ? haben sich ja auch
krass geändert nech ? Gut, das ich mittlerweile zu faul dazu geworden bin, nach jeden
Linux-Update es zu versuchen Spamblocking auf zu heben. Bei Firefox müsste ich alle
Sicherheitsoptionen fallen lassen um den Senf von Spiegel lesen zu können..

Diese stetige Paranoia, das man durch Zikkigkeiten eines JC-SB die Wohnung verlieren
könnte, sind damit endlich vorbei..  :)
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Tiefrot am 21:52:56 Mi. 06.November 2019
Mit dem Urteil dürfte ein Anfang zum kompletten Fall des Sanktionsregimes gemacht sein.
Wann es fällt, dürfte eine reine Zeitfrage sein.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: tleary am 23:10:11 Mi. 06.November 2019
Zitat von: Wernichtsweissmussallesgl am 15:41:45 Di. 05.November 2019
Man sollte nicht vergessen wer diesen Sanktionsunsinn erfunden hat bis zur Obdachlosigkeit und Ableben.
Vielleicht sollte man anstatt der Mauertoten einmal der Toten durch das Hartz-IV-System gedenken. Wobei dieses Gedenken dann durch einen möglichen Gesinnungswandel sogar künftig Menschenleben retten könnte.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: tleary am 23:50:09 Mi. 06.November 2019
Zitat von: Onkel Tom am 21:01:19 Mi. 06.November 2019
In den Medien wurde immer gelabert, das Sanktionen gerade mal 3 % der ALG-II-Bezieher
betreffen.. Das glaube ich nicht, da z.B. in HH von 107000 Elos nun 15% auf Sanktions-
anpassung
überprüft werden müssen.. Machen also satte 16050 Sanktionen aus, die
gegenwärtig laufen.. In Bremen und Berlin soll es ähnlich ausgeufert sein..

.... womit du absolut richtig liegst! Denn die Berechnung der Sanktionsquote war schon immer eine Fälschung - und zwar eine gigantische, gleich dreifache!

Ich hab' jetzt mal kurz nachgeforscht, und bin doch auf erhebliche Fehler bei der Berechnung der Höhe der Sanktionsquote gestoßen:

Die "Zeit" behauptet in einem Artikel vom 10.10.2018 mit der Überschrift "Zahl der Hartz-IV-Sanktionen leicht gesunken"....
Zitat
Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ist in den ersten sechs Monaten des Jahres (2018) leicht auf knapp 449.550 gesunken. Das waren rund 25.800 weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum, teilte die Bundesagentur für Arbeit mit. Die Sanktionsquote – also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten – lag unverändert bei 3,1 Prozent.
Wenn ich jetzt nachrechne: 449.550 Sanktionen im 1. Halbjahr, macht hochgerechnet aufs ganze Jahr ziemlich genau 900.000. Die "Sanktionsquote" beträgt laut "Zeit" aber nur 3,1 Prozent. Teilt man nun aber die Zahl der Sanktionen (449.550) durch 3,1 und multipliziert sie mit 100, kommt man auf 14,501 Mio. "erwerbsfähige Leistungsberechtigte", was unmöglich stimmen kann. In Wirklichkeit ist sie nur halb so hoch (7,2 Mio.). Somit liegt die Quote bei 6,2 % wenn man sie aufs ganze Jahr (was ja auch die korrekte Grundlage wäre) rechnet. - Das war der erste Teil der Statistikfälschung.

Aber es kommt wird noch bunter... Teil 2 der Fälschung: Es wird als Basiswert die Gesamtzahl aller Hartz-IV-Bezieher (also auch die Kinder, Angehörigen, Kranken, Alleinerziehenden und diejenigen, die einen Angehörigen pflegen) herangezogen. Die tatsächliche Basis dürften aber nur jene Personen darstellen, die tatsächlich "dem Arbeitsmarkt mindestens 3 Stunden täglich zur Verfügung stehen". Kinder und Kranke tun dies bekanntlich nicht.

Das sind aber nur 2,270 Mio. (leider nur Zahl aus 2017 verfügbar von O-Ton-Arbeitsmarkt, aber egal, da 2018 noch niedriger, und somit die Sanktionsquote noch höher ausfiele).

Diese Zahl setzt sich zusammen aus den
"Arbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten": 1,665 Mio.
und den "in arbeitspolitischen Maßnahmen": 0,605 Mio.

Nimmt man nun die 900.000 Sanktionen und teilt diese durch die 2,270 Mio. erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger kommt man auf eine Sanktionsquote von sage und schreibe 39,64 % (!) -und nicht nur "3,1 %" wie in den Medien immer verlautbart wird. - Somit wurde 2018 mehr als jeder Dritte Arbeitslose ALG-II-Empfänger sanktioniert.

Kann das wirklich sein, daß das Arschamt so brutal seine Statistik frisiert, oder habe ich einen Denkfehler in meiner Berechnung drin?


Artikel der "Zeit": https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-10/arbeitslose-hartz-iv-sanktionen-gesunken-leistungskuerzungen-jobcenter
Statistik O-Ton-Arbeitsmarkt: http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/o-ton-news/hartz-iv-empfaenger-nicht-einmal-jeder-zweite-ist-offiziell-arbeitslos
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Kuddel am 09:52:29 Do. 07.November 2019
Zitat von: Tiefrot am 21:52:56 Mi. 06.November 2019
Mit dem Urteil dürfte ein Anfang zum kompletten Fall des Sanktionsregimes gemacht sein.
Wann es fällt, dürfte eine reine Zeitfrage sein.

Daß der Fall der Sanktionen von selbst kommt, sehe ich nicht.
Es ist stets ein Spiegel der Machtverhältnisse.

Zitat von: counselor am 20:27:46 Di. 05.November 2019
Das Urteil ist aber dennoch ein Zugeständnis an die Proteste gegen H4.

So ist es. Die Stimmung gegen Hartz IV in der Bevölkerung ist stark. Die Proteste dagegen eher schwach.
In der SPD windet man sich. Öffentlich distanziert man sich von Hartz IV, diejenigen, die etwas zu sagen haben, wollen es möglichst erhalten.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Onkel Tom am 12:35:45 Do. 07.November 2019
Zitat von: tleary am 23:50:09 Mi. 06.November 2019

.... womit du absolut richtig liegst! Denn die Berechnung der Sanktionsquote war schon immer eine Fälschung - und zwar eine gigantische, gleich dreifache!
...

Soweit habe ich mir das nicht ausgerechnet und das aus "politischen Gründen" der Stand
zu Sanktionen "verharmlost" werden, finde ich plausibel..

Doch in Zahlen allein kann man sich leider auch "verschwören", da die Grundlagen der
Statistik ein "verdecktes Blatt" der BA ist.. Ich habe meine Infos dazu im Hamburg Jornal
aufgeschnappt und ob die Berechnung den Tatsachen entspricht, kann ich nicht verantworten.

Aber "relativ" könnte es hin kommen.. Jo, immer das Problem mit genauen Zahlenangaben  ::)
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 20:10:54 Do. 07.November 2019
ZitatStatement der Koordinierungsgruppe zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen

Entscheidung des Bundesverfassungsgericht (BVG) gegen Sanktionen in Hartz IV: Erfolg des Widerstands gegen Hartz IV, der Kampf geht weiter!

Quelle: http://bundesweite-montagsdemo.de/?p=4330
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Onkel Tom am 20:15:15 Do. 07.November 2019
Hier dazu der erste Zoff darüber im Bundestag..

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw45-de-hartz-iv-664922

Ne Stunde, die sich lohnt an zu schauen.. Bekannte Bonzenparteien schimpfen wie die
Rohrspatzen.. Hmm.. AFD musste anbei wieder ihren Rassismus austoben  :(

Weiter dazu der Antrag der Partei die Linke..

dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/147/1914788.pdf
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Troll am 20:52:16 Do. 07.November 2019
ZitatHartz-IV-Urteil: Angriffe auf das Existenzminimum sind in Ordnung

Das Verfassungsgericht hat in seinem aktuellen Urteil zu Hartz-IV Kürzungen bis zu 30 Prozent für rechtens erklärt – das ist kein Grund zum Jubeln. Durch mangelnde Eindeutigkeit hat das Gericht es zudem versäumt, Rechtsfrieden zu stiften: Für die einen ist das Urteil ein ,,Quantensprung", für die anderen eine Einladung zum Faulenzen. Während sich viele große Medien erwartungsgemäß positionieren, erstaunt der teils erklingende Beifall von ,,linker" Seite. Von Tobias Riegel.

...

HTML5: https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/191107_Hartz_IV_Urteil_Angriffe_auf_das_Existenzminimum_sind_in_Ordnung_NDS.mp3
Quelle: NDS (https://www.nachdenkseiten.de/?p=56181)
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: tleary am 09:09:39 Fr. 08.November 2019
In meinen Augen hat das BVG damit seine Parteiigkeit gegenüber dem Staat gezeigt, und somit seine Legitimation verloren. Hätte eine Art "Computerprogramm" das mit sämtlichen Artikeln des Grundgesetztes gefüttert ist, sein neutrales (also streng nach Gesetzestext) Urteil ermittelt, hätten die Sanktionen komplett für rechtswidrig erklärt werden müssen.

Das Erlauben der 30 %-Sanktion ist erst recht verfassungswidrig. Denn entweder das Existenzminimum ist unantastbar, oder eben nicht. Und nicht "zu 30 % ist es okay".

Aber gut, von solchen Verfassungsrichtern, die ihr Leben lang die Speichellecker des Systems waren (sonst wären sie gar nicht in der Position gelandet) konnte man nichts anderes erwarten.

Zitat von: Onkel Tom am 12:35:45 Do. 07.November 2019
Aber "relativ" könnte es hin kommen.. Jo, immer das Problem mit genauen Zahlenangaben  ::)
Also, ich kenne 5 Langzeitarbeitslose (incl. mir), und jeder von denen war jeder zumindest schon einmal von einer Sanktion bedroht.

900.000 Sanktionen pro Jahr ist ja auch eine gigantische Zahl. Pro Arbeitstag (250) kommt man da ja schon auf 3.600 - und das Tag für Tag!

Das kann unmöglich sein, daß davon nur 3 % aller Hartz-IV-Bezieher während eines Jahres betroffen sind.

Aber von der bürgerlichen Presse macht sich natürlich keiner einmal die Arbeit, die Zahlen der BA zu hinterfragen.

Zitat
Entscheidung des Bundesverfassungsgericht (BVG) gegen Sanktionen in Hartz IV: Erfolg des Widerstands gegen Hartz IV, der Kampf geht weiter!
Finde ich übrigens bedenklich, das a) als "Erfolg" zu feiern und noch dazu als b) durch die eigenen Proteste erzwungen.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Troll am 10:29:49 Fr. 08.November 2019
Es ist hoffentlich ein weiterer Sargnagel für den Hartz-Mist, das frustrierende ist die Langsamkeit.
Mich haut das Urteil auch nicht vom Hocker, ich sehe nur in der kompletten Abschaffung der Agenda-Repressionen eine Verfassungskonformität, aber ich bin eben kein Jurist sondern Träumer.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Helmy am 12:15:26 Fr. 08.November 2019
aber ich bin eben kein Jurist sondern Träumer.

Aber vielleicht bist Du nicht der einzigste! ;)
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: dagobert am 20:37:28 Fr. 08.November 2019
Zitat von: BGS am 21:22:17 Di. 05.November 2019Für wie viele Jahre rückwirkend bekommen nun die Betroffenen von "Sanktionen von 60 % und 100%" eine Erstattung der einbehaltenen Gelder
Gar nicht, die Tür hat das BVerfG zu gemacht.
Nachzulesen am Ende, ab Rz 219:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/11/ls20191105_1bvl000716.html

Zitat von: BGS am 21:22:17 Di. 05.November 2019Und was ist z. B. mit den vielen obdachlos gemachten Menschen, den durch Sanktionen krank und einsam gemachten Leuten etc.?
Für das BVerfG uninteressant.

Zitat von: NachbarArsch am 14:09:59 Mi. 06.November 2019Hier gabs nen Interview mit dem Kläger...
https://www.freie-radios.net/98178
Boes war nicht der Kläger.

Zitat von: Onkel Tom am 21:01:19 Mi. 06.November 2019In den Medien wurde immer gelabert, das Sanktionen gerade mal 3 % der ALG-II-Bezieher betreffen. Das glaube ich nicht
Stimmt auch nicht.
https://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/11/05/sanktionsquote-und-sanktionsverlaufsquote/

Zitat von: Tiefrot am 21:52:56 Mi. 06.November 2019Mit dem Urteil dürfte ein Anfang zum kompletten Fall des Sanktionsregimes gemacht sein.
Wann es fällt, dürfte eine reine Zeitfrage sein.
Das seh ich noch nicht.
30% Kürzung von zu wenig sind immer noch zu viel.

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https://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/11/06/ein-sowohl-als-auch-urteil/

https://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/11/08/erste-auswirkungen-des-bverfg-urteils-zu-den-sanktionen-im-hartz4-system/
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 06:48:41 Sa. 09.November 2019
Zitat von: tleary am 09:09:39 Fr. 08.November 2019
Zitat
Entscheidung des Bundesverfassungsgericht (BVG) gegen Sanktionen in Hartz IV: Erfolg des Widerstands gegen Hartz IV, der Kampf geht weiter!
Finde ich übrigens bedenklich, das a) als "Erfolg" zu feiern und noch dazu als b) durch die eigenen Proteste erzwungen.
Ich halte es durchaus für einen Erfolg, dass Erwerbslose jetzt nicht mehr durch eine Kette von Sanktionen obdachlos gemacht werden können bzw zum Hungertod verurteilt werden können (durch Totalsanktionen). Und an dem Urteil hat der organisierte 15Jahre andauernde Widerstand gegen H4 garantiert eine Mitschuld. Wir haben nämlich dazu beigetragen, dass die kritische Diskussion um H4 nie verstummt ist.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Kuddel am 09:22:22 Sa. 09.November 2019
Zitat von: tleary am 09:09:39 Fr. 08.November 2019
Finde ich übrigens bedenklich, das a) als "Erfolg" zu feiern und noch dazu als b) durch die eigenen Proteste erzwungen.

Das halte ich für eine Fehleinschätzung der Proteste.
Wir haben keine vorrevolutionäre Situation wie in Chile, im Irak oder im Libanon, wo man mit Plünderungen, Generalstreiks und Blockaden der Verkehrsadern, die Regierug direkt zu etwas zwingt.

Es gab und gibt eine Unzahl an Protesten gegen Hartz IV und Verarmung. Die werden von den Medien ingnoriert oder ins Lächerliche gezogen, doch sie sind alles andere als wirkungslos. Sie sind der stete Tropfen, der den Stein höhlt. Sie sind der Grund, warum die SPD in der Bedeutungslosigkeit verschwindet und die "Volksparteien" ihre Autorität verloren haben.

Ich halte weiterhin kleine und beharrliche Aktionen und Proteste (egal zu welchem Thema) für notwendig. Sie sind völlig unterschätzt. Sie sind die Grundlage für wesentliche Veränderungen.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 14:18:23 Sa. 09.November 2019
Die meisten Leute unterschätzen die Wirksamkeit kleineren, beharrlichen Widerstands. Es ist aber so, dass gerade diese Proteste auf die Gesellschaft verändernd wirken, wenn sie langfristig angelegt sind, weil dadurch Leute politisiert werden.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 17:27:51 Sa. 09.November 2019
ZitatExistenzminimum, Menschen­würde und Verhältnis­mäßigkeit - Zum Urteil des BVerfG zu den Hartz-IV-Sanktionen

Quelle: https://verfassungsblog.de/existenzminimum-menschenwuerde-und-verhaeltnismaessigkeit/
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 21:00:39 Sa. 09.November 2019
ZitatKommentar: Das Urteil zu den Hartz IV-Sanktionen bestätigt das Prinzip von Fördern und Fordern und ist deshalb kein Erfolg für Erwerbslosenbewegung
https://www.heise.de/tp/features/Hartz-IV-Sanktionen-der-strafende-Staat-bleibt-erhalten-4580181.html
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 21:23:12 Sa. 09.November 2019
Dass das BVerfG das Sanktionsregime ganz kippt, das war nicht zu erwarten. Bei einer Bewertung, ob ein Urteil ein Erfolg ist, muss man immer in Rechnung stellen, dass die Mehrzahl der Richter jeden rechten Schweinkram aus innerer Überzeugung mitmacht. Deswegen stimme ich mit dem Heise-Artikel und @tleary nicht überein.

Letztlich müssen die Hartz-Gesetze ganz vom Tisch. Das bedeutet, dass wir einen politischen Kampf für die unbefristete Zahlung des Arbeitslosengeldes 1 für die Dauer der gesamten Arbeitslosigkeit in einer Mindesthöhe von zZt €1050,00 führen müssen. Auf Kosten der Kapitalisten.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Kuddel am 13:42:40 Mi. 13.November 2019
ZitatAuswirkungen des Hartz IV Urteils auf das Migrationsrecht: Leistungskürzungen bei MigrantInnen und Flüchtlinge nicht mit Bundesverfassungsgerichtsurteil vereinbar
http://www.labournet.de/?p=157260
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 16:54:39 Mi. 13.November 2019
Bei der Bewertung des Urteils darf man nicht vergessen, dass die 60% und 100% Sanktionen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gescheitert sind, und zwar am Nachweis der Geeignetheit. Sollte dem Gesetzgeber der empirische Beweis gelingen, dass diese Sanktionen erforderlich, geeignet und angemessen zum Ziel der existenzsichernden Arbeitsaufnahme sind, könnten solche Sanktionen wieder kommen. Dagegen müssen wir auch kämpfen.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Kuddel am 12:33:11 Fr. 15.November 2019
Die jüngste Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts zu den »Hartz IV«-Sanktionen gilt vielen als Fortschritt. Allerdings wird damit das Zwangssystem festgeschrieben.

(https://abload.de/img/13016928jn2.jpg) (https://abload.de/image.php?img=13016928jn2.jpg)

https://www.jungewelt.de/artikel/366864.sozialstaat-die-w%C3%BCrde-des-menschen-ist-antastbar.html
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 21:27:08 Fr. 15.November 2019
Sanktionen müssen komplett weg. Das hat was von KZ-Strafe. Konzentrationslager in irgendeiner "Massnahme". Ohne damals Betroffene zu Nahe treten zu wollen. Der Massnahmequatsch um Arbeitslosenzahlen zu senken gehört komplett abgeschaft.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: tleary am 07:02:46 Fr. 13.Dezember 2019
Jetzt wäre die Zeit für Demonstrationen - gerade auch von ELO's - dagegen, um die Sache am Köcheln zu halten, weil die Befürworter momentan in der Defensive sind. Aber leider kommt wieder 'mal nix, außer der Diskussionen der Betroffenen im Internet.

Gäb's das I-Net nicht, wäre der Protest auf der Straße vielleicht schon real. I-Net hat auch eine Art Ventilfunktion zugunsten dieses Systems.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 21:13:57 So. 15.Dezember 2019
Im NTV Wideotext ruft Carola Rackete zum Wiederstand auf. Da die derzeitige Regierung Beschlüsse fasst,  die nicht wieder Rückgängig zu machen seien.Wer stillhält macht sich mitschuldig am Wirken der Regierung.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Wernichtsweissmussallesgl am 00:43:56 Di. 17.Dezember 2019
Carola Rackete ruft zum Zivilen ungehorsam auf. Während im ehemaligen Jugoslawien Flüchtlinge auf einer Müllkippe campieren bei der Kälte. Das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten und höre mir grade Autobiografische Aufzeichnungen von "Rudolf Höss" auf youtube an.Da sind wir nicht mehr weit von entfernt .Wo Bücher brennen ,brennen auch irgendwann Menschen. Ich werde mich aufzulehenen versuchen. Wer sich das anhört wird erkennen das wir wieder daraufhinzusteuern.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Sunlight am 01:48:28 Di. 17.Dezember 2019
Eine Woche nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht urteilt der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu der Möglichkeit von Sanktionen bei existenzsichernden
Leistungen (Rs C-233/18).

Zitat

Thomé Newsletter 44/2019 vom 09.12.2019  (https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2588/)

1. EuGH: Die Mitgliedstaaten müssen dauerhaft und ohne, auch nur zeitweilige, Unterbrechung einen menschenwürdigen Lebensstandard gewährleisten.
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Existenzminimum nach Luxemburger Art – Der EuGH zu der Möglichkeit von Sanktionen bei existenzsichernden Leistungen im Flüchtlingssozialrecht

Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebensstandards sind unantastbar. Das hat die große Kammer des EuGH in der Rs Haqbin (C-233/18) am 12. November 2019 für das Flüchtlingssozialrecht entschieden. § 1a AsylbLG wird den Anforderungen des EuGH nicht gerecht, und das BVerfG könnte am Ende den Kürzeren ziehen, wenn es die Rechtsprechung des EuGH nicht berücksichtigt und die Sozialgerichtsbarkeit in Sachen Sanktionssystem stattdessen Rat in Luxemburg sucht.

Diese Entscheidung des EUGH kam nur eine Woche nachdem das BVerfG mit langen, aber kaum überzeugenden Ausführungen (dazu z.B. hier) versucht hat, zu plausibilisieren, warum ein Entzug existenzsichernder Leistungen (ein Minimum unter Minimum) möglich ist – ja sogar Leistungskürzungen bis zu 100 Prozent nicht auszuschließen seien. Der EuGH stellt mit dem Urteil klar, dass das menschenwürdige Existenzminimum nicht verhandelbar ist und unter keinen Umständen sanktioniert und mithin eingeschränkt oder entzogen werden darf und die BVerfG-Entscheidung zu Sanktionen eben nicht EU-konform seien.

Die Mitgliedstaaten müssen dauerhaft und ohne, auch nur zeitweilige, Unterbrechung einen menschenwürdigen Lebensstandard gewährleisten.

Hier das EuGH Urteil im Wortlaut: https://t1p.de/wobr
Und der dahingehende Aufsatz in Verfassungsblog:  https://verfassungsblog.de/existenzminimum-nach-luxemburger-art/

Das Urteil dürfte auch einige Relevanz in den Diskussionen in der SPD um das neue Sozialstaatskonzept entfalten. 


Der Verfassungsblog  (https://verfassungsblog.de/existenzminimum-nach-luxemburger-art/) enthält eine interessante Passage:

ZitatDie Entscheidung des BVerfG zu Sanktionen im SGB II kann ihm noch Probleme bereiten, wenn auch nicht in absehbarer Zeit. Zwar läuft derzeit ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, in dem es um die Sanktionen nach § 1a AsylbLG geht, aber es betrifft eine geduldete Person, für die die Entscheidung des EuGH nicht unmittelbar relevant ist. Wenn jedoch ein Sozial- oder Landessozialgericht die Sanktionstatbestände des AsylbLG, die Asylsuchende betreffen, dem BVerfG vorlegt und das BVerfG vorher in einem Grundsatzurteil die Sanktionen im AsylbLG nicht für verfassungswidrig erklärt hat, ist ein Konflikt zwischen Luxemburg und Karlsruhe zwar nicht vorprogrammiert. Er ist aber auch nicht ausgeschlossen.

Der Konflikt zwischen EuGH und dem BVerfG zwar nicht vorprogrammiert, aber auch nicht ausgeschlossen. Mit
anderen Worten, es kann dem BVerfG noch auf die Füsse
fallen so entschieden zu haben.
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 17:29:41 So. 30.Januar 2022
Zitat

2. Neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit: Wenn 2G-Zugangsregelungen gelten, entfallen bestimmte Sanktionen
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Die BA hat eine neue Weisung herausgegeben und in dieser klargestellt, dass Meldeaufforderungen von Jobcentern, die aufgrund der lokal kritischen Situation der Corona-Pandemie befristet 2G-Zugangsregelungen erlassen, im Kontext mit einer 2G-Regel grundsätzlich ohne Rechtsfolgenbelehrung zu erlassen sind. Ebenso stellt die BA klar, dass bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die infektionsschutzrechtlichen Regelungen der jeweiligen Länder gelten und Minderungen aufgrund des Nicht-Antritts oder Abbruchs einer Eingliederungsmaßnahme im Kontext 2G ebenfalls nicht zulässig sind (FH 67, S. 35 ff). Link zur neuen Weisung zu § 67 vom 26.01.2022: https://t1p.de/yll8d

Ergänzend dazu: Keine Sanktionierung bei telefonischen Meldeterminen

Im Zuge der pandemiebedingten Praxis erfolgt die Aufforderung der Jobcenter, Meldetermine nun auch telefonisch durchzuführen. Eine Meldeaufforderung zu einem Telefontermin ist nicht sanktionsfähig, da § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III als Pflicht vorschreibt ,,zu erscheinen". Eine Nichterfüllung eines Telefontermins ist kein Erscheinen und deshalb auch nicht sanktionsfähig. So auch die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken: https://t1p.de/yuync

3. Ich frage nur mal so: Wo ist denn das von der Ampel-Koalition großmundig angekündigte Sanktionsmoratorium abgeblieben?
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Letztes Jahr hatten die Koalitionäre ein einjähriges Sanktionsmoratorium angekündigt. Ich erinnere nochmals:
Veröffentlichung im Tagesspiegel vom 24.11.2021: Keine Sanktionen bis Ende 2022 - Abschied von Hartz IV – jetzt kommt das Bürgergeld
(https://t1p.de/sz4kd), Stellungnahme von Sven Lehmann (Grüne): https://t1p.de/wc3x


Sven Lehmann schreibt: ,,Bis zur gesetzlichen Neuregelung keine Sanktionen. Bis Ende 2022 wollen wir die Mitwirkungspflichten der Bürgergeldbeziehenden neu regeln. Bis dahin gilt ein Sanktionsmoratorium: Es werden keine Sanktionen unter das Existenzminimum mehr verhängt" [....] ,,Kosten der Unterkunft und Heizung werden grundsätzlich von Sanktionen ausgenommen und Unter-25-Jährige nicht mehr verschärft sanktioniert" (Das neue Bürgergeld, Sven Lehmann MdB, 24.11.2021).

Ich hatte zu dem Sanktionsmoratorium grundlegende Zweifel angemeldet (Thomé NL 44/2021: https://t1p.de/mvz3) und die Vermutung geäußert, dass hier die bereits vom BVerfG auf 30 % begrenzten Sanktionen jetzt als Sanktionsmoratorium verkauft werden sollten.

Auf jeden Fall ist hier eine Klarstellung durch die Ampel gefragt. Soll es jetzt das Sanktionsmoratorium geben oder nicht. Und wenn ja, wann wird das Gesetz dahingehend geändert? Oder war das nur eine PR – Unwahrheit um die Zustimmung zum Koalitionsvertrag zu erhalten?

Meine Position zum angeblichen Sanktionsmoratorium habe ich hier dargelegt: https://t1p.de/mvz3


Quelle: Thomé Newsletter

Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: Onkel Tom am 18:38:37 So. 30.Januar 2022
Na denn Finger weg vom Telefon, nur weil Mobcenter was will..
Den frustrierenden Schall und Rauch mit dem JC via Telefon kennt man ja schon..

Ist doch mal eine erfreuliche Info  :)
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 19:56:41 So. 15.Mai 2022
Zitat3. Öffentlichen Anhörung am 16. Mai 2022 zum Sanktionsmoratorium
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Am 16. Mai findet die öffentliche Anhörung zur Aussetzung der Sanktionen bei Hartz IV statt. Die Stellungnahmen der Sachverständigen gibt es auf der Webseite des Bundestags: https://t1p.de/43h3d
Die Stellungnahme des Pari ist dort nicht veröffentlicht, die gibt es hier: https://t1p.de/u3om4
Die Tachelesstellungnahme zum Beginn des Gesetzgebungsverfahrens gibt es hier: https://t1p.de/rncf7

Kurze Stellungnahme von mir dazu: Das Gesetz ist faktisch ein Sanktionsmoratömchen. Die Sanktionen sollten komplett ausgesetzt werden, denn jede Kürzung des Existenzminimums ist immer ein Grundrechtsverstoß. Ein wirkliches Fördern ohne Sanktionen und auf Augenhöhe, das würde die Menschen mitnehmen und würde zu einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration führen. Daher sollten alle Sanktionen ausgesetzt und später abgeschafft werden. Vor dem Hintergrund von Wirtschaftskrise und Inflationsrate sowieso. Zudem muss dringend die rückwirkende Sanktionsmöglichkeit  über den § 31b Abs. 1 S. 5 SGB II geändert werden, denn so können die Jobcenter 2023 noch Sanktionen nachträglich nach der Zeit des Moratoriums durchführen. 

Quelle: Thomé Newsletter
Titel: Re: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: counselor am 19:16:59 So. 12.Juni 2022
Zitat1. ,,Sanktionsmoratorium" vom Bundesrat beschlossen
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Das sog. Sanktionsmoratorium wurde nun vom Bundesrat am 10. Juni 2022  beschlossen. Es wird im Monat nach Verkündung wirksam, somit vermutlich zum 01. Juli 2022 und soll dann bis Ende Juni 2023 gelten.

Die Stellungnahmen gegen das Sanktionsmoratorium überschlagen sich, ArbeitsvermittlerInnen erklären sinngemäß: jetzt tanzen uns die Hartz IV – Beziehenden auf der Nase rum, der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, hält die jetzige Sanktionspraxis weiterhin für nötig.
,,Ich möchte kein Jobcenter-Berater sein, der das erklären muss." 97 Prozent der Leistungsbezieher kämen mit Sanktionen überhaupt nicht Berührung, weil alle Auflagen befolgt würden.
Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) hält das Sanktionsmoratorium für einen ,,Schlag ins Gesicht aller Mitarbeiter in Jobcentern". Baden-Württemberg: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) betonte: ,,Für einige wenige, die beharrlich eine Zusammenarbeit verweigern, braucht es weiterhin Sanktionen." Die Liste der Sanktionsbefürworter lässt sich fortsetzen.

Einschätzung zum Sanktionsmoratorium:
Erstmal zu den Fakten: laut Aussage der BA werden nur 3 % der ALG II-Beziehenden jährlich sanktioniert. Wenn für ein Jahr die Sanktionen (teilweise) ausgesetzt werden, wird die Welt nicht untergehen. Die Sanktionen waren DAS MITTEL um den Niedriglohn in Deutschland durchzusetzen, soziale Standards und bestehende Sicherungssysteme mit Einführung der AGENDA 2010 abzuschaffen.

Bis zum Urteil des BVerfG wurden Sanktionen bis hin zur Obdachlosigkeit, absoluten Verschuldung und Existenzvernichtung, gerade junger Menschen, durchexerziert. Tacheles ist es Ende 2019 als Glanzstück durch öffentlichen Druck gelungen, die Weisung der BA zu den Sanktionen dahingehend zu beeinflussen, dass diese auf generell 30 % begrenzt werden.
Die Wirkung von möglichen Sanktionen strahlte auf alle Leistungsbeziehenden und sogar prekär Beschäftigte. Alle Hartz-IV-Beziehenden wussten bis zur Entscheidung des BVerfG, das Jobcenter kann sie bis zur Obdachlosigkeit sanktionieren. Kooperation und damit Niedriglohn wurde mit diesem Instrument erzwungen.
Nein, das ,,Abendland geht nicht unter" vom Sanktionsmoratorium, mit diesen 3 % ,,unkooperativen Leistungsbeziehenden" wird die Gesellschaft einfach leben können und müssen. Es ist vielmehr eine große Chance von der vorherrschenden Hetze gegen Erwerbslose wegzukommen und das System der sozialen Sicherung neu auszugestalten.
Notwendig sind vielmehr existenzsichernde Regelleistungen, für alle, sei es für Erwerbstätige, RentnerInnen, Geflüchtete. Die Regelleistungen müssen sofort massiv hoch, und zwar viel mehr als die von Arbeitsminister Heil angekündigten 10 % = 45 – 50 EUR, sondern in einer Höhe die das menschenwürdige Dasein, die gesellschaftliche Teilhabe und die Inflationsrate in geeigneten Maße wiedergibt. Das bedeutet 150 – 200 EUR, nicht einmalig im Jahr, sondern jeden Monat!     
Notwendig ist Fördern, dass alles getan wird, damit Leistungsbeziehende qualifiziert und weitergebildet werden und nicht das Finanzieren von unsinnigen Maßnahmen, die nicht selten völlig am Arbeitsmarkt vorbeigehen und wo es vielmals um Finanzierung der Hartz IV – Beschäftigungsträger und das Schönrechnen von Arbeitsmarktstatistiken geht.
Diese Chance zur Neugestaltung der Arbeitsmarktpolitik sollte von der Ampel jetzt ergriffen werden!

Zu den konkreten Punkten des Sanktionsmoratorium:

- Aussetzen der Sanktionen nach § 31a SGB II gilt vermutlich ab Juli 2022 bis Juni 2023 (§ 84 Abs. 1 SGB II-N).
Das dürfte auch zuvor begonnene, aber im Juli 2022 noch nicht vollständig durchgeführte Sanktionen betreffen.

- Minderungen wegen Meldeversäumnissen erst nach wiederholtem Meldeversäumnis, Bemessungszeitraum für wiederholte Meldeversäumnisse ein Jahr. Minderung auf 10 % des RS begrenzt, dh. mehrere 10 % Minderungen übereinander sind nicht zulässig (§ 84 Abs. 3 SGB II - N).

Zwei große Gefahren besten:
- Ausgehend von der jetzigen Rechtslage können Sanktionen nach § 31a SGB II bis sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung durchgeführt werden (§ 31b Abs. 1 S. 5 SGB II), daher könnten ab Juli 2023 noch Sanktionen nachträglich für die Zeit ab Januar 2023, trotz des Moratoriums erfolgen.
- Neben Sanktionen kann auch bei einer Reihe von Sanktionstatbeständen ein Kostenersatz wegen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführter Hilfebedürftigkeit nach § 34 SGB II geltend gemacht werden. Dieser Kostenersatzanspruch verjährt nach drei Jahren nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden sind § 34 Abs. 3 S. 1 SGB II). Das bedeutet, statt zu sanktionieren ist in vielen Fällen auch einen Kostenersatzanspruch von Jobcentern möglich.

Hier die Infos des Bundesrates zur Verabschiedung er vom Sanktionsmoratoriums: https://t1p.de/w6wph und hier der Gesetzestext: https://t1p.de/b1har

Quelle: Thomé Newsletter
Titel: Aw: Sanktionen vor dem BVG
Beitrag von: dagobert am 13:50:05 Mi. 18.Januar 2023
ZitatEine zweite, verfassungsrechtliche Konsequenz des Urteils vom 5. November 2019 kann leicht übersehen werden. Mit seiner Entscheidung legitimierte das Gericht nicht nur eine Einschränkung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG; die Entscheidung bedeutet eben auch, dass ein Eingriff in die Menschenwürde allgemein möglich ist. Selbst wenn in der Praxis auch davor schon in die Menschenwürde eingegriffen wurde, ist dies doch das erste Urteil des Verfassungsgerichts, das dies explizit erlaubt und rechtfertigt. Überraschenderweise gibt das BVerfG selbst keine Begründung für diesen grundlegenden Kurswechsel, warum es von dem in Art. 1 Abs. 1 GG doch ausdrücklich festgehaltenen Prinzip der Unantastbarkeit der Würde des Menschen abweicht.
[...]
Damit widerspricht das BVerfG auch seiner eigenen Rechtsprechung: In den bisherigen Urteilen zur Hartz IV-Vergabe (2010 und 2012) urteilte es jeweils, dass ein ,,Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG"[8] bestehe und dieses Grundrecht jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichert, ,,die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind."[9] Noch vor neun Jahren bekräftigte das Gericht, dass dieses Grundrecht ,,dem Grunde nach unverfügbar" sei.[10]

Statt aber auf diese Diskrepanz zu seiner bisherigen Rechtsprechung einzugehen, beziehen sich die aktuellen Begründungen lediglich auf die Legitimierung jener Sanktionen unter 30 Prozent. Wieso Eingriffe in das noch vor wenigen Jahren als abwägungsfest gepriesene Grundrecht jetzt grundsätzlich zulässig sind, wird nicht erläutert. Argumentiert wird wie folgt: Eingriffe wären in Ordnung, so lange sie ein legitimes Ziel wie die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verfolgen. Zusätzlich gäbe es keine ,,weniger belastenden Mitwirkungshandlungen oder positive[n] Anreize", die ,,im gleichen Maße wirken" (Rn. 145). Die Wirksamkeit des Sanktionssystems des SGB II (bspw. auf die Motivation, eigenständig einen Job zu suchen) oder möglicher Alternativen eines positiven Anreizsystems wurde bisher jedoch nicht untersucht. Woher das Gericht daher die Gewissheit nimmt, die Leistungskürzungen für Hartz IV-Empfänger*innen seien praktisch alternativlos, bleibt sein Geheimnis.
https://www.humanistische-union.de/publikationen/vorgaenge/228/publikation/hartz-iv-sanktionen-eingeschraenkte-menschenwuerde/

ebenfalls lesenswert:
https://www.humanistische-union.de/publikationen/mitteilungen/240/publikation/die-menschenwuerde-doch-antastbar/