Ein Ei für die Polizei
Hundert Jahre ist's her, da haben rebellierende Soldaten und Arbeiter den Krieg beendet und die Monarchie gestürzt.
Der DGB hat sich besonderes ausgedacht in just diesem Jahr.
Ein Erlebnisbericht
Es herrschte absolutes Scheißwetter. Wind und Regen.
Trotz allem war die Demo sehr gut besucht. Angenehm fand ich, daß die verschiedene Organisationen und Fraktionen sich nicht strikt in Blöcken versammelten, sondern sie sich in dem Zug mischten. Laute Parolen der Internationalen Solidarität. Es war wirklich bunt gemischt, türkische und kurdische Organisationen, Gewerkschaften und Antifa, linke Sekten und Parteien, Grüne, SPD, Linkspartei, Piraten und "die Partei", wobei mich wundert, was SPD und Grüne auf einer Maidemo verloren haben und wieso die sich überhaupt noch auf die Straße trauen. Es wurde dort auch folgendes Flugblatt verteilt:
Vor 100 Jahren: Revolution in Kiel
Heute: Sozialpartnerschaft und Wurstbude
Der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung wurde oft mit grausamer Gewalt beantwortet. 1886 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1. Mai auf. An dem Streik beteiligten sich nach verschiedenen Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen. Die Situation bei Kundgebungen in Chicago eskalierte und in Auseinandersetzungen mit der Polizei gab es zahlreiche Tote. Vier Streikführer wurden wurden gehenkt. Der 1.Mai soll als Kampftag an diese Auseinandersetzungen erinnern.
Die Befehlsverweigerung einiger Schiffsbesatzungen läutenden den Anfang des Endes des 1. Weltkriegs und der Monarchie ein. In Kiel hatte es auch häufig Arbeiterunruhen gegeben. Arbeiter agitierten für einen Streik zur schnelleren Durchsetzung des Friedens. Es wurden Soldatenräte gebildet und ein Arbeiterrat. Der Sozialdemokrat Noske wurde von der Regierung als Gouverneur nach Kiel gesandt, um den Matrosenaufstand beizulegen. Noske war danach als Volksbeauftragter für Heer und Marine auch verantwortlich für die Niederschlagung des Januaraufstandes 1919 (Spartakusaufstand), bei der auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden.
Der faschistischen Machtübernahme in Deutschland folgte die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der Verfolgung ihrer Aktivisten, ihre Internierung in Konzentrationslagern und oftmals ihre Ermordung. Hitler vereinnahmte den 1.Mai, den weltweit gefeierten Kampftag des Arbeiters und benannte ihn in den „Tag der Arbeit“ um. Es ist unerträglich, daß der DGB weiterhin vom „Tag der Arbeit“ spricht.
Es ist bisher nicht gelungen, den Kapitalismus zu überwinden. Die Folgen sind wachsende Umweltzerstörung, eine immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich, antidemokratische Tendenzen, der Ausbau des Überwachungsstaats, Aufrüstung und kriegerische Auseinandersetzungen.
Die Arbeitswelt wird immer grausamer. Arbeitsverhältnisse mit vernünftigen und gesicherten Bedingungen werden immer seltener. Leiharbeit, Werkverträge und weitere Formen prekärer Arbeit werden zur Normalität. Die Arbeitsverdichtung und der Arbeitsdruck steigen an mit der Folge einer explosiven Ausbreitung psychischer und anderer Erkrankungen. Es gibt täglich weltweit 6.300 Tote durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (nur die registrierten Fälle), das sind weit mehr Opfer, als durch alle kriegerischen Auseinandersetzungen zusammen. Es gibt auch Tendenzen zu härterer Repression gegen Arbeitskämpfe und soziale Proteste.
In Bremen wurde von Gewerkschaftern die Forderung „Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung. Der 1. Mai ist unser Tag“ aufgestellt und damit begründet, dass die GdP „den hundertfachen Rechtsbruch durch die Staatsorgane während des G 20-Gipfels“ verteidige und „für die massive militärische Aufrüstung“ der Polizei eintrete. Es müsse diskutiert werden, ob die Polizei überhaupt im DGB bleiben dürfe. Denn Polizisten seien keine Arbeitnehmer, sondern Befehlsempfänger: „Im Zweifelsfall werden GdP-Polizisten genauso den Knüppel gegen Gewerkschafter schwingen wie andere.“
Wir schließen uns dieser Forderung an und sind entsetzt darüber, daß der DGB den Interessen der einfachen Menschen mit und ohne Arbeit mißachtet. Die Agenda 2010 mitsamt Hartz IV wird vom DGB mitgetragen, je mehr die DGB Gewerkschaften die Leiharbeit „fair gestalten“ wollen, desto mehr breitet sich die Pest der prekären Arbeit aus. In diese traurigen Beispiele reiht sich auch der Schulterschluß des Kieler DGB mit den Lobbyisten des Flughafens Holtenau. Mit dem Arbeitsplätzeargument haben DGB Gewerkschaften auch Rüstungsexporte gerechtfertigt.
Für die Gegenwehr gegen die Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingen brauchen die Ausgebeuteten Mut und Zusammenhalt und keine gewerkschaftlichen Co-Manager in der Wirtschaft und keinen Polizeisprecher auf der Maidemo.
Das „Forum der Ausgebeuteten“ www.chefeduzen.de (http://www.chefeduzen.de) gibt die Möglichkeit sich über Probleme mit Job, Vermietern, Behörden und anderes auszutauschen. Am jeweils ersten Donnerstag des Monats findet in der Bambule (Kiel Gaarden) ab 19°° der Stammtisch der Ausgebeuteten statt, das nächste Mal am 3.Mai.
V.i.S.d.P.: Claudia Scholl, Schweffelstr.6., 24118 Kiel
Das Gewerkschaftshaus war mit Roten Fahnen verziert.
(https://abload.de/img/p10600234uset.jpg) (http://abload.de/image.php?img=p10600234uset.jpg)
Das hat es wohl die letzten 99 Jahre nicht mehr gegeben. DGB Chef Frank Hornschu machte einen auf norddeutsch volksnah, fing aber schnell an seinen Stolz auf die Wirtschaft zum Besten zu geben und daß die Arbeiter dies in ihrer harten Arbeit ermöglicht hätten. Natürlich dankte er den unterstützenden (sozialdemokratischen?) Politikern in Rauthaus, Landesregierung und Bundesregierung. Als er noch anfing sich vollends zum Wirtschaftslobbyisten zu machen, und den Pleiteflughafen Holtenau über den Grünen Klee lobte und sich über den Bau von Wohnraum lustig machte, ernte er Pfiffe. Daß ein solcher Typ es wagt, die Rote Fahne in die Hand zu nehmen, ist schon skurill:
(http://kielregion.dgb.de/++co++5be2d7e2-4d57-11e8-bf0a-52540088cada/scaled/size/gallery)
Am Gewerkschaftshaus hingen schließlich jede Menge mehr. Ob die einen Schimmer davon haben, was diese Fahne symbolisiert?
(https://abload.de/img/p1060025bdrn9.jpg) (http://abload.de/image.php?img=p1060025bdrn9.jpg)
Als er dann den Bullen Torsten Jäger als Hauptredner ankündigte, hatte ein Großteil der Demonstranten die Faxen dicke: Die Buhs und Pfiffe waren enorm.
Als dann Jäger selbst zu reden versuchte, war er kaum mehr zu verstehen.
Das lokale Schmierblatt beschrieb es so:
Hauptredner Torsten Jäger, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, musste sich hingegen gegen lautstarke Buhrufe einer Gruppe von Demonstranten aus dem linken Lager zur Wehr setzen. Was wiederum andere 1.Mai-Teilnehmer auf den Plan rief, sodass es vorübergehen zu heftigen Diskussionen vor der Bühne kam.
http://www.kn-online.de/Kiel/1.Mai-Demonstration-in-Kiel-1500-Buerger-fordern-bessere-Arbeitsbedingungen (http://www.kn-online.de/Kiel/1.Mai-Demonstration-in-Kiel-1500-Buerger-fordern-bessere-Arbeitsbedingungen)
Es war sicherlich nicht allein eine "Gruppe von Demonstranten aus dem linken Lager" war, sondern ein erheblicher Teil der Demonstranten. Es stellten sich Leute mit einem Soldiarität für Afrin Transparent vor die Bühne und versperrte den Blick auf den Bullenredner. Als Gerwerkschaftordner und SPD Leute sie dort wegschubsen wollten, sprang ich dazwischen. Hatte dann einen IGM Ordner an der Wäsche, der von mir wissen wollte, wo ich arbeite und in welcher Gewerkschaft ich sei. Ich sagte, ich sei schon vor Jahren aus der IGM ausgetreten und wo ich arbeite, würde ihn nichts angehen. Er wollte, daß "ihr" doch lieber eine eigene Demo machen solltet, um "uns" nicht zu stören. Er sah "Linke" als "Ihr" und konnte sich scheinbar auch keine linken Gewerkschafter vorstellen. Der DGB sollte wohl seiner Meinung nach ungestört ein Familienfest mit Hüpfburg machen und die Linken könnten ihre komischen Proteste allein irgendwo durchziehen und dann könnte die Polizei die auch besser klarmachen.
(https://abload.de/img/bulle2hs8e.jpg) (http://abload.de/image.php?img=bulle2hs8e.jpg)
Als Jäger einen billigen Trick versuchte und sich darauf berief, wie die Polizei aus dem Rechten Lager angefeindet wäre, die Buhrufer in eine Reihe mit den Rechten zu stellen, hallte ihm ein Sprechchor "Deutsche Polizisten - schützen die Faschisten" entgegen. Kurz vor Ende des Redebeitrags verfehlte ein Ei den Redner.
Schon wieder Streit mit dem IGM Ordner. Der wollte wissen, was "wir" auf "ihrem" 1. Mai machen würden. Er war der Meinung, der Tag würde dem DGB gehören. Ich sagte, das sei ein Tag der Arbeiterbewegung und der nicht einer Organisation.
Im Anschluß kam eine junge Rednerin von der NGG auf die Bühne. Ihre Rede war super. Sie griff auch DGB Chef Hoffmann und sein Lob für den Koalitonsvertrag an. Die NGG macht hier sowieso recht vernünftige Sachen im Hotel- und Gaststättenbereich.
Aus dem Kliníkbereich waren viele auf der Demo und die Rede von Krankenschwestern war ganz ok.
Eine Art Theaterstück von der DGB-Jugend war ziemlich mißlungen. Der Beitrag aus dem Bereich Post bis DHL Home Delivery war derart öde, daß ich nachhause ging.
Ich fand es gut, dort gewesen zu sein und es war beeindruckend, daß viel Mist vom DGB jede Menge Gegenwind bekam.
In meinen Augen ist es eine gute Strategie sich nicht in einen geschlossenen Demoblock zu begeben, sondern sich in die Gesamtdemo zu mischen um dort den Unmut auszudrücken. So ist es Polizei und Demoordner kaum möglich, gezielt gegen "Störer" vorzugehen. Überhaupt ist es ein Ausdruck dessen, daß es unsere Demo ist und wir es nicht der Minderheit der Funktionäre überlassen, den Gesamteindruck zu prägen.