chefduzen.de - Forum der Ausgebeuteten
Wat Noch => Theoriebereich => Thema gestartet von: Kuddel am 18:58:15 Mo. 03.Februar 2020
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Es war phasenweise schon nervig, wie das Forum von Mitgliedern und Unterstützern der Basisgewerkschaften FAU und IWW heimgesucht wurde. Es schien die Lösung all unserer Probleme zu sein und die basisdemokratischen Gewerkschaftsmodelle wurden wie das Evangelium gepriesen. Irgendwann wurde es still um sie. Die optimistischen Postings ließen nach, bis sie ganz ausblieben. Noch nicht einmal das mitgliederstärkste Syndikat in Berlin hält es noch für nötig bei chefduzen seine Veranstaltungen zu veröffentlichen.
In dem Buch "Syndikalismus und neue Klassenpolitik" zieht Torsten Bewernitz nach 20 Jahren Aktivität in der FAU ein vernichtendes Resümee. Warum gibt es keinen Aufschrei der Empörung, keinen Widerspruch von den zuvor noch so Begeisterten? Wo sind sie? Haben sie aufgehört von einer besseren Gesellschaft zu träumen, haben sie aufgehört zu kämpfen? Sind sie heute in völlig anderen Kämpfen eingebunden? Ist das Interesse an den Ausgebeuteten und dem Arbeitsplatz als Ort der Auseinandersetzung verschwunden?
Wer will wie kämpfen? Die Basisgewerkschaften FAU und die in D noch kleinere IWW funktionierten als Durchlauferhitzer. Die Leute traten begeistert ein und die Organisationen konnte die Mitglieder nicht lange halten. Viele Tausend Leute sind da in wenigen Jahren durchmarschiert. Was denken sie heute? Was bedeuten ihre Erfahrungen und Enttäuschungen für sie? Was sollten die politschen Konsequenzen jenseits von Resignation oder "weiter so" sein?
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Das Buch von Bewernitz wurde FAU-intern von wenigen Mitgliedern diskutiert und zu recht kritisiert, gegenwärtig scheint das Bedürfnis nach theoretischer Analyse aber nicht im Zentrum zu stehen. Man versucht halt die Gewerkschaftsarbeit, die Aufrechterhaltung und den Ausbau der Organisation und die anfallende Bürokratie zu bewältigen, teilweise sich erst anzueignen und hat damit genug zu tun - es fehlt an Leuten, die sich sich reinknien. Diese trockenen und notwendig etwas langweiligen Tätigkeiten haben auch schon einige aktive Mitglieder verheizt. Andererseits kann man auch sagen, das politische Tätigkeit für die meisten Leute ein Durchgangsphänomen ist, und sie sich mit Anfang 30 und dem Beginn der aktiven Familienplanung eher zurückziehen. Also es ist nicht so einfach - die Stagnation bzw. langwierige Entwicklung der FAU und die Passivität der arbeitenden Klasse beeinflussen sich wechselseitig. Erschwerend: die gebundene, verwaltete Form des heutigen Klassenkampfes, der sich überwiegend vor Gericht und im Verhandlungs-zimmer abzuspielen scheint.
Bewernitz Ungeduld kann ich verstehen, aber sein Rezept von einem linken Flügel in den DGB-Gewerkschaften hat wenig Anziehungskraft und seine Analyse der Misere reicht nicht aus.
Insofern gibt es eben keinen Grund für Optimismus.
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Hallo Ferragus,
schön eine Reaktion aus dem FAU Umfeld zu kriegen. Es ist recht still um die FAU geworden. Im Lauf meines Arbeitslebens war ich aus symbolischen Gründen Mitglied in drei verschiedenen sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften, doch ich halte das Konzept der Basisgewerkschaften für das bessere. Ich habe versucht im Rahmen/in Zusammenarbeit von/mit sozialpartnerschaftlichen- und Basis-Gewerkschaften, Beratung zu bekommen oder Protest und Widerstand in der Arbeitswelt anzuschieben. Die Liste der Enttäuschungen ist lang, bei den Basisgewerkschaften noch länger als bei den DGB Gewerkschaften. Das liegt aber wohl daran, daß ich mich nach einer Weile bei den DGB Gewerkschaften weniger bemüht habe, weil ich gesehen hatte, wie wenig Interesse sie an klassenkämpferischen Aktivtäten haben. Umso schmerzlicher war die Erfahrung, daß es bei der sympathischeren Organisation in der Praxis hinten und vorn nicht klappt. Ich kann vielleicht später einige dieser Erfahrungen schildern.
Bei den Auszügen aus der Broschüre von Torsten Bewernitz, die ich zu lesen bekam, war ich von den Socken. Sein ernüchterter Blick auf die FAU entsprach meinen Erfahrungen. Ich habe mir die Broschüre dann bei der Buchhandlung meines Vertrauens bestellt, da wurde ich jedoch enttäuscht. Ich kann seine Schlüsse aus der Enttäuschung und aus der realen Schwäche der FAU nicht nachvollziehen. Den Vorschlag, "Workers Center" zu etablieren, finde ich gut. Aber da hört es schon auf. Auch wenn der bisherige Weg der FAU vielleicht gescheitert sein mag, halte ich das Konzept von Bassisgewerkschaften keineswegs für gescheitert. Das beweisen meiner Meinung nach die IP in Polen, die SUD Solidaires in Frankreich und SI Cobas in Norditalien.
Ich finde seinen Vorschlag zur "Professionalisierung" mit bezahlten Funktionären nicht gut. Ich halte durchaus eine Reformierung der FAU Strukturen für sinnvoll und da sollte man weniger dogmatisch und stattdessen lebensnäher sein. Ich denke schon, daß gewisse Aktivitäten honoriert und finanziell entschädigt werden sollten, denn sonst wäre es z.B. für alleinerziehen Mütter unmöglich auch noch Gewerkschaftsarbeit zu machen. Das ist sonst ein Privieg derjenigen, die ausreichend freie Zeit und eine gute ökonomische Absicherung haben. Ein Funktionärstum wäre keine Lösung, sondern eher der Versuch einen Fehler durch einen anderen zu ersetzen.
Torsten Bewernitz hat scheinbar die FAU ganz aufgegeben. Das halte ich für falsch. Ich denke schon, daß die eigenen Fehler und das Scheitern an vielen Fronten diskutiert werden müßten. Ich sehe durchaus das Potential für eine Erneuerung.
Seine Hoffnungen auf die DGB Gewerkschaften kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin auch hier für einen undogmatischen Umgang und halte es für wichtig, mit den Mitgliedern dieser Gewerkschaften nicht nur Kontakt zu halten, sondern auch zusammenzuarbeiten. Das gilt auch für einzelne Funktionäre, die in Ordnung sind. Man kann hier und da einiges ausrichten innerhalb der DGB Strukuren, doch dieser verkrustete Apparat ist nicht ernsthaft reformierbar, egal wie viele Leute sie aus der Antifa- und linksradikalen Szene als Jugendsekretäre und Organizer rekrutieren mögen. Das ist nur junge, moderne Tünche, weiter nichts.
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Hallo Kuddel,
was Bewernitz angeht: die Workers-center-Strategie hatte ich schon wieder vergessen und ich glaube, er ist noch in der FAU Mannheim, schreibt auch weiterhin für den Express.
Zur Reform der FAU: in Berlin steht sie im Fokus (auch Bezahlung wurde diskutiert, dafür ist Berlin quantitativ aber noch zu klein) und in zwei bis vier größeren Städten im Osten der Republik wird sie sich bald aufdrängen. Es gibt große regionale Unterschiede in der FAU und in einigen Städten kann man noch nicht zur gewerkschaftlichen Arbeit übergehen, muss man erst einmal den Polit-Gruppe-Charakter hinter sich lassen. Diese Reformen stoßen aber auf Schwierigkeiten (welchen Prinzipien soll man folgen?, ich plädiere da für Zweckgebundenheit d.h. Orientierung an den Bedingungen der Kämpfe, größtmögliche Übersichtlichkeit und Durchsichtigkeit, geringe Anstrengung für die Aktiven - es gibt aber eine andere Fraktion, die pedantisch alles mit Satzungen und Richtlinien abdecken will, Stichwort Kontrolle-Fetisch), weil eben nur ein kleiner Kern aktiv die Gestaltung der Strukturen beeinflusst, die Mitglieder einzeln in kleinen betrieben ohne Betriebsgruppen sind(wie die Atomisierung überwinden?), die allein-erziehende Mutter ist sicherlich kaum dabei. Viele Mitglieder bringen auch ihre Vorstellungen von einer Dienstleistungsgewerkschaft mit, bei der man nichts machen muss - ein weiteres Hindernis.
Die demokratische Praxis der Basisgewerkschaften ist der Tat um einiges besser als die starren Apparate, wenn man aber die alten syndikalistischen Vorbilder überflügeln möchte, muss noch einiges mehr dazu kommen als von der Bais gesteuerte Gewerkschaftstätigkeiten, nämlich der Angriff auf die Klassengesellschaft bzw wenigstens ihre Vorbereitung (das war ja ein wichtiger Impuls in Frankreich, keine Arbeitsteilung zwischen Partei und Gewerkschaft). Ein weiteres und damit zusammenhängendes Problem: Viele sehen die FAU als ein Projekt von Anarchisten, obwohl der Syndikalismus in Deutschland zuerst mit der SPD verknüpft war. Die anarchistischen und syndikalistischen Theorien, die definitiv innerhalb der FAU im Umlauf sind, sind nicht sehr produktiv, haben enge Grenzen und drohen ein Hemmschuh zu werden.
Grüße Ferragus
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Die anarchistischen und syndikalistischen Theorien, die definitiv innerhalb der FAU im Umlauf sind, sind nicht sehr produktiv, haben enge Grenzen und drohen ein Hemmschuh zu werden.
Die polnische Basisgewerkschaft IP (Inicjatywa Pracownicza) begann auf Basis dieser Theorien, doch in ihrer gewerkschaftlichen Praxis verließen die diesen dogmatischen Weg und bezeichnen heute ihre Arbeit als "von Anarchosysndikalistischen Ideen inspiriert".
Ich bin beeindruckt von dem Engagement der FAU im Arbeitskampf am Bornheimer Spargelhof Ritter. Es ist also bei der FAU noch nicht Hopfen und Malz verloren.
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Basisgewerkschaften rufen zu Streik- und Aktionstagen auf
Die Vereinigung der Basisgewerkschaften (USB) hat für den 20., 21. und den heutigen 22. Mai zu nationalen Aktions- und Streiktagen aufgerufen. Am 20. Mai jährte sich der Beschluss des Gesetzes zum Schutz der Arbeitenden zum 50. Mal. Am 21. Mai rief USB zu einem landesweiten Streik der Erntehelfer und Landarbeiter auf, am 22. Mai zu einem Streik im Versorgungssektor für den Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz.
Italien. Am 20. Mai 1970 wurde in das Gesetz zum Schutz der Arbeitenden (statuto dei lavorati) beschlossen. Die Vereinigung des Basisgewerkschaften (USB) in Italien erklärte, dass Jubiläen wie diese immer ein Zeugnis vergangener Konflikte sind. Das statuto dei lavorati ist eine Momentaufnahme des damaligen Kräfteverhältnisses im Klassenkampf. USB warnt vor den Debatten um ein neues statuto dei lavorati im Rahmen eines neuen Sozialpaktes, vielmehr müsste das bestehende als Ausgangspunkt für weitere Kämpfe für die Rechte, Einkommen, Sicherheit und Garantien der arbeitenden Menschen genutzt werden.
Die Vereinigung der Basisgewerkschaften rief für den 20. Mai unter der Losung „Lasst uns die Rechte neu beleben“ zur italienweiten Mobilisierung auf, um den Blickwinkel auf den sogenannten neuen Sozialpakt zu verändern. Zu zeigen, dass dieser im Interesse der EU und des italienischen Arbeitgeberverbandes (Confindustria) eine verstärkte Ausbeutung, eine Senkung der Schutzmaßnahmen, einen scharfen Wettbewerb und soziale Ausgrenzung bedeutet. Verhindern lässt sich das nur durch eine Veränderung des Kräfteverhältnisses im Klassenkampf in Italien, so die USB.
Aus diesem Grund rief die Vereinigung der Basisgewerkschaften für den gestrigen 21. Mai zum italienweiten Streik der Tagelöhner auf. Die USB Landwirtschaft berichtet italienweit davon, dass verlassene Felder zu sehen waren, ebenso wie Solidarität von Bauern, die ihre Traktoren abstellten, und Verbraucher, die die Lkw anhielten und den Streik unterstützten. Die USB erklärte die Ablehnung des sogenannten „Decreto Rilancio“, da es sich nicht um Menschen kümmert, sondern sie lediglich als Werkzeug zur Rettung der Ernte betrachtet. Sie macht die Landarbeiterinnen und Landarbeiter in der Gesellschaft unsichtbar und marginalisiert, wie das auch mit Logistikarbeiterinnen und ‑arbeitern, Pflegenden und vielen anderen geschehen ist. Menschen, die illegal auf den Feldern arbeiten, verweigert die Regierung eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis, stattdessen gibt es nur stark befristete und mit strengen Auflagen verbundene Arbeitserlaubnisse. Dies ist die Fortsetzung der salvinischen Sicherheitsdekrete, die noch immer in Kraft sind und unsichtbare Fabriken, in denen illegale ohne Rechte und Schutz arbeiten, geschaffen, kritisiert die USB.
Für den heutigen 22. Mai ruft die Vereinigung der Basisgewerkschaften zu einem zweistündigen Hygienestreik auf. Anlass ist das Vorgehen der italienischen Garantiekommission, die zwischen Arbeit und Kapital vermitteln soll, gegen Arbeiter, die die Arbeit verweigerten auf Grund fehlender Schutzausrüstung und sanitärer Einrichtungen. Paradoxerweise kam die Garantiekommission im Vorfeld des heutigen Streiks nicht umhin, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Arbeitgeberverbände einzuleiten, da diese nicht zu einem Schlichtungsgespräch beim Arbeitsministerium erschienen mit der Begründung, dass sie die USB nicht als Gesprächspartner anerkennen würden. Die Kommission ergriff allerdings erst Maßnahmen gegen die Arbeitgeberverbände, nachdem USB eine Beschwerde bei der Regierung, dem Präsidenten des Repräsentantenhauses und des Senats eingereicht hatte. Die USB ruft heute in jedem Fall zu einem zweistündigen Streik am Ende jeder Schicht gegen die Schikanen und die Vernachlässigung der Gesundheit der Beschäftigten auf, aber vor allem gegen die Nationale Garantiekommission, die die Unternehmen immer verteidigt hat, nie gegen sie vorgegangen ist, aber immer bereit war, die Gewerkschaft und die Beschäftigten zu bestrafen.
https://www.redglobe.de/europa/italien/76278-italien-basisgewerkschaften-rufen-zu-streik-und-aktionstagen-auf
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Neben der vorbildlichen Unterstützung der rumänischen ErntearbeiterInnen eines Spargelhofs in Bornheim (bei Bonn), ist die FAU auch im Bereich der Leiharbeit umtriebig:
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat heute entschieden, den Fall eines ehemaligen Leiharbeiters, der gegen seine schlechtere Bezahlung geklagt hatte, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Der Leiharbeiter, ein Mitglied der Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) Kaiserslautern, hatte für seine Tätigkeiten in der Entsorgung 4€ in der Stunde weniger bezahlt bekommen als fest angestellte Kollegen, und nach einigen Monaten Klage dagegen eingelegt.(...)Der Fall aus Kaiserslautern ist der erste, bei dem eine Vorlage an den EuGH erreicht wurde.
https://pfalzsaar.fau.org/2020/05/26/wichtiger-etappensieg-bei-leiharbeitsklage/
Der EuGH muss jetzt entscheiden, ob die deutsche Rechtslage, die die systematische Unterbezahlung von Leiharbeitern ermöglicht, Bestand haben kann. "Das heutige Ergebnis vor dem Arbeitsgericht ist ein wichtiger Schritt," freut sich David Jung, Pressesprecher der FAU Kaiserslautern. "Wir sind der Ansicht, dass innerhalb eines Betriebes der Grundsatz 'Gleiche Arbeit - Gleicher Lohn' gelten muss. Wir hoffen, dass der EuGH unserer Argumentation folgt und der Ausbeutung durch Leiharbeit in Deutschland einen Riegel vorschiebt."
Zufrieden äußerte sich im Anschlus auch Thomas Backes, der Anwalt des Klägers: "Das ist ein wichtiger Etappensieg. Der EuGH wird jetzt entscheiden, ob das deutsche System der Ausbeutung der Leiharbeiter weiter aufrecht erhalten bleibt oder ob das auf europäischer Ebene nicht mehr haltbar ist."
https://www.wochenblatt-reporter.de/kaiserslautern/c-lokales/arbeitsgericht-legt-fall-dem-eugh-vor_a200149
Der Kläger gehört überdies zu einer kleinen Gewerkschaft, die das bestehende Wirtschaftssystem nicht als Sozialpartner mittragen will. (...) Manchmal gibt´s auch im politischen Leben Grund zur Freude.
Kommentar von Prof. Dr. Wolfgang Däubler vom 26. Mai 2020
Hut ab! Die FAU könnte sich tatsächlich zu einer kleinen, aber ernstzunehmenden Gewerkschaft entwickeln.
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Eine erfreuliche Entwicklung: Auch in Leipzig gibts jetzt ein Gewerkschaftslokal der FAU, welches als Anlaufpunkt für Basisarbeit dienen kann und in die Nachbarschaft hineinwirkt.
https://leipzig.fau.org/fau-leipzig-eroeffnet-erfolgreich-neues-lokal-in-der-breiten-strasse/
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Die Verschissenheit der Zustande ist allgegenwärtig.
Corona- und Klimakrise sind das Resultat kapitalistischen wirtschaftens. Die Soziale Spaltung gewinnt an Dynamik. Die Verarmung ist nicht nur relativ, sondern real und jenseits jeglicher Schmerzgrenzen. Es gibt die Verarmungstendenzen innerhalb dieser Gesellschaft, aber auch weltweit unter den Staaten.
Die Reichen werden immer reicher.
Das ist keine Welt, die "immer komplexer" wird, so daß man sie nicht mehr versteht. Es ist so simpel und offensichtlich, daß jeder Idiot sehen kann, wo das zentrale Problem liegt.
Die einzig denkbare Antwort ist der Klassenkampf, die Notwehr der einfachen Menschen gegen die Reichen und Mächtigen, der Kampf von unten gegen oben.
Kämpfe können sich entwickeln als Unruhen und Auftstände, aber auch in massenhaften Arbeitsniederlegungen. Letzteres träfe den Kapitalismus ins Mark.
Darum würden die Gewerkschaften sich kümmern, meint man meist. Die Realität ist jedoch, daß die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften auf diese Auseinandersetzung nicht vorbereitet sind, sie haben auch keinerlei Interesse an massenhaften Arbeitsniederlegungen. Sie wollen die Wirtschaft gegen die Internationale Konukurrenz schützen. Sie haben sich zu Handlangern der Wirtschaft gemacht und vertreten nicht die Interessen ihrer Mitglieder.
Für mich ist die Idee der Basisgewerkschaften eine logische Konsequenz daraus. Deshalb frage ich mich, wieso sie hierzulande so wenig funktionieren. Es geht nicht allein um die Mitgliederzahlen. Die FAU ist klein, die IWW winzig. Man hat nicht nur organisatorisch wenig Potential, auch die Strahlkraft auf die Ausgebeuteten jenseits der linken Subkultur ist minimal. Das gibt man inzwischen zu und es wird diskutiert.
Es gibt auch den kritischen Blick auf die linke Szene:Diese Verfasstheit der radikalen Linken verwundert um so weniger, wenn wir bedenken, dass die Träger_innen dieser Bewegungen in den letzten Jahrzehnten immer stärker von Menschen mit hohem kulturellen, ökonomischen und/oder sozialen Kapital geprägt wurden, sich also immer stärker von den ärmsten Teilen der Bevölkerung entfremdet und damit selbst einerseits Privilegien zu verlieren haben und andererseits weniger Leidensdruck für die Schaffung materialistischer Strukturen ausgesetzt sind.
Revolutionäre Prozesse wurden in der bisherigen Geschichte jedoch von stark benachteiligten und eben nicht von relativ behüteten Gesellschaftsteilen angestoßen.
https://direkteaktion.org/anarchismus-ohne-anarchist_innen/
Trotz allem zieht man sich in dem zitierten Artikel auf dogmatische Vorstellungen zurück und fragt Anarchismus ohne Anarchist_innen?
als fürchte man den Verlust des politischen Strohhalms, an dem man sich festhält.
Erst einmal muß man einen Klassenkampf mit basisdemokratischen Strukturen aufbauen und vorantreiben. Dazu müssen die Unterschichten, die Ausgebeuteten organisiert und in Kämpfe geführt werden und diese einfachen Leute sind nicht unbedingst "links" oder "politisch bewußt". Erst wenn diese Menschen zusammen sind und gemeinsam handeln und kämpfen, kann man mit ihnen politisch diskutieren. Es ist idiotisch, diese Leute mit dem Politigequatsche bereits im Vorfeld abzuschrecken.
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was deine Frage angeht, warum die politischen Gewerkschaften sich so zaghaft entwickeln. ein Bündel aus Ursachen wirkt zusammen - Passivität, Entpolitisierung und Bequemlichkeit der Ausgebeuteten sind nur einige davon, besonders lästig ist der Teufelskreis und das faule Argument: Ihr (FAU und andere) seit noch so klein, aber wenn ihr größer wärt, würde wir euch beitreten und unterstützen.Ohne eine Zuwachs in den Mitgliederzahlen ist aber nur eine sehr beschränkte Form von gewerkschaftlichem Kampf möglich und zudem ist es dann schwer sich anderen Ausgebeuteten bemerkbar zu machen .
Es gibt leider einen Mangel an armen Leuten in diesem Land, die für eine Organisation und das politische Ziel von einer Welt ohne Ausbeutung eintreten wollen, auch wenn noch keine große Majorität hinter ihr steht und sie notwendig den Eindruck einer kleinen Sekte macht. Von den Linken Wirrköpfen und Spießern, die sich dort eben auch herumtreiben, darf man sich nicht beirren lassen.
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Ein Text aus der Direkten Aktion:
Selten werden die Mitgliederzahlen der deutschen Gewerkschaft so interessant sein wie dieses Jahr. Der DGB veröffentlicht diese auf seiner Internetpräsenz am Anfang des Jahres.[1] Für einige Einzelgewerkschaften, welche in 2020 keine große Tarifrunde hatten, könnte es doch herbe Mitgliederrückgänge bedeuten. Schon in den letzten Jahren hatten die Gewerkschaften im verarbeitenden Gewerbe mit Verlusten zu kämpfen.
Die FAU hingegen kann weiterhin einen jährlichen Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich verbuchen. Insbesondere in den Hochburgen wie Berlin, Hannover, Dresden, Jena, Leipzig und Duisburg vervielfachte sich der Mitgliederbestand im letzten Jahrzehnt.
Auch wenn das Corona-Jahr die Aktiven vor eine besondere Herausforderung stellte, kamen es zu kleinen und einigen großen Aktionen. So musste der jährliche Kongress komplett digital organisiert werden. Auch die meisten Gruppen haben größtenteils per Telefon und mit Hilfe von verschiedenen Online-Tools ihren Organisationsalltag bewältigt.
Arbeitskampf in der Pandemie
Ausgebeutet wird auch in der Pandemie. Insbesondere in Schlachthöfen und auf Spargelfeldern herrschen nach wie vor feudale Bedingungen für migrantische Beschäftigte. Doch Widerstand lässt sich auch unter solchen Zuständen organisieren. Mitte Mai 2020 traten etwa 200 Erntearbeiter*innen des Spargel- & Erdbeerhofs Ritter in Bornheim bei Bonn in den Streik. Der von einer Anwaltskanzlei verwaltete insolvente Betrieb entschied sich, die meist rumänischen Beschäftigten auf die Straße zu setzen, wobei noch Löhne ausstanden. Die FAU Bonn konnte dennoch Paroli bieten. Dadurch konnte verhindert werden, dass die Arbeiter*innen selbst unter Druck gerieten Aufhebungsverträge zu unterzeichnen. In der Güteverhandlung wurde auf die Benachteiligung i.S.d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verwiesen. Der Spargelhof Ritter hatte in einem auf YouTube veröffentlichten Interview ein Entgelt von 10,- EUR netto angeboten. Dieses Entgelt sei auch mit aus Deutschland stammenden Arbeitnehmern entsprechend vereinbart worden. Hingegen seien die rumänischen Erntehelfer geringer entlohnt worden. Der Fall könnte mit einer außergerichtlichen Einigung enden, wodurch die Beschäftigten demnächst noch an einen Teil ihrer Löhne kämen.[2] Der Fall wurde bereits in einer Arte-Dokumentation behandelt als beispielhafte Ausbeutung von migrantischen Arbeiter*innen.[3] Ebenso besprochen wurde der Arbeitskampf im Ökonomie-Podcast „Wohlstand für Alle“ von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt und zitieren dabei FAU-Sprecher Erik Hagedorn.[4]
Ebenfalls Ärger gab es beim Getränkelieferanten Durstexpress in Leipzig. Die Schichten sollten um 50 Prozent gekürzt werden, wodurch Beschäftigten in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht wären. Willkürliche Arbeitszeitpolitik ist in der Logistik keine Seltenheit. So schließen Unternehmen Arbeitsverträge auf Basis von Teilzeit ab. Bei Wohlgefallen kann dann die Arbeitszeit erhöht werden. Nach einem Bericht des MDR-Magazin Exakt gab es ferner bei Durstexpress (Teil des Oetker-Konzerns) Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlungen von Löhnen.[5] Der zuständige Aktivist der FAU Leipzig äußert sich auf Presseanfragen dazu: „Das Modell Frustexpress darf nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer weiter Schule machen”.[6] Die lokale Gruppe der FAU plant dazu eine Kampagne. Nebenher kämpft die Gewerkschaft in Leipzig für ausstehende Löhne in der Gastronomie, welche ihren Mitgliedern vorenthalten werden.
Unterstützend wirkte die FAU über die neugegründete Dachorganisation der Internationalen Konföderation der Arbeiter*innen (IKA). Es ging um die im März entlassenen Arbeiter*innen der Dragon Sweater Fabrik in Dhaka (Bangladesch). Ausstehende Löhne und Abfindungen wurden ihnen nicht gezahlt. Nicht zum ersten Mal wurde hier die befreundete Gewerkschaft GWTUC (Garment Workers‘ Trade Union Center) aktiv. Nach monatelangen Protesten und internationalen Solidaritätsaktionen zahlten die Eigentümer von zwei großen Bekleidungsfabriken endlich ausstehende Entgelte und Abfindungen.
In der Vergangenheit kam die FAU bei ihren Auseinandersetzungen ab und an in Kontakt mit dem DGB-Apparat wie etwa im Fall Kino Babylon. Dies war in den letzten Auseinandersetzungen nicht mehr zu spüren. Das Feld der Konflikte in der Arbeitswelt ist auch in Deutschland so bereit, dass sich die Einheitsgewerkschaften und der Anarchosyndikalismus nicht zwangsläufig in die Quere kommen müssen.
https://direkteaktion.org/kein-zeichen-von-stillstand/
Ich bin gespannt, ob es gelingt, sich von einer linken (Szene-) Organisation zu einer relevanten Kraft in der Klassenauseinandersetzung zu entwickeln.