Jurex GmbH ist Insolvent !!!

Begonnen von Kater, 17:24:44 Fr. 01.Juni 2007

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Kater

Zitat"800 Euro netto für eine Vollzeitstelle"
René Voelkner, ehemaliger Betriebsrats-Chef beim Post-Konkurrenten Jurex Berlin, über Niedriglöhne im Briefgeschäft

Herr Voelkner, Sie gehören zu jenen Betriebsräten, die Niedrigstlöhne bei ihrem früheren Arbeitgeber, dem privaten Briefzusteller Jurex, zum öffentlichen Thema gemacht haben. Kurze Zeit darauf verloren Sie und Ihre Kollegen den Job. Nun hat die Jurex-Gruppe insgesamt Insolvenz angemeldet. Empfinden Sie das nun als späte Genugtuung?

Die verspüre ich überhaupt nicht. Zunächst einmal gehen bundesweit rund 1 200 Arbeitsplätze verloren. Wir sind bis zuletzt davon ausgegangen, dass sich die Unternehmensleitung in Tarifverhandlungen bereit erklärt, endlich höhere Löhne zu zahlen. Das war unsere Hoffnung.

Die waren in der Tat sehr niedrig: 800 Euro netto für eine Vollzeitstelle. Warum lässt man sich als Arbeitnehmer überhaupt auf so einen schlecht bezahlten Job ein?

Es gab Monate, in denen wurden sogar noch weniger als 800 Euro gezahlt. Mir erging es dabei so wie vielen Kollegen: Nach Monaten der Arbeitslosigkeit war ich froh, überhaupt eine Stelle zu bekommen. Uns wurde am Anfang versichert, dass die Löhne steigen würden. Schließlich war die Firma neu auf dem Markt für Briefe mit Postzustellurkunden. Die sagten uns, sobald das Geschäft besser laufe, gebe es auch mehr Geld.

Was aber nie passierte.

Es waren nur leere Versprechungen. Aufträge gab es tatsächlich immer mehr und deshalb auch mehr Briefe zum Ausliefern. Nur am Gehalt hat sich die ganze Zeit nichts geändert.

Warum haben Sie sich keinen anderen Job gesucht?

Wir haben darauf gesetzt, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Deshalb haben nur wenige Kollegen nach einer anderen Anstellung gesucht.

Wie konnten Sie mit 800 Euro überhaupt leben?

Meine Frau hat einen gut bezahlten Beruf. Sonst hätte ich mir so etwas überhaupt nicht erlauben können. Bei Kollegen war das schon anders: Die mussten zur Arbeitsagentur und Hartz-IV-Unterstützungszahlungen beantragen. Sonst hätten sie ihre Familie nicht durchbringen können.

Die Jurex-Tochterfirma, in der Sie beschäftigt waren, wurde dicht gemacht. Daraufhin wurde Ihnen bei anderen Tochterfirmen von Jurex in Berlin ein neuer Job angeboten.

Ja. Da sollten die Bedingungen noch schlechter sein. Kein monatliches Fix-Gehalt, der Lohn sollte sich allein nach der Zahl der ausgelieferten Briefe richten. Das hätte ein Monatseinkommen von 70 Euro bedeutet. 70 Euro für eine Vollzeit-Stelle! Stellen Sie sich das 'mal vor!

Sie haben dankend abgelehnt. Gab es noch andere Job-Angebote als die der ehemaligen Jurex-Schwesterfirma?

Von der Post AG. Die hätten uns rund zehn Euro je Stunde gezahlt.

Und warum haben Sie sich nicht darauf eingelassen?

Weil die Post keine Vollzeitstellen im Angebot hat. 19,2 Wochenstunden hätte ich da arbeiten können. Das wären maximal 600 Euro im Monat gewesen. Ich hätte Hartz-IV-Gelder beantragen oder einen Zweit-Job suchen müssen, um auf ein halbwegs vernünftiges Gehalt zu kommen. Die Post gleicht sich bei den Arbeitsbedingungen der Konkurrenz an, wenn es um Festanstellungen geht, hab' ich den Eindruck.

Was machen Sie jetzt?

Ich bin ein "Suchender", wie es so schön bei der Arbeitsagentur heißt. Ich werde demnächst 47, ich kann mir nicht mehr erlauben, meine Zeit mit irgendwelchen Jobs zu vertrödeln. Ich hoffe, bald eine Umschulung absolvieren zu können. Gelernt habe ich Fahrzeugschlosser. Später war ich selbstständig. Doch auch das hat finanziell nicht funktioniert. Bei Jurex habe ich wieder zwei Jahre verschenkt.

Der Chef der für die Regulierung des Post-Marktes zuständigen Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, hat sich für die Abschaffung der Steuervorteile der Post AG eingesetzt. Er sagt, die Mehrwertsteuer-Befreiung für Post-Briefe würde zu Wettbewerbsnachteilen für Konkurrenten wie Jurex führen. Hat er damit nicht recht?

Auf einer Betriebsräte-Tagung habe ich neulich einen Kollegen von der Post kennengelernt. Der hat erklärt, dass diese Steuerbefreiung als Ausgleich für besondere Belastungen eingeführt wurde. Schließlich muss die Post flächendeckend in Deutschland Briefe zustellen. Auch wenn es zum Beispiel im Spreewald mit dem Kahn sein muss.

Sie sehen also keinen Wettbewerbsnachteil für die Post-Konkurrenten darin?

Doch. Es ist sicher auch ein Nachteil für die Konkurrenz. Aber aus diesem Blickwinkel alleine darf man das nicht beurteilen.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wirtschaft/659164.html


ZitatZur Person
René Voelkner (46) war bis zur Schließung seiner Firma Betriebsratsvorsitzender der Jurex Berlin GmbH. Das Unternehmen gehörte zum Erkelenzer Post-Konkurrenten Jurex, der auf die Auslieferung von Behördenpost mit Zustellurkunde spezialisiert ist.

Die Jurex-Gruppe mit bundesweit 1 200 Beschäftigten machte Schlagzeilen mit Niedrigstlöhnen. Vergangene Woche meldete die Jurex-Holding für sich und alle Tochterfirmen Insolvenz an.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wirtschaft/659167.html

admin

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