Leiharbeiter in AKWs

Begonnen von Alan Smithee, 09:13:42 Mo. 06.Juni 2011

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Alan Smithee

Das gibt es in großem Stil nur wo anders? Von wegen! Offensichtlich werden auch in Deutschland gezielt Leiharbeiter für gefährliche Arbeiten in Atomkraftwerken eingesetzt. (Und ich glaube mal wieder, bis sowas in einem Bericht der deutschen Bundesregierung und dann in den Medien auftaucht, muss es schon gravierend sein!)

ZitatPersonal in deutschen Atomkraftwerken Tausende Leiharbeiter in den Meilern

In deutschen Atomkraftwerken übernimmt einem Bericht der Bundesregierung zufolge Fremdpersonal gefährliche Aufgaben und wird deutlich höherer Strahlung ausgesetzt als festangestellte Arbeiter. Viele von ihnen arbeiten auch außerhalb Deutschlands. Die Linken prangern das "Strahlenproletariat" in den Meilern an und fürchten den Missbrauch von Strahlenpässen.

In deutschen Kernkraftwerken werden in großem Umfang Leiharbeiter eingesetzt, um gefährliche Arbeiten zu erledigen. Dabei sind sie einer deutlich höheren Strahlenbelastung ausgesetzt als Stammbeschäftigte. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

In Deutschland haben mehr als 67.000 Beschäftigte, die beruflich radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind, einen Strahlenpass. Er ist für Personen verpflichtend, die in Strahlenschutzbereichen fremder Anlagen arbeiten. Dies gilt zum Beispiel für Leiharbeiter oder Prüfpersonal während der Revision eines Atomkraftwerks. Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Jahr 2009 in den 17 deutschen Leichtwasserreaktoren knapp 6000 Mitarbeiter überwacht, die zum eigenen Personal zählen. Deutlich höher ist die Zahl des überwachten Fremdpersonals, zu denen die Bundesregierung Leih- und Werkarbeiter zählt. Sie sind nicht bei dem Betreiber eines Atomkraftwerks beschäftigt, sondern bei einer Verleihfirma oder einem anderen Arbeitgeber und sind in der Regel schlechter bezahlt. Ihre Zahl liegt bei mehr als 24.000 Personen. Auffällig ist die unterschiedliche Strahlenbelastung beider Gruppen.

Die Jahresdosis für das gesamte Eigenpersonal beziffert die Bundesregierung auf insgesamt 1,7 Sievert, der Maßeinheit für die Strahlenbelastung. Bei den Fremdbeschäftigten sind es, für alle Personen zusammengerechnet, 12,8 Sievert. Fast 90 Prozent der Strahlendosen bekommen damit Leih- und Werkarbeiter ab, die Stammbeschäftigten nur etwas mehr als ein Zehntel. Daraus ergibt sich nach den Berechnungen der Linken, dass die Strahlenbelastung für das Fremdpersonal pro Person "im Durchschnitt fast doppelt so hoch ist wie die für das Eigenpersonal".

Fremdpersonal arbeitet "international"

Weil der Anteil zu Lasten der Leih- und Werkarbeiter in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen ist, vermutet die Linken-Abgeordnete Jutta Krellmann, dass die Fremdbeschäftigten zunehmend "die besonders strahlenexponierten Arbeiten in den AKW übernehmen". Sie spricht vom "Strahlenproletariat in deutschen Atomkraftwerken". Das bedeutet aber nicht, dass diese Arbeiter einer unerlaubt hohen Strahlendosis ausgesetzt wären. Die Durchschnittsbelastung pro Person liegt jedenfalls weit unter dem in Europa maßgeblichen Grenzwert von 20 Millisievert für beruflich strahlenexponierte Menschen.

Dass Energiekonzerne billigere Subunternehmen und Leiharbeiter anheuern, um Geld zu sparen, ist auch in anderen Ländern üblich. In Frankreich ziehen bis zu 30.000 Leiharbeiter von einem AKW zum anderen. Sie werden "Nuklear-Nomaden" genannt. Die Leiharbeiter helfen dort beim Austausch von Brennelementen und übernehmen Reparaturen und Wartungsarbeiten in stärker strahlenden Zonen. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW kritisiert bereits seit längerem, dass auch bei der Wartung deutscher Atomkraftwerke "regelmäßig ungelernte Hilfskräfte und Leiharbeiter" eingesetzt werden.

Nach Angaben der Bundesregierung arbeitet das Fremdpersonal "meist international". Deutsche Behörden können Aufzeichnungen über Strahlenbelastungen, die außerhalb Deutschlands amtlich festgestellt wurden, auf Antrag anerkennen. Die Linken-Politikerin Dorothée Menzner fürchtet deshalb, dass international Beschäftigte mit mehreren Strahlenpässen arbeiten und so Strahlenhöchstdosen überschreiten können. Die Bundesregierung hat keine Hinweise darauf, will sich aber für einen einheitlichen europäischen Strahlenpass einsetzen.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/personal-in-deutschen-atomkraftwerken-tausende-leiharbeiter-in-den-meilern-1.1105425
...still dreaming of electric sheep...

Kuddel

Da sieht man wieder, wie sehr die Presse pennt.
Der beschriebene Skandal ist seit Jahrzehnten bundesdeutsche Realität!

ZitatGanz unten ist ein am 21. Oktober 1985 erstmals erschienenes, international erfolgreiches Buch des Autors und Journalisten Günter Wallraff

Wo deutsche Kollegen Schutzkleidung bekommen (zum Beispiel bei Kanalarbeiten bei Temperaturen unter Null Grad), erhält er keine; Wallraff schildert in diesem Zusammenhang auch, wie türkische Arbeiter in Atomkraftwerken bei ihren Tätigkeiten gefährlich hohe Strahlendosen in Kauf nehmen müssen.

Aus seinem Inhalt erklärt sich die Titelwendung des Buches, die mit ,,ganz unten" die Grauzonen der bundesdeutschen Arbeitswelt, in denen Wallraff recherchiert, meint, wo es (dem Klappentext der Erstausgabe folgend) ,,vom Arbeitsmarkt zum Sklavenmarkt nur ein Schritt ist, wo Arbeit tödlich werden kann und der Mensch aufhört, Mitmensch zu sein", aber auch die unterste Stufe in der Hierarchie einer Gesellschaft.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ganz_unten

Judy

Hatte auch grad ein Zwangs-Vorstellungsgespräch bei einer ZAF, da musste ich ankreuzen, ob es sein könnte, dass ich schwanger bin, wegen Arbeiten wo man mit Radioaktivität in Berührung kommt. Kann mir aber kaum vorstellen, dass Frauen für Arbeiten in KKW eingesetzt werden, sind vielleicht Sprechstunden-Hilfen in Arzt-Praxen gemeint. Oder ?

Das ist ja nun mal wirklich übel, ich meine zu Zeiten von "Ganz Unten" von Wallraff, da haben die Leute sich aber freiwillig selber da beworben, wo es radioaktiv wird. Heutzutage wird man gezwungen, dort zu arbeiten, ob man nun will oder nicht. Das ist ein Riesenunterschied.

Und dass Leiharbeiter einfach Menschen dritter Klasse, bzw. noch tiefer sind, das geht eigentlich gar nicht. Das ist ein absoluter Skandal. Warum lassen diese Leute das nur mit sich machen? Ich verstehe das nicht, ich kann es echt nicht verstehen! Werden die alle über die Risiken getäuscht? Vielleicht nehmen die ja nur ganz blöde, die gar nicht kapieren, wie ihnen geschieht.

Alan Smithee

@ Kuddel: ja, der Bericht hat mich stark an das Wallraff-Buch erinnert. Und das dies endlich so in den Medien kommt, hat sicherlich auch was damit zu tun, dass man (angeblich) die AKWs langsam abschalten möchte... ::)

@Judy:
ZitatKann mir aber kaum vorstellen, dass Frauen für Arbeiten in KKW eingesetzt werden, sind vielleicht Sprechstunden-Hilfen in Arzt-Praxen gemeint. Oder ?

Nun ja.... da du die (unbestimmten!) Angebote vom Jobcenter bekommen hast, wollen dich die Zappelbuden wohl als "Hilfskraft" verhökern. Das hat für die den Vorteil, dass sie dich nicht als Fachkraft bezahlen, sondern eben als Hilfskraft ---> weniger Lohn für dich. Egal, was du gelernt oder gar studiert hast. Das ist ein üblicher Trick der Zappelbuden, um die Löhne zu drücken (obwohl man beim Entleiher dann als Facharbeiter arbeitet). Ich wäre mir daher also im Umkehrschluss gar nicht so sicher, wohin die einen verfrachten wollen. Und selbst als Frau finden sich garantiert auch Arbeiten im AKW als Hilfskraft...

Allerdings gehe ich in diesem Punkt nicht so ganz konform :
ZitatDas ist ja nun mal wirklich übel, ich meine zu Zeiten von "Ganz Unten" von Wallraff, da haben die Leute sich aber freiwillig selber da beworben, wo es radioaktiv wird. Heutzutage wird man gezwungen, dort zu arbeiten, ob man nun will oder nicht. Das ist ein Riesenunterschied.

Die Leute, die sich damals "freiwillig" für solche Jobs beworben haben, befanden sich überwiegend in einer finanziellen Notlage, hatten meist nicht einmal Papiere. Da blieb / bleibt denen nichts anderes übrig, als solche Jobs zu nehmen. Es sei denn, sie wollen verhungern. Als Ausländer, der kaum Deutsch kann und Angst vor Behörden hat, war und ist man angeschissen. Und eines darf man auch nicht vergessen: Wieviele haben tatsächlich gewusst, dass diese Arbeit so gefährlich für sie ist? Jemand mit kaum Schulbildung wurde da bestimmt nicht vorher aufgeklärt...
...still dreaming of electric sheep...

Auferstanden

der elementarste Unterschied zu früher ( ca. 15 Jahren ) ist, so wie es hier schon beschrieben wurde:
zum Einen die Freiwilligkeit und 2. der sehr gute Verdienst.

Im heutigen Sklavenstaat werden die Menschen erstens direkt oder indirekt gezwungen und
B. als Helfer E1 mit Hungerlöhnen versorgt, ganz der Sklavenhalterphilosphie entsprechend

Judy

Früher bekam man von den Kassenärzten auch noch eine Behandlung, im Gegensatz zu heute, wo die bei den Krankheiten die das Budget belasten dann einfach partout nichts finden können oder die Laborwerte plötzlich nicht verstehen können...

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