Gräfenhausen reloaded

Begonnen von Kuddel, 10:59:40 Mi. 19.Juli 2023

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Nikita

Solidarität mit den streikenden LKW-Fahrern in Gräfenhausen!
https://de.indymedia.org/node/304731

Kuddel

Zitat,,Die Situation für diese Menschen ist hochdramatisch"

Am Dienstag sind rund 30 Lastwagenfahrer an der Raststätte an der A5 wegen ausstehender Lohnzahlungen in den Hungerstreik getreten. Nun haben Ärzte sie untersucht – und raten ihnen dringend, den Streik zu beenden.
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/graefenhausen-aerzte-raten-lkw-fahrer-zu-abbruch-des-hungerstreiks-19195925.html

ZitatLkw-Fahrer im Hungerstreik: "Das ist lebensbedrohlich"

Seit Dienstag sind rund 30 Lkw-Fahrer an der A5-Raststätte Gräfenhausen im Hungerstreik. Damit setzten die Fahrer ihr Leben aufs Spiel, betonte ein Ärzte-Team bei einem Check-Up. Aus medizinischer Sicht sollten sie sofort aufhören.
https://www.hessenschau.de/wirtschaft/arzt-hungerstreik-an-a5-raststaette-fuer-lkw-fahrer-lebensbedrohlich-v1,graefenhausen-lkw-hungerstreik-100.html

Man muß die Situation, die als "dramatisch" beschrieben wird, auch in einem größeren Zusammenhang sehen. Zwei Monate lang hat man die Streikenden entmündigt und ihnen keine Möglichkeit gegeben, selbst aktiv zu handeln oder sich mit anderen Ausgebeuteten zusammenzuschließen. Alle Aktivitäten gingen von Politiprofis aus, von Gewerkschaftsfunktionären, Politikern und Leuten gewerkschaftsnaher Stiftungen. In die Planung der Aktionen waren die Fahrer zumeist nicht eingebunden. Selbst darüber, was mit dem Geld, das für die Streikenden gesammelt worden ist, passieren soll, hatten die Betroffenen nicht zu entscheiden.

Bis zuletzt wurde ihnen gesagt, sie sollten abwarten und Geduld haben, man würde sich gerade auf höchster politischer Ebene um die Lösung ihrer Probleme kümmern.

Diesen Bullshit haben bereits die Streikenden vom 1.Streik zu hören gekriegt. Der 1.Streik wurde gewonnen, weil der wirtschaftliche Druck, den die durch die Verteidigung geladener Waren erzeugt haben, ausreichend stark war, um den Ausbeuter in die Knie zu zwingen.

Diejenigen, die das Problem auf höchster Ebene lösen sollen, sind auch diejenigen, die für das Problem verantwortlich sind. In Berlin und Brüssel wurden die Entscheidungen zur Liberalisierung des Straßentransports getroffen, was nichts weiter war, als Ausbeutern wie Mazur den Roten Teppich auszurollen. Es hat sich Extremausbeutung gewaltigen Ausmaßes entwickelt, wobei Mazur nur ein kleines Licht ist. Das ist in Berlin und Brüssel bekannt und nicht erst seit den Protesten in Gräfenhausen.

Die Folgen dieser Zustände in der europäischen Transportwirtschaft sind dramatisch. Und darum geht der Streik und der momentane Hungerstreik.



Die Hungerstreikenden haben ernstere Probleme als die triste Situation auf dem Rastplatz. Sie können seit 2 Monaten ihre Familien nicht mehr unterstützen, die ihre laufenden Kosten nicht mehr begleichen können, Arztrechnungen bleiben offen und dringend notwendige Operationen können nicht durchgeführt werden. Inzwischen wird sogar die Ernährung zu einem Problem.

Zitat"Wir sehen hier nicht genug Fortschritt und deswegen auch keine andere Möglichkeit", erklärte der 49 Jahre alte Fahrer Vladimir dem "HR". "Meine Familie in Georgien hungert seit Monaten und wartet auf das Geld, das mir zusteht. Deswegen gehe auch ich in den Hungerstreik."
https://www.t-online.de/region/frankfurt-am-main/id_100246358/hungerstreik-in-hessen-lkw-fahrer-bleiben-bis-sie-sterben-.html

Zitat,,Es ist hart. Ich spüre den Hunger, trinke nur Wasser, nicht mal Kaffee", sagt Kaladze. ,,Aber ich denke an meine Familie, meine drei Kinder, die ich ernähre. Das motiviert mich weiterzumachen." Gleichzeitig sollen sie und seine Frau nicht erfahren, zu welchem Schritt er sich entschlossen hat: ,,Sie dürfen keine Angst bekommen." Gestern, an einem religiösen Feiertag in Georgien, hat er wieder mit ihnen telefoniert, per Video. Als seine Tochter genauer hinsah und ihn fragte, wieso er nicht in seinem Wagen sei, musste er sich eine Ausrede einfallen lassen.

,,Ich habe spät geheiratet und eine Familie gegründet", erzählt er etwas verlegen und wertschätzend zugleich. ,,Ich vermisse sie." Seit ungefähr einem Jahr war er nicht mehr zu Hause, sondern hat für Mazur Waren geliefert. Neun Stunden am Lenkrad, weitere vier bis sechs Stunden Beladen, Entladen, den Wagen pflegen, in dem er lebt und schläft. Kaladze ist etwa 1,70 Meter groß und drahtig. Die Arbeit hat ohnehin schon an ihm gezehrt, jetzt kommen die Folgen des Hungerstreiks hinzu. Der Familienvater spricht und bewegt sich langsam, er hat sich trotz der milden Temperaturen einen Kapuzenpulli und eine Weste angezogen.

Wo das alles enden werde, wisse er nicht. Doch für ihn steht fest, ,,ich werde so lange weitermachen, bis ich mein Geld bekomme".
https://www.fr.de/rhein-main/hungerstreik-in-graefenhausen-wir-koennen-nicht-laenger-warten-92537083.html

Kuddel

Verdi ist die Gewerkschaft, die für LKW Fahrer zuständig ist, bzw. sein sollte. Doch in den 80er Jahren (damals noch als ÖTV) hat man den Schmuddelbereich der Trucker weitgehend fallenlassen. Darüber können all die Worte der Solidarität nicht hinwegtäuschen.

ZitatDie stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis, die unter anderem für die Logistik-Branche zuständig, musste mit den Tränen kämpfen, als sie berichtete, dass einer der Fahrer versucht habe, sich das Leben zu nehmen vor lauter Verzweiflung.
https://www.verdi.de/ueber-uns/bundeskongress-2023/solidaritaet

Aha. Den Tränen nahe war also die Andrea Kocsis, die kurz zuvor gefordert  hat, daß es nicht "nicht zur Regel werden" darf, daß ausländische Trucker in Deutschland um ihre Rechte kämpfen.

ZitatWir sind solidarisch
Solidarität ist das Wichtigste, was uns miteinander verbindet, nicht nur auf unserem Kongress, sondern jeden Tag in unserer Arbeit. Sei es mit den schon wieder seit Wochen streikenden LKW-Fahrern aus Osteuropa an der Raststätte Gräfenhausen. Teilweise warten sie seit Monaten auf ihre Löhne.
https://www.verdi.de/ueber-uns/bundeskongress-2023

Das einzige, was dann vom Verdikongreß in Richtung Trucker kam, war eine Solidaritätserklärung, die nicht ein Fünkchen praktischer Unterstützung beinhaltete, sondern nur heiße Luft. Soldidaritätsblabla.

Kuddel

Ein Update.

Gestern war der Vorsitzende des Kleinspediteursverbands CamionPro im Streikcamp und bot seine Unterstützung an. Edwin Atema schlug das Angebot aus, man brauche keine Unterstützung und habe alles im Griff.

Für'n Arsch! Man hat nichts im Griff und man hat keinen Plan. Es herrscht Stillstand an der Streikfront. Es gibt wohl vereinzelt Ärger mit durchgeknallten Unternehmern, die die in den bestreikten LKW schmorende Ware, auf eigene Faust rausholen wollen. Erinnert mich an die Autofahrer, die die Klimakleber von der Straße prügeln wollen.

Es ist unglaublich, daß die führenden Unterstützer (FNV, DGB, Verdi,Faire Mobilität) keine Strategie mehr haben. Sie warten nur noch auf ein Ende des Arbeitskampfes auf die eine oder andere Weise. Die Streikenden sind lästig geworden.

Das Maximum, was sie an Aktivitäten zu bieten hatten, war ein Blitzbesuch von SPD Chef Lars Klingbeil auf seiner Wahlkampftour (eine Stunde später hatte er bereits am nächsten Ort zu sein) gemeinsam mit der BILD-Zeitung. Jetzt ist man mit dem Latein am Ende, es kommt nichts mehr. Wenn Mazur jetzt wirklich zahlungsunfähig sein sollte, bringt auch ein Entzung seiner Lizenz nichts.

Das Wochenende waren Tage verpaßter Chancen. Es fand gerade die Nutzfahrzeugmesse NUFAM (ein Treffpunkt nicht für für die Transportwirtschaft, sondern auch für Trucker) statt. Da präsentierte sich auch Verdi. Man kam nicht auf die Idee, dort auch ein paar Streikende aufs Podium zu holen. Es fand auch ein Treffen der Kraftfahrerkreise statt, das man auch dem Rastplatz Gräfenhausen hätte abhalten können. Die Sprachbarriere mag zwar ein Problem sein, aber lösbar. Die Sprach-App, die viele Streikende auf ihrem Smartphone haben, ist brauchbar, wenn man in kurzen einfachen Sätzen spricht.

Das fehlende Interesse an den Streikenden, ihren Gedanken, Ängsten und Wünschen, ist ein zentrales Problem.

Es wurden nicht zwei, sondern drei LKW als Matratzenlager für die Hungerstreikenden eingerichtet. Einige der Hungestreikenden haben den Hungerstreik abgebrochen.

Kuddel

Liebe Leute,
die Situation ist wirklich ernst.
Egal woran es jetzt liegen mag, ob an dem stark zurückgegangenen Spendenfluß oder an schlechtem Management vor Ort: Es kommen zur Zeit noch nicht mehr ausreichend Lebensmittel an. (Es befinden sich nicht alle im Hungerstreik.)

Es wäre ein absolutes Armutszeugnis, wenn wir nicht einmal einen Minimallevel an solidarischer Unterstützung hinbekommen.

Kuddel

ZitatLkw-Fahrer beenden ihren Hungerstreik

Um an ihre nicht gezahlten Löhne zu kommen, haben 30 Männer ihre Gesundheit riskiert und sieben Tage keine Nahrung zu sich genommen. Nun brechen sie diesen Protest ab – auch, weil sie nun auf staatliche Unterstützung hoffen.

(...)
Trabert als Gründer des Vereins ,,Armut und Gesundheit in Deutschland" hat in den vergangenen Wochen wiederholt Teilnehmer des Streiks mit seinem Team aufgesucht und behandelt. Am Wochenende dann schlug er Alarm und versuchte die Fahrer vom Abbruch der Aktion zu überzeugen: ,,Ein Hungerstreik ist eine lebensbedrohliche Situation", wiederholte er auch am Montag. ,,Wir können auch mit ärztlicher Begleitung das Risiko nicht reduzieren."

Zum Abbruch bewogen haben die Fahrer aber wohl nicht nur Traberts Warnungen. Der Hessische Rundfunk berichtet, dass am Montag Torsten Safarik, der Präsident des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das Fahrerlager auf der Raststätte besucht hat. Nach Safariks Ansicht habe der polnische Spediteur klar Menschenrechte verletzt, heißt es weiter in dem Bericht. Es sei zu prüfen, ob Verstöße gegen das Lieferkettengesetz, das auch soziale Standards festlegt, verletzt worden ist. Safarik habe zugesagt, weiter im Hintergrund zu verhandeln, auch darüber, ob deutsche Unternehmen die Zahlungen übernehmen. In der Summe sollen die Lohnschulden bei rund einer halbe Million Euro liegen.
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/lkw-fahrer-in-graefenhausen-beenden-hungerstreik-19198983.html

dagobert

Das fällt dem Herrn Safarik aber zeitig ein ...
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

Kuddel


Kuddel



Es gibt noch einiges zu diskutieren. Die streikenden Fahrer wollen ihr Recht und die Auszahlung ihrer Gehälter. Aber sie wollen es nicht nur für sich, sondern auch für die Kollegen, die unter ähnlichen Bedingungen leiden. Sie haben ausdrücklich Interesse daran, daß weitere ausgebeutete Migranten beginnen zu kämpfen.

Es hat sich jedoch eine sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Unterstützerszene in eine Position gebracht, in der sie weitgehend die Art der Führung des Streiks bestimmt über den Kopf der Migranten hinweg. Sie tut alles, um eine Ausweitung des Streiks zu verhindern.

Statt uns mit diesen nicht unbedingt neuen Erkenntnissen weiter auf eine unfähige und unwillige Gewerkschaftspolitik einzuschießen, sollten wir uns überlegen, wie denn eine Alternative, ein Ausweg aussehen könnte.

Der Streik in Gräfenhausen erhielt auch Unterstützung von Basisgewerkschaften und aus der linken/linksradikalen Bewegung. Diese Unterstützung war jedoch begrenzt und nicht ausreichend, um die Streikenden über Wochen durchzufüttern. Wir können nicht einfach sagen, wir brauchen die Gewerkschaftsheinis nicht, so lange wir nicht für eine solide Basis für einen solchen Kampf selbst sorgen können.

Es wurde vielleicht zu wenig auf die solidarische Unterstütung von Menschen aus der Nachbarschaft geachtet. Hier gab es einen beachtlichen Strom an kleinen Spenden von selbstgebackenem Kuchen, Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten und Einkäufen aus dem Supermarkt. Es waren stinknormale Leute, nicht politisch organisiert, aber mit einem Klasseninstinkt oder zumindest einer menschlichen Hilfsbereitschaft denen gegenüber, die einfach ihr Recht wollen.

Solche Menschen gibt es mehr als man denkt. Es wäre also sinnvoll Infoveranstaltungen in Weiterstadt, Darmstadt und Frankfurt zu organisieren, die nicht Linke ansprechen sollen, sondern Otto Normalverbraucher. Dieses Klientel hat man bisher ignoriert, doch es wäre einen Versuch wert.

Es geht nicht allein um Spenden. Es müssen Menschen sich selbst engagieren und einbringen können. Viele spüren ein Unwohlsein mit den Verhältnissen, sie wissen aber nicht, wo sie etwas tun können und wo sie überhaupt gehört werden. Boykottaktionen mögen keine scharfe Waffe sein, doch es sind Möglichkeiten sich zu engagieren und sich zu politsieren. Nach z.B. dem individuellen Boykott von Red Bull (Marzur Auftraggeber), kann man mit Flugblättern, Infotischen und Leserbriefkampagen versuchen, weitere Boykotteure zu gewinnen.

Spannender ist die Verbindung mit anderen aktuellen Kämpfen. Es gibt Streiks im Einzelhandel. Hier gibt es eine ganze Reihe an Mazur Auftraggebern. Neben Ikea und REWE gibt es weitere involvierte Handelsketten und Baumärkte. Es wäre passend, auf Transparenten und Flugblättern und in Reden auf den Zusammenhang der Unternehmen und Kämpfe hinzuweisen.

Besonders interessant, bzw. am wichtigsten, wäre es, auf eine Ausweitung des Kampfes hinzuarbeiten. Man sollte auf die Unzufriedenheit deutscher Berufskraftfahrer eingehehen. Unter deutschen Fahrern ist die Stimmung gemischt. Einige sind einfach solidarisch und verstehen den Zusammenhang, andere sind genervt, ärgern sich darüber, daß bei der allgemeinen Parkplatznot dann noch der Rastplatz Gräfenhausen von der Polizei als Parkplatz gesperrt worden ist. Da fallen dann Sprüche wie, "sollen die doch bei sich zuhause streiken!"



Die Streikenden stehen im Fokus des Interesses bei Tausenden migrantischen Fahrern, die selbst unter ähnlichen unmenschlichen Arbeitsbedingungen leiden. Sie wollen wissen, ob sie auch den Kampf wagen können.

Hier sind wir gefordert. Wir müssen uns um mehrsprachige Fluglätter kümmern. Wir müssen auf Parkplätze, Rasthöfe, Häfen und andere Aufenthaltsorte von Truckern begeben, möglichst gemeinsam mit Menschen, die osteuropäische Sprachen sprechen.

Es gilt nicht allein andere Trucker zu mobilisieren. Wir sollten die Arbeitsmigranten in den Schlachthöfen, in der Landwirtschaft, auf dem Bau, im Gesundheitswesen und der Altenpflege nicht vergessen.

Die kommenden Arbeitskämpfe werden migrantisch geprägt sein.

Wir müssen uns grundsätzlich darum kümmern, sprachliche Hürden zu überwinden. Wir sollten sehen, ob wir in migrantischen Kulturcafes, an der Uni oder im russischen Lebensmittelladen Leute findet, mit denen man sich versteht und die mit ihren sprachlichen Fähigkeiten da aktiv mit dabei sein könnten.

Im Übrigen: Der Truckerstreik Gräfenhausen wird nicht der letzte gewesen sein!

counselor

ZitatMLPD-DELEGATION VOR ORT - Gräfenhausen: Streikende LKW-Fahrer beenden Hungerstreik

Heute morgen ist die Meldung im "Darmstädter Echo", dass die "Gräfenhäuser" LKW-Fahrer nach ärztlichen Behandlungen und auf Anraten des Mainzer Notfall-Mediziners Gerhard Trabert ihren Hungerstreik wegen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Risikos beendet haben.

Wir von der MLPD Darmstadt waren vorhin auf dem Rastplatz Gräfenhausen und haben dem Gewerkschafter der Europäischen Transportarbeiter-Gewerkschaft und Verhandlungsführer Edwin Atema einen Text zur Abstimmung hinterlassen und haben abgesprochen, dass wir uns morgen, am 27.9. wieder sehen, um das Ergebnis ihrer Überlegungen zu erfahren.

Mit den streikenden LKW-Fahrern auf dem Rastplatz Gräfenhausen abgesprochener Vorschlag für eine Deutschland-weite Unterschriftensammlung, welche ihr LKW-Fahrer machen könnt. Genossinnen und Genossen der MLPD würden sie auf den Weg bringen, alle gewerkschaftlich bewussten Menschen könnten sich beteiligen.

 

Schluss mit dem Hinhalten der in Gräfenhausen streikenden Fahrer-Kollegen und sofortige Auszahlung der ausstehenden Arbeitslöhne von etwa 500.000 € an alle Betroffenen durch die Mazur-Betriebe.
Schluss mit der Methode, den Kollegen Kosten aufzubürden, die nach Recht und Gesetz der Mazur-Konzern zahlen muss.
Öffnung der Sanktionen gegenüber Russland für Geldsendungen an die Familien der in Westeuropa tätigen LKW-Fahrer, so dass Frauen und Kinder in den östlichen Heimatländern aus ihrer massiven existenziellen Not befreit werden.
Schluss mit der menschen-unwürdigen und teils bis ins Verbrecherische gehenden Behandlung aller im Transportgewerbe tätigen Kollegen, insbesondere durch die Mazur-Betriebe sowie der hinten dran stehenden, in Deutschland tätigen Konzerne, für welche die Kollegen Transportaufträge abwickeln.

Quelle: https://www.rf-news.de/2023/kw39/graefenhausen-streikende-lkw-fahrer-beenden-hungerstreik
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

So, das war ein Teil meiner Gedankenspiele zum Thema.

Hier folgt der 2.Teil:

In Gräfenhausen wird Geschichte geschrieben.

Wir sollten uns mit den Streikenden austauschen und die Erfahrungen und Lehren verbreiten.

Ich habe ja bereits vorgeschlagen, Infoveranstaltungen im ganzen Land zu organisieren und mein Gedanke war, einerseits ein linkes Klientel anzusprechen, aber es auch mit einem unpolitischem Publikum zu versuchen, denn auch die machen sich Gedanken über die Welt und wie man mit den herrschenden Zuständen umgehen kann.

Die Idee mit den Veranstaltungen verbreitet sich schleppend, aber immerhin.

Dann kam mir die Idee, so etwas wie das Verkehrswendecamp zu machen. Das gab es ja in Wolfsburg und Berlin.

So etwas könnte man in Gräfenhausen oder wo auch immer so ein Streik stattfindet, einrichten, damit die Streikenden und Aktivisten anderer Kämpfe und Auseinandersetzungen miteinander diskutieren können.

Meine Themenvorschläge:
  • Wilde Streiks - Wie geht das? Diskussion mit Fahrradkurieren von Gorillas
  • Grenzüberschreitend Kämpfen? Erfahrungsaustausch mit AMAZON Aktivisten
  • Treffen mit deutschen Truckern. Welche Probleme haben sie. Was verbindet sie mit den migrantischen Kollegen?
  • Einladung an migrantische LKW-Fahrer jenseits von Mazur
  • Einladung an andere Arbeitsmigranten und Menschen aus Antira Gruppen und der Flüchtlingsarbeit
  • Trucker und Umweltschützer. Diese Kombination funktioniert. Der kürzlich verstorbene Verkehrsfachmann Winfried Wolf hat es erfolgreich praktiziert.
  • Aktivisten einladen, die sich mit Menschenrechten, Zwangsarbeit und Menschenhandel auseinandersetzen
  • Gewerkschaften? Basisgewerkschaften? Welche Organisationformen verlangen diese grenzüberschreitenden Auseinandersetzungen?

Das war nur eine wilde Gedankensammlung. So eine Veranstaltungsreihe währende eines langwierigen Kampfes, könnte produktiv sein. Mehrsprachige Zusammenfassungen, die online zur Verfügung stehen, könnten hilfreiche Infos für zukünftige Kämpfe leifern. Die Streikenden würde diese Erfahrungen in ihre Heimaländer bringen.



Wir sollten über diesen Gräfenhausenstreik weiter in die Zukunft denken.


Kuddel

Die YDG (Yeni Demokratik Gençlik) - Frankfurt hat ein Interview geführt. Die Ausbeutungsmethoden der Mazurspeditionen werden ausführlich beschrieben. Ansonsten dankt der Fahrer den Gewerkschaften und Edwin Atema.

https://x.com/FrankfurtYdg/status/1706813113482309660


Kuddel

Zitat von: Nikita am 17:28:38 Mi. 27.September 2023Ort und Adresse fehlen.

Infocafé Anna & Arthur
Katzenstr. 2
21335 Lüneburg

Kuddel

Zitat von: Kuddel am 19:14:30 Mi. 27.September 2023Die YDG (Yeni Demokratik Gençlik) - Frankfurt ...

Auch das sollten wir nicht vergessen:
Es gibt Solidarität aus migrantischen Communities.
Russischstämmige christliche Gruppen, die weder links noch politisch sind, kamen mit Speis und Trank und musizierten für die Streikenden.

Aktuell berichtet auch Young Struggle über den Streik. https://young-struggle.org/hungerstreik-der-lkw-fahrer-in-graefenhausen-beendet-neue-verhandlungen-laufen/
ZitatObwohl wir nicht dieselbe Muttersprache sprechen, aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt kommen und die verschiedensten Geschichten haben, so haben wir eins gemeinsam: Wir werden vom selben System unterdrückt und dieses hat uns nichts mehr zu bieten. (...) Wir wollen die Grenzen der ,,Festung Europa" einreißen, für eine solidarische Gesellschaft, ohne rassistische Diskriminierung. (...)  Das Leid, die Unterdrückung und die Ausbeutung ertragen wir nicht länger. 
https://young-struggle.org/wer-wir-sind-young-struggle/

All das zeigt Möglichkeiten, wie "irreguläre" Arbeitskämpfe in der Zukunft geführt werden können.

Kuddel

Die ZEIT hat einen ausführlichen Artikel veröffentlicht, der sich den Menschen im Arbeitskampf nähert und ihre Situation als Fahrer im Internationalen Transport und nun in einem irregulären Streik beschreibt. Es ist ein guter Artikel.



ZitatBezahlt worden sei demnach nur die reine Fahrtzeit mit einem Stundenlohn von 1,30 bis 1,40 Euro. Die Zeit fürs Be- und Entladen der Lastwagen allerdings nicht. (...)

Das habe die Aufsichtsbehörde bei der Überprüfung stutzig gemacht. Deren Mitarbeitende hätten dann festgestellt, dass die Daten der Fahrtenschreiber beschädigt seien.

Und die Fernfahrer in Gräfenhausen wissen ganz genau, warum sie streiken.

"Wir streiken, weil unsere Familien zu Hause hungern", sagt Shukrat*, 49 Jahre alt. "Wir können das Schulgeld für unsere Kinder nicht mehr bezahlen", sagt der 42-jährige Fayzullo*.
https://www.zeit.de/arbeit/2023-09/graefenhausen-lkw-fahrer-hungerstreik-a5-raststaette/komplettansicht

Das politische Umfeld hier in Deutschland wird auch treffend beschrieben:
ZitatWegen der anstehenden Landtagswahlen in Hessen sind auch Lokalpolitiker hin und wieder auf der Raststätte, zeigen sich. Sie seien interessiert – viel ändern würde sich aber nicht, sagt Atema. Auch der Bundesvorsitzende der SPD Lars Klingbeil sei da gewesen, er habe daraufhin den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil informiert. Und der habe eine Sonderprüfung der Auftraggeber der polnischen Unternehmensgruppe erwirkt. Das Lieferkettengesetz, das seit Januar diesen Jahres in Kraft ist, soll Unternehmen in die Pflicht nehmen, die Menschenrechte innerhalb globaler Lieferketten einzuhalten. 

Es war bereits beim 1. Streik im Frühjahr so: Politiker und Gewerkschschaftsfunktionäre waren sich einig, der Umgang der Mazur Speditionen sei schockierend und man zeige Solidarität mit den Streikenden.

Es hieß, Mazur gehöre die Lizenz entzogen, bzw. in den Knast. Aber niemand sagte, wie man das denn durchsetzen will. Man habe aber die zuständigen Stellen in Berlin und Brüssel informiert und nun sollten die Fahrer Geduld zeigen und abwarten. Sie zeigten viel Geduld, doch die zuständigen Stellen in Berlin und Brüssel zeigten wenig Interesse, an der Situation etwas zu ändern.

Die als Unterstützer dieses Streiks auftretenden Gewerkschaften kamen bisher nicht auf die Idee, mit gewerkschaftlichen Maßnahmen in dieser festgefahrenen Situation zu reagieren. Man beschränkte sich auf Gespräche mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft, ohne die Mitglieder ihrer Organisationen zur Streikunterstützung zu mobilisieren.

Es sei daran erinnert, daß der Internationale Verbund der Transportarbeitergewerkschaften ITF bzw. ETF Schiffe an die Kette gelegt hat, deren Eigner nicht bereit waren, die Mindeststandards für die Arbeit ihre Beschäftigten einzuhalten. So müßten sich auch LKW, die für Mazur in Deutschland unterwegs sind, festsetzen lassen.

Man beläßt es jedoch bei Appellen an die Verantwortung der Wirtschaft.

Man ruft also Kapitalisten auf, nicht wie Kapitalisten zu denken und zu handeln. Das beschreibt den Zustand der heutigen Gewerkschaften.



Es war der letzte Schritt der Gewerkschaften, ein Bundesamt einzubeziehen:
ZitatAm Montag hatte sich Torsten Safarik, der Präsident des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), in Gräfenhausen selbst einen Überblick über die dortige Lage verschafft. Anhand der freiwillig von den Fahrern zur Verfügung gestellten Informationen werde geprüft, ob Unternehmen betroffen sein können, die dem Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz verpflichtet sind, so ein Sprecher. Das BAFA könne von Amts wegen tätig werden und auch von den jeweiligen Unternehmen Stellungnahmen einholen.
https://live.vodafone.de/regional/hessen/weiter-kein-ende-des-fahrerstreiks-in-graefenhausen-in-sicht/12294498

Und das ist wieder ein Grund, die Fahrer aufzurufen Geduld zu zeigen und abzuwarten. Und die Gewerkschaftmitglieder (Verdi hat rund 2 Millionen) sind weiterhin nicht gefragt, aktiv zu werden.

Kuddel

Heute hat KLASSE GEGEN KLASSE einen Gräfenhausenartikel von Ruta Raudona veröffentlicht.

Mir hat er auch wegen seiner ungewöhnlichen Form gefallen.

ZitatWas ist der Tauschwert eines Truckfahrers, der hungert, um seinen Lohn zu bekommen?

In Gräfenhausen streiken seit Monaten LKW-Fahrer für die Auszahlung vorenthaltener Löhne, bis vor Kurzem sogar mit einem Hungerstreik. Unsere Autorin hat die Streikenden besucht und das Erlebte in einem Text verarbeitet.




Gräfenhausen West, elf Uhr vormittags.
Ein strahlend blauer Himmel über blauen Trucks.
McDonalds, drei Dixi-Klos, Parkbänke: ein Ort zum Pausieren.
Hier stoßen Arbeiter und Familien aufeinander, manchmal auch Geschäftsmänner, die den zehnfachen Lohn der anderen erhalten.
Vorbeiziehende Autos rauschen im Hintergrund:
Audi, VW, Porsche, und die Namen all derer, die sich am Labyrinth der Lohnketten beteiligen.
Lohnketten, die sich um die Hälse der Truckfahrer wie Schlingen drehen.
Die Scheinselbstständigkeit, in der die Fahrer sich scheinbar selbstständig selbst ausbeuten, während sie Produkte der Ausbeutung an ihr Ziel fahren, Produkte, sprich: Tauschwerte.
Was ist der Tauschwert eines Truckfahrers?
Was ist der Tauschwert eines Truckfahrers, der sich weigert, zu beliefern?
Was ist der Tauschwert eines Truckfahrers, der hungert, um seinen Lohn zu bekommen?
Vafoev sagt, dass er seine Familie seit fünf Monaten nicht mehr gesehen hat, seine Frau, zwei Töchter und zwei Söhne.
Aber er ist überzeugt, dass er seinen Lohn bekommen wird.
Sardor arbeitet seit acht Jahren für Mazur. Seine Familie weiß nichts von dem Streik, sagt er. Sie würden sich zu viele Sorgen machen, warten auf das Geld, das ihm zusteht und noch immer nicht gezahlt wird.
Aber Vafoev und Sardor sind hoffnungsvoll, selbstbewusst, stark.
Sie laden uns in ihren Truck ein, tischen uns selbstgekochte Suppe auf. Erbsen, Fleisch, Chai. Dampf steigt aus dem Tee, benebelt die Gesichter.
Sie sind gastfreundlicher zu uns als die ganze Raststätte. Gastfreundlicher als der McDonalds, die vorbeiziehenden Autos und die Menschen, von denen die meisten nur kurz bleiben und sich wundern, warum hier Transpis hängen, warum hier Truckfahrer sitzen, warum sich blauer Truck an blauen Truck reiht.
Ein fremder alter Mann bleibt stehen, fuchtelt mit den Armen, fragt: ,,Warum streikt ihr denn?"
Ja, warum streiken Truckfahrer, denen der Lohn nicht ausgezahlt wird?
Warum streiken Truckfahrer, die teilweise Schulden aufgenommen haben, um überhaupt arbeiten zu können?
Warum streiken Truckfahrer, deren Familien in den Heimatländern hungern?
Die größere Frage ist doch: Warum streiken nicht alle Arbeiter:innen international?
Warum arbeitet überhaupt noch irgendjemand?
Ein deutscher Truckfahrer kommt an unserem Truck vorbei, schaut rein und winkt, er sagt: ,,Deutschland verarscht uns alle."
Er weiß: die usbekischen, die ukrainischen, die türkischen, und alle anderen Truckfahrer sind nicht seine Gegner.
Es sind die Bosse der Speditionsfirmen und der Firmen, die Aufträge an diese liefern.
Vafoev und Sardor lachen ihm zu, denn sie wissen das auch.
Sie sind Arbeiter aus verschiedenen Ländern, doch die Lieferketten kennen keine Grenzen, drehen sich international um die Hälse der Truckfahrer: internationale Schlingen.
Das Kapital kennt keine Grenzen, frisst sich seinen Weg durch die Welt, wenn nötig mit Kriegen.
Gräfenhausen West, fünfzehn Uhr nachmittags.
Ein strahlend blauer Himmel über blauen Trucks.
McDonalds, drei Dixi-Klos, Parkbänke. Ein Ort zum Streiken.
https://www.klassegegenklasse.org/was-ist-der-tauschwert-eines-truckfahrers-der-hungert-um-seinen-lohn-zu-bekommen/

Auch uns ging es so, die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit der Streikenden hat uns bewegt. Hat unsere Gedanken bewegt. Klassenkampf ist nicht etwas theoretisches und auch nicht so plakativ, wie in Geschichtsbüchern oder politischen Pamphleten.

Dieser Kampf wird von Menschen getragen, die so sind, wie von Ruta beschrieben. Man macht sich kein Bild davon, welche Last sie tragen. Sie bekommen kein Streikgeld. Ihre Familien sind ewig weit weg, sie haben sich verschuldet, können kein Schulgeld und keine Arztrechnungen zahlen. Sie haben kaum genug zu essen.

Auf dem Rastplatz herrscht Tristesse. Reiche Gewerkschaften schmücken sich mit dem Mut und dem Durchhaltevermögen der zentralasiatischen Fahrer. Dafür gibt man ihnen Lebensmittel, die gerade so reichen.

Ich möchte hier nochmal Ruta zitieren.

ZitatDie größere Frage ist doch: Warum streiken nicht alle Arbeiter:innen international?
Warum arbeitet überhaupt noch irgendjemand?

Exakt den gleichen Gedanken hatte ich heute auch, nur nicht im Gräfenhausen-Zusammenhang.

Ich ärgere mich regelmäßig über die Aussage von Gewerkschaftern, die sagen, daß für sie Streik das äußerste Mittel sei, das sie auf jeden Fall vermeiden möchten. Die Unternehmer würden sie leider provozieren zu streiken.

Was für ein Scheiß!

Die Frage von Ruta ist nicht bekloppt oder utopisch. Es ist ein absolut vernünftiger und folgerichtiger Gedanke.

Vollständig irre ist jedoch, daß jeden Tag Menschen zu einer Arbeit trotten, auf die sie keinen Bock haben. Eine Arbeit, die Dinge produziert, die kein Mensch braucht. Eine Arbeit, die die Umwelt zerstört.

Eine solche Normalität gibt es, weil man sie nicht in Frage stellt.

Die Blauen Trucks in Gräfenhausen bewegen sich nicht mehr. Sie verweigern ihre Rolle, als Rädchen in dem großen Getriebe zu funktionieren.


Kuddel

Meiner Meinung nach entwickelt sich die Solidarität von linker und linksradikaler Seite für diesen wichtigen Arbeitskampf recht langsam.

Der Beitrag auf Indymedia, auf den cyberactivist in Beitrag #210 hingewiesen hat, ist interessant. Doch über Indymedia ist der Artikel im Moment nicht zu erreichen.

ZitatDabei ist nicht nur die Entwicklung der Ereignisse dramatisch, sondern auch die wenige Aufmerksamkeit, die das Thema innerhalb der radikalen Linken erhält.

Es geht nicht nur um Spenden. Das Aufsuchen der Streikenden und der Austausch mit ihnen ist mindestens genauso wichtig:

ZitatWir besuchen die Fahrer seit einiger Zeit. Wir bringen gerettetes Gemüse und Obst vorbei, aber auch Lebensmittel wie Eier und Butter, die wir von gespendetem Geld kaufen. Wenn wir sie besuchen, dann quatschen wir miteinander. Ihnen ist wichtig, dass wir vorher bescheid sagen, wenn wir kommen, denn sie möchten uns zum Essen einladen. Sie sagen, sie mögen es nicht immer nur Sachen zu bekommen, aber selbst nichts zurückzugeben. An einem Abend haben wir gemeinsam auf der Raststätte in einem Lkw gekocht und eine Musikbox mitgebracht. Obwohl das Wetter richtig schlecht war, und es in Strömen geregnet hat, haben wir zusammen getanzt und die Stimmung war top. Das ist eher eine Ausnahme von der sonst stressigen und langweiligen Zeit, die die Fahrer auf der Raststätte verbringen.

Über die Streikunterstützer:
ZitatWir treffen bei unseren Besuchen in Gräfenhausen auf weitere Menschen, die die Streikenden unterstützen. Sie sind Christen aus einer Freien Gemeinde aus Darmstadt, Sozialdemokraten von Ver.di und co., die Hochschulgewerkschaft unter_bau ist am Start, und Aurora hat zu Beginn des Streiks auch berichtet und unterstützt. Die Berichterstattung insgesamt nimmt jedoch mit voranschreitender Zeit leider immer mehr ab, und so geht auch langsam das Interesse verloren. Weitere Menschen aus der radikalen Linken sucht man in Gräfenhausen vergebens. Das Thema wird hauptsächlich von großen Gewerkschaften wie ver.di behandelt. Diese setzen auf Sozialpartnerschaft und reformistische Ansätze. Ihre Prämisse lautet Burgfrieden statt Klassenkampf.

Das trifft den Nagel auf den Kopf:
ZitatWeil der Diskurs um Gräfenhausen nun überwiegend von sozialdemokratischen Kräften geführt wird, findet keine Auseinandersetzung darüber statt, wie es überhaupt erst zu solch prekären Arbeitsbedingungen kommt.
Statt indymedia: https://www.antifa-frankfurt.org/2023/09/20/solidaritaet-mit-den-streikenden-lkw-fahrern-in-graefenhausen-2/



Kämpfe in der Logistik und Kämpfe migrantischer Arbeiter:innen werden zunehmen.

Wir müssen hingehen, uns austauschen und von ihnen lernen.

Kuddel

Anna Weirich hat mit Protestcamp auf Rädern einen informativen Artikel über den Streik verfaßt. Sie arbeitet für Faire Mobilität und war bereits beim 1. Streik vor Ort, und auch beim 2. Streik kümmert sie sich nicht allein um das Dolmetschen im Streikcamp.

Ich habe mich einzig über folgende Aussage geärgert:
ZitatÄndern kann sich das nur, wenn die Unternehmen endlich Verantwortung für ihre Lieferkette übernehmen.

Das ist der gleiche Mist, den man ständig von den Gewerkschaften (FNV, DGB, Verdi) hört. Kapitalisten sehen sich nur dem Profitmachen verpflichtet und die Erwartung, sie mögen endlich "Verantwortung übernehmen", bleibt ein frommer Wunsch. Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen lassen sich nicht durch Appelle beenden, sondern nur durch massiven Druck.

Zu diesem Schluß kommt Anna Weirich, im Gegensatz zu ihren gewerkschaftlichen Kollegen, auch:

ZitatEinige der georgischen Fahrer aus dem ersten Protest in Gräfenhausen haben bereits die positive Erfahrungen gemacht, dass sie durch kleinere gemeinsame Aktionen Forderungen bei dem polnischen Unternehmen durchsetzen können. Das hat vielen anderen Fahrenden vor Augen geführt, dass es sich lohnen kann, sich zusammenzuschließen, um für die eigenen Rechte einzutreten. Ob dieses Beispiel über Gräfenhausen und die Mazur-Gruppe hinaus zu einem Modell für Fahrende auf Europas Straßen wird, wissen wir erst, wenn der erste Protest von Fahrenden anderer Speditionen auf einem anderen europäischen Parkplatz beginnt.
https://www.ipg-journal.de/rubriken/arbeit-und-digitalisierung/artikel/protestcamp-auf-raedern-7023/

Der erste Protest von Fahrenden anderer Speditionen auf einem anderen europäischen Parkplatz wird kommen. Erst damit kann ein Druck auf das europäische Transportsystem entstehen, der nicht von den sozialdemokratischen Politikern kommt, auf die die Gewerkschaften gesetzt haben.

Wir sollten vorbereitet sein und dafür sorgen, daß nicht wieder sozialpartnerschaftliche Kräfte die Streikführung an sich reißen und dem Arbeitskampf den Biß nehmen.

Kuddel

Der Streik ist vorbei!

Ab 10°° soll auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden, was für ein Ergebnis erkämpft worden ist.


Kuddel

ZitatEinigung mit Spedition
Lkw-Streik auf A5-Raststätte Gräfenhausen beendet – Fahrer werden ausbezahlt



 Mehr als zwei Monate hatten dutzende Lkw-Fahrer an der A5-Raststätte Gräfenhausen für die Auszahlung ausstehender Löhne gestreikt. Zeitweise befanden sich einige von ihnen im Hungerstreik. Nun einigte man sich mit dem säumigen Speditionsunternehmen.


Nach mehr als zwei Monaten ist der Lkw-Fahrer-Streik an der A5-Raststätte Gräfenhausen bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) am Freitag beendet worden. Die Streikenden und ihre Unterhändler erzielten eine Einigung mit der polnischen Spedition, für welche die Streikenden tätig waren.

Die Lkw-Fahrer sollen einen großen Teil ihres geforderten Geldes ausgezahlt kriegen. Ob das Geld allerdings von der bestreikten Spedition oder einer anderen Stelle ausgezahlt wird, blieb zunächst unklar.

Spedition zieht Anzeigen zurück


Letzter Knackpunkt bei den Verhandlungen war die Frage nach möglichen juristischen Konsequenzen aus dem Streik. Die Lkw-Fahrer und ihre Verhandlungsführer forderten eine Zusicherung, dass gegen die Streikenden nicht strafrechtlich vorgegangen wird.

Der bestreikte polnische Speditionsunternehmer hatte Anfang August bei der Darmstädter Staatsanwaltschaft Anzeige unter anderem wegen Erpressung erstattet. Am Freitag nun einigte man sich darauf, dass die Anzeigen zurückgenommen werden.

Viele Fahrer brachen in der spontan einberufenen Versammlung in Jubel aus. Der vierfache Vater Nasim war die ganze Zeit über bei dem Streik dabei. "Ich bebe innerlich vor Freude. Nicht nur, weil ich einen Teil meines Geldes wiederbekomme, sondern auch, weil ich meine vier Kinder und meine Enkeltochter in Usbekistan wieder sehen kann", sagte er dem hr. (...)



"Das war wirklich schon ein humanitärer Krieg, was hier in Gräfenhausen in den letzten Monaten passiert ist", sagte Edwin Atema, Verhandlungsführer der europäischen Transportarbeitergewerkschaft.

Atema betonte aber, damit seien nur die aktuellen Probleme der Fahrer in Gräfenhausen gelöst. Der Streik hätte die grundsätzlichen Probleme der Branche in ganz Europa, darunter ausstehende Löhne und Menschenrechtsverletzungen, ins Rampenlicht gerückt.

Nun könne sich kein Auftraggeber oder Spediteur mehr der Verantwortung entziehen und behaupten, er habe nicht gewusst, unter welchen Bedingungen teilweise gearbeitet werde. (...)
https://www.hessenschau.de/wirtschaft/lkw-streik-auf-a5-raststaette-graefenhausen-beendet--fahrer-werden-ausbezahlt-v1,lkw-streik-graefenhausen-beendet-100.html

Nach meinem Wissen kommt das Geld nicht von Mazur. Mazur blieb ganz der Alte. Bei den Bescheinigungen für den Verzicht auf rechtliche Schritte, schlichen sich immer wieder "Formfehler" ein. Er mußte die Erklärungen bis zu 3x neu ausstellen. Das Geld soll angeblich von Auftraggebern kommen, die unter dem Druck von Torsten Safarik, Präsident des Bundesamts für Wirtschaft, standen.

Mal sehen, ob näheres über diesen Deal bekannt wird.

Die Rolle der professionellen Unterstützer bleibt zwiespältig. Sie haben praktische Hilfe geleistet und auch für die Öffentlichkeitsarbeit gute Aktionen gebracht.

Es blieb eine paternalistische Haltung den Streikenden gegenüber. Professionelle Wohtätigkeitsarbeit für die armen, hilflosen, ausgebeuteten Migranten.

Die Streikenden hatten kaum mitzureden. Es wurde von den Gewerkschaftern alles getan, daß der Arbeitskampf nicht überspringt auf andere Trucker oder Arbeitsmigranten in anderen Branchen.

Man sollte nicht vergessen, daß die Helfer, die sich an die Spitze des Streiks gestellt haben, in einer befremdlichen Zusammenarbeit aus Gewerkschaften, gewerkschaftsnahen Stiftungen, Unternehmensverbänden und Politikern dieses Ergebnis erzielt haben.

Ziel erreicht. Es herrscht wieder Ruhe an den deutschen Autobahnen.

counselor

Ich freue mich für die Trucker!

Jetzt muss es daran gehen, das ganze neoliberale Transportwesen mit seinen kriminellen Arbeitsbedingungen infrage zu stellen.

Es gehört sowohl die soziale, wie auch die Umweltfrage gestellt!
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

ZitatDeutscher Gewerkschaftsbund

Pressemitteilung

LKW-Fahrer in Gräfenhausen beenden nach neun Wochen ihren Protest
Missstände in der Branche müssen jetzt konsequent unterbunden werden


29. September 2023

Die LKW-Fahrer in Gräfenhausen beenden heute ihren Protest. Grund dafür ist,
dass Akteure Verantwortung gezeigt haben und so gemeinsam eine Lösung her-
beiführen konnten, um die Situation vor Ort zu entschärfen. Durch geleistete
Zahlungen kann den Fahrern geholfen werden.

Für die Fahrer geht damit ein mutiger, langer und verzweifelter Kampf zu Ende,
der einmal mehr ein erschreckendes Licht auf die Arbeitsbedingungen auf Eu-
ropas Straßen geworfen hat. Sie haben in einer äußerst bedrohlichen und zuge-
spitzten Situation verantwortungsbewusst und solidarisch gehandelt und allen
Kriminalisierungsversuchen durch Mazur getrotzt. Dabei haben die Fahrer eine
breite Solidarität und eine große Unterstützung vor allem durch gewerkschaft-
liche und kirchliche Akteure erfahren. Dies gilt insbesondere für das Beratungs-
netzwerk Faire Mobilität, die Stiftung RTDD, die katholische Betriebsseelsorge
des Bistums Mainz und die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) sowie für
die umliegenden Kommunen, alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und
die unzähligen Lkw-fahrenden Kollegen, die täglich ihre Solidarität mit dem
Kampf der Kollegen auf dem Parkplatz demonstriert haben. Die breite Unter-
stützung ist auch Ausdruck davon, wie essenziell die Arbeit von Berufskraftfah-
renden für das Funktionieren dieser Gesellschaft ist und wie katastrophal und
schockierend gleichzeitig deren Arbeitsbedingungen sind.

Mit der in diesem Fall gefundenen Lösung sind die Missstände im internationa-
len Straßentransport keineswegs beseitigt. Eine Fortsetzung der Ausbeutung
auf den Straßen Europas lässt sich nur verhindern, wenn die Einhaltung beste-
hender Regeln konsequent überprüft wird. Zudem zeigt sich, dass die Auftrag-
geber in den Lieferketten ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und für gute Ar-
beitsbedingungen der Lkw-Fahrer*innen verbindlich Verantwortung
übernehmen müssen. Dabei können Akteure wie die Stiftung RTDD (Road
Transport Due Diligence) eine wichtige Rolle einnehmen.

Kriminellen Transportunternehmen, wie den Unternehmungen der Familie Ma-
zur, muss von den zuständigen europäischen Behörden die Transportlizenz ent-
zogen werden. Ebenfalls sind die polnischen Behörden in der Verantwortung,
solchen Unternehmern das Handwerk zu legen.

V.i.S.d.P.: Michael Rudolph

BGS

Auch ich freue mich für die Fahrer und deren Familien.

Es wird weitere Streiks geben.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel



https://x.com/AtemaEdwin/status/1708127827084656862

Solche Szenen bewegen mich.

Das Ergebnis wird von den Fahrern als Sieg gefeiert.

Das ist nicht selbstverständlich, denn als das Angebot bekannt wurde, daß ein Großteil der Lohnforderungen beglichen wird, doch nicht zu 100%, waren einige Fahrer unzufrieden und wollten weiterstreiken. Andere waren aber mit den Nerven am Ende und kurz davor, aufzugeben ohne Verhandlungsergebnis. Nicht alle haben 9 Wochen Streik durchgehalten, doch die Streikenden blieben bis zum Abschluß geeint. Respekt!

Was zur Zeit an informationen durch die Medien geistert, ist relativ ungenau und in Teilen falsch. Das liegt an der Öffentlichkeitsarbeit der Gewerkschaften.

In den Medien heißt es, das Ergebnis sei mit Mazur ausgehandelt worden, doch das ist nur teilweise richtig. Man hat Mazur dazu bewegen können, alle juristischen Maßnahmen gegen die Streikenden einzustellen und keine weiteren einzuleiten. Das hat er schriftlich bestätigt.

Das Geld kommt jedoch nicht von Mazur.

Er hat eine seiner Speditionen verkauft und die ist zahlungswillig. Weiterhin bewegte sich etwas bei den Auftraggebern unter dem Druck von Behörden und der Öffentlichkeit. Man befürchtete eine Rufschädigung durch die Zusammenarbeit mit Mazur. Sie verlangen Stillschweigen und wollen ihren Namen nicht in der Öffentlichkeit sehen.

Es wurden bei den Zahlungsangeboten die Fahrer unterschiedlich behandelt, je nach Spedition der ursprünglichen Mazur-Gruppe. Einige sollten 100% bekommen, andere nur 80%. Die Fahrer einigten sich auf eine Lösung, bei der alle gleich behandelt werden. Rund 90% für jeden.

Eine Aufarbeitung des Streiks, der Unterstützung durch Gewerkschaften und die viel zu wenig beachtete Solidaritätsarbeit unterschiedlichster Akteure, sollten nun Thema werden.

Gewerkschaften und Transportwirtschaft wollen gemeinsam ihre Lehren aus diesem Arbeitskampf ziehen.

Der DGB, Faire Mobilität und die Friedrich-Ebert-Stiftung laden zu der Konferenz ,,Gräfenhausen ist kein Einzelfall! – Für faire grenzüberschreitende Arbeit in Europa!" am 12. Oktober 2023. Anmerkung: Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist keine gewerkschaftsnahe Stiftung, sondern eine der SPD. Ausgerechnet die Partei, die für die Ausweitung des Niedriglohnsektors (u.a. Agenda 2010) verantwortlich ist.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) will am 16. Oktober einen Krisengipfel ausrichten. Das Amt will mit Vertretern von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften der Branche Lösungen diskutieren.

Hier wird man sich darüber Gedanken machen, wie man Arbeitskämpfe in Zukunft verhindert, ohne den brutalen Transportsektor mit entsprechenden Arbeitsbedingungen wesentlich zu verändern.

Es steht eine klassenkämpferische Analyse an. Der erste und der zweite Wilde Streik haben Zeichen gesetzt und den Fahrern diverser Nationalitäten Hoffnung gemacht: Es ist möglich, sich gegen die schrecklichen Bedingungen zu wehren.

LKW Fahrer haben eine enorme Macht. Wenn kollektive Kämpfe erst die Lieferketten reißen lassen, wird ein neues Kapitel der Arbeitskämpfe geschrieben. Wenn die Fließbänder der Automobilindustrie stehen bleiben, herrscht Großalarm. Darüber sollten wir uns Gedanken machen. Wir sollten sehen, wie wir solche Entwicklungen vorantreiben und unterstützend dabei sein können.

Nikita

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/a5-wochenlanger-fahrerstreik-auf-autobahnraststaette-beendet-a-a75f194f-4498-4d93-8bf2-2b11cc469a3e

Nicht gezahlte Löhne

Wochenlanger Lkw-Fahrerstreik auf Autobahnraststätte beendet

Mehr als zwei Monate haben Lkw-Fahrer aus Usbekistan und Georgien an der A5 für ihre Rechte gestreikt. Nun ist eine Einigung mit dem polnischen Spediteur da. Alle Probleme seien aber nicht gelöst, sagen Gewerkschafter

...

Kuddel

Eine aktuelle Meldung zum Thema Arbeitskampf in Gräfenhausen:

ZitatNach Ende des Lkw-Fahrerstreiks: Unternehmen bestreitet Einigung

Nach zwei Monaten Streit und einem Hungerstreik beenden die Fahrer den Protest in Gräfenhausen. Doch das Unternehmen hat eine andere Wahrnehmung der vermeintlichen Einigung.


Gräfenhausen – Die polnische Spedition hat eine Einigung im Konflikt mit den streikenden georgischen und usbekischen Lkw-Fahrern vehement abgestritten. Die Finanzchefin des Unternehmens, Magdalena Kurek, betonte am Montag (2. Oktober), dass es keine Unterzeichnung einer Vereinbarung mit den Streikenden oder ihrem Verhandlungsführer, dem niederländischen Gewerkschaftsführer Edwin Atema, gegeben habe. Sie fügte hinzu, dass das Unternehmen auch keine Zahlungen an die Fahrer getätigt hat.

Kurek erklärte, dass die Spedition plant, ,,die Angelegenheit auf rechtlichem Weg" zu regeln. Nachdem die Fahrer ihre Lkw am Wochenende an die Spedition zurückgegeben hatten, ,,zogen wir unsere Ansprüche im Zusammenhang mit der Unterschlagung der Autos zurück", so Kurek. Die Spedition hatte zuvor bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt Anzeige wegen Erpressung gegen die Fahrer erstattet.

Streik am Wochenende beendet – Lohnnachzahlung aber noch nicht geklärt

Das Ende des Streiks wurde am Wochenende verkündet. Atema sagte am Montag, dass ,,Verantwortliche" die Bezahlung der Fahrer übernommen hätten. Wer genau wie viel gezahlt hat, wurde jedoch nicht offen gelegt. Während des Streiks waren bereits Gelder von Unternehmen innerhalb der Lieferkette an die Fahrer geflossen.
(...)
https://www.fr.de/hessen/nach-ende-des-lkw-fahrerstreiks-unternehmen-bestreitet-einigung-zr-92555579.html

Nanu!?!

Beim ersten Streik war allen klar: Mazur und seinen Aussagen kann man nicht trauen. Man ging auf Nummer sicher. Die Fahrer erklärten, der Streik sei erst dann beendet, wenn der letzte Fahrer den letzten ausstehenden Euro erhalten hat. So wurde es erfolgreich gehandhabt.

Als es beim 2. Streik hieß, es hätte eine Einigung gegeben, war ich skeptisch und habe gefragt, ob die Fahrer bereits ihr Geld hätten. Mir wurde gesagt, ein Abschlag sei bereits auf ihren Konten angekommen. Als ich fragte, ob es denn sicher sei, ob der Rest auch wirklich bei den Fahrern ankommt, wurde mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, das sei alles sicher und würde auch nicht von Mazur selbst kommen.

Das hat man wohl auch so den Fahrern und Unterstützern gesagt.

Jetzt wird es interessant. Hat sich der Verhandlundgsführer Edwin Atema verarschen und über den Tisch ziehen lassen?

Ich wünsche den Fahrern, daß sie das zugesagte Geld noch erhalten.

Wenn nicht, ist es von der die ganze Zeit unprofessionell vorgehenden Streikleitung von FNV/DGB/Verdi zu zahlen. Sie haben die Streikenden die Überweisung des Geldes zugesagt. Das ist ein mündlicher Vertrag.

Ich habe hier die Begriffe "unprofessionell" und "Streikleitung" benutzt. Die genannten Gewerkschaften und auch die gewerkschaftsnahen Stiftungen haben sich die ganze Zeit über aufgeführt, als sei es "ihr" Streik. Die Stiftungen wollten wohl auch mehr sein, als humanitäre Helfer.

Ich habe die christlichen Gruppen bewußt nicht in diese Reihe gestellt, denn sie haben nie das Rampenlicht gesucht, sie haben Kameras und Mikros gemieden und sich einfach um das Wohlergehen der Streikenden gekümmert, ohne in ihrem Namen zu sprechen.

In der Gruppe der Unterstützer blieb vieles ungeklärt. Die Strukturen, die Hierarchien, die Verantwortlichkeiten. Jeder schien da irgendwas zu machen, ohne es mit dem anderen abzusprechen. Selbst die Versorgung der Fahrer litt darunter. Ein größeres Gewicht hat aber die Aneignung der Streikführung, bei der die Streikenden selbst in den Hintergrund gerieten. Das Ablehnen von Hilfe und Helfern jenseits des eigenen Kreises, war eine unangenehmes Vorgehen. Diese "Streikführer" vermieden es die ganze Zeit über, das Wort "Streik" in den Mund zu nehmen. Sie ersetzten es durch "Protest". Es wurde nicht nur das Wort vermieden, sondern auch jeglicher Versuch, den Arbeitskampf auszuweiten. Man setzte allein darauf, die Lösung des Konflikts in die Hände "der Politik" zu legen. Lokalpolitiker, Landespolitiker, Bundespolitiker, EU-Politiker, alle wollten sich mit den Streikenden knipsen lassen.

Was wir im Moment haben, ist das nun ein Desaster durch ein Vollversagen des gewerkschaftlichen Verhandlers oder ist es nur schlechte Kommunikation?

Ich hatte mich im Vorfeld bei holländischen Gewerkschaftern über Edwin Atema erkundigt und das klang nicht gut. Er hat dort wohl oft juristische Lösungen gesucht und überwiegend vor Gericht verloren.

Kuddel

Im Moment sieht es nach einem Fall schlechter Kommunikation aus.
Einige Fahrer haben vermeldet, daß sie ihr Geld erhalten haben. Andere sind optimistisch, daß es auch bei ihnen ankommt.

Wir sollten also erstmal nicht die Pferde scheu machen und abwarten.

Kuddel

Eine Einschätzung im Verfassungsblog:

ZitatErstens herrscht momentan ein großer Arbeitskräftemangel, der durch die Überausbeutung von LKW-Fahrer:innen während der Pandemie und durch den Ukrainekrieg – viele Fahrer:innen stammen aus dem osteuropäischen und west-asiatischen Raum – verstärkt wurde. Laut Erhebungen der International Road Transport Union (IRU) fehlten im Jahr 2022 allein 425.000 Fahrer:innen in Europa. Dadurch und durch weitere damit verschränkte Entwicklungen, lässt sich eine latente Transportkrise konstatieren, die die Arbeitenden zu ihrem Vorteil nutzen konnten und die ihre Handlungsmacht verstärkte. Zweitens gelang es den Arbeitenden internationale Solidaritätsnetzwerke aufzubauen und zu nutzen, bzw. ein Rescaling ihres lokalen Kampfes mit einem polnischen Spediteur auf eine internationale Ebene. Beide Male organisierten LKW-Fahrer:innen in Süd-Korea Solidaritätsstreiks und Proteste mit den Streikenden in Gräfenhausen. Die schwedische Gewerkschaft Solidariska Byggare setzte zuletzt einen Streikfond auf. Auch vor Ort wurden die Streikenden durch Lebensmittelspenden, Shuttlefahrten nach Darmstadt zum Duschen und einem Streikfond der FAU unterstützt. Drittens stützten sich die Streikenden und ihre Vertreter:innen auf die Skandalisierung der Rechtsverstöße, wodurch sie sowohl medial als auch bei den deutschen Behörden Druck aufbauen konnten, diesen Fall zu untersuchen.

Fazit

Durch die kollektive Mobilisierung ist es den Streikenden gelungen, die in der Lieferkette verborgenen Formen der Ausbeutung sichtbar und damit rechtlich angreifbar zu machen. Denn die Stabilität der globalen Produktions- und Lebensweise, die weltweit Natur und Arbeitskraft ausbeutet, beruht gerade darauf, dass die Ausbeutung unsichtbar bleibt.
https://verfassungsblog.de/powered-by-the-supply-chain/

Dann begibt sich das Verfassungsblog aufs juristische Terrain.
ZitatDieser Kampf einer globalisierten Arbeiter:innenklasse findet in dem LkSG einen rechtlichen Anknüpfungspunkt im Sinne einer institutionellen Machtressource. Der qualitative Sprung dieses zurecht als "Baustein eines transnationalen Arbeitsrechts" beschriebenen Gesetzes besteht darin, dass es eine rechtliche Bindung der Unternehmen an die ILO-Übereinkommen herbeiführt, sodass alleine die Drohung damit Wirkung zeigen kann. Das LkSG entspricht allerdings zugleich dem Interesse vor allem transnational agierender Unternehmen.
https://verfassungsblog.de/powered-by-the-supply-chain/

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